Protocol of the Session on July 3, 2014

Nur wenn wir alle in ein Boot holen, können wir eine gemeinsame Vision für Olympische und vor allem auch

Paralympischen Spiele im Jahr 2024 bzw. 2028 entwickeln. – Alle, die solche Prozesse schon einmal mitgemacht haben, wissen, dass sich Istanbul fünf- oder sechsmal beworben hat. Das ist kein Selbstläufer, sondern ein längerer Prozess. – Ohne eine gemeinsame Vision, an die der Großteil der Stadt glaubt, haben die Spiele gar keinen Zweck. Viel zu oft hört man aus Koalitionskreisen, welche Probleme dieser Stadt mit Olympia alle gelöst werden können und welche Verbesserungen sie für Berlin bringen. Wir könnten zum Beispiel endlich unsere Sportstätten und Schwimmbäder sanieren, die Infrastruktur und den öffentlichen Nahverkehr könnten wir besser machen, wir könnten vielleicht sogar den BER auf Vordermann bringen,

[Lachen und Beifall bei den PIRATEN]

wir könnten sozialen, studentischen und altersgerechten Wohnungsbau beim Olympischen Dorf betreiben, wir könnten Barrierefreiheit nach vorn bringen, und noch vieles mehr. Liebe Koalition! Diese Punkte sind nicht durch eine Olympiabewerbung oder sogar Olympische Spiele anzugehen, sondern sind, verdammt noch einmal, eine Scheißpflichtaufgabe einer Regierung und müssen jetzt gelöst werden.

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Diesen Ausdruck rüge ich als unparlamentarisch, Herr Kollege Herberg!

Es tut mir leid! Ich entschuldige mich für „Regierung“, denn regieren tut hier ohnehin keiner.

[Lachen und Beifall bei den PIRATEN – Beifall bei der LINKEN]

Wenn Sie der Stadt und uns das Gefühl und das Vertrauen geben könnten, dass Sie die Probleme der Stadt nicht nur auf Fraktions- und Senatsklausuren, wie gerade geschehen, besprechen, sondern auch in Anträgen, Gesetzen und Haushaltsplänen umsetzen würden, dann könnten wir als Opposition und die Stadt mit Ihnen über die Belastung aufgrund einer Olympiabewerbung reden. Umsonst gibt es da nämlich gar nichts, weder vom Bund noch vom DOSB und schon gar nicht vom IOC. Dessen müssen wir uns bewusst sein, da dürfen wir uns auch nicht in die eigene Tasche lügen.

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN – Alexander Spies (PIRATEN): Man muss sie sogar bestechen!]

Wir dürfen uns auf der anderen Seite aber auch nicht den Chancen verschließen, die eine gemeinsame Olympiabewerbung für diese Stadt bieten kann. Wenn wir diese

Chancen nutzen wollen, müssen wir jetzt mit den Berlinerinnen und Berlinern in den Dialog treten und über unsere aller Vorstellungen sprechen. Als Politiker ist es unsere Aufgabe, solche Diskussionen zu moderieren, die Ergebnisse ernst zu nehmen und nicht danebenzustehen und am Ende doch unser eigenes Ding durchzuziehen.

[Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Carsten Schatz (LINKE)]

Wir Piraten haben damit innerparteilich schon begonnen und es ist gerade zu Beginn der Sitzung abgeschlossen worden. Auf unserem Meinungsfindungstool Liquid Feedback hat sich eine Mehrheit der Berliner Piraten für eine Bewerbung um die Olympischen und Paralympischen Spiele ausgesprochen

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Ja, liebe Koalition, Ihr dürft jetzt einmal klatschen. Das heißt, wir gehen mit Euch in den Dialog und stellen uns nicht hin und machen bla, bla, bla.

[Beifall von Tim-Christopher Zeelen (CDU)]

Danke schön! – Aber natürlich ist es dann auch so, dass die Entscheidung nicht einfach „Olympia yeah“ oder „Olympia nee“ lauten darf. Dahinter steckt ja noch eine ganze Menge anderes. Wir wollen zum Beispiel eine Beteiligung der Berlinerinnen und Berliner über eine JaNein-Frage hinaus. Sie sollen den Prozess zu einer Olympiabewerbung begleiten, mit beeinflussen können und am Ende dann auch darüber entscheiden. Nur so kann die Worthülse, die der Senat mit „Bürgerolympiade“ aufgebracht hat, mit ein bisschen Leben gefüllt werden.

[Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Ramona Pop (GRÜNE)]

Wir müssen darüber reden, dass es nachhaltig, ökonomisch, ökologisch und gesellschaftliche Investitionen in vorhandene Sportstätten und die Infrastruktur und Neubau nur dann geben darf, wenn es eine gesicherte Nachnutzung gibt. Das Olympiadorf zum Beispiel – möglicherweise auch die Dörfer, es ist alles noch nicht geklärt, ob es an bestimmten Orten sein soll – muss für soziales, studentisches und altersgerechtes Wohnen zu Verfügung stehen. Wir haben noch eine Reihe anderer Punkte, zum Beispiel zum Sicherheitskonzept, zur Versammlungsfreiheit während der Spiele, den finanziellen Risiken und wie die Spiele dann endgültig organisiert, durchgeführt und nachbereitet können. Da das die mir zur Verfügung stehende Redezeit sprengen würde, müssen Sie das leider online nachlesen. Wir können dann morgen im Sportausschuss genauer darüber sprechen.

Eigentlich sind diese Punkte aber gar nichts Besonderes. Sie sollten bei einer Bewerbung ohnehin mit enthalten sein, denn alles, was ich gerade aufgezählt habe, sind Standards, die wir erfüllen müssten, wenn wir ernst gemeint an solche Bewerbungen herangingen.

Deshalb komme ich zum Schluss noch zu Visionen. Wer übrigens keine Visionen hat, der sollte als Politiker einmal zum Arzt gehen. Wie stellen wir uns Berlin im Jahr 2024 vor? – In Berlin beginnen gerade die Paralympischen Spiele. Sie stehen unter dem Motto: Die letzten Paralympischen Spiele sind der Startschuss für die Inklusion aller Sportler in gemeinsame Olympische Spiele.

[Beifall bei den PIRATEN]

Inklusion und Beteiligung sind keine Worthülsen mehr, sondern werden aktiv in jedem Bereich des Lebens, wo es möglich ist, umgesetzt. Berlin ist Vorbild und zeigt vor Ort und an den Bildschirmen überall auf der Welt, was möglich ist, wenn man es nur will.

Herr Henkel, der nicht anwesend ist, aber Herr Wowereit ist ja für den Senat da, in seine Richtung kann ich sagen: Olympische und Paralympische Spiele, wenn wir das wirklich ernst meinen, dann kann die Aussage, die Sie treffen, nicht sein: So, wie überall auf der Welt, nur ein bisschen bescheidener

[Beifall bei den PIRATEN]

Was ist denn das für eine Werbung, wenn wir zur Welt nach draußen gehen und sagen: Wir wollen Olympia. Wir machen alles ein bisschen kleiner – und sonst fällt uns dazu nichts ein. So können wir nicht darangehen. – Das sind keine Visionen, sondern Stillstand. Das ist genau Ihre Politik, die Sie die ganze Zeit betreiben.

[Beifall bei den PIRATEN]

Der Senat hat diesen Punkt auf die Tagesordnung gesetzt. Jetzt gehen wir in die Sommerpause. Trotzdem ist es aber so, dass die Diskussion in der Stadt begonnen hat, dass wir als Opposition diejenigen sein mussten, die sie ins Parlament getragen haben. Die Diskussion ist jetzt hier im Parlament angekommen. Ich bin sehr gespannt auf die Redebeiträge vor allem der Koalition sowie auf die morgigen Beratungen im Sportausschuss.

Zur Regierungsbank: Da die Koalition vorhin, als es um die Aktuelle Stunde ging, dem Regierenden Bürgermeister bzw. dem Sportsenator das Wort quasi verweigert hat, indem Sie Herrn Müller ins Rennen geschickt haben, fordere ich Sie auf: Nutzen Sie Ihr Rederecht! Lassen Sie sich nicht von SPD und CDU unterdrücken! Sie haben die Möglichkeit zu sprechen. Beziehen Sie Stellung für den Senat! Herr Wowereit! Was sind Ihre Visionen von Olympia in Berlin im Jahr 2024 oder im Jahr 2028? – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank, Herr Kollege Herberg! – Für die Fraktion der SPD erteile ich jetzt dem Kollegen Buchner das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch liebe Kolleginnen und Kollegen der Opposition! Sie werden gleich merken, dass wir inhaltlich gar nicht so weit auseinanderliegen. Was ich allerdings nicht ganz verstehe, ist der Druck, den Sie versuchen, in diese Debatte zu bringen. Ich finde das fast ein Stück weit entlarvend. Würde der Senat hier nämlich heute ein fertiges Konzept vorlegen, würden alle laut rufen: Wo bleibt denn die Beteiligung?

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Dr. Gabriele Hiller (LINKE): Wo bleibt sie denn?]

Wenn wir als Regierungsfraktionen und auch als Senat sagen: Wir wollen eine breite Beteiligung. –, dann rufen Sie laut. Wo ist denn das Konzept? – Beteiligung bedeutet doch, gemeinsam ein Konzept zu entwickeln, gemeinsam mit der Stadtgesellschaft.

[Zurufe von Evrim Sommer (LINKE), Martin Delius (PIRATEN) und Christopher Lauer (PIRATEN)]

Ich möchte noch zwei Vorbemerkungen machen. Ich würde gern eine sachliche Debatte über das Thema führen, weil Olympische Spiele eine echte Chance für diese Stadt sein könnten.

Lassen Sie dennoch eine Zwischenfrage des Kollegen Herberg zu?

Selbstverständlich!

Bitte schön, Herr Kollege!

Geschätzter Kollege! Ich wollte mit meiner Rede keine fertigen Konzepte oder Ähnliches abfragen, sondern es geht darum, dass wir unsere Visionen und Ideen – –

Kein Koreferat!

Die Frage lautet deshalb: Präsentieren Sie Ihre Visionen und Ideen jetzt?

Das war eine kurze und bündige Frage.

Da hätten wir ja noch ein paar Minuten abwarten können. Das war jetzt auch keine Kritik nur an Ihnen, sondern es gab ja auch ein paar Zeitungsberichte, wo sich andere Kolleginnen und Kollegen der Opposition bereits geäußert hatten.

Jetzt vielleicht zurück zu den beiden Vorbemerkungen – erste Bemerkung: Ich hoffe, dass wenigstens in einem Punkt in diesem Haus Konsens besteht: Diese Stadt Berlin kann sportliche Großereignisse. Wir beweisen das nämlich seit Jahrzehnten vielfach: die Fußball-WM, die Leichtathletik-WM, Pokalfinale, Marathon, Weltmeisterschaften dutzendfach. Diese Stadt ist sportbegeistert. Diese Stadt hat eine großartige sportliche Infrastruktur. Diese Stadt ist attraktiv wie nie zuvor für Besucherinnen und Besucher. Ich glaube, niemand zweifelt ernsthaft an, dass Berlin organisatorisch begeisternde Olympische Spiele organisieren könnte.

[Zuruf von Steffen Zillich (LINKE)]

Zweite Bemerkung: Sie erwecken den Eindruck, als würde es hier einen großen Zeitdruck geben. Das ist mitnichten so. Der deutsche Sport hat noch nicht einmal entschieden, ob es eine deutsche Bewerbung um die Olympischen Sommerspiele 2024 geben soll. Was im Moment vom deutschen Sport abgefordert wird, ist eine Interessenbekundung.

[Zuruf von Dr. Gabriele Hiller (LINKE)]

Ich glaube, die deutsche Hauptstadt, die Sportmetropole Berlin, sollte schon grundsätzlich offen sein, wenn es eine Chance gibt, das größte Sportereignis der Welt hier stattfinden zu lassen.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der CDU]