Das bedeutet auch, dass wir endlich mehr Mittel für die freie Szene zur Verfügung stellen müssen, denn sonst bricht uns der kulturelle Humus für das Image Berlins weg, auf dem gerade die Kulturmetropole gebaut ist, und die ist nicht nur für uns, sondern auch für die Millionen Besucherinnen und Besucher, die jährlich in diese Stadt strömen, so wichtig.
Sie haben das Beispiel Staatsoper gerade selbst gebracht. Herr Müller, Sie haben recht: Der Bauschlamm ist untersucht worden, und um die Pfeiler wird es auch nicht gehen, aber das Problem – darauf haben Sie gestern im Hauptausschuss selbst hingewiesen – ist, dass Sie sich auch aus Ihrer Zeit als Bausenator einige Hausaufgaben mitgebracht haben, wie die Preissteigerung um 200 bis 400 Prozent bei Bauprojekten.
Das Hauptproblem – das sieht man nicht nur bei der Staatsoper, sondern auch bei der ZLB und einer ganzen Reihe von Kulturprojekten – ist, dass die Kulturverwaltung hier gerne mal „Wünsch dir was!“ spielt und Wirtschaftlichkeitsprüfung scheinbar ein echtes Fremdwort ist. Gerau an dieser Stelle werden wir Sie im Untersuchungsausschuss zu Aussagen zwingen. Und das werden wir nicht nur an dieser Stelle tun. Das werden wir gemeinsam mit dem Berliner Rechnungshof bei all diesen Projekten in Zukunft tun.
Sie haben gerade selbst gesagt, wir sollten stolz auf das Humboldt-Forum sein. Schön! Aber worauf denn genau? Darauf, dass der Bau vielleicht rechtzeitig fertig wird? Ich dachte, die Verantwortung dafür trägt der Bund. Wie sieht es aber mit der programmatischen Gestaltung aus? Mir sind bisher noch keine Intendanz und auch noch kein Konzept für die Bespielung bekannt. Ich stelle mir da die Frage: Überlassen Sie das alles der Staatsministerin Grütters? Könnte man nicht eigentlich erwarten, dass, wenn wir schon eine große Koalition in Berlin und im Bund haben, bei den bedeutenden, gemeinsamen Kulturprojekten stärker an einem Strang gezogen wird?
Das gilt insbesondere – nicht nur für das Humboldt- und das Kulturform – auch für den Hauptstadtkulturvertrag, der 2017 ausläuft. Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass Sie, Herr Müller, sich jetzt umgehend mit dem Bund an Neuverhandlungen machen, und zwar rechtzeitig und umsichtig und so, dass dieses Mal auf Augenhöhe verhandelt wird und es nicht wieder, wie in der Vergangenheit, nur um krude Tauschgeschäfte geht. Wir unterstützen Sie gerne dabei.
Und wir helfe Ihnen auch gerne, wenn Sie das brauchen, dabei, das ICC als Veranstaltungsort zu retten. Wir haben in der letzten Woche sehr Ihre Ankündigung begrüßt, dass Sie dies jetzt tun wollen. Wir waren dann aber darüber erstaunt, dass auf der Senatsklausur kein Sterbenswörtchen mehr zum Thema ICC gefallen ist. Da fragt man sich doch: Wurden Sie an der Stelle von Ihren Senatoren mal wieder zur Vollbremsung gezwungen?
Herr Müller! Sie haben angekündigt, dass Sie die Hausaufgaben der Stadt erledigen wollen. Wenn Sie die Menschen auf der Straße mal fragen würden, wo der Schuh besonders drückt, da würden Ihnen wahrscheinlich viele sagen, das ist der Verkehr in dieser Stadt – egal, ob es um einen zuverlässigen S-Bahnverkehr geht oder auch um mehr Radwege. Ich glaube, den größten Frust haben alle Verkehrsteilnehmer, wenn es um das Thema Baustellen, Staus und Schilderchaos geht – alles Folge einer katastrophal überlasteten Verkehrslenkung Berlin.
Hier gibt es wirklich reichlich Handlungsbedarf. Das kann niemand leugnen. Ansonsten erklären Sie das mal den Leuten auf der Straße! Ich dachte, der Senat hätte das sogar selbst eingestanden, doch plötzlich stellt sich der Staatssekretär für Verkehr in den vergangenen Tagen hin und sagt: Nö! Alles super! Kann alles beim Alten bleiben! Es gibt hier keinen Handlungsbedarf! – Ich frage mich da ernsthaft: Was für eine Chuzpe muss man haben, um mit einer solchen Ignoranz sich nicht nur vor die Betroffenen auf der Straße, sondern vor allem auch vor die Betroffenen in der eigenen Verwaltung zu stellen?
[Torsten Schneider (SPD): Fragen Sie doch mal Herrn Kirchner aus Pankow, wer für das Verkehrschaos verantwortlich ist!]
Ihre Verkehrspolitik ist insgesamt voller Widersprüche: Vor Weihnachten haben Sie uns erzählt, Sie wollten den Autobahnring schließen. Nach Weihnachten beschließen Sie, einen Lärmaktionsplan auf den Weg zu bringen. Und dann kommt der neue Verkehrssenator auf die Idee zu sagen, der Straßenlärm komme hauptsächlich von den Trams. Lieber Herr Geisel! Wir wissen, dass Sie aus Lichtenberg kommen, aber an der Stelle der Hinweis für Gesamtberlin: In Westberlin fahren fast gar keine Trams.
Vielleicht könnte es doch an der einen oder anderen Stelle an zu viel Autoverkehr liegen. Ich gebe Ihnen das zumindest mal zum Bedenken mit.
Widersprüchlich ist auch Ihr Agieren in der Bildungspolitik. In keinem anderen Politikfeld sind Sie sich so uneinig wie genau in diesem Bereich. Macht ja auch nichts, es geht ja nur um die Zukunft unserer Kinder. Zum Glück – kann man an der Stelle nur sagen – haben sich Vernunft und Elternwille wenigstens beim Thema Früheinschulung durchgesetzt.
Aber wir brauchen insgesamt mehr Anstrengungen, wenn es um die Frage geht, wie wir es schaffen, dass künftig kein Kind, kein Jugendlicher auf der Strecke bleibt und auch nicht ohne Schulabschluss eine Schule verlassen muss. Deshalb fordern wir von Ihnen, dass es neben Ankündigungen endlich mal konkrete Maßnahmen gibt, mit denen Sie eine Umsetzung der inklusiven Schule auf den Weg bringen. Vor allem erwarten wir von Ihnen ein intelligentes Schulgebäudesanierungsprogramm und nicht eines, das immer nur auf Gefahrenabwehr setzt und sonst die Mittel verfallen lässt. Da finde ich es besonders erschreckend, dass man gestern aus der BVV Neukölln hörte, dass dort die Bauverwaltung bereits angekündigt hat, Ihr glorreiches Schultoilettensanierungsprogramm könne man dort gar nicht umsetzen. Warum? – Die Antwort: Personalnot!
Wenigstens haben Sie uns 10 000 neue Kitaplätze versprochen. Das ist auch gut so, das ist dringend nötig. Worüber wir dann aber auch sprechen sollten, sind die Kosten dafür.
Denn wir reden hier von mindestens 200 bis 250 Millionen Euro. Ihre bisherige Masche: Die Träger investieren in den Ausbau der Kitas, und die Senatorin kommt dann zur Eröffnung und lässt sich für die geschaffenen Plätze feiern –, wird nicht mehr funktionieren. Jetzt muss Berlin auch endlich mal selbst Geld in die Hand nehmen, und deshalb erwarten wir von Ihnen die entsprechenden Haushaltsvorschläge.
Denn insbesondere im Bildungssektor bedeuten Investitionen an dieser Stelle Investitionen in unsere Zukunft. Bündnis 90/Die Grünen wollen deshalb künftig massiv in den Bildungsbereich investieren, denn unser Großprojekt ist nicht die A100, sondern unser Großprojekt sind die Kleinen.
[Beifall bei den GRÜNEN – Torsten Schneider (SPD): Energetische Sanierung, das ist das Einzige, was ihr könnt! Mieten erhöhen!]
Die Koalition blockiert sich auch in Energiefragen regelmäßig. Darauf muss ich gar nicht hinweisen. Wie peinlich ist es eigentlich, dass Herr Saleh noch Beschlüsse zum Thema „Vergabe der Energienetze“ fordert und diese dann in der Senatsklausur vertagt werden! Ich glaube, dass Sie selbst wissen, dass das monatelange Hickhack und Gegeneinander der einzelnen Senatoren vor allem zum Schaden Berlins ist. Herr Müller! Deshalb erwarten wir von Ihnen als Regierender Bürgermeister, dass Sie in dieser Frage Ihre Koalition endlich zusammenführen, damit wir hierbei zu einer tragfähigen Linie kommen und endlich auch zu einer klimapolitisch richtigen Lösung kommen können. Das bedeutet in erster Linie – das wird Sie nicht wundern –, dass Sie jetzt vor allem mal Geld und mehr Aufgaben in das Berliner Stadtwerk geben müssen.
[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Martin Delius (PIRATEN) – Joachim Esser (GRÜNE): Da entscheidet sich Öko!]
Das bedeutet zum Zweiten, dass wir einen kompletten Neustart in der Stromnetzvergabe brauchen, um die schweren Fehler des Senats im Vergabeverfahren zu heilen. Und es bedeutet drittens, dass wir auch in der Frage des Gasnetzes endlich auf einen klimapolitisch vernünftigen Weg kommen müssen.
Man hat dann und wann das Gefühl, dass Sie von diesem tiefsitzenden Koalitionskrach bei Bildung, bei Verkehr und bei der Energiepolitik ablenken wollen und nur deshalb auf eine Olympiabewerbung setzen, damit Sie überhaupt ein gemeinsames Projekt als Koalition haben.
Jetzt aber auf eine Abstimmung am 13. September zu setzen, wo es ja nur noch um eine Änderung des Abstimmungsgesetzes geht, das ist doch eine Farce. Wo ist Ihre Einsicht aus der Abstimmung zum Tempelhofer Feld geblieben?
Und, lieber Herr Saleh, was ist eigentlich aus der Runde geworden, die eine Verfassungsänderung auf den Weg bringen sollte?
Ich sage Ihnen deshalb im Namen der gesamten Opposition: Eine Lex Olympia ist der falsche Weg. Bringen Sie endlich eine echte Verfassungsänderung auf den Weg!
[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN – Steffen Zillich (LINKE): Was sagte noch der Verfassungssenator dazu?]
Auch in diesem Jahr erwartet Berlin mindestens 15 000 geflüchtete Menschen. Doch der Senat ist auch in dieser Frage so zerstritten, dass er immer noch kein flüchtlingspolitisches Gesamtkonzept oder gar ein Konzept zur Unterbringung der Geflüchteten auf den Weg gebracht hat. Die SPD-Bürgermeister kritisieren Senator Czaja, als hätten Sie sonst mit dieser Regierung nichts zu tun. All das sieht mehr nach Chaos und Hickhack aus, und auch an dieser Stelle gilt, dass Sie, lieber Herr Regierender Bürgermeister, die Richtlinienkompetenz haben. Deshalb fordern wir Sie auf: Berufen Sie einen flüchtlingspolitischen Gipfel für die ganze Stadt ein!
Die Mobilisierung gegen Geflüchtete in Marzahn, Köpenick, Buch und Lichtenberg stellt für unsere offene Gesellschaft eine Gefahr dar. Organisierte Rechte versuchen, durch Einschüchterungsstrategien Stimmung gegen Flüchtlinge zu machen. Sie greifen sogar Politiker hier und in den Bezirken, Aktive gegen rechts und Journalisten immer wieder an. Deshalb müssen wir die Bezirke künftig früher in die Planung einbeziehen, und es muss ein Sicherheitskonzept her, um Schutz vor Angriffen der organisierten Rechten zu bieten.
Berlin ist dieser Tage zwar grau, aber als Stadt ist es mit Sicherheit nicht braun. Im Gegenteil! Wir lieben Berlin für seine Buntheit, Wildheit und offene Gesellschaft. Neonazis, Rassisten, Islamhassern, Antisemiten, Homophoben oder einfach nur fremdenfeindlichen Wutbürgern sind an den vergangenen Montagen Tausende von Demokraten entgegengetreten. Die meisten Berlinerinnen und Berliner wissen den überaus großen Wert der Vielfalt und Weltoffenheit unserer Stadt zu schätzen. Was wäre Berlin auch ohne all das? Es ist ja geradezu in die DNA unserer Stadt eingeschrieben, denn Zuwanderer schon zu Beginn der Stadtgründung brachten Handwerk und Fähigkeiten mit, mit denen diese Stadt aufgebaut wurde, sie brachten Kultur und Bräuche, Essen und Traditionen, die bis heute unser Leben prägen. Nach dem Zweiten Weltkrieg nahmen wir viele Flüchtlinge auf, später kamen Türken, Polen und Russen, und heute sind es Franzosen, Griechen, Spanier, Menschen aus Syrien oder dem Irak, aus Mali oder Eritrea, aus allen Ecken der Welt. Selbst die Jüdische Gemeinde Berlin wächst wieder, und das ist vielleicht das größte Wunder.
Ich komme zum Schluss: Heute leben Menschen aus fast allen Nationen der Welt in Berlin. Sie konnten hier leben,
und sie können hier leben. Wir alle stehen auf, wenn uns jemand vorschreiben will, dass das Leben in Berlin einem Schwarz-Weiß-Film anstatt einem Farbfilm gleichen soll. Denn wir alle sind Berlin, und dieser Tage sind wir alle in solidarischer Verbundenheit auch ein bisschen Paris.
Vielen Dank, Frau Kollegin! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Vorsitzende Herr Saleh das Wort. – Bitte schön, Herr Kollege!