Protocol of the Session on May 22, 2014

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Schruoffeneger! Sie haben sehr viel Richtiges gesagt.

[Beifall von Fréderic Verrycken (SPD) – Beifall bei den GRÜNEN]

Ich danke für den Applaus vonseiten der Opposition für Herrn Schruoffeneger. – Sie haben sehr viel Richtiges gesagt, aber Sie werden niemals behaupten können, dass man eine Unternehmenskultur bei 100 000 Mitarbeitern zentralistisch organisieren kann. Unternehmenskultur muss in den einzelnen Teilen des Unternehmens durchgeführt werden. Ich hätte mich gefreut und würde mich auch noch freuen, wenn von Ihrer Seite ein Änderungsantrag kommt, in dem steht, dass an der VAk die Führungskräfteseminare verstärkt auf solche Sachen eingehen sollen.

[Oliver Schruoffeneger (GRÜNE): Machen wir!]

Ja! Da hätten wir doch schon mal was. – Sie mögen diesen Antrag ja kritisieren, weil er sich auf den Amtsarzt fokussiert, aber auch dieser Punkt ist doch nicht eine Frage der Schikanierung langfristig erkrankter Mitarbeiter, sondern dabei geht es um die Frage: Wie halten die anderen Mitarbeiter, die neben dem leeren Schreibtisch sitzen, den Druck aus? Wie verarbeiten sie ihre Mehrarbeit? – Das sind die Fragen, die gestellt werden müssen, und da müssen die einzelnen Führungskräfte – und dabei rede ich nicht nur von Senatoren und Staatssekretären, auch nicht nur von Abteilungsleitern, sondern ich rede auch von Amtsleitern, Gruppenleitern und sonstigen Behördenchefs – befähigt werden, nach einer sehr langen bürokratischen Unternehmenskultur in der Verwaltung

(Oliver Schruoffeneger)

Berlins – die ist so, wie sie ist, seit 60 Jahren so – anders mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern umzugehen. Dann sind wir auf dem richtigen Weg.

Kollege Goiny hat es gesagt: Dieser Antrag ist einer von etlichen, die zeigen, dass wir es uns nicht leichtmachen. Wir haben den Senat aufgefordert, Personalbedarfe festzustellen – natürlich unter Berücksichtigung des Themas der wachsenden Stadt. Sie sollen sich mal ehrlich machen, sie sollen aber auch aufgabenkritisch Personalbedarfe feststellen und nicht für jeden – ich hätte jetzt beinahe „Baum“ gesagt, aber der ist heute schon verbrannt – Dackel eine eigene Verwaltung herstellen.

[Steffen Zillich (LINKE): Bäume verbrannt? – Christopher Lauer (PIRATEN): Was?]

Da fehlt mir bei Ihnen ein bisschen etwas. Gehen wir mal ran! Sie kritisieren nur, es kommt aber nichts.

Dieser ganze Komplex von Anträgen hat eben auch damit zu tun, festzustellen, wo wir wirklich Personal brauchen, wo wir uns überlegen können, Personal abzuschmelzen, und wo wir uns überlegen können, Personal umzusetzen. Umsetzen ist ja auch eine Methode. Wir haben es ja gesehen, aber wahrscheinlich wieder nur wir Haushälter in unseren Vorlagen mit roter Nummer: Es gibt diverse Methoden, nämlich nicht die Leute zwangspensionieren, was bei einer zehnjährigen Besoldungsfortzahlung auch wenig erfolgversprechend ist, sondern bei vollzugsunfähigen Vollzugsbeamten zu suchen, wo wir sie alternativ unterbringen können. Wir haben ein Modell bei der Schulverwaltung, kinderphobische Lehrer anderweitig unterzubringen. Solche Modelle müssen gesucht und erarbeitet werden.

[Heiko Thomas (GRÜNE) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Wir werden uns weiter um das Personal im Land Berlin kümmern.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Thomas?

Nein, vielen Dank! – Wir werden weiter an diesem Thema arbeiten. Wir werden noch in diesem Jahr mit einem Einstieg in die Besoldungsanpassung beginnen, und zwar normiert, sodass wir auch uns selbst für die nächsten Haushalte gesetzlich binden.

[Steffen Zillich (LINKE): Für die nächste Wahlperiode!]

Auch das ist ein Thema, das wir nicht loslassen werden, und zwar so, dass am Ende etwas herauskommt – und nicht nur permanente Kritik. – Ich danke für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Flesch! – Für die Linksfraktion hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Bluhm. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Personalpolitische Entwicklung bei Dauerkranken“, das ist das Thema. Ich finde, Sprache ist verräterisch. Wer ist eigentliche „dauerkrank“? Man kann doch einen Beschäftigten nicht auf einen Gesundheitsstatus reduzieren. In der Tat finde ich diese Reduktion, die in diesem Antrag vorgenommen wird, weil man weder dauerkrank noch dauergesund sein kann, stigmatisierend. Ich bitte, diese Wortwahl zu überprüfen. Ich glaube, dass sie gegen Antidiskriminierungsgebote verstößt.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Anja Kofbinger (GRÜNE)]

Es ist das Verständnis dieses Antrags, es ist der Gestus, den ich kritisiere. So wird man das Problem von langzeiterkrankten Beschäftigten nicht lösen.

[Zuruf von Torsten Schneider (SPD)]

Der erste Teil des Antrags liest sich wie eine Abmahnung des Senats. Da steht, er soll mal sein Kerngeschäft machen, er soll die gesetzlichen Grundlagen umsetzen. Schaut man aber, welche Vorschläge machen die Antragsteller, also die Koalition, welche Ideen greifen Sie auf für die Stichworte, die einfach nur genannt werden: bessere Motivation, höhere Arbeitszufriedenheit, höhere gesundheitliche Standards –, stellt man fest: Fehlanzeige. Es gibt nicht einen einzigen konkreten Vorschlag. An der Stelle hätte man sich doch wünschen können, dass man beispielsweise gute Beispiele würdigt, wie eine sehr erfolgreiche Gesundheitsmanagementpolitik des Bezirksamtes Tempelhof-Schöneberg. Hier haben sich die Beschäftigten während ihrer Freizeit selbst qualifiziert, um ihre eigenen Kolleginnen und Kollegen zu beraten. Die Themen sind: Mobbing, Sucht, Überlastung, psychische Störungen und Probleme. Die Kollegen, die das neben ihrer Arbeit realisieren, werden überrannt von den Beschäftigten und deren Bedürfnis, sich über ihre Probleme auszutauschen und Rat zu suchen. Ich wünsche mir, dass Sie so konkret sind, wenn Sie dieses Thema aufgreifen, dass Sie sagen: Das wertschätzen wir und hierfür wollen wir weitere Ressourcen zur Verfügung stellen. Aber: Fehlanzeige!

[Beifall bei der LINKEN]

Der Gestus des Antrags ist erschreckend, finde ich. Ein Langzeiterkrankter bekommt den Stempel „dauerkrank“ und soll zeitnah zum Amtsarzt. An der Stelle allerdings war ich wieder erleichtert, denn hier karikiert sich der Antrag selbst. Wir wissen, dass gerade Amtsärztinnen

(Kirsten Flesch)

und -ärzte, das gesuchteste Personal im Land Berlin sind. Es gibt so viele offene Stellen, die es seit längerer Zeit nicht gelingt zu besetzen. Inzwischen sagen alle, man müsste 20 000 Euro jährlich draufpacken, um diese Stellen wirklich besetzen zu können, weil es eine hoch anspruchsvolle Aufgabe ist und die Krankenhäuser besser bezahlen. Dieses Problem lösen Sie nicht. Im Antrag verweisen Sie darauf. Was soll man daraus schließen?

[Beifall bei der LINKEN]

Warum – frage ich an dieser Stelle –, geben sich die Antragsteller nicht einmal die Mühe, dem Eindruck entgegenzutreten, dass hier ein Begründungszusammenhang aufgebaut wird, dass nach Feststellung der langfristigen Erkrankung der Druck verstärkt werden soll, den öffentlichen Dienst zu verlassen. Das ist der falsche Ansatz.

[Beifall bei der LINKEN]

Ich will Ihnen ein Beispiel nennen. Viele, die sich mit Personalpolitik beschäftigt haben, waren, als sie über diesen Einzelfall diskutiert haben, schockiert: Eine junge Beamtin zur Anstellung hat eine schwere Krebserkrankung überstanden, kam zurück und wurde – natürlich! – vom Arbeitgeber nicht in die Lebenszeitverbeamtung übernommen. Das sind Probleme, über die wir diskutieren müssen. Die Entscheidung des Landes Berlin ist wahrscheinlich sogar mehrheitsfähig, aber über die Probleme, die daraus entstehen, darüber müssen wir diskutieren. Nichts davon findet sich im Antrag. Die Antragsteller machen sich noch nicht einmal die Mühe, die unterschiedlichen Regelungen, die es für Tarifbeschäftigte und Beamte gibt, überhaupt zu hinterfragen, überhaupt abzubilden. Da keine Vorschläge gemacht werden, muss man sich in diese Konkretionstiefe auch gar nicht begeben.

Ein weiteres Beispiel, das Personalpolitiker umtreibt: Wir wissen gar nichts über die Struktur von Langzeiterkrankungen, weil selbstverständlich der Datenschutz diese Daten sichert. Diesen Zielkonflikt aufzulösen, ist bisher noch niemandem gelungen, weil der Datenschutz an dieser Stelle richtig und wichtig ist. Dennoch wäre es wichtig, sich anzuschauen, wie Begleitungs- und Unterstützungsmaßnahmen aussehen könnten.

Deshalb abschließend: Personalpolitik fünf heißt der Antrag. An der Stelle stimme ich zu. Es wäre aber dringend notwendig, hier Veränderungen in die Wege zu leiten.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Philipp Magalski (PIRATEN)]

Vielen Dank, Frau Bluhm! – Für die Piratenfraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Lauer. – Bitte sehr!

[Torsten Schneider (SPD): Wie war das mit den Wohnungen heute?]

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe mich erst einmal – – Herr Schneider! Wollen Sie? Sie kriegen das auch hin.

[Torsten Schneider (SPD): Nein, nein!]

Das ist super!

[Torsten Schneider (SPD): Sie haben aber einen schönen Anzug an!]

Vielen lieben Dank! Der ist neu. – Die Geschichte ist die folgende: Ich habe mich sehr über diesen Antrag gefreut. Es ist bereits kritisiert worden, dass – im Urheberrecht sagt man, glaube ich, Schöpfungshöhe – er interessanter oder besser hätte sein können. Das finde ich bemerkenswert, denn eigentlich müsste Ihr Anspruch, liebe CDU, der sein zu sagen: Wir nehmen das mit diesem Halbtagsparlament ernst. Wir haben sehr viele Abgeordnete, die noch berufstätig sind, im Berufsleben sind, und wir kennen doch die Situation aus unseren eigenen Betrieben, wie man Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter motivieren kann. Ich habe mich ein bisschen gewundert. Wenn Sie sagen, die gesundheitliche Prävention im öffentlichen Dienst als Pfeiler der Leistungsfähigkeit im öffentlichen Dienst ist uns wichtig und liegt uns am Herzen, dann – – Jetzt schauen wir einmal in die Zukunft und sagen nicht, wer vor zwei, fünf oder sonst etwas Jahren irgendetwas beschlossen hat, dass Sie da keine – das wurde bereits kritisiert – konkreten Vorschläge gemacht haben, durch welche Maßnahmen dieses Ziel, das Sie haben möchten, erreicht wird. Da werden wir die Beratungen im Ausschuss nutzen müssen. Da sind wir aber alle in der Pflicht, wenn wir es ernst meinen, was hierin grundsätzlich skizziert ist, konstruktive Vorschläge zu machen.

Ich möchte auf ein Argument oder besser gesagt einen Halbsatz eingehen, den die Kollegin von der SPD hier geäußert hat, als sie von der Unternehmenskultur sprach. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der öffentliche Dienst in Deutschland ist kein privatwirtschaftlich organisiertes Unternehmen. Da gibt es einen klaren Deal. Der ist strikt hierarchisch organisiert. Das ist das Bemerkenswerte und macht die Leistungsfähigkeit dieses Systems aus: Sie können da oben politisch jeden hinsetzen, und die Grundlast ist dieselbe. Dass wir zum Beispiel einen Innensenat haben, wo vorher ein Herr Körting als Volljurist mit diesen ganzen Erfahrungen, die er hatte, da war, und wir einen Wechsel zu Herrn Henkel hatten, der aus einer komplett anderen Richtung kommt, und der Laden noch immer funktioniert, und beim 1. Mai Berlin nicht explodiert, das ist eine Leistung dieses Systems. Wer der Meinung ist, man könnte den öffentlichen Dienst dadurch attraktiver gestalten, dass wir die Wände bunt anmalen wie bei Google, einen Kicker hinstellen und sagen: Ist doch alles super, sieht doch alles total funky aus! –, der ist auf einem Holzweg. Der öffentliche Dienst ist eine bewusste Entscheidung der Menschen, die sich dort

(Carola Bluhm)

hinein begeben. Ich persönlich habe das Gefühl: teilweise ist das auch eine Lebenseinstellung.

Die Sache ist doch: Wir als Abgeordnete, als Gesetzgeber, müssen die Rahmenbedingungen dafür stecken, was die Ziele sein sollen, die dieser öffentliche Dienst verfolgt. Wir zäumen gerade das Pferd von hinten auf. Klar stellen wir fest, dass die Berlinerinnen und Berliner nicht nur im öffentlichen Dienst krank sind. Wir haben die höchste Zahl der Nachbarschaftstreits in Deutschland, wir haben die höchste Zahl der psychischen Erkrankungen in Deutschland. Diese Stadt ist leider, so sexy sie auch sein mag, sehr laut, sehr dreckig und die Menschen sind sehr unfreundlich zueinander.

[Torsten Schneider (SPD): Aber Sie sind sehr gut gekleidet!]

Wie bitte?

[Torsten Schneider (SPD): Aber Sie sind sehr gut gekleidet!]

Ja, sie sind gut gekleidet. Da gebe ich Ihnen recht, Herr Schneider. Das ist auch gut so. – Der Punkt ist aber der: Jetzt zu sagen, okay, wir stellen fest, im öffentlichen Dienst sind Leute krank oder da gibt es Mobbing –, ja, das muss erst genommen werden. Aber was sind die Ursachen, die es erzeugen? Ich glaube, da ist eher die Arbeitsorganisation und die Frage, welche Dinge müssen wie verfolgt werden, welche Dinge werden priorisiert, welches Personal hat man, auch ein sehr wichtiger Aspekt. Ich freue mich sehr über die Beratung, und wir sollten dieses Thema sehr ernst nehmen und nicht so irgendwie an der roten Ampel sagen: Senat, mach mal!, denn dann nehmen wir uns unsere Gestaltungsmöglichkeit. – Vielen lieben Dank!

[Beifall bei den PIRATEN]