Protocol of the Session on September 18, 2014

Bitte!

Herr Regierender Bürgermeister! Sie haben recht. Wir werden uns alle gemeinsam für die Interessen Berlins einsetzen. – Ich habe eine ganz praktische Frage, weil Sie das gerade nicht mit beantwortet haben: Gesetzt den Fall, am 11. Dezember ist, wie geplant, diese Abschlussrunde. Wer geht denn da hin? Ich gehe davon aus, dass die Leute in der Chefetage, die es direkt betrifft, hier sein sollten, denn hier ist etwas los.

Sie wissen doch noch gar nicht, was hier los sein wird und wann etwas los sein wird! Warten Sie es ab!

[Martin Delius (PIRATEN): Wer geht denn hin? – Zuruf von Lars Oberg (SPD)]

Herr Delius! Warten Sie es ab! Das werden wir gegebenenfalls zu entscheiden haben. Sie haben nicht einen Moment, wo dieser Senat und diese Regierung nicht

regierungsfähig sind. Diesen Moment wird es nicht geben. Wir werden immer voll handlungsfähig sein und auch diese Handlungen vornehmen.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Ich möchte noch zwei inhaltliche Punkte ansprechen, die hier auch eine Rolle gespielt haben, einerseits das Thema Flüchtlingspolitik. Das ist in der Tat eine Auseinandersetzung, die in dieser Stadt seit geraumer Zeit tobt. Wir haben immer wieder Ereignisse, wo die einen ihre Auffassung vertreten und einen absoluten Standpunkt haben und andere auf das Recht verweisen. Wie immer ist es in so schwierigen Gemengelagen nicht einfach zu sagen: Der eine hat hundertprozentig recht, und der andere hat hundertprozentig unrecht –, sondern da gibt es eine erhebliche Grauzone.

Bei allen Bemühungen, die wir da haben, ist dort etwas deutlich geworden: Bestimmte Konflikte, die die Flüchtlinge hier – je nach Standpunkt, auch politischem Standpunkt – zu Recht ansprechen und Berlin europaweit als Plattform suchen, sind vom Land nicht zu regeln. Daran würde auch eine rot-rote oder rot-grüne Regierung nicht vorbeikommen, das ist Fakt. In diesem Spannungsbogen befinden wir uns. Selbstverständlich, da gibt es keinen Dissens, hat der Senat alles versucht zu tun, dass einerseits aus humanitären Gründen Flüchtlingen geholfen wird und unhaltbare Zustände beendet werden, wie wir sie am Oranienplatz hatten, und auf der anderen Seite war von Anfang an klar und auch Kernelement der Vereinbarung, dass es ein gesetzliches Verfahren gibt – das kann diese Vereinbarung nicht aushebeln – und dass am Ende dieses individuellen Überprüfungsverfahrens eine Entscheidung steht. Alle Insider wussten, dass am Ende dieses Verfahrens in den meisten Fällen nicht die Entscheidung herauskommt, die vielleicht einige politisch haben wollten, weil sie nicht mit dem Gesetz in Vereinbarung steht.

Dieser Konflikt lässt sich nicht einfach beseitigen. Deshalb sind wir da in einem Dilemma, und wir sehen alle Unterstützerinnen und Unterstützer, die sagen: Ja, sollen sie alle bleiben. – In dem Moment, wo sie bei ihnen in den Einrichtungen sind, sind sie hilflos oder rufen die Polizei und lassen sie früher oder später räumen. Auch da stehen das Einsetzen und die Wirklichkeit in einer Diskrepanz, nicht, weil die Evangelische Kirche beispielsweise den Flüchtlingen nicht helfen will, sondern weil sie auch damit überfordert ist und diesen Grundkonflikt nicht lösen kann.

Dementsprechend müssen wir versuchen deutlich zu machen, tatsächlich eine politische Debatte zu führen: Was machen wir mit Flüchtlingen? – Bislang habe ich weder von den Grünen, der Linken oder den Piraten bundesweit die These gehört: Egal, woher sie kommen, egal, wie sie hierher kommen, egal, ob sie schon in Italien, in Frankreich oder sonst wo aufgenommen worden sind, Deutschland erklärt unisono: Wir machen alles, wir

(Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit)

nehmen jeden Einzelnen auf und alimentieren auch jeden Einzelnen. – Das habe ich bislang so in dieser Rigorosität noch von keiner politischen Partei gehört.

[Simon Kowalewski (PIRATEN): Da haben Sie nicht zugehört!]

Es ist auch fatal, wenn man das so macht. Wenn wir den Zusammenhalt in dieser Gesellschaft sicherstellen wollen, müssen wir höllisch aufpassen, dass auch diejenigen, auch Asylbewerber, die lange hier sind, nicht den Eindruck haben, dass es Asylbewerber zweier Klassen gibt, dass einige wenige, weil sie Protestaktionen, unterstützt von anderen, machen, privilegiert werden, und andere in dem normalen Verfahren sind und das bislang mitgemacht und erfolgreich oder nicht erfolgreich durchlaufen haben. Da müssen wir höllisch aufpassen.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU – Zuruf von Oliver Höfinghoff (PIRATEN)]

Sie werden keine Akzeptanz bei den Berlinerinnen und Berlinern haben, dass wir doppelt bezahlen oder sonstige Dinge machen, weil hier die Systeme dann nicht ineinandergreifen. Das werden Sie nicht erreichen.

Deshalb die große Bitte, sensibel mit dem Thema umzugehen, nicht die Flüchtlinge für eine Politik zu instrumentalisieren, die sich in Berlin nicht durchsetzen lässt,

[Beifall bei der SPD und der CDU]

und gemeinsam mehr zu überlegen, auch bundes- und europaweit, wie in der Tat Missstände in der Flüchtlingspolitik beendet werden können.

Noch zur Olympiabewerbung: Die Linkspartei ist da in Kontinuität zur alten PDS. Es wundert mich ein bisschen, dass ihr so sportfeindlich seid – das seid ihr ja sonst eigentlich nicht –, aber das ist ja auch in Ordnung. Das ist eine klare Haltung. Da hat man sich seit Jahren oder Jahrzehnten festgelegt. Damit muss man leben.

[Heiterkeit von Torsten Schneider (SPD) – Zurufe von der LINKEN]

Trotzdem freue ich mich darüber, dass andere aus diesem Parlament, die zur Opposition gehören, anders darüber nachdenken, sicherlich auch noch im Zwiespalt sind. Das ist ja auch für viele keine einfache Frage, und es gibt gute Gründe, warum man sagt, das wolle man partout nicht haben.

Ich werbe ja aus der Überzeugung dafür, dass es sich lohnt für die Zukunftsfähigkeit der Stadt, einen Impuls gibt für den Sport, für den Breitensport und natürlich für die Infrastruktur in dieser Stadt und für die Werbung für diese Stadt, wenn man Olympische Spiele durchführt, aber dies kann man natürlich anders sehen. Aber lasst uns doch diese Auseinandersetzung mit fairen Mitteln führen, und lasst uns doch die Argumente austauschen! Dann wird es eine Möglichkeit geben, einen rechtlich einwandfreien Bürgerentscheid oder eine Bürgerbefragung durch

zuführen. Es können und werden sich die Fraktionen zusammensetzen, um dafür die richtige Rechtsform zu finden.

[Zurufe von der LINKEN]

Heute die Rechtsform oder die Bürgerbefragung zu torpedieren oder dagegen zu polemisieren, ist fatal, denn es ist ja wohl das Minimum, dass man dann für sich hier in Anspruch nimmt, dagegen zu sein, aber sagt, die Bürgerinnen und Bürger sollen darüber nicht entscheiden. Nein! Wir wollen die Partizipation der Bürgerinnen und Bürger, und es wird eine Rechtsform geben, die das auch ermöglicht.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Da muss man über den Schatten springen, und es ist auch mein Appell, es nicht daran scheitern zu lassen, weil jeder wieder irgendetwas durchsetzen will. Hier geht es um diese Olympiafrage.

[Steffen Zillich (LINKE): Der eine Kandidat hat es anders versprochen!]

Ja, er hat eine Auffassung dazu. Der möchte die Verfassung ändern. Das hatte ich selbst schon mal gefordert. Da habt ihr alle gesagt: Um Gottes willen! Nicht, dass die Regierung die Bürger auf einmal fragen darf. Das wäre ja ganz fatal. – Ich kann es aus systematischen Gründen verstehen, dass Parlamentarier sagen: Um Gottes willen! Das darf die Exekutive nicht machen. – Es wäre eine grundsätzliche Regelung, das in der Verfassung machen. Das kann man machen, dafür muss man hier die Mehrheit haben. Dann wäre das unabhängig von Olympia, dann würde es auch für andere Sachverhalte gelten.

Wenn man aber diesen Grundkonsens nicht herbeiführen kann, weil der eine oder die andere sagen: Nein, das möchte ich aus grundsätzlichen Überlegungen nicht haben –, dann bitte aber nicht die ganze Sache torpedieren, sondern wirklich gemeinsam nach einem Weg suchen, wie wir die Berlinerinnen und Berliner nicht über Infratest dimap, Forsa, den TED bei der „Bild“-Zeitung oder sonst was befragen, sondern in der Tat mit einem Verfahren, das hier konsensual erarbeitet wird und rechtlich Bestand haben kann. Das wird doch wohl noch hinzubekommen sein, sowohl von den Befürwortern Olympias genauso wie von den Gegnern. Das müsste doch ein gemeinsames Anliegen sein, und deshalb habe ich da eigentlich keine Sorge.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Zurufe von der LINKEN]

Das kann man doch machen. Das ist doch noch ein Diskussionsprozess. Was regt ihr euch denn schon wieder vorher darüber auf? Das ist doch ein Diskussionsprozess. Da könnt ihr euch doch mit eurer Gegenmeinung wunderbar einbringen. Das ist doch gar kein Problem, und das werdet ihr doch auch machen. Es ist auch gut, dass ihr die Hamburger auch mit ins Boot geholt habt. Das ist auch

(Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit)

schön. Warum soll denn der Kollege Scholz mit seiner Linken nicht das ähnliche Problem haben?

[Heiterkeit von Torsten Schneider (SPD)]

Geteiltes Leid ist halbes Leid, also insofern auch in Ordnung. – So, es ist ja jetzt nicht die Zeit, hier alles zu diskutieren, aber ich sage mal: Keine Sorge, liebe Opposition! Die Regierung bleibt so, wie sie ist, und die Opposition auch, und insofern können wir erfolgreich weiterarbeiten. – Schönen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank, Herr Wowereit! – Nach § 64 Abs. 7 unserer Geschäftsordnung beginnt nun eine weitere Rederunde. Es ist Redebedarf angemeldet worden. Wir beginnen wieder mit der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Das Wort hat die Frau Abgeordnete Pop. Die Redezeit in dieser zweiten Rederunde beträgt strikt fünf Minuten.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Regierender Bürgermeister! Sie sind so wahnsinnig gut drauf. Warum machen Sie eigentlich nicht weiter? Gab es eigentlich Probleme mit Ihnen und der SPD, oder was war der Grund Ihres Rücktritts?

[Beifall bei den GRÜNEN]

Aber Sie sprachen letztens selbst davon, dass Sie jetzt gute Ratschläge erteilen können, ohne sie umsetzen zu müssen. Das war offensichtlich jetzt das Lehrstück dazu.

Zu Olympia, um mal damit anzufangen: Wir kennen alle die Verfassungslage. Die Abstimmung sieht unsere Verfassung schlichtweg nicht vor.

[Torsten Schneider (SPD): Was wollen Sie denn politisch?]

Herr Saleh! Vielleicht sollten Sie mal zuhören. Ich glaube, Sie wissen auch, dass, auch wenn Sie hier eine Mehrheit für eine solche Verfassungsänderung finden, diese nicht mehr Realität wird, weil es dazu noch einen Volksentscheid zur Bestätigung braucht. Und den werden Sie, wir oder wer auch immer nicht mehr vor dieser Bewerbung schaffen, wenn Sie die 2016 abgeben wollen. Diesen Weg, den Sie gehen wollen, gibt es schlichtweg nicht. Da sollten Sie vielleicht auch mal den Tatsachen ins Auge sehen.

Vor allem, bevor Sie sich und wir uns alle in dieser Frage verhaken, sollten wir alle nicht aus den Augen verlieren, dass es viel wichtiger ist, für eine vernünftige Akzeptanz auf eine andere Art und Weise zu sorgen, über echte Beteiligung, über echte Mitsprache und auch darüber, dass vielleicht diejenigen, die vorhaben, sich für Olympia zu bewerben

[Torsten Schneider (SPD): Fangen Sie mal in Ihrer Fraktion an, Frau Pop!]

schreien Sie doch nicht ständig dazwischen, Herr Schneider! –, sich ernsthaft einer Debatte in der Stadt stellen und vielleicht auch mal den Mut und die Größe haben zu sagen: Wir nehmen Abstand von der einen oder anderen Planung. – Das, was Sie bei Tempelhof nicht geschafft haben, nämlich zu sagen: Wir verzichten auf die ZLB um den Preis, dass wir eine Mehrheit für unser Vorhaben bekommen. – Das wäre das, wofür Sie und wofür alle in der Olympiafrage sorgen müssen. Lassen Sie uns bitte nicht nur in der reinen Abstimmerei hier verhaken. Das führt in die Irre.

[Beifall bei den GRÜNEN]