Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Meine Damen und Herren! Ich weise darauf hin, zu dem dringlichen Antrag ist beantragt worden, dass eine sofortige Abstimmung durchgeführt wird. Die Regelungen der Redezeiten im Prioritätenblock ist Ihnen erläutert worden. Es beginnt die Fraktion Die Linke und da hat der Kollege Brauer das Wort. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der seit nunmehr fast 20 Jahren alljährlich zu Pfingsten stattfindende Karneval der Kulturen und sein großartiger Straßenumzug mauserten sich inzwischen zum größten kulturellen – ich betone: kulturellen – Straßenfest der Stadt und wurden zu einem internationalem Markenzeichen Berlins. So etwas setzt man nicht leichtfertig aufs Spiel. Umso erschütterter bin ich, dass der Senat und die Koalition seit vielen Monaten die Hilferufe und Warnungen ignorierten, die nachdrücklich darauf aufmerksam machten, dass die bisherigen Organisatoren bis an die Grenze ihrer Kapazitäten gelangt seien und die erheblichen Aufwendungen in puncto Sicherheit, Gebühren etc. pp – Sie kennen das – mit dem bisherigen Förderinstrumentarium einfach nicht mehr zu stemmen seien. Was tat man? – Man tat mehr als nichts, man tat nämlich gar nichts.
Die Integrationsbeauftragte des Senats saß im Kontrollgremium des bisherigen Veranstalters. Keine Ahnung, was sie dort registriert hat, jedenfalls scheint sie dort nichts mitgekriegt zu haben. Frau Kolat hingegen teilte Anfang Januar mit, dass man sich von der Werkstatt der Kulturen als Veranstalterin getrennt habe, nachdem die Werkstatt allerdings ihrerseits erklärt hatte, dass sie zu den bisherigen Konditionen nicht mehr zur Verfügung stünde. Frau Senatorin! Das ist so ein bisschen Wag-theDog-Politik, pardon. Dann überraschten Sie die Stadt mit der freudigen Nachricht, dass alles gut sei, weil für 2015 Ihrerseits genauso viel Mittel zur Verfügung gestellt würden wie im vergangenen Jahr. Toll! Ich weiß nicht, für wie beschränkt Sie uns und die Berliner Öffentlichkeit eigentlich halten, weil genau diese nicht ausreichenden Mittel zum bisherigen Crash führten.
Erstes Problem, Frau Kolat: Sicherheitskonzept und Straßenreinigung – aha, jetzt wartet sie darauf, dass man ihr etwas sagt –: Warum in drei Teufels Namen, Frau Senatorin, waren Sie nicht in der Lage, den Straßenumzug als politische Veranstaltung anerkennen zu lassen? Das hätte einiges erleichtert, okay, zulasten der Einnahmesituation der öffentlichen Hand. Dafür hat Berlin jetzt aber den politischen Schaden.
Zweites Problem: Sponsoring, eigentlich etwas ganz, ganz Kleines. Die Gruppen haben einen Forderungskatalog aufgestellt. Der ist, wenn man es genau liest, eher eine freundliche Bittstellerliste. Ein Beispiel: Warum sind Sie bzw. Frau Lüke nicht längst wieder in den Dialog mit den Wasserbetrieben getreten? Wenn Ihnen der Weg zu weit ist: Hier sitzt die Wirtschaftssenatorin, Frau Yzer. Reden Sie mit der, um zum Beispiel ein einmal gehabtes Sponsoringmodell in Sachen Wasser für die Gruppen wiederzubeleben! Manchmal fängt es im Kleinen an.
Drittes Problem: der Veranstalter. Vor 14 Tagen kündigten Sie eine „gemeinnützige GmbH“ an, ganz geheimnis
voll. Vorgestern gab es die noch nicht. Jetzt wollen Sie uns in der nächsten Woche irgendetwas erzählen. Frau Kolat! In vier Monaten ist Pfingsten, in vier Monaten, in 16 Wochen! Außer viel Gerede ist bisher nichts gewesen. Wer soll Ihnen nach dem vielen Gerede ohne konkrete Folgen eigentlich noch glauben?
Wir fordern eine ausreichende Finanzierung des Karnevals 2015, unabhängig davon, wer ihn organisiert. Das zum Punkt 1 unseres Antrags. Dort steht „Werkstatt der Kulturen“, bitte verstehen Sie das als Platzhalter.
Für 2016 und die nachfolgenden Jahre wollen wir Planungssicherheit. Deshalb unsere Forderung, den Karneval der Kulturen mit einem ordentlichen Haushaltstitel im Kulturetat zu verankern. Es ist eine Kulturveranstaltung. Das heißt ja nicht, dass die arme Kulturverwaltung den jetzt durchführen soll, sie soll ihn aber ermöglichen. Dass sie dazu in der Lage wäre, hat nicht zuletzt das beeindruckende Fest zum Jubiläum des Mauerfalls gezeigt. Deswegen unser Antrag und nur deswegen.
Die Kollegen der Grünen werden gleich erklären, dass ihr Antrag natürlich noch viel besser sei. Gerne! Allerdings sagt ihr Text nichts anderes aus als der unsere. Er ist etwas unverbindlicher formuliert. Aber das ist mir genaugenommen egal. Uns ist wichtig, dass der Karneval der Kulturen nicht stirbt, und wer dann dafür das Copyright beantragt, ist sekundär.
Aufgabe des Parlaments, Frau Kolat, ist es allerdings nicht, die Arbeit des Senats zu machen. Gerne hätte ich mit dem Hinweis geschlossen: Bitte schön, Herr Regierender Bürgermeister Müller, übernehmen Sie! – Herr Müller ist aber nicht da. Die Senatsbänke sind fast leer, sodass ich nur leicht persifliert Dante zitieren kann: Lass, der du Hoffnung auf den Senat setzt, alle diese Hoffnung fahren! – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
Danke schön! – Lieber Kollege Brauer! „Fast leer“ ist so nicht richtig. Sie müssen mal den Blick nach links richten. Das fällt Ihnen doch nicht so schwer.
Da sind auch Herrschaften vom Senat. – Für die SPDFraktion hat jetzt der Kollege Lehmann das Wort. – Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Jetzt werde ich mich mal nicht so miesfischig hierher stellen wie mein Vorredner
und komme zu meinen Punkten. Der Karneval der Kulturen ist für die Berlinerinnen und Berliner ein Stück bunte, gelebte Kultur. Er ist nicht nur ein Symbol einer bunten Großstadt, er verkörpert zugleich die Vielfältigkeit und Internationalität unserer Stadtgesellschaft und ist zu einem festen Bestandteil der Berliner Kulturlandschaft geworden. Aber nicht nur in Berlin kennt und schätzt man den Karneval der Kulturen. Weltweit, über die Landesgrenzen hinweg steht der Karneval in Berlin für Toleranz und Weltoffenheit. Touristen aus aller Welt reisen extra nach Berlin, um sich dieses Kulturereignis nicht nur anzusehen, sondern auch mitzufeiern. Die Zahl der Besucherinnen und Besucher liegt mittlerweile im Millionenbereich und wird somit bestätigt. Wir alle möchten nicht auf den Karneval verzichten, auch nicht in diesem Jahr. Ein jeder, eine jede von Ihnen hat sicherlich den Karneval in den letzten Jahren einmal besucht. Gerade in Zeiten von Demonstrationen sogenannter besorgter Bürgerinnen und Bürger sendet ein solches Kulturevent ein wichtiges Signal in die Welt.
[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN – Zuruf von Wolfgang Brauer (LINKE)]
Wir stehen aktuell jedoch vor der Schwierigkeit, dass die Werkstatt der Kulturen – Ausrichter dieses Festes in der Vergangenheit – einiges versäumte. Durch den Umstand, dass die Anzahl der Besucherinnen und Besucher mit jedem Karneval weiter angestiegen ist, sind zugleich auch die Anforderungen an die Sicherheit gestiegen. Spätestens seit der Katastrophe bei der Love-Parade in Duisburg 2010 steht das Sicherheitskonzept des Karnevals der Kulturen konkret auf dem Prüfstand. Der Karneval hatte zuletzt 1,5 Millionen Besucherinnen und Besucher, 800 000 allein am Karnevalsumzugstag am Pfingstsonntag. Das sehr hohe Besucheraufkommen, der in den letzten Jahren sehr hohe Alkoholkonsum, insbesondere auch durch nicht genehmigten Ausschank, die Kommunikation der Einsatzkräfte und die Absicherung von Verkehrsinfrastruktur, insbesondere der U-Bahnhöfe, bleiben sicherheitsrelevante Faktoren, die es zu berücksichtigen gilt.
Was wäre denn die Folge, wenn bei einer solchen Großveranstaltung einmal etwas passiert? Ich zitiere:
Der Werkstatt der Kulturen obliegt es, als Ausrichter einer koordinierenden und organisatorischen Art und Weise tätig zu werden. Die Werkstatt hat bei ihrer Planung und bei der Ausrichtung der Veranstaltung stets die Sicherheit und den Ab
So hieß es ursprünglich. Nun mussten wir jedoch feststellen, dass genau dies versäumt wurde. Der bisherige Veranstalter hat es in den vergangenen Monaten nicht geschafft, ein tragfähiges Sicherheitskonzept vorzulegen, weshalb das Büro der Integrationsbeauftragten zu Recht die Werkstatt der Kulturen von der Aufgabe entbunden hat. Die besondere Sicherheitslage erfordert zukünftig ein angepasstes Sicherheitskonzept und ein Vertrauen in eine verantwortungsvolle Organisation.
Derzeit führt die Senatsverwaltung Gespräche mit den Gruppen, die beim Karneval der Kulturen beteiligt sind. Den Ergebnissen wollen wir hier selbstverständlich nicht vorgreifen. Ich weiß aber, dass die Senatorin auf einem guten Weg ist, eine Lösung zu erarbeiten.
Die SPD-Fraktion unterstützt die Bemühungen des Senats, mit den Beteiligten des Karnevals der Kulturen schnell zu einem Ergebnis zu kommen.
Nein! – Wir tun das, damit der Karneval der Kulturen Berlin, wie gewohnt vielfältig, ein weiteres Mal bunter macht. – Herzlichen Dank!
Vielen Dank, Kollege Lehmann! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun die Kollegin Dr. Kahlefeld. – Bitte sehr, Sie haben das Wort!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist sehr viel schwieriger, etwas wieder in Ordnung zu bringen, als es gleich von Anfang an richtig zu machen.
Genau das ist das Problem beim Karneval der Kulturen. Er wurde seit Jahren von einem Träger veranstaltet, der auf seiner Website schreibt: „Wir können mehr als Karneval“. –, und sich so von einer ungeliebten Veranstaltung distanziert. Seit Jahren unterfinanziert und seit Jahren nur Blockadehaltung der zuständigen Senatsverwaltung gegenüber allen, die die Mängel in Organisation und
Hätten Sie einmal zugehört oder wenigstens Ihre Verwaltung angewiesen zuzuhören, dann hätte man leise und ohne Schaden für die Stadt die Mängel beheben können.