Protocol of the Session on January 15, 2015

Bei der Flüchtlingspolitik gibt es, Herr Wolf, bei der Kommunikation vor Ort bestimmt immer Optimierungspotenzial. Aber Senator Czaja an dieser Stelle so anzugehen, wie Sie es getan haben, schießt über das Ziel weit hinaus, weil er und sein Staatssekretär, aber vor allem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des LAGeSo rund um die Uhr im Einsatz sind, den Menschen, die aus Not oder Krieg zu uns kommen, ein Dach über dem Kopf zu verschaffen. Ich finde es nicht in Ordnung, wenn Sie ihn an dieser Stelle so hart angehen. Vielleicht liegt es daran, dass Sie die mangelnde Vorsorge kritisiert haben. Aber wenn ich darauf gucke, wer dieses Ressort zehn Jahre hatte, dann war es die Vorgängerin, die aus Ihrer Partei kam. Vielleicht hat dort die Vorsorge nicht geklappt.

[Beifall bei der CDU – Udo Wolf (LINKE): Sie haben keine Ahnung vom Thema!]

Aber ich komme zurück zur Charité: Sie ist der Leuchtturm der Wissenschafts- und Forschungslandschaft, und mir ist wichtig, Herr Finanzsenator, dass wir in unsere Überlegungen zu zusätzlichen Investitionen gerade die Charité einbeziehen. Denn Union und Koalition bekennen sich ausdrücklich zum Erhalt aller vier Standorte, und daher müssen wir das in unsere Überlegungen einbeziehen.

[Beifall bei der CDU]

Es ist ein Meilenstein: Heute wird in erster Lesung das Errichtungsgesetz für ein Berliner Institut für Gesundheitsforschung behandelt werden. Hier entsteht eine herausragende Institution der Medizin- und Forschungslandschaft. Bis 2018 wird das Land gemeinsam mit dem Bund und der Helmholtz-Gemeinschaft rund 300 Millionen Euro investieren und eine einmalige Einrichtung der Spitzenforschung errichten, die sich mit hoher Wahrschein

lichkeit weltweit einen Namen machen wird. Berlin ist eine der forschungsstärksten Regionen Deutschlands, und das ist natürlich auch entscheidend für den Wirtschaftsstandort. Der Bund hat die Finanzierung des BAföG übernommen und entlastet uns um 66 Millionen Euro. Meine Fraktion hat sich von Anfang an dafür ausgesprochen, diese 66 Millionen komplett in Bildung – größtenteils in den Hochschulbau – zu investieren. Die Umsetzung des Senats ist exakt so, und das ist ein gutes Signal. Denn die Hochschulen brauchen diese Millionen dringend für Reparaturen und Neubau, aber auch die Schulen. Herr Müller hat vollkommen recht: Es kann kein Zustand sein, dass sich unsere Kinder beim Gang zur Toilette ekeln müssen. Nein! Es ist richtig, nicht nur dieses Geld heranzuziehen, sondern im neuen Haushalt auch ein Schultoilettensanierungsprogramm zu verankern. Das ist etwas, was wir jahrelang gefordert haben.

[Beifall bei der CDU – Zuruf von Udo Wolf (LINKE]

Für uns sind Qualität und Vielfalt die wichtigsten Merkmale der Berliner Schullandschaft. Ausdruck dieser Vielfalt sind auch die freien Schulen und die Gymnasien. Deshalb haben wir uns als Union so vehement dagegen gestemmt, als es vor einiger Zeit darum ging, die Schulen in freier Trägerschaft einzuschränken. Wir werden uns genauso beherzt dafür einsetzen – Kollege Saleh hat es jetzt für seine Fraktion so erkannt –, dass die freien Schulen am Brennpunktprogramm teilnehmen können, sofern sie die Kriterien erfüllen. Wir sagen aber auch: Der Nachholbedarf bei der Schließung der Hortlücke muss stattfinden, denn die freien Schulen gehören nun einmal zur Vielfalt unserer Schullandschaft.

[Beifall bei der CDU]

Wer die Vielfalt des Bildungssystems will – und wir wollen das vielfältige System in einer offenen Metropole stärken –, muss auch ein starkes Gymnasium wollen. Deswegen sollten wir sehen, dass wir die Gymnasien beim Ganztagsneubau nicht abhängen, und möglicherweise noch einmal über die MSA-Prüfungen diskutieren, denn da werden Ressourcen vergeudet, die bei der Vorbereitung auf das Abitur anders verwendet werden können.

[Beifall bei der CDU]

Insgesamt steht die Koalition für eine ideologiefreie Schulpolitik. Das haben wir bei mehreren Maßnahmen in dieser Koalition und in dieser Wahlperiode unter Beweis gestellt.

[Steffen Zillich (LINKE): Mit Ideologie haben wir nichts zu tun, nee, nee! – Weitere Zurufe von der LINKEN]

Dass das eine Entfesselung Ihrer Regierungszeit ist, weil Sie für die Ideologie vorher verantwortlich waren, kann ich verstehen!

[Beifall bei der CDU]

Lassen Sie mich aber trotzdem darüber freuen, dass wir zahlreiche Entscheidungen getroffen haben, die sich von den Ihren unterscheiden: Wir haben die Sprachförderung der Kinder nachgebessert. Wir haben die Geschwisterkinderregelung beim Übergang auf die Oberschule wieder eingeführt. Der Wohnort wird berücksichtigt. Wir haben den unsäglichen Zwang zum jahrgangsübergreifenden Lernen abgeschafft. Und natürlich freue ich mich auch darüber, dass die Koalition nun eine Abschaffung der zwangsweisen Früheinschulung beschlossen hat. Wir haben uns als Union mit ganzer Kraft dafür eingesetzt, weil wir der Überzeugung sind, dass wir die Eltern in ihrem Recht, selbst zu entscheiden, was für die Entwicklung ihres Kindes richtig ist, stärken wollen.

[Beifall bei der CDU]

Ab sofort wird das unbürokratisch erfolgen. Wir werden aber auch das Gesetz mit der Stichtagsregelung verändern. Wir schaffen dafür 10 000 neue Kitaplätze. Wir brauchen sie, und das gehört zur Diskussion dazu: Lieber die Stichtagsänderung mit dem Schuljahr 17/18, dafür aber gut vorbereitete Kitas. Deswegen schaffen wir neue Kitaplätze, denn wir wollen eine gute Lösung für die Kitas.

Zu unserem Selbstverständnis als Union gehört – und das ist auch ein Kernanliegen der Koalition –, dass Sicherheit eine wesentliche Voraussetzung für die Lebensqualität unserer Bürger ist. Mit Frank Henkel als Innensenator setzen wir stark auf Prävention durch mehr Sichtbarkeit der Polizei auf der Straße. Gerade in diesen Tagen – aber wann sind die Tage in Berlin anders bei den Demonstrationen? –, wo die Polizisten rund um die Uhr im Einsatz sind, ist es absolut richtig – und ich schließe mich den Dankesworten meiner Vorredner für unsere Polizisten an –, dass wir die bessere Ausstattung der Polizei eingeleitet haben. Wir konnten ja auch, Herr Wolf, nicht wieder das gutmachen, was Sie an tausenden Polizeistellen in zehn Jahren gestrichen haben. Aber Frank Henkel hat eine Trendwende erreicht – 360 neue Stellen im Polizeidienst.

[Beifall bei der CDU]

Wir haben gemeinsam verabredet, dass Polizei und Feuerwehr weiterhin neue Stellen bekommen werden. Das ist richtig und das ist gut. Wir brauchen das auch, die Personalausstattung, darauf ist hingewiesen worden, im öffentlichen Dienst ist zu verbessern.

[Zuruf von der LINKEN]

Es wird dazu kommen, dass bis 2030 die Hälfte der Beschäftigten ausscheidet. Ja, wir werden Schwerpunkte setzen müssen, und der kommende Haushalt wird der Haushalt der Ausbildung sein müssen. Die Schwerpunkte werden beim Personal Bildung, Sicherheit und Bürgerfreundlichkeit sein.

[Zuruf von der LINKEN: Welche jetzt?]

Da sind bereits 295 Stellen in den Bezirken anerkannt worden. Aber lassen Sie mich bei der Sicherheit bleiben. Die Koalition gibt den Strafverfolgungsbehörden neue Instrumente, wie zum Beispiel Nulltoleranzbereiche gegenüber Dealern. Das ist genau richtig, um die Drogenkriminalität konsequent zu bekämpfen.

[Beifall bei der CDU – Dr. Klaus Lederer (LINKE): Sie reden von Sachen, von denen Sie nichts verstehen! – Weitere Zurufe von den GRÜNEN und der LINKEN]

Ja, wir machen es den Dealern damit schwerer, sich hinter Eigenbedarfsgrenzen zu verstecken. Es ist auch richtig, zeitgleich über die schädlichen Folgen von Cannabiskonsum aufzuklären. Ich danke ausdrücklich dem Innensenator und dem Justizsenator, aber auch der SPDFraktion, dass das möglich war, dass wir dieses Signal für solche Bereiche wie den Görlitzer Park hier gemeinsam gesetzt haben.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Zuruf von Dr. Klaus Lederer (LINKE)]

Wir haben die Strafverfolgungsbehörden auch besser ausgestattet beim Kampf gegen die organisierte Kriminalität.

[Zuruf von Dr. Klaus Lederer (LINKE)]

Es bleibt ein großes Thema. Wir haben die Staatsanwaltschaften und das Landeskriminalamt gestärkt, weil wir den Senat bei der Bekämpfung der Rockerkriminalität, der Machenschaften der arabischen Großfamilien, aber auch anderer Ereignisse wie der Internetkriminalität massiv unterstützen wollen.

[Dr. Klaus Lederer (LINKE): Sie haben keine Ahnung von den Themen, von denen Sie reden!]

Ich komme zum Schluss. Die Koalition hat in den letzten drei Jahren vieles zuverlässig auf den Weg gebracht. Die wirtschaftliche Leistung ist gut, die Arbeitslosigkeit sinkt. Wir werden auch weiterhin die Spitzenposition bei Wissenschaft, Forschung, Kunst, Kultur, Tourismus und Sport ausbauen. Wir werden weiterhin die innere Sicherheit festigen. Wir werden in der verbleibenden Zeit dieser Legislaturperiode weiterhin mit voller Kraft für die Berlinerinnen und Berliner arbeiten. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Vielen Dank, Herr Graf! – Für die Piratenfraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Delius. – Bitte sehr!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Sehr geehrte Damen und Herren! Ich nutze, wie meine Vorrednerinnen und Vorredner, die Gelegenheit, mich den Worten des Präsidenten und auch des Regierenden Bürgermeisters zu den Vorfällen in der letzten Woche in Paris anzuschließen. Ich denke, wir sind uns da alle einig. Ansonsten glaube ich, dass man dem nicht viel hinzufügen muss. Eine Priorität würde ich noch setzen: Ich bedanke mich beim Präsidenten besonders dafür, dass er nicht vergessen hat, die Toten von religionsmotivierten Gewalttaten und islamischen Terrorismus in Nigeria und in anderen Ländern zu erwähnen – das steht uns allen gut zu Gesicht.

[Allgemeiner Beifall]

Herr Regierender Bürgermeister! Ich gucke ja noch nicht so oft aus diesen Reihen Regierungserklärungen zu. Aber dass ein neuer Regierender Bürgermeister, der einem neuen Senat vorsteht, am Anfang seiner ersten Regierungserklärung erst einmal die Erwartungen drückt und den Leuten erklärt, dass er nicht über alle Probleme in der Stadt reden möchte, das halte ich für einen bemerkenswerten Vorgang, den ich noch mal hervorheben möchte. So habe ich Sie verstanden. Sie haben gesagt, Sie wollten gar nicht so tun, als wäre das eine neue Legislaturperiode. Damit haben Sie aber vergessen, dass es schon auch Ihre Aufgabe als neuer Regierender Bürgermeister ist, sich von dem alten Regierender Bürgermeister, von dem gescheiterten Wowereit-Senat abzugrenzen. Das haben Sie hier nicht geschafft. Ihre Botschaft war ein „Weiter so“, und das ist enttäuschend.

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Sie haben die Weltoffenheit, die Toleranz und – in der Überschrift steht es auch – die Stärke und Solidarität Berlins angesprochen. Damit will ich auch beginnen und das Flüchtlingsthema aufgreifen. Während die Bildungsverwaltung – das gestehe ich Ihnen zu – alles versucht, Kinder und Jugendliche auf der Flucht in Regelschulen unterzubringen und Lehrkräfte zu finden, die sie unterrichten können, um zu verhindern, dass sie ohne Aussicht auf baldige Integration in den Schulalltag in Containerdörfern, Turnhallen oder sogar Zelten unterrichtet werden müssen, weigern sich Ihr Gesundheits- und Sozialsenator und die angeschlossenen Behörden, realistische Zahlen und Mittel zur Verfügung zu stellen, die dabei helfen würden, 2015 das Problem vernünftig anzugehen. Herr Regierender Bürgermeister! Das wäre Ihr Job gewesen, die Verwaltungen zusammenzubringen, dafür zu sorgen, dass wir Prognosen und Zahlen bekommen, mit denen wir auch rechnen können, und dabei zu helfen, das Flüchtlingsdesaster aus den letzten beiden Jahren zu verhindern, wenn es um dieses Jahr geht.

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN]

Sie haben das Maßnahmenpaket angesprochen. Das verdient seinen Namen nicht, solange Sie es zulassen, dass

(Florian Graf)

Ihr Sozialsenator weiter zwielichtige Gesellschaften wie die PeWoBe und die GeSo beauftragt, Zelt- und Containerstädte am Stadtrand zu betreiben, wenn es keine Qualitätskontrollen gibt und wenn menschenwürdige Verhältnisse in der Unterbringung einfach Fehlanzeige sind.

Sie hätten die Aufgabe gehabt, in Ihrer Rede klar zu machen, dass Plänen, diese Menschen auf der Flucht, die unsere Hilfe brauchen, vom Stadtrand auch noch nach Brandenburg abzuschieben, ein klarer Riegel vorgeschoben wird. Diese Menschen sind unsere Verantwortung, sind Ihre Verantwortung, und das hätten Sie hier auch klar sagen müssen.

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Wenn man in das letzte Jahr guckt und sich die Zahlen, die kürzlich bekannt wurden, anguckt, dann wird es noch grotesker. Vier Anträge von 540 Anträgen der politisch aktiven Menschen auf der Flucht vom O-Platz sind genehmigt worden. Das ist keine Willkommenskultur, das ist eine Schande für diese Stadt. Ich hätte mir zumindest gewünscht, dass der neue Regierende Bürgermeister sich dafür entschuldigt. Das haben Sie nicht getan.

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Gleichzeitig steigt in dieser Stadt die Anzahl der Wohnungslosen und vor allem der wohnungslosen Familien. Die Energiearmut eskaliert. Die Energieschuldnerberatung wird geschlossen, weil Vattenfall dafür kein Geld mehr ausgeben will. Der eine Senator vergisst, dass in seiner Aufgabenbeschreibung auch „sozial“ steht, die andere Senatorin versenkt Konzepte und Verbesserungen in Arbeitsgruppen und ruft Fördermittel nicht ab. Der Regierende Bürgermeister hätte hier die Richtlinienkompetenz, die er hat, nutzen können, die Verwaltungen zusammenzubringen und die Konsequenzen aus der KGStStudie zu ziehen, die kommunalen Leistungen der Arbeitsagenturen, der Jobcenter aufzustocken bzw. zu verbessern und Obdachloseneinrichtungen, die jetzt auch noch für die Flüchtlinge zuständig sind, endlich zu sozialen Einrichtungen zu machen.

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]