Protocol of the Session on October 16, 2014

Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegen! Inklusion ist kein abstraktes Konzept, sondern die konkrete Frage, wie wir miteinan

der umgehen. Inklusion ist, wenn Gesellschaft gegenseitig Verantwortung übernimmt. Und Inklusion ist für viele Kinder, Jugendliche und Eltern ein ganz realer Wunsch. Nicht der einzelne Mensch muss sich an bestehende Systeme anpassen, sondern die Strukturen und Systeme müssen so geändert werden, dass alle Menschen von Anfang an einbezogen und ihre Teilhaberechte gesichert werden.

Für den Weg hin zu einer inklusiven Gesellschaft sind inklusive Bildung und Erziehung wichtige Bausteine. Sie sind eine Chance für alle Kinder. Unsere Aufgabe ist es, den gleichberechtigten Zugang zu einem integrativen Bildungssystem auf allen Ebenen sicherzustellen. Ich bin der Überzeugung, dass wir den Wunsch nach Miteinanderlernen von Kindern mit und ohne Handicap nicht nur verstanden haben, sondern auch auf einem guten Weg in eine inklusive Gesellschaft sind. Sie erwarten vielleicht, dass sich hier der wunde Punkt der SPD auftut. Ich sage Ihnen: Inklusion ist uns sehr, sehr wichtig!

[Zurufe von der LINKEN]

Aber Inklusion ist kein Knopf, den man drückt, und dann ist sie da – auch wenn sich das einige hier wünschen, liebe Frau Kittler. Nein! So einfach ist es leider nicht. Inklusion ist ein Prozess und vor allem auch ein gesellschaftlicher Wandel. Für diesen Wandel hin zu einer inklusiven Gesellschaft brauchen wir natürlich mehr Geld. Aber an dieser Stelle kommt es auch auf Haltung an. Wir dürfen uns bei diesem für die Gesellschaft so wichtigen Thema nicht die Butter vom Brot nehmen lassen. Eine Gesellschaft muss sich immer daran messen lassen, wie sie mit denen umgeht, die nicht in ein als selbstverständlich angenommenes Raster passen.

[Dr. Klaus Lederer (LINKE): Thema verfehlt! Sechs! Setzen!]

Ich habe zehn Minuten Zeit. Warten Sie; seien Sie geduldig! – Inklusion heißt eben auch, Praktiken zu hinterfragen, neue Möglichkeiten zu eröffnen und damit auch Ängsten entgegenzuwirken, indem wir sagen: Schaut her, so funktioniert es auch, und zwar viel besser, als wir es gewohnt waren!

[Zuruf von der LINKEN: Butter bei die Fische!]

Da haben wir in der Vergangenheit – und jetzt wird es vielleicht spannender für Sie; Sie haben ja heute keine Geduld mitgebracht – viel erreicht: Bei den Fortbildungsmaßnahmen für Schulleitungen und Lehrkräfte sind die Qualifizierungsmaßnahmen für Schulentwicklungsberater und -beraterinnen zu nennen. Auch die Ausbildung von Pädagoginnen und Pädagogen im Bereich der Unterrichtsentwicklung ist ein zentraler Bestandteil. Uns ist es wichtig, die Akzeptanz im Schulbetrieb zu erhöhen. Dafür gibt es finanzielle Mittel. Über das Schulsanierungsprogramm investieren wir darüber hinaus auch in die schulische Infrastruktur. Das bedeutet spezielle Investitionen in die Barrierefreiheit. Der bisherige Weg in Berlin enthält für Eltern und Schüler die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, wenn sie das passende Angebot für sich

(Regina Kittler)

selbst in der Regelschule oder in speziellen Förderzentren finden.

Im Rahmen von Modellprojekten befinden sich Berliner Schulen in einer Übergangsphase hin zu inklusiven Schulformen. Besonders erfolgreich scheinen dabei jene Einrichtungen zu sein, die den Weg aus eigener Initiative mit der Unterstützung des Landes und der Bezirke heraus gehen.

[Antje Kapek (GRÜNE): Ohne Politik!]

Dies unterstreicht die Relevanz des gesellschaftlichen Engagements, aber auch des Engagements der Lehrkräfte. An dieser Stelle möchte ich mich ausdrücklich dafür bedanken.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Zentrale Instrumente für Inklusion und für mehr Inklusion sind Qualifizierungsmaßnahmen, das Schaffen von Netzwerken, die Möglichkeit des Erfahrungsaustausches und das Schaffen von inklusiven Schwerpunktschulen.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Kittler?

Nein! – Die Teilerfolge sind unbestritten vorhanden. Vier Beratungs- und Unterstützungszentren für inklusive Pädagogik als Pilotprojekt sind bereits eröffnet. Weitere Zentren werden folgen. Das ist ein Beispiel für die erfolgreiche Kooperation zwischen Verwaltung und den Beiräten. Auch die Tariferhöhungen für die Schulhelfer sind mir sehr wichtig.

[Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE): Wir brauchen mehr Schulhelfer!]

Ja, das kommt noch. – Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die eine allgemeine Schule besuchen wollen, müssen auch die Möglichkeit dazu haben. Dies ist in aller Regel auch der Fall.

[Regina Kittler (LINKE): Das ist immer weniger der Fall!]

Über 50 Prozent der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf – das wissen Sie auch, was ich erzähle – sind an allgemeinbildenden Schulen. Dabei muss auch sichergestellt werden, dass es in der jeweiligen Schule auch die Möglichkeiten gibt, optimale Hilfestellung zu leisten und die Hilfen auch in Anspruch zu nehmen. Die allgemeinen Schulen können die Umsetzung der Inklusion natürlich nicht von heute auf morgen schultern. Wir dürfen nicht überstürzt handeln,

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Um Himmels willen!]

sondern müssen gezielte Unterstützung anbieten. Die Schulen müssen in die Lage versetzt werden, alle Kinder gleich gut im Unterricht zu fördern.

[Beifall bei der SPD]

Gleich gut kann nicht genau gleich bedeuten.

Sozialpädagogische Fachkräfte spielen im inklusiven Unterricht eine große Rolle.

[Alexander Spies (PIRATEN): Wo sind die?]

Ihr Fachwissen und ihr Erfahrungsschatz sind für die allgemeinen Schulen unverzichtbar. Darüber, wie wir sie besser einbinden können, müssen wir reden.

[Martin Delius (PIRATEN): Wir hatten einen Antrag dazu!]

Inklusion heißt auch Herausforderungen, nämlich für alle: Kinder, Jugendliche und Eltern, Lehrerinnen und Lehrer, Bund, Land und Bezirke. Das ist klar. Klar ist aber, dass wir schon einiges erreicht haben. Doch das entlässt uns nicht aus der Verantwortung, mehr zu tun.

[Martin Delius (PIRATEN): Wo denn? Was denn?]

Inklusive Bildung wird nur gelingen, wenn wir es schaffen, die Menschen, die sie tagtäglich umsetzen, dafür zu begeistern und optimal zu qualifizieren.

[Alexander Spies (PIRATEN): Und zu bezahlen!]

Wir brauchen Profis in dieser Stadt für Inklusion. Inklusive Bildung muss daher wichtiger Bestandteil der Aus- und Fortbildung in allen pädagogischen Berufen werden. Wichtige Grundlagen dafür haben wir bereits mit dem Lehrkräftebildungsgesetz gelegt.

[Dr. Klaus Lederer (LINKE): Jetzt sind die zehn Minuten bald vorbei. Kommen Sie zum Thema!]

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Delius?

Also gestatten Sie grundsätzlich keine Zwischenfrage.

Wir setzen uns als Fraktion ganz bewusst für Inklusion ein. Inklusion bedeuten eben nicht nur, dass man eine Gruppe geschlossen in eine andere einfügt.

[Zuruf von der LINKEN: Schöne Sonntagsrede!]

Nein! Das ist lediglich eine weitere Form der Ausgrenzung. Inklusion ist die gegenseitige Unterstützung in einer gemeinsamen Krabbelgruppe, Kitagruppe, Schulklasse oder in der Ausbildung, anders ausgedrückt: In einer Gesellschaft, nicht in einer Parallelwelt.

[Dr. Klaus Lederer (LINKE): Wovon redet der Mann?]

Doch lassen Sie uns eines klipp und klar festhalten: Mit uns wird es keine unterfinanzierten Experimente geben.

[Beifall bei der SPD – Zurufe]

Der Weg zur inklusiven Schule darf nicht auf maroden Pfeilern gebaut werden. Wir brauchen eine Gesamtkonzeption sowie eine solide finanzielle Ausstattung.

Doch müssen wir auch darüber nachdenken, woher das Geld kommt.

[Martin Delius (PIRATEN): Aus dem Haushalt!]

Im momentanen Haushalt hatten wir die notwendigen Mittel schlicht und ergreifend nicht zur Verfügung. Sie hätten uns Gegenfinanzierungsmöglichkeiten aufzeigen können.

[Zurufe]