Protocol of the Session on October 2, 2014

Grundsätzlich muss man sagen, dass der Flughafen Tegel seit Jahren am oberen Rand seiner Leistungsfähigkeit arbeitet. Hierfür sorgt einerseits die ökonomische Entwicklung Berlins, aber auch das BER-Desaster, wozu wir gleich auch kommen werden. Die Bevölkerung im Norden von Berlin – das wurde auch schon gesagt – ist stark belastet, und gerade in den Einflugschneisen des Flughafens, der an seiner Kapazitätsgrenze arbeitet, arbeiten die Nerven der Anwohner eben auch an der Kapazitätsgrenze. Gerade jetzt, wo auch klar ist, dass die Duldens- und Leidensfähigkeit dem kontinuierlichen und bis in die Nachtstunden anhaltenden Fluglärm weiter ausgesetzt sein wird, muss nach Lösungen gesucht werden, wie die Bevölkerung möglichst schnell davon befreit werden kann.

Würde der Flughafen Tegel mit seinen Flugbewegungen neu beantragt, wäre dieser Antrag wegen unzulässig hoher Lärmbelastung der Anwohner abzulehnen. Bis 2018 gilt noch eine Übergangsvorschrift, die es erlaubt, den Anwohnern den ihnen typischerweise zustehenden Lärmschutz vorzuenthalten, wobei bis 2012 die gutgläubige Öffentlichkeit niemals gedacht hätte, dass dieser Termin auch nur annäherungsweise erreicht zu werden droht.

Insofern finde ich es dem Grunde nach positiv, dass eine Initiative kommt, wenigstens den Frachtverkehr von

Tegel nach Schönefeld zu verlagern. Dass das aber nicht so einfach ist, wurde schon angesprochen. Es wurde noch nicht konkret gefragt, wer dann eigentlich von Schönefeld fliegen soll. Zieht dann Air Berlin mit den Flugzeugen um? Mit welchen Maschinen soll geflogen werden? Und ist Ihnen eigentlich bekannt, dass diese Flüge, mit denen Post transportiert wird, auch dazu genutzt werden, notwendige Verlagerungen von Flugzeugen vorzunehmen? Das würde also bedeuten, dass, wenn man es tatsächlich schafft und die Frachtflüge von Schönefeld fliegen, es möglicherweise weitere Flüge an anderer Stelle in den frühen Morgen- oder späten Abendstunden gibt, damit morgens die ersten Passagierflüge starten können.

Es ist also ein sehr komplexes Thema, bei dem ich sehr gespannt bin, wie sich das dann letztendlich lösen wird, das gerade – was Herr Wolf auch schon ansprach – auf Gesellschafterebene so anzuregen. Es wird spannend, wie das ausgeht bzw. auch nicht so spannend, weil ich da auch große Fragezeichen sehe.

Da uns Tegel aber noch eine längere Zeit erhalten bleibt, sind sämtliche lärmmindernde Optionen fortlaufend zu prüfen und von der Flughafengesellschaft umzusetzen. Alles dem Diktat der Wirtschaftlichkeit zu unterwerfen, ist keine Art, mit dem Lärmproblem der Anlieger im Berliner Norden umzugehen.

[Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Die Piratenfraktion wird jedenfalls jede geeignete Unterstützung geben, um die Lärmsituation der Menschen dort zu verbessern. Insofern würden wir diesem Antrag auch zustimmen. Wir freuen uns auf die Beratung. Letzten Endes bleibt aber doch die große Frage: Müsste man nicht an anderer Stelle auch daran arbeiten, dass die Lärmsituation und die hohe Belastung der Menschen am Flughafen Tegel tatsächlich eine Verbesserung erfährt, eine langfristige, die sich nicht nur auf zwei Flugzeuge bezieht, die Post transportieren, sondern die zum Inhalt hat, dass die Flüge hauptsächlich von einem anderen Flughafen abgewickelt werden können? – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Kollege Baum! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags federführend an den Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr und mitberatend an den Ausschuss für Wirtschaft, Forschung und Technologie sowie an den Hauptausschuss vorgeschlagen. – Widerspruch höre ich nicht, dann ist das so beschlossen.

Ich rufe auf

(Harald Wolf)

lfd. Nr. 4.2:

Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

BER-Fahrplan

Dringlicher Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/1848

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Auch hier stehen wieder bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es steht schon der Kollege Otto für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bereit. – Bitte schön!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist ja schön, dass wir hintereinander zwei Tagesordnungspunkte haben, die sich mit dem Flugwesen und den Flughäfen in und um Berlin beschäftigen. Der Kollege Stroedter von der SPD hat hier noch mal darauf hingewiesen, dass es über 300 000 Menschen sind, die in Reinickendorf, in Spandau und in Pankow seit über 30 Jahren schwere Lärmbelastungen von Tegel ertragen und dass es angeraten ist, dass wir endlich dazu kommen, dass der BER eröffnet wird. Wir wollen heute darüber sprechen, wie der Stand ist und was dieses Parlament das Recht hat zu erfahren. Darum muss es heute gehen, und darum haben wir den Antrag gestellt.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Ein zweiter Anlass ist der jüngste Brandbrief – er kam schon in der Fragestunde vor – von Herrn Marks dem technischen Leiter für den BER. Es hat uns, im Unterschied zum Regierenden Bürgermeister, doch ziemlich aufgeschreckt, wenn jemand schreibt, der ein Insider ist:

Allerdings ist der richtige Weg zum Ziel der Inbetriebnahme derzeit noch nicht hundertprozentig erkennbar.

Wir nehmen mal an, dass es ein Insider ist, der ziemlich vorsichtig formulieren muss. Sie erinnern sich, alle anderen Briefschreiber, die wir schon hatten, sind nicht mehr lange da gewesen. Gehen Sie deshalb davon aus, dass er sehr vorsichtig schreibt, er kann den Weg zum Ziel der Inbetriebnahme nicht erkennen. Das schreibt der technische Leiter dieses Flughafens! Das lässt das Schlimmste befürchten!

[Beifall bei den GRÜNEN]

Er schreibt auch darüber, dass gute und erfahrene Fachkräfte fehlen. Er fordert zu Mut zur Wahrheit auf. Und ich glaube, das ist eine Aufforderung, die sich nicht nur an die Projektbeteiligten draußen in Schönefeld richtet, sondern Mut zur Wahrheit brauchen wir auch hier in diesem Parlament, und den braucht auch der Regierende Bürgermeister, auch wenn er hier in seinen letzten Tagen sitzt.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Ich will noch mal erinnern: Wir haben uns hier mit anderen Brandbriefen beschäftigt. Herr Amann hatte grauenhafte Zustände im Terminal entdeckt – Anfang 2013. Wir haben uns im Frühjahr 2014 mit den Briefen von Herrn Siegle beschäftigt, der die Organisation der Flughafengesellschaft betrachtet und die Frage aufgeworfen hat, wer hier eigentlich wofür zuständig ist. All diese Brandbriefe haben den Senat, die Gesellschafter und den Aufsichtsrat offenbar nicht aufgerüttelt, aber wir werden nicht nachlassen, so etwas hier zu diskutieren, denn wir geben uns nicht damit zufrieden, dass diese Baustelle bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag eine Baustelle bleibt, im Monat mindestens 17 Millionen Euro Stillstandskosten verursacht und eigentlich gar nichts weiter passiert, außer dass dort ein paar interessierte Firmen und ein paar Leute Geld bekommen. Das reicht nicht. Dafür ist das Steuergeld zu schade, und dafür ist auch unsere Geduld zu kurz.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Martin Delius (PIRATEN)]

Wir versuchen ja ständig, im Untersuchungsausschuss oder hier im Plenum, im Hauptausschuss oder im Beteiligungsausschuss herauszufinden, was eigentlich am BER passiert. Wenn Sie mal in den Geschäftsbericht 2013 hineinschauen, der jüngst verteilt wurde, können Sie lesen: Der BER ist zu 98 Prozent fertiggestellt.

[Christopher Lauer (PIRATEN): Ja!]

In dem Bericht von 2011, der 2012 ausgeliefert wurde, hieß es, dass der BER zu weit über 90 Prozent fertiggestellt ist.

[Christopher Lauer (PIRATEN): Ja!]

Jetzt rechne ich mal ein bisschen zugunsten des Senats. Ich nehme mal an, dass es damals 92 Prozent waren, und jetzt sind es 98 Prozent. Man kann behaupten, dass irgendwas vorangeht. Allein, es ist nicht zu sehen, und das, was uns hier mitgeteilt wird, lässt auch nichts Gutes hoffen. Selbst wenn dort in den vergangenen zwei Jahren ein bisschen weitergebaut wurde: Stellen Sie sich vor, es wäre ein Auto, das nicht fährt. Wie fertiggestellt ist das? Das ist überhaupt nicht fertiggestellt, das ist funktionsuntüchtig. Uns nützen nicht Prozentzahlen zur baulichen Fertigstellung – wie viel Beton das ist –, wenn nichts funktioniert.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Insofern sind diese Jubelarien in dem Geschäftsbericht deutlich übertrieben.

Etwas, was nicht funktioniert! Und da komme ich noch mal zu dem Brief von Herrn Marks, der hier von Sanierung im Bestand spricht. Das klingt so, als ob das eine Investruine ist. Sanierung im Bestand! Was haben Sie da zwei Jahre lang gemacht? Herr Wowereit! Das wollen wir von Ihnen wissen.

[Zurufe von den PIRATEN]

(Vizepräsident Andreas Gram)

Wir haben in diesem Antrag ein paar Fragen aufgeschrieben. Das ist zum einen die Kostenfrage. Das ist zum anderen die Frage nach den Strukturen. Die müssen verändert werden. Dazu sei angemerkt: Wir haben hier schon eine Menge Anträge gestellt. Wir haben z. B. schon beantragt, dass der Regierende Bürgermeister abtreten muss. Das hat er inzwischen gemacht.

[Beifall bei den GRÜNEN – Zurufe von der SPD: Ha, ha! – Heiterkeit bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Wir haben hier beantragt, dass die Flughafengesellschaft einen Finanzvorstand bekommt. Der ist inzwischen da. Wir haben hier beantragt, dass der Aufsichtsrat qualifiziert werden muss. Immerhin soll jetzt symbolisch im Roten Rathaus ein Bauingenieur tätig werden.

[Beifall bei den GRÜNEN – Zurufe von den GRÜNEN: Hu!]

Das ist zwei Milliarden zu spät. Aber immerhin, das ist uns gelungen.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Und wir haben als Bündnis 90/Die Grünen verlangt, dass es ein externes Controlling geben soll, was den Aufsichtsrat unterstützt. Das ist noch nicht da, aber zumindest haben sich die anderen Gesellschafter – der Bund und Brandenburg – diese Forderung zu eigen gemacht. Und ich sage Ihnen: Das wird auch noch kommen.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Lassen Sie mich noch auf drei andre Punkte aus dem Antrag eingehen: Wir wollen wissen, was mit dem Aufsichtsrat wird, wenn Herr Wowereit weg ist. Ich glaube, darüber muss man sich Gedanken machen, und das muss man jetzt tun. Vorhin in der Fragestunde habe ich nach dem neuen Staatssekretär für Infrastruktur gefragt. Sie erinnern sich: Das war hier mal die Koalition der Infrastruktur. So sind hier SPD und CDU mal angetreten.

[Heiterkeit bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Da ist ja nichts passiert.

[Ajibola Olalowo (GRÜNE): Nur Baustellen!]

Das wäre ja vielleicht für Sie eine Chance, das strukturell neu zu organisieren, sodass Sie noch die Koalition werden, die wenigstens mal von Infrastruktur gehört hat. Diese Chance besteht.

[Beifall bei den GRÜNEN]