Protocol of the Session on January 12, 2012

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Bürgerschaftliches Engagement bringt die Menschen zusammen und unsere Stadt voran. Die Impulse, die daraus entstehen, müssen von der Politik ernst genommen und im Ausgleich der Interessen abgewogen werden. Nicht alles wird übernommen werden können, sei es aus finanziellen oder auch aus inhaltlichen Gründen. Aber in der Auseinandersetzung darüber beweist sich unsere lebendige Demokratie. Auch deshalb ist das bürgerschaftliche Engagement so wichtig.

Berlin ist eine weltoffene Metropole und steht als Hauptstadt für ein friedliches und tolerantes Deutschland. Große Metropolen sind aber auch weltweit anfällig für unterschiedliche Formen von Kriminalität. Berlinerinnen und Berliner, aber auch unsere Gäste aus aller Welt sollen in unserer Stadt sicher leben können.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Ein zentraler Baustein der Sicherheit ist die Prävention. Wir werden das Netz aus Polizei und Nachbarschaftseinrichtungen, Schulen und Vereinen weiter ausbauen. Hier ist im Vorfeld die Partnerschaft ganz wichtig. Wir rufen die Bürgerinnen und Bürger dazu auf, in der Polizei den Partner für ihre Sicherheit zu sehen und nicht jemanden, der am Rand steht.

Die abnehmende Gewalt am 1. Mai beispielsweise zeigt, dass dieser Ansatz auch fruchtet. Er wird unsere Sicherheitspolitik in den nächsten Jahren prägen. Gemeinsam erreicht man in dieser Partnerschaft mit den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort mehr. Gleichzeitig darf es keine Toleranz bei Rechtsvergehen und Straftaten geben. Da vertritt der Senat eine eindeutige und klare Haltung.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Bei Gewalt und Kriminalität werden wir nicht wegsehen, sondern mit aller Härte des Rechtsstaates vorgehen. Ich finde es schockierend, sehen zu müssen, wie einzelne Gewalttäter offenbar ohne jede Hemmung auf andere Menschen einschlagen oder Brandstifter mutwillig Eigentum zerstören und dabei auch vor der Gefährdung von Leib und Leben von Menschen keinen Halt machen. Es gibt keine Motivation, die das rechtfertigt. Es ist kriminell. Es muss so behandelt werden wie eine kriminelle

(Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit)

Tat. Es gibt keinen politischen Hintergrund, der das rechtfertigen könnte.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Beifall von Antje Kapek (GRÜNE)]

Die Berlinerinnen und Berliner können sich darauf verlassen, dass dieser Senat entschieden handeln wird, wo Unrecht geschieht. Ich danke der Berliner Polizei, dass sie mit aller Anstrengung diese Straftaten verfolgt – mit zunehmendem Erfolg.

Wir werden die Sicherheit erhöhen und die Speicherung von Daten aus der Videoüberwachung im öffentlichen Nahverkehr auf 48 Stunden verdoppeln. Wir führen das erfolgreiche Neuköllner Modell der beschleunigten Jugendstrafverfahren fort. Wir werden den Schutz der Verbraucher verbessern. Und wir werden die Polizei personell verstärken. Mit 250 zusätzlichen Vollzugsbeamtinnen und -beamten erhöhen wir die Polizeipräsidenz – – Polizeipräsenz in Berlin.

[Heiterkeit]

Natürlich wird das nur ein Teil der Maßnahmen sein. – Polizeipräsenz und Polizeipräsident klingt auch ganz gut nebeneinander. – Also, die werden wir auch noch schaffen. Und wir werden selbstverständlich durch andere Maßnahmen erreichen müssen, dass die Polizei effizient eingesetzt und von Aufgaben befreit wird, die nicht zu ihren eigentlichen Aufgaben gehören.

Klar ist aber auch: Wir werden uns nicht von Populisten treiben lassen. Auch bei schwersten Straftaten darf es nicht um Rache gehen. Es geht um gerechte Strafe. Und das ist immer eine rechtsstaatliche Strafe. Und wir stehen zu einer offenen und liberalen Gesellschaft und dürfen uns bei aller Härte diese Offenheit nicht durch eine übertriebene Sicherheitsstrategie, die manche von uns fordern, kaputtmachen lassen.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Uwe Doering (LINKE): Wer fordert denn so was?]

Im vergangenen Jahr haben wir an den Bau der Mauer vor 50 Jahren und an das Unrecht erinnert, das damit verbunden war, unter dem Millionen Menschen gelitten haben, besonders die Menschen im geteilten Berlin. Als Stadt, in der die Mauer stand, wollen wir auch in Zukunft an dieses Kapitel unserer Geschichte erinnern. Eine zentrale Rolle spielen dabei die Gedenkstätte Berliner Mauer und die Gedenkstätte Hohenschönhausen.

Die Berlinerinnen und Berliner waren Opfer der Teilung, aber sie haben auch für die Freiheit gekämpft. Und die friedliche Revolution des Jahres 1989 war der erste Umsturz in der deutschen Geschichte, in dem sich das Volk die Freiheit erkämpft hat. Berlin wird heute weltweit als Ort der Freiheit wahrgenommen. Berlin stellt sich dieser Auseinandersetzung mit seiner eigenen Geschichte.

Im Jahr 2012 werden wir auf 775 Jahre Stadtgeschichte zurückblicken. Die vielen aktuellen archäologischen Grabungen im Zentrum Berlins mit ihren teilweise spektakulären Funden geben uns die Möglichkeit, Stadtgeschichte heute ganz anders nachzuzeichnen als bei früheren Jubiläen.

[Zuruf von Gerwald Claus-Brunner (PIRATEN)]

Der Senat wird alles daransetzen, dass Berlin ein würdiges Stadtjubiläum begeht und seine Geschichte präsentiert.

Wir werden daran erinnern, dass Berlin immer von Zuwanderung geprägt war. Vielfalt ist der Reichtum dieser Stadt und war es immer. Als die Vielfalt zerstört wurde, begann der Weg in die Katastrophe der Shoa und des Krieges. Wir stellen uns der Erinnerung und pflegen die Gedenkorte, weil Berlin gelernt hat: Erinnerung heißt, der Geschichte ins Auge zu sehen. Erinnerung stärkt die Abwehrkräfte gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Homophobie. Erinnerung gibt Kraft, um die Zukunft einer toleranten und weltoffenen Metropole zu gestalten.

Das ist die Leitidee dieses Senats, der für all diejenigen ein verlässlicher Partner sein wird, die sich für eine demokratische Kultur und gegen Diskriminierung, Rassismus, Antisemitismus und Homophobie engagieren. Wir sind alle in der Verpflichtung, jeden Tag und immer wieder aufs Neue dafür Sorge zu tragen, dass in Berlin ein Klima der Akzeptanz und des Respekts herrscht gegenüber allen Menschen, die hier friedlich miteinander leben. Das muss das Motto eines täglichen zivilen Umgangs miteinander sein. Dafür steht dieser Senat, und dafür bitten wir um Ihre Unterstützung.

[Beifall bei der SPD, der CDU – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Und noch etwas: Ich bin mir völlig im Klaren darüber, dass man durch Verbote kein Gedankengut verhindern kann. Aber – ich weiß nicht, wie es Ihnen gegangen ist – ich fand und finde es bis heute unerträglich, dass uns diese unsäglichen Plakate der NPD, die unsere Demokratie zerstören wollten – im Wahlkampf hingen sie, mit Steuergeldern finanziert – beleidigt haben.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Deshalb und auch aus dem Bewusstsein heraus, dass eine Demokratie auch wehrhaft sein muss – bei aller Toleranz muss man sich nicht alles gefallen lassen; wir wollen eine wehrhafte Demokratie haben –, wollen wir mit allem Nachdruck dafür sorgen und unseren Beitrag dazu leisten, dass die NPD endlich verboten werden kann. Wir werden Herrn Henkel, die Innenminister der Länder und den Bundesinnenminister dabei unterstützen, um diesen Verbotsantrag dann auch gerichtsfest durchzubekommen.

(Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit)

[Beifall bei der SPD, der CDU – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Zuruf von Gerwald Claus-Brunner (PIRATEN)]

Wir setzen alles daran, dass Berlin seine quirlige Urbanität als spannende Metropole behält.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Wir setzen auf Berlins Anziehungskraft für kluge Köpfe und Talente, mit anspruchsvollen Arbeitsplätzen, mit guter Bildung und exzellenten Hochschulen, mit erfolgreichen innovativen Unternehmen. Und wir werden das pflegen, was Berlin so sympathisch macht: die menschliche Seite der Metropole, die Nachbarschaft und den Zusammenhalt in den Kiezen.

Dieser Senat steht dafür, dass Berlins Aufholprozess fortgesetzt und der Anschluss an die wachstumsstarken Regionen des Landes gefunden wird. Dabei setzen wir auf Solidität und Verantwortung.

Berlin ist eine Stadt im Wandel, die jeden Tag etwas Neues entdeckt oder vorhält. Das wissen die Berlinerinnen und Berlin nur zu gut. Nicht jedem passt dieser Wandel. Aber ich glaube, die Spannung in dieser Stadt ergibt sich gerade daraus.

Aber die Bürgerinnen und Bürger wollen auch eine verlässliche Politik. Das Machbare zu tun, eine klare Richtung vorzugeben, keine leeren Versprechen zu geben, das ist von den Bürgerinnen und Bürgern eingefordert worden. Und auch dafür steht dieser Senat: deutlich zu machen, dass wir kontinuierlich an der Lösung der Probleme arbeiten werden.

Der Senat hat sein Konzept für Berlin als zukunftsfähigste Metropole Europas vorgelegt. Wir bauen auf frische Tatkraft auf dem Weg, auf dem Berlin sich befindet. Wir laden die Bürgerinnen und Bürger Berlins ein, mit uns diesen Weg zu gehen, im engen Dialog, in Respekt voreinander und in Solidarität mit allen, die Hilfe brauchen – für eine starke Wirtschaft, für gute Arbeit und für den sozialen Zusammenhalt.

Berlin kann optimistisch in die Zukunft schauen und sich zu einer starken und menschlichen Metropole entwickeln. – Schönen Dank!

[Anhaltender Beifall bei der SPD und der CDU – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Regierender Bürgermeister! – Wir kommen zur Aussprache mit einer Redezeit von bis zu 30 Minuten pro Fraktion. Es beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Ich erteile der Kollegin Ramona Pop das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das hatte gerade etwas von Wachklatschen zum Ende der Rede bei der Koalition.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Lars Oberg (SPD): Guten Morgen!]

Genau! Schön, dass Sie wach sind! – Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen ging. Ich hatte unterwegs den Eindruck, dass der Regierende Bürgermeister ständig neue Zettel in seinem Stapel gefunden hat und sie auch noch schnell vorlesen musste.

[Beifall und Heiterkeit bei den GRÜNEN – Zurufe von der SPD]

Alle haben sich gefragt, wann es in Berlin denn nun endlich mit dem Regieren losgeht – wie einst Otto Reuter seinen gewissenhaften Maurer besungen hat: „Aber gewiss, lieber Mann, da fang’n wir gleich morgen an!“ – Nachdem die Abgeordnetenhauswahl vom 18. September nun schon lange vorbei ist, kommen Sie jetzt, Mitte Januar, mit der Regierungserklärung! Länger geht es tatsächlich nicht. Sie haben die Dinge liegen und die Stadt lange darauf warten lassen, was sie nun von Rot und Schwarz zu erwarten hat!

Sie haben während Ihrer Koalitionsverhandlungen versprochen und in Ihrem Koalitionsvertrag regelrecht beschworen, dass dies eine stabile Koalition der Vernunft sei, doch Ihre bisherige Tätigkeit war weder vernünftig noch stabil, sondern von internen Reibereien um Inhalte und Stellenbesetzungen, ersten Senatskrisen und Rücktritten geprägt.

[Beifall bei den GRÜNEN – Lachen bei der SPD – Zurufe von der CDU]

Der erste Senator ist bereits über Bord gegangen.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Das war ja wohl ein ziemlicher Fehlstart.