Protocol of the Session on December 11, 2014

Dieses demokratiefeindliche Verfahren bei der Beschlussfassung über öffentliche Gelder lehnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen entschieden ab.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schneider?

Nein, ich komme ja noch zu ihm. Er duckt sich heute als Redner weg.

[Torsten Schneider (SPD): Du Kneifer, du!]

Denn, um konkret zu werden, Herr Schneider und werte Kolleginnen und Kollegen von SPD und CDU: Was heißt dieser Satz, der Hauptausschuss entscheidet, praktisch? Was heißt das praktisch im Rahmen der Arbeitsteilung im Senat und im Parlament? – Praktisch heißt das, dass die haushaltspolitischen Sprecher der Koalitionsfraktionen, derzeit die Herren Schneider und Goiny, und die Senatsverwaltung für Finanzen, faktisch im Augenblick repräsentiert durch Herrn Staatssekretär Feiler, untereinander ausbaldowern, wo zusätzlich investiert wird und wo nicht.

[Zurufe von den GRÜNEN und der SPD]

Und da können Sie dann, meine Damen und Herren von SPD und CDU, und vielleicht auch wir bilateral etwas einspeisen, aber entscheiden tut niemand etwas von Ihnen und uns. Und das nennt dann Herr Schneider einen lebendigen Haushalt! Das ist ein Haushalt, der unter Ihrer feudalen Fuchtel läuft, aber nicht unter der Regie der Demokratie.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Um es mal drastisch zu sagen: Diejenigen unter uns – ich habe die drei Namen genannt –, die das Gesetz faktisch geschrieben haben, schanzen sich in dem Gesetz die Verfügungsgewalt über dreistellige Millionenbeträge zu, und die übrigen Abgeordneten gucken in die Röhre. Genau das und nichts anderes ist die praktische Bedeutung des Satzes:

Der Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses entscheidet auf Vorschlag des Senats über die Mittelverwendung

[Kirsten Flesch (SPD): Ist die Märchenstunde bald vorbei?]

Meine Damen und Herren von SPD und CDU! Ich kann Sie nicht daran hindern, Ihrer Selbstentmachtung zuzustimmen, aber seien Sie versichert: Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und die Verfassung von Berlin schützen Sie selbst vor dieser Torheit. Das Recht dieses Hauses und all seiner Mitglieder über die Verwendung aller öffentlichen Einnahmen zu bestimmen, dieses Königsrecht des Parlaments ist nach der Verfassung

unveräußerlich. Und wir werden nach der heutigen Abstimmung weiter dafür kämpfen, dass es auch in Berlin uneingeschränkt gilt.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Das hat ja inzwischen leider eine gewisse Tradition. Diese Entmachtung der Abgeordneten inklusive der eigenen aus der CDU hat Herr Goiny gestern im Hauptausschuss damit gerechtfertigt, dass es ihm eigentlich um eine Entmachtung der trägen Verwaltungspraxis gehe. Sein Vorbild für den Einsatz der Mittel aus dem Sondervermögen Wachsende Stadt sei das Konjunkturprogramm II, bei dem die diversen Aufgabenträger unmittelbar selbst investiert haben.

Aber ich kann Ihnen sagen – meine Redezeit geht zu Ende –, ich habe Ihnen den Haushaltsplan 2010 mitgebracht. In Kapitel 2920 finden sich 631 Millionen Euro auf rund 60 Titel verteilt, veranschlagt durch das Abgeordnetenhaus und alle seine Mitglieder: für Schulen, Kitas, Gebäudesanierung, Hochschulen, Bäder, Charité, Krankenhäuser, Lärmschutzmaßnahmen, Informationstechnologie und für Spezialfahrzeuge von Polizei und Feuerwehr. Das war damals alles haarklein veranschlagt. Warum soll das denn jetzt anders sein, Herr Goiny? Warum sollen die Abgeordneten entmachtet werden? Mir erschließt sich das nicht. Und wir machen das auch nicht mit.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Wir bitten Sie deswegen: Stimmen Sie mit Blick auf das Budgetrecht des Abgeordnetenhauses und jedes einzelnen seiner Mitglieder unserem Änderungsantrag zu!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Das Wort zu einer Kurzintervention hat jetzt der Kollege Schneider von der SPD-Fraktion.

[Zuruf von Jutta Matuschek (LINKE)]

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es hat ja einen guten Grund, dass mein Freund Jochen Esser eine Zwischenfrage nicht zulässt.

[Oh! von den GRÜNEN und der LINKEN]

Deshalb von hier vorne: Ihr Demokratieverständnis in Ehren, das darf dann aber auch bei Ihrer Fraktionsvorsitzenden nicht halt machen. Denn Frau Kollegin Pop zum Beispiel verteilt die Mittel der Lottostiftung, einen hohen

zweistelligen Millionenbetrag, ohne auch nur einen Abgeordneten in diesem Hohen Haus jemals danach um Rat zu fragen.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Zuruf von der SPD: Hört, hört! – Heidi Kosche (GRÜNE): Sie haben es komplett nicht verstanden!]

Im Übrigen erinnere ich an § 22 der Landeshaushaltsordnung,

[Zuruf von Michael Schäfer (GRÜNE)]

wonach der Hauptausschuss dafür zuständig ist, qualifizierte Sperren aufzuheben, und zwar nur er. Da fragen wir auch niemand anderen, weil das eben in der Arbeitsteilung funktional und vernünftig ist.

Dritter Punkt: Unsere Fraktion, Herr Kollege Esser, hat vollstes Vertrauen zu ihren Haushaltspolitikern. Wenn das bei Ihnen allerdings anders ist, weil Sie da ein autokratisches System haben, will ich das nicht bewerten; ich stelle anheim.

[Joachim Esser (GRÜNE): Wir haben ein demokratisches System! – Steffen Zillich (LINKE): Als was sagen Sie das, als PGS oder als Abgeordneter? – Weitere Zurufe von den GRÜNEN und der LINKEN]

Das sage ich als Abgeordneter! –

[Steffen Zillich (LINKE): Guck an!]

Letzten Endes geht es doch hier um Folgendes: Sie haben ein Gesetz vorgelegt bekommen, von dem Sie jetzt behaupten, die Vision schon immer gehabt zu haben, was natürlich genauso Quatsch ist, denn den entsprechenden Einnahmetitel im Haushalt haben wir veranschlagt. Sie haben dem nicht einmal zugestimmt, sondern haben sich dem Änderungsantrag verweigert. Das kann ich Ihnen vorlesen. Da Sie in der Sache keinen Kritikpunkt haben, kommen Sie jetzt mit Formalien. Politisch wird Die Linke gleich noch sagen, sie habe eine andere Verschuldungsquote vor Augen. Das akzeptiere ich, das ist eine politische Auseinandersetzung. Aber sich hier nur auf technischen Krimskrams zurückzuziehen,

[Stefanie Remlinger (GRÜNE): Die Demokratie ist Ihnen egal? – Zuruf von Ramona Pop (GRÜNE)]

in Ansehung der „feudalen“ Herrschaft Ihrer eigenen Fraktionsvorsitzenden über Millionenbeträge, um Ihre Worte zu benutzen, das ist doch zu dünn, Herr Esser. Da hätten Sie es mit einer Zwischenfrage auch bewenden lassen können. – Danke!

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Stefanie Remlinger (GRÜNE): Peinlich! – Zuruf von Ramona Pop (GRÜNE)]

(Joachim Esser)

Herr Kollege Esser! Ich gehe davon aus, dass Sie replizieren wollen?

[Zurufe von den GRÜNEN]

Meine Herrschaften! Jetzt hat der Kollege Esser das Wort.

Werter Herr Schneider! Also die Beispiele, die Sie bringen, haben relativ wenig damit zu tun, wie man mit Steuereinnahmen innerhalb des Haushalts umgeht.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Ich könnte das jetzt so bewerten, dass Sie die Forderung „Lotto in den Haushalt“ unterstützen. Das fände ich gut. Dann würde das mit der Freundschaft ja hinhauen, die Sie hier reklamiert haben. Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die Lottomittel komplett in den Haushalt einzustellen, um dieses Feudalsystem zu beseitigen, den gibt es nicht erst seit heute.

[Heidi Kosche (GRÜNE): Jawohl!]

Den haben wir seit Jahren gestellt. Und er wurde immer von denjenigen insbesondere abgelehnt, die den Regierenden Bürgermeister stellen, der ja der oberste Verteiler dieser Lottomittel ist und sich das nicht nehmen lassen wollte.

[Lachen und Zuruf von Torsten Schneider (SPD)]

Da sage ich Ihnen: So lange dieses System ist, werden wir in der Tat da auch Mitbestimmung suchen. Aber wenn wir das System abschaffen wollen – und da ist Frau Pop die erste, die da dabei ist,

[Torsten Schneider (SPD): Aha!]

würde ich meinen –, dann machen wir das. Ich erwarte dann von Ihnen, dass wir das im nächsten Doppelhaushalt dahin gehend klären.