Protocol of the Session on September 18, 2014

[Lachen von Oliver Höfinghoff (PIRATEN)]

die in Friedrichshain-Kreuzberg die Flüchtlinge mit falschen Versprechungen über anderthalb Jahre auf dem Oranienplatz festgehalten haben, die Flüchtlinge aufgefordert haben, eine Schule zu besetzen, die dann anschließend zu einem Kriminalitätsschwerpunkt in Friedrichshain-Kreuzberg geworden ist. Ein Mensch ist sogar in dieser Schule gestorben. Und ich habe bis heute nicht im Ansatz gehört, wie sich irgendjemand im Bezirksamt

Friedrichshain-Kreuzberg dafür verantwortlich gezeigt hat. Den Flüchtlingen vom Oranienplatz und der GerhartHauptmann-Schule hätte man von Anfang an vom Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg sagen müssen, dass in den Flüchtlingsunterkünften Berlins fast 10 000 Menschen warten, und ihr wollt eine Sonderbehandlung in dieser Stadt.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Reinhardt?

Nein, das ist sinnlos! – Das geht nicht. Viele dieser Flüchtlinge wissen das auch. Ihre ständigen Berater und Aufpasser von den dafür spezialisierten Organisationen, ihre Rechtsanwälte und Unterstützer wissen das ohnehin. Sie haben nachweisbar den Menschen auf dem Oranienplatz und in der Schule falsche Versprechungen gemacht. Es kann also keine Ausnahmeregelung für diese Flüchtlinge vom Oranienplatz und der Gerhart-HauptmannSchule geben. Einem Großteil dieser Flüchtlinge ist das zwischenzeitlich klar, und sie wollen sich nicht weiter von den selbsternannten Flüchtlingshelfern politisch für deren Ziele benutzen lassen. Ich erinnere nur an das, was sich am Wochenende in der Thomaskirche abgespielt hat. Das war schon schwer zu ertragen, wenn Menschen, die in ein Gotteshaus gehen wollen, von gewissen Unterstützern davon abgehalten werden. Es ist nicht zu viel verlangt, wenn Flüchtlinge, die in Deutschland Schutz suchen, nicht in Berlin bleiben können, denn sie werden auch in anderen Bundesländern nicht nur versorgt, sondern, wie ich glaube, auch rechtlich hervorragend unterstützt.

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Mit Glauben ist da aber niemandem geholfen, Herr Wansner!]

Über die Bleiberechtsforderungen vieler Unterstützer der Flüchtlinge ist nicht einmal im Ansatz zu diskutieren. Sie müssten ja dann für alle Flüchtlinge in Deutschland gelten. Was das aber bedeuten würde, wage ich noch nicht einmal zu denken. Wir würden damit die gesamte deutsche Asylgesetzgebung außer Kraft setzen

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Und das wäre auch gut so!]

das haben vielleicht die Piraten noch nicht bedacht –, die sehr großzügig ist. Und wir würden einen Zustrom von Menschen nach Deutschland bekommen, was wir möglicherweise nicht mehr regulieren könnten. Denn wer so tut, als wenn wir allen Flüchtlingen angeblich helfen möchten, der ist möglicherweise nicht bereit, überhaupt Flüchtlinge zu unterstützen.

Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Lassen Sie uns doch ein bisschen mehr mit Respekt von diesen Leuten reden, und benutzen Sie sie hier nicht im Parlament dazu, eigene

(Canan Bayram)

politische Vorstellungen durchzusetzen. Die Menschen, die unsere Hilfe hier in dieser Stadt brauchen, haben möglicherweise vieles durchgemacht. Sie haben unsere Solidarität hier einzufordern, das ist richtig. Aber sie haben es nicht verdient, dass man sie politisch ausnutzt. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Kollege Wansner! – Die Kollegin Bayram hat um eine Kurzintervention gebeten, die sich – wie Sie ja wissen – immer auf den Vorredner beziehen muss. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Das hat ja schon einen gewissen Ritualcharakter, dass ich mich auf diesen Vorredner beziehe. Das ist ja auch immer so gewollt, dass der mich immer anspricht. Deswegen will ich mich halt schon erst mal nur darauf beschränken, inhaltlich konstruktiv zu antworten, Herr Kollege Wansner.

[Hakan Taş (LINKE): Das kann man doch gar nicht!]

Wir haben uns tatsächlich in der Thomaskirche getroffen, das heißt, Sie haben sich ja vor Ort angeschaut, wie die Situation der Flüchtlinge ist.

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Hat er wieder seinen Infostand dabeigehabt?]

Es geht darum, dass die Kirche die Menschen, die aus der Gürtelstraße nach 13 Tagen, die sie dort ausgehungert wurden seitens der Polizei – sie werden wahrscheinlich langfristig gesundheitliche Schäden davontragen –, jedenfalls, Sie haben sich die Situation vor Ort angeschaut, das kann man hier ja ruhig mal sagen. Und die Kirche hatte gestern politisch Verantwortliche geladen, um darüber zu reden, wie wir weiter mit der Situation umgehen, und hat klar gemacht, dass sie Unterstützung braucht. Sie hat jetzt den Menschen erst mal für einen Monat eine Unterkunft gegeben, damit sie einen Raum haben, mit politisch Verantwortlichen darüber zu reden, wie es weitergehen soll. Denn man kann doch politisch jeglicher Position sein zum Thema Flüchtlingspolitik, aber das sollte uns doch alle einen, dass, wenn ein Wort gegeben ist, dieses Wort gelten sollte, und wenn das Wort gebrochen ist, diejenigen, denen gegenüber das Wort gebrochen wurde, einen Anspruch haben, sich darüber auszutauschen, warum das so gekommen ist. Die meisten hatten wirklich das Anliegen: Uns wurde versprochen, dass unsere Fälle geprüft werden. Ich durfte keine Minute meinen Sachverhalt vortragen, und mein Fall wurde abgelehnt. – Das ist das, was die Menschen vorgebracht haben. Ich würde mir wünschen – da, so hört man immer, der Kontakt der christlich-demokratischen Union zu den Kirchen nicht der schlechteste sein soll –, dass Sie sich dort einbringen und mit den Kirchen, am besten natürlich auch mit den

Flüchtlingen, in den Dialog treten und sich die Situation schildern lassen.

Eins kann ich Ihnen auch sagen: Allein eine Abschreckungspolitik, um die Leute davon abzuhalten, nach Berlin zu kommen, greift zu kurz. Eigentlich hatte man ja manchmal den Eindruck, wenn man jetzt auch den Bundestagsabgeordneten hört, der Flüchtlingsunterkünfte in Privatwohnungen in die Diskussion eingebracht hat, dass es bei der CDU andere Ansätze gibt. Daher mein Rat an Sie: Lassen Sie sich jetzt nicht von der AfD kirre machen!

[Zuruf von den GRÜNEN]

Ja, aber Herr Wansner! – Werden Sie nicht rechter, als Sie es eh schon sind!

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Danke schön! – Selbstverständlich kann der Kollege Wansner jetzt replizieren. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Bayram! Bei Ihnen ist jeder schon rechts, der Sie nicht links überholt hat,

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Nein, Sie im Speziellen!]

das ist sicherlich Ihr Problem!

[Canan Bayram (GRÜNE): Ich habe damit kein Problem!]

Lassen Sie mich noch einen Satz zur Thomaskirche sagen. Ich bin nicht in diese Kirche gegangen, weil ich mir dieses Spektakel vor Ort ansehen wollte, sondern weil ich im Gegensatz zu Ihnen wöchentlich zweimal dort bin. Das war meine Kirche zu meiner Jugendzeit, und ich habe in dieser Kirche vor drei Jahren auch noch einmal geheiratet. Seien Sie mir nicht böse – das ist die Kirche, in der ich eigentlich immer einkehre, wenn ich mal Zeit habe. Lassen Sie mich zu dieser Kirche noch einige andere Dinge sagen: Sie wissen, dass ich jedes Jahr Menschen mit Migrationshintergrund zum Fastenbrechen einlade. Vor zwei Jahren habe ich viele Menschen mit Migrationshintergrund in die Kirche zum gemeinsamen Reformationsfest eingeladen, um auch das Gegenstück zu sehen, dass wir gemeinsam und mit Respekt in diesen Bereichen arbeiten. Mit Ihren pauschalen Vorwürfen sollten Sie daher sehr vorsichtig sein.

Ich habe Sie dort getroffen, allerdings habe ich auch etwas anderes gesehen. Ich habe gesehen, dass meine Kirche an dem Tag massiv verdreckt war. Ich habe von der Pfarrerin gehört, dass mehrere Schlösser in der Kirche aufgebrochen worden sind. Wenn das Ihre politische

Vorstellung von Wanderung, von Integration ist, dann, das gebe ich ehrlicherweise zu, unterscheiden wir uns politisch sehr voneinander.

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Fällt Ihnen aber früh auf!]

Ich kann Ihnen sagen, dass die Kirchengemeinde heute insgesamt noch unter Schock steht.

Diese Kirche hat eine hervorragende Geschichte. Sie ist die größte evangelische Kirche in dieser Stadt. Sie ist im Zweiten Weltkrieg fast komplett zerstört worden. Sie wurde wieder aufgebaut, und als sie fertig war,

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Zum Thema, bitte!]

stellte sich heraus, dass dort Blauasbest verbaut wurde – halten Sie doch einfach mal den Mund! –, und sie wurde wieder geschlossen. Sie liegt an der Grenze von Friedrichshain, Kreuzberg und Mitte und hat dadurch, wie ich glaube, eine hervorragende Lage. Sie ist dafür qualifiziert, für die Menschen, die dort wohnen, Gottesdienste abzuhalten, in denen sich jeder – mehr oder weniger – irgendwo wiederfindet. Diese Kirche ist insgesamt immer geöffnet.

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Können Sie mal zum Thema reden!]

Man kann sie, wenn Sie Lust haben, einmal fünf Minuten Ruhe zu genießen, besuchen. Wir haben hier also eine offene Kirche, und die hat darunter gelitten, dass sie mehr oder weniger politisch missbraucht wurde.

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Zum Thema!]

Noch eins: Mich hat schockiert, dass dieselben Unterstützer, die in der Gerhart-Hauptmann-Schule und auf dem Oranienplatz aktiv waren, alle vor dieser Kirche mehr oder weniger herumsaßen – das will ich jetzt mal vorsichtig formulieren. Die Asylbewerber waren, wie die Pfarrerin sagte, zum großen Teil sehr vernünftig, aber mit diesen Unterstützern konnte man nicht reden, durfte man nicht reden. Sie suchten dort den Streit, und wir können alle dankbar sein, dass die Kirche diese Besetzung mehr oder weniger unbeschadet überstanden hat.

Sie müssten zum Ende kommen, Herr Kollege!

Wir sollten vorsichtig sein und Kirchen, überhaupt Gotteshäuser, politisch nicht missbrauchen – dann wären wir alle auf einem richtigen Weg.

Vielen Dank, Herr Kollege Wansner! – Für die Piratenfraktion erteile ich jetzt dem Kollegen Reinhardt das Wort. – Bitte sehr!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Wansner! Ich glaube, dass die Kirchen – mit vielen habe ich in den letzten Wochen Gespräche geführt – am allerwenigsten wollen, dass Sie hier für sie das Wort ergreifen und für sie sprechen. Ich kann mir nicht wirklich vorstellen, dass das in deren Interesse ist.

[Beifall von Christopher Lauer (PIRATEN), Oliver Höfinghoff (PIRATEN) und Stefan Gelbhaar (GRÜNE)]

Ich habe mich schon darauf eingestellt, dass wir eine komische Debatte führen, aber ich muss schon sagen, ich bin noch mal zweifach enttäuscht. Die Faktenunkenntnis seitens der SPD und dieses Gar-nicht-auf-den-InhaltEingehen und die blinde Wut auf irgendwelche echten oder vorgestellten Akteure seitens der CDU überraschen mich jedes Mal aufs Neue.

Ich versuche mal eine Einordnung des Kompromisses für die Menschen vom Oranienplatz – ausgehandelt von Frau Kolat, die hier an der Seite sitzt und das Ganze bestimmt fasziniert zur Kenntnis nimmt –, und zu den letzten zwei Jahre Flüchtlingsprotesten in Berlin und anderen Städten. Wir haben dabei Erfolge, Misserfolge, aber auch deutliche Widersprüche erlebt. Darauf will ich kurz eingehen.

Ich finde es durchaus wichtig, auch die Erfolge zu benennen. Ein Erfolg ist, dass die Flüchtlingspolitik und der Umgang mit Flüchtlingen seit einiger Zeit deutlich stärker im Fokus stehen. Dabei werden die Flüchtlinge als Betroffene wie auch als eigene Akteure wahrgenommen. Das ist neu in dieser Debatte, und ich finde wichtig, dass das auch als Erfolg wahrgenommen wird.

Ein weiterer Erfolg: Der Oranienplatz ist im Januar zumindest nicht geräumt worden, stattdessen wurden Gespräche aufgenommen. Das ist gut, aber nicht ausreichend.

Jetzt zu den Misserfolgen. Ein Misserfolg für die Flüchtlinge ist natürlich das Ergebnis, das wir heute vor uns sehen: Menschen, die verzweifelt sind, die ihr Vertrauen in die Politik endgültig verloren haben, die so verzweifelt sind, dass sie bereit sind, sich auf das Dach von Häusern zu stellen und zu springen, weil sie kaum noch etwas zu verlieren haben. Ein Misserfolg für den Senat – und darüber für das ganze Land Berlin – ist natürlich, dass er sich uneinig und gespalten zeigt, weil er mit Gefälligkeitsgutachten seine eigene Autorität und Glaubwürdigkeit infrage stellt.