Protocol of the Session on June 5, 2014

[Beifall von Katrin Möller (LINKE)]

Ihr Antrag „Fördern statt testen – Sprachförderung für alle!“ geht grundsätzlich den richtigen Weg. Die personellen Ressourcen in den Kitas reichen nicht aus. Ob die von Ihnen vorgeschlagenen Absenkung der Prozentzahlen der richtige Weg ist, vermag ich jetzt noch nicht zu sagen. Da brauchen wir, glaube ich, fachliche Expertise.

Bei der Sprachstandsfeststellung wird eines klar, das haben Sie auch gesagt: Nicht allein nichtdeutsche Herkunftssprache ist Ursache für einen erheblichen Sprachförderbedarf eines Kindes, sondern vor allem die soziale Lage, also die Lebensverhältnisse eines Kindes in Armut. Für diese Kinder muss erheblich mehr getan werden. Für eine bessere Ausstattung an Sprachförderung müssen heute Kita und Eltern den Weg gehen, etwa Kinder zu finden, die von Behinderung bedroht sind, und sie von SPZ und Jugendgesundheitsdienst begutachten lassen, und zwar jedes Jahr, damit in einem Bescheid ein Behinderungsstatus, welcher ein Kind auch stigmatisieren kann, festgestellt wird. Dann erst verbessert sich der Personalschlüssel in einer Kita. Davor schrecken manche Eltern nachvollziehbar zurück.

Ich denke, dass die Lösung nicht nur in einer Verbesserung des Personalschlüssels liegt, sondern auch die kontinuierliche Fort- und Ausbildung aller Erzieherinnen und Erzieher notwendig ist. Auch dafür braucht es der finanziellen Ressourcen. Im Ausschuss sollten wir unbedingt weiterdiskutieren. Ich freue mich auf den dortigen Austausch. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Danke schön, Frau Kollegin Burkert-Eulitz! – Für die Fraktion der CDU hat jetzt das Wort der Kollege Roman Simon. – Bitte schön!

Herzlichen Dank! – Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sprechen heute über die beiden Anträge der Fraktion Die Linke „Fördern statt testen – Sprachförderung für alle!“ und „Kitabedarfsprüfung abschaffen“.

Beim ersten Antrag verstehe ich nicht, weshalb Sie in der Überschrift „Sprachförderung für alle“ schreiben und es

(Marianne Burkert-Eulitz)

dann im Antrag – jedenfalls in weiten Teilen – um eine Absenkung und nicht um eine Abschaffung des festgelegten Mindestanteils für zusätzliches Fachpersonal geht.

[Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE): Stimmt ja gar nicht!]

Ja? So verstehe ich den Antrag. – Weder Ihre schriftliche noch Ihre mündliche Begründung überzeugt mich bisher. Wir haben im Land Berlin – und ich finde, das muss auch einmal hier vor dem Plenum gesagt werden – eine qualitativ gute Sprachförderung, auch schon deshalb, weil wir auf gut ausgebildete Erzieherinnen und Erzieher setzen und diese auch haben.

[Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE): Nein!]

Doch, ich meine, wir haben sie. Und ein großes Lob an die Erzieherinnen und Erzieher, die sich viel Mühe geben, ihre Qualifikation über den Verlauf ihres Berufslebens aufrechtzuerhalten und auch zu verbessern.

[Beifall bei der CDU]

Nur zur Erinnerung, was beim Thema Sprachförderung in Berlin neben den Aktivitäten des rot-schwarzen Senats alles passiert: Die CDU-Fraktion freut sich über die Unterstützung der unionsgeführten Bundesregierung für die Steigerung der Qualität in den Kindertagesstätten mit dem Bundesprogramm „Frühe Hilfen“. Im Rahmen dieses Programms freuen sich mit uns viele andere Einrichtungen der Kindertagesbetreuung in Berlin über zusätzliches qualifiziertes Personal.

[Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE): Aber nicht für Sprachförderung! Das ist etwas anderes als Sprachförderung!]

Denn jede Schwerpunktkita Sprache und Integration erhält ein Budget für zusätzliches Fachpersonal. Damit können in den Einrichtungen Teilzeitstellen für angemessen vergütete, qualifizierte Fachkräfte geschaffen werden, wo die alltagsintegrierte sprachliche Bildung noch weiter gefördert wird.

Der Antrag zur Kitabedarfsprüfung greift etwas auf, was wir schon im Koalitionsvertrag vereinbart haben. Mein Kollege Eggert hat es auch schon erwähnt. Dort steht:

Die Koalition strebt an, zum Ende der Legislaturperiode die Bedarfsprüfung für einen Ganztagsplatz für Drei- bis Sechsjährige abzuschaffen.

[Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE): Ja, macht mal!]

Nun sind wir im zeitlichen Verlauf der Wahlperiode gerade mal in der Mitte

[Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE): Schon!]

und nicht am Ende und deshalb gibt es noch keine Vorlage der Koalition. Aber seien Sie versichert, wir arbeiten den Koalitionsvertrag ab, denn es gibt gute Argumente für die Abschaffung der Bedarfsprüfung. Zum einen ist es Bürokratieabbau pur. Die Beantragung von Kitagutschei

nen für die Eltern würde vereinfacht und die Prüfung der Gutscheinanträge in den Bezirken beschleunigt werden.

Ein weiteres Argument ist die noch bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wenn eine Familie für ihr Kind bzw. ihre Kinder z. B. einen Gutschein von bis zu neun Stunden hat und Vater oder Mutter an manchen Tagen eventuell in der Arbeit etwas nicht fertigstellen können, was nur noch wenige Minuten gedauert hätte, um das Kind neun Stunden, nachdem man es abgegeben hat, abzuholen, dann ist das nicht optimal. Das sehen auch wir so. Hier würde die Abschaffung der Bedarfsprüfung helfen. Mitreden werden bei diesem Bestreben aber nicht nur die Fachpolitiker, sondern auch die Haushälter. Deshalb ist es richtig, dass der Antrag auch an diese überwiesen wird.

Inhaltlich fordern Sie in Ihrem Antrag noch mehr als wir als Koalition anstreben, das haben Sie klar und deutlich formuliert. Sie wollen die Bedarfsprüfung für alle abschaffen. Ich sehe noch nicht, dass wir hier zueinanderfinden. Als Fachpolitiker sollten wir auch realistisch bleiben. Die Abschaffung der Bedarfsprüfung ist sicherlich keine leichte Systemumstellung, jedenfalls wenn man versucht – und das möchte die CDU-Fraktion –, das möglichst kostenneutral zu gestalten. Das ist deutlich leichter zu bewerkstelligen, da etwa 95 Prozent der Drei- bis Sechsjährigen Kindertageseinrichtungen besuchen. Von den unter dreijährigen Kindern besuchen weniger eine Tageseinrichtung, daher haben wir bei dieser Altersgruppe in der Zukunft eine andere Datenbasis und eine womöglich höhere Schwankung des Bedarfs zu erwarten. Es ist daher richtig, die beiden Anträge zunächst weiter zu diskutieren und sie an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie und den Hauptausschuss zu überweisen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Danke schön, Herr Kollege Simon! – Für die Piratenfraktion ist als Redner der Kollege Kowalewski benannt worden, dem ich jetzt das Wort erteile. – Bitte schön!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Als Vertretung für Susanne Graf halte ich heute unsere Rede zu den beiden Kitaanträgen, zuerst zu dem Antrag „Fördern statt testen – Sprachförderung für alle!“

Wenn Eltern nichtdeutscher Herkunftssprache für ihre Kinder nach der gültigen Verordnung über das Verfahren zur Gewährleistung eines bedarfsgerechten Angebots von Plätzen in Tageseinrichtungen und Kindertagespflege und zur Personalausstattung in Tageseinrichtungen eine besondere sprachliche Förderung wünschen, müssen sie ihre Kinder in einer Kita anmelden, in der mindestens

(Roman Simon)

40 Prozent der Kinder bereits nichtdeutschsprachiger Herkunft sind. Das ist also ein deutliches Segregationswerkzeug und führt dazu, dass die Kinder untereinander oft in ihren Herkunftssprachen sprechen. Das ist zwar prinzipiell begrüßenswert, weil so natürlich auch die eigene Sprachkultur gefördert wird, hilft aber bei den Sprachtests und später in der Schule, wo in den meisten Fällen Deutsch gesprochen werden muss, nicht viel weiter.

Der Antrag, den Anteil auf 20 Prozent zu reduzieren, ist allerdings genauso willkürlich. Ziel muss es sein, jedes Kind angemessen sprachlich zu fördern, auch wenn es nur einen Promilleanteil der Kita ausmacht. 0,017 Vollzeitäquivalente pro Kind nichtdeutschsprachiger Herkunft bedeutet aber 30 solcher Kinder für eine halbe Kraft. Viele kleine Kitas haben insgesamt keine 30 Kinder. Dort wird dann also eine Sprachförderungskraft eingesetzt, die wöchentlich für ein paar Stunden, wenn überhaupt, da ist. Wie soll das funktionieren? Sprachförderung kann doch nur durch eine Person erfolgen, die die Kinder den ganzen Tag bei ihren Interaktionen beobachten und erleben kann.

[Stimmt! von Katrin Möller (LINKE) und Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE)]

Sprachförderbedarf aufgrund von sprachlichen Fehlentwicklungen oder Behinderung kann zwar gemäß dieser Verordnung mit entsprechenden Fachkräften erfüllt werden, muss aber erst einmal erkannt und entsprechend bestätigt werden. Das funktioniert leider, wie die Praxis zeigt, in vielen Fällen – gerade bei verbreiteten Sprachstörungen wie Lispeln, Stottern oder Poltern – eben nicht. Es ist schon problematisch, einerseits verpflichtende Sprachförderung zu fordern und mit Bußgeldern durchsetzen zu wollen, wenn andererseits für diese Sprachförderung zu wenig Mittel bereitgestellt werden. Das ist ungefähr wie eine Benutzungspflicht für einen komplett zugeparkten Fahrradweg.

Der dritte Schritt in dem Antrag müsste noch deutlich konkretisiert werden. Wie sieht eine Personalzumessung oder ein Konzept aus, welches die Sprachförderbedarfe aller Kinder berücksichtigt, unabhängig von ihrer Herkunft oder ihrer Behinderung? Wie müssten das Kitaförderungsgesetz und die Verordnung dazu geändert werden, um zusätzliches Personal, gemessen am tatsächlichen Sprachförderbedarf der Kinder, zu generieren? Würde dies bedeuten, wir testen alle Kinder vor dem Eintritt in die Kita? Wenn hierfür der Aufwand zu hoch ist, brauchen wir Spezialkräfte zur Sprachförderung in jeder Kita, weil im Grunde jedes Kind einen Sprachförderbedarf aufweist, das eine mehr, das andere weniger? – Das sind alles offene Fragen, die im Ausschuss konkretisiert werden sollten.

Zum zweiten Antrag – Kitabedarfsprüfung. Der Antrag sagt letztlich nur: Wenn der Senat mehr Kinder in die Kitas bekommen will, sollte er es den Eltern nicht allzu

schwer machen, Kitaplätze und Gutscheine zu erhalten. In § 4 des Kitaförderungsgesetzes sieht die Betreuung von Kindern in einer Kita aber noch immer aus wie eine seltene Ausnahme, die Eltern als Notlösung zur Verfügung steht, wenn sie sich nun wirklich nicht selbst um ihre Kinder kümmern können. Das ist ein deutlicher Widerspruch zur Kitapflicht, die der Senat fordert.

[Katrin Möller (LINKE): Tja!]

Ausbaden müssen diesen Widerspruch die Eltern, die sich der Bedarfsprüfung unterziehen müssen, um etwas zu erreichen, was einerseits völlig normal ist, andererseits, wie Senatorin Scheeres selbst sagt, den späteren Bildungserfolg der Kinder deutlich verbessert. Warum also diese Bedarfsprüfung nicht einfach sofort abschaffen? Warum nicht einfach allen Eltern zum ersten Geburtstag des Kindes proaktiv alle nötigen Informationen zur Kitabetreuung zuschicken?

[Björn Eggert (SPD): Passiert doch schon!]

Warum nicht zum dritten Geburtstag direkt den Kitagutschein zusenden, den die Eltern im Zweifelsfall in Rücksprache mit der ebenfalls dort genannten Beratungsstelle des Jugendamtes einfach nur einlösen müssen?

[Lars Oberg (SPD): So ist es! Sie beschreiben die Welt, wie sie ist!]

Na ja, dann hätten wir den Antrag nicht, wenn alles schon prima wäre! – Nicht außer Acht gelassen werden darf auch die Furcht der Eltern vor unvorhersehbaren Kosten – nicht nur die Kitagebühr selbst, die auch bei Kindern unter drei Jahren abgeschafft werden sollte, sondern auch die Kosten, die für Frühstück, Ausflüge, Hygieneartikel, ÖPNV, besondere Angebote usw. entstehen. Es muss vorher klar sein, welche Kosten entstehen, damit die Eltern diese einplanen können.

Es sollte auch auf die interkulturelle Weiterentwicklung der Kitas geachtet werden, sodass diese nicht als abendländisch-christliche Gleichschaltungsmaschinen wahrgenommen werden.

[Lachen von Lars Oberg (SPD) – Björn Eggert (SPD): Was? – Lars Oberg (SPD): Lesen Sie den Satz noch mal langsam vor! Ich will ihn noch mal hören!]

Kann ich leider nicht, ich habe nur noch 23 Sekunden.

[Lars Oberg (SPD): Dafür gibt es Extrazeit!]

Ich komme zu meinem letzten Satz.

[Zuruf von Lars Oberg (SPD)]