Erster Staatsvertrag zur Änderung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (Erster Glücksspieländerungsstaatsvertrag – 1. GlüÄndStV)
Vorlage – zur Kenntnisnahme – gemäß Artikel 50 Absatz 1 Satz 3 der Verfassung von Berlin Drucksache 17/0041
Ich habe die Vorlage vorab an den Hauptausschuss überwiesen und darf Ihre nachträgliche Zustimmung dazu feststellen. – Für die Besprechung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Das Wort hat der Abgeordnete Behrendt. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist ein großer Erfolg zu vermelden. Als wir hier den ersten Entwurf des Glücksspielstaatsvertrages im Mai 2010 diskutierten, war noch eine Internetsperre, also eine Zensurinfrastruktur vorgesehen, die ausländische Wettanbieter vom deutschen Markt fernhalten sollte. Die Kollegen Goetze und auch der Kollege Zimmermann hielten diese Regelung damals für gänzlich unverzichtbar. Es ist ein Erfolg grüner Regierungsbeteiligung, nicht zuletzt in NordrheinWestfalen, in Bremen, Rheinland-Pfalz und in BadenWürttemberg, dass dieser Versuch abgewehrt wurde und der jetzige Entwurf ohne entsprechende Regelungen auskommt.
Zu dem jetzt wiederum vorgeschlagenen Lizenzmodell: Ob das staatliche Monopol bei Wetten rechtlich aufrechterhalten werden könnte oder aufgrund der Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs aufzugeben ist, wird unterschiedlich beurteilt. Nun haben sich die Bundesländer auf dieses Lizenzmodell verständigt, was in
soweit in Ordnung geht, als der Gesundheitsschutz und der Schutz vor betrügerischen Anbietern gewährleistet werden. Immerhin ist es besser, das Wettgeschehen unter staatlicher Aufsicht abzuwickeln, als es vollständig in die Illegalität abzudrängen. Was wir jedoch nicht wollen, ist eine reißerische Werbung und eine jederzeitige Verfügbarkeit von Wettangeboten, die es Suchtgefährdeten schwer macht, auszuweichen. Die Erhöhung der Lizenznehmer von sieben auf immerhin 20, die jetzt vorgeschlagen wird, stellt eine Verdreifachung dar und weckt Befürchtungen in dieser Richtung.
Zu Schleswig-Holstein: Dieses kleine, schöne Bundesland im Norden der Republik schert aus dem Konzert der anderen Bundesländer aus, weil insbesondere die dortige FDP ein Las Vegas an der Ostsee mit ganz viel Sportwetten und ganz viel Spielangeboten möchte.
Allerdings ist die Regierungszeit der dortigen Koalition bekanntlich endlich. Nach den Wahlen im Jahr 2012 wird mit ziemlicher Sicherheit eine andere Regierung dieses Bundesland führen, an der die FDP nicht beteiligt sein wird. Dann bestehen meiner Einschätzung nach auch gute Chancen, dass das Land Schleswig-Holstein seinen Sonderweg aufgibt und zu dem Konzert der 15 Bundesländer zurückkommt.
Es ist allerdings eine Berliner Besonderheit zu bewerten, dass wir uns hier im Sommer diesen Jahres verständigt haben, mit dem Spielhallengesetz gegen Spielhallen vorzugehen. Das wird in den Bezirken exekutiert. Dieser Staatsvertrag will nun Wettbüros legalisieren. Allerdings stellt sich dabei die Frage, ob nicht die Wettbüros – gegenwärtig gibt es immerhin 200 in Berlin – das Stadtbild genauso verschandeln wie die Spielhallen. Laufen nicht suchtgefährdete Spielerinnen und Spieler ebenso Gefahr, in Wettbüros ihr Familieneinkommen zu verwetten? Sind Jugendliche nicht genauso durch Sportwetten gefährdet wie durch die Angebote der Spielhallen? Mir erschließt sich weiterhin nicht, weshalb hier etwas weitgehend Gleiches ungleich behandelt werden soll.
Beim anstehenden Ausführungsgesetz – das soll ja noch kommen – werden wir jedenfalls darauf achten, dass Gesichtspunkte der Suchtprävention hinreichend Berücksichtigung finden. Dazu ermächtigt uns § 28 des vorliegenden Staatsvertrages ausdrücklich. Außerdem werden wir auch noch einmal über die Regelungen zum Aufstellen von Gewinnspielgeräten in Gaststätten und Imbissen sprechen müssen. Das haben wir bei dem Spielhallengesetz außen vor gelassen. Allerdings besteht hier auch für den Landesgesetzgeber die Möglichkeit, tätig zu werden. Das ist an der einen oder anderen Stelle zu erwägen und meines Erachtens auch sinnvoll. Uns Grünen geht jedenfalls der Schutz von suchtgefährdeten Spielerinnen und
Spielern und deren Familien eindeutig vor den wirtschaftlichen Interessen der Glücksspielanbieter. – Danke schön!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen, meine Herren! Kollege Behrendt, vielen Dank für die Einführung der rechtlichen Problematik! – Ich glaube, wir gehen an sehr vielen Stellen mit Ihnen konform, denn dieser Staatsvertrag zur Änderung des Glücksspielstaatsvertrages der 16 Bundesländer ist leider ein Minimalkonsens, denn wenn ein Bundesland – das Bundesland SchleswigHolstein, regiert von CDU und FDP, ich muss das in aller Freundschaft sagen und betonen – ausschert und sagt: Wir können uns vorstellen, dass wir das Las Vegas unter den Bundesländern werden, wir lassen eigentlich alles zu, uns ist das Thema Prävention von Glücksspielsucht eigentlich völlig egal, uns ist es gleich, dass Leute davon abhängig werden, dass sie dort Hab und Gut und meistens auch ihre Existenz verspielen – das interessiert offensichtlich in Schleswig-Holstein die aktuelle Koalitionsregierung nicht. Das ist ein Armutszeugnis!
Wir von der SPD sagen – das teilen die meisten der im Haus anwesenden Fraktionen –: Es muss etwas aktiv gegen die Glücksspielsucht getan werden. Das ist bewusst beim Glücksspielstaatsvertrag so der Fall, der im Jahr 2007 zum ersten Mal von den Ministerpräsidenten ausgearbeitet wurde. Der geltende läuft zum 31. Dezember 2011 aus. Es gibt also akuten Handlungsbedarf. Leider gibt es den erwähnten Minimalkonsens. Denn was soll man erreichen, wenn ein Bundesland bereit ist, gegen 15 andere Bundesländer zu sagen: Wir nehmen auch die gesamten Sportwettanbieter auf, wir nehmen auch vor allem gern die Steuereinnahmen der Sportwettanbieter und werden dann zum Las Vegas der Bundesrepublik, egal, was es sonst an Regelungen in der Bundesrepublik Deutschland gibt? Ich finde das – ich muss es sagen – einen politischen Skandal und hoffe sehr, dass wir vielleicht mit einer neuen Regierung in dem nördlichsten Bundesland – das ich sehr schätze – in Deutschland eine neue rechtliche und vor allem politische Situation bekommen.
Wir sind hier im Bundesland Berlin, was die Bekämpfung der Glücksspielsucht und auch was die Bekämpfung der Spielhallenflut angeht, absoluter Vorreiter für alle anderen Bundesländer. Wir haben – und darauf bin ich stolz – es geschafft, und alle Fraktionen, die dem letzten Parlament angehört haben, haben einstimmig dem Berliner Spielhallengesetz zugestimmt, und das bei allem, was
wir an Details debattiert haben. Wir dürfen uns auch mal selbst auf die Schulter klopfen! Dieses Gesetz funktioniert, es wirkt. Fragen Sie einmal die Bezirksstadträtinnen und -stadträte, wie viele Anträge für neue Spielhallen sie schon zurücksenden konnten. Es wirkt! Es ist praktisch so, dass in der Innenstadt keine weiteren Spielhallen geöffnet werden. Wir dürfen auch einmal sagen: Das ist ein großer Erfolg, darauf können wir als Berlinerinnen und Berliner stolz sein, so können das auch andere Bundesländer machen.
Wir sind an vielen Stellen sehr viel weiter – auch der neue Glücksspielstaatsvertragsentwurf geht auf das Thema Spielhallen ein. Ich behaupte, keine der neuen Regelungen, die zu den Spielhallen vor Ort vorgesehen sind, werden uns auch nur irgendwie tangieren, denn wir haben ein deutlich besseres, deutlich klareres Spielhallengesetz verabschiedet. Wir werden also vor allem – das hat der Kollege Behrendt ausgeführt – durch die Regelung zum Thema Sportwetten, Konzession und Konzessionsabgaben betroffen sein. In der vorletzten Plenarsitzung hat der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit auf eine Anfrage hin eindeutig klargemacht: Berlin wollte niemals diese hohe Anzahl von Konzessionen bundesweit für Sportwettanbieter. Dass insgesamt 20 Konzessionen vergeben werden, ist wiederum ein Skandal. Es ist die völlige Ausweitung, es gibt eigentlich fast keine Beschränkung in der Praxis, wenn das jeder machen kann. Schon die Zahl sieben wäre eigentlich zu viel, aber die Zahl 20 ist aus unserer Sicht definitiv zu viel. Der Regierende hat das letztes Mal sehr plastisch dargestellt. Auch er musste sich im Konzert der Ministerpräsidenten fügen, damit man überhaupt zu einer Einigung kommen konnte. Wir wollten als Land Berlin auf jeden Fall weniger.
Natürlich ist es ein absolut fatales Signal, dass der Steuersatz für Sport- und Pferdewetten von über 16 auf 5 Prozent gesenkt werden soll in der vagen Hoffnung, dass man damit nicht nur die bisher legalen Anbieter aus der Bundesrepublik, sondern auch die internationalen Anbieter unter diesen Steuersatz bekommt. Das sind, glaube ich, an einigen Stellen fromme Hoffnungen. Ob das klappt, wird sich zeigen.
Als Landesparlament können wir nur dem Regierenden Bürgermeister ganz doll die Daumen drücken, dass er es schafft, insbesondere zusammen mit den A-Ländern, wenn ich diese Formulierung mal benutzen darf – also mit den SPD-geführten Bundesländern –, bei der Endausarbeitung dieses Staatsvertrags darauf hinzuwirken, dass die Maximen: Eindämmung der Glücksspielsucht! Eindämmung von Kriminalität und anderen Begleiterscheinungen, die es durch Spielhallen gibt, durch Sportwetten, durch das große und das kleine Glücksspiel! angemessen berücksichtigt werden, sodass wir diese eindämmen. Ich bin sicher, er wird so wie bei den bisherigen Verhandlungen auch bei den Ministerpräsidentenkonferenzen dies
aktiv im Sinne der Berlinerinnen und Berlin und damit aktiv im Sinne des Spielerschutzes und des Schutzes vor Glücksspielsucht tun. – Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es wurde schon mehrfach angedeutet: Der große Wurf ist dieser Vertrag nicht. Es bedurfte mehrerer Anläufe, doch der jetzt vorliegende Entwurf zum Glücksspielstaatsvertrag berücksichtigt weitestgehend die von uns vorgetragene Kritik an den bisherigen Entwürfen. So ist z. B. das Automatenspiel als Hauptbetätigungsfeld der Spielsüchtigen im 7. Abschnitt mit in die Regelung aufgenommen worden, weil das Recht der Spielstätten Ländersache ist. Dadurch können die Spielhallen ihrer Zahl nach begrenzt und auch Vorschriften für die Ausgestaltung erlassen werden. Hier ist Berlin, so haben wir gehört, auf einem guten Weg. Aber trotzdem bleibt nach wie vor der Bundesgesetzgeber gefordert, die Gewerbeordnung so zu ändern, dass das Automatenspiel auch wirksam reguliert werden kann.
Gut ist, dass Lotto und Toto im staatlichen Monopol bleiben. Die Bestimmungen über die Werbung sind offener geworden, sodass Umsatzrückgänge, die im Ergebnis zulasten der geförderten sozialen Verbände oder der Sportförderung gehen würden, weniger wahrscheinlich sind. Weniger wahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen!
Die in den ursprünglichen Entwürfen vorgesehenen Internetsperren oder -kontrollen wurden gestrichen. Auch das ist ein Erfolg. Herr Behrendt hat es schon gesagt. Es wurde erkannt, dass sich Spieler- und Jugendschutz mit einem Lizenzmodell wirksamer als mit einem Verbot durchsetzen lassen. Ein Verbot, an das sich doch keiner hält und das wegen des Internets auch gar nicht durchgesetzt werden kann! Richtig ist, dass der Lizenzträger zur Identifizierung und Authentifizierung der Spieler verpflichtet wurde.
Der neue Staatsvertragsentwurf hat die berechtigte Kritik berücksichtigt, dass man die Zahl der Lizenzen nicht auf nur sieben beschränken kann, und stattdessen nun die Zahl auf 20 festgelegt. Herr Buchholz! Anders als Sie sehe ich, dass die Höhe der Konzessionsabgabe mit fünf Prozent des Spieleinsatzes realistischer erscheint als die vorher genannten Werte, weil eine höhere Abgabe voraussichtlich nicht die erwünschte Lenkungswirkung für die Spieler aus dem illegalen in den legalen Bereich hätte.
Sportwetten sind zukünftig nur als Ergebniswetten zulässig. Auch das finde ich richtig. Die Ungleichbehandlung gegenüber Pferdewetten, die auch dem Europäischen Gerichtshof als inkohärent aufgefallen war, wurde von der Tendenz her angegangen. Weitere Regelungen müssten hier durch Bundesrecht erfolgen.
Die zeitliche Begrenzung der Experimentierklausel auf sieben Jahre und die Evaluierung nach fünf Jahren werden es erlauben, auch die Frage zu prüfen, ob mit einem ähnlichen Lizenzmodell nicht auch Casinospiele wie z. B. Poker aus dem illegalen in den legalen Bereich überführt werden sollten, um auch hier die gleichen Vorteile durch Kanalisierung wie bei Sportwetten und auch die fiskalischen Vorteile zu realisieren.
Aber, wie bereits gesagt, der große Wurf ist es nicht. Es bleiben also auch Kritikpunkte. Ein Kritikpunkt ist die schlecht gelungene Glücksspieldefinition. Sie lautet:
Die Entscheidung über den Gewinn hängt in jedem Fall vom Zufall ab, wenn dafür der ungewisse Eintritt oder Ausgang zukünftiger Ereignisse maßgeblich ist.
Ich finde, diesen Satz hätte man sich sparen können oder auch müssen. Danach wäre beispielsweise auch Schach ein Glücksspiel, weil die Spielzüge des Gegners ein ungewisses Ereignis sind. Es wäre also ausreichend, wenn man nur den ersten Satz stehen ließe.
Ungelöst und völlig außerhalb der Betrachtung bleibt nach wie vor das Wetten auf steigende oder fallende Kurse an der Börse, das im Grunde die Voraussetzungen der Glücksspieldefinition des Staatsvertrages erfüllt und im Übrigen auch ein nicht unerhebliches Suchtpotenzial hat. Die Kritik hieran ist Teil unserer Forderung nach stärkerer Regulierung der Finanzmärkte.
Bei der Umsetzung des Staatsvertrages sollte darauf hingewirkt werden, dass sich alle Länder beteiligen. Hier wurde ja schon ein Auftragspaket an Herrn Wowereit übergeben. Ich bitte ihn, gemeinsam mit den SPDgeführten Ländern darauf hinzuwirken, dass ein Sonderweg Schleswig-Holsteins, mit dem zusätzliche Konzessionsabgaben in den Bereichen der Casinospiele erzielt werden, die bislang im Staatsvertrag nicht vorgesehen sind, nicht akzeptiert wird, weil dies dazu führen würde, dass dann Spieler aus allen Bundesländern in SchleswigHolstein spielen und die Abgaben allein in den Haushalt dieses Landes fließen, das zudem noch Nehmerland im Länderfinanzausgleich ist. Wir haben uns immer wieder darüber verständigt, woher das Geld für die Wünsche kommen soll, die wir hier im Land Berlin haben. Das wäre ein Auftrag, den ich gern weitergebe. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde es immer ein bisschen misslich, wenn wir Staatsverträge – sei es über Glücksspiel oder über den Rundfunk – hier im Hause erst beraten, wenn im Grunde genommen die Diskussionen vorüber sind. Ich glaube, wir leisten dann an dieser Stelle auch manchem Vorurteil ungewollt Vorschub, das in der Öffentlichkeit bezüglich der Arbeit der Politik vorhanden ist. Wenn Kollege Behrendt dann meint, dass wir heute darüber reden müssen, so ist wahrscheinlich die Vermutung nicht ganz verkehrt, dass es mehr der eigenen Profilierung in den eigenen Reihen gilt, als hier einen Sachbeitrag zu leisten.