Protocol of the Session on May 22, 2014

[Beifall bei den GRÜNEN]

CDU, CSU und SPD erkennen diese Vorbehalte der Bevölkerung gegen die Gentechnik in der Landwirtschaft in ihrem Koalitionsvertrag ausdrücklich an. Was tut die Bundeskanzlerin? – Durch ihre Enthaltung hat die Bundesregierung mit dazu beigetragen, dass die notwendige Mehrheit gegen die Zulassung vom Genmais TC1507 nicht erreicht wurde – ein Lebensmittel, das sich schon anhört wie eine chemische Formel. So ernst nimmt die Kanzlerin ihre Wählerinnen und Wähler. Wir müssen also damit rechnen, dass 2015 in Deutschland Genmais ausgesät werden wird, der ein starkes Pflanzengift enthält – mit fatalen Folgen für Umwelt, Menschen, aber auch die Bienen. Mit Folgen für die Landwirtinnen und Landwirte, die 100 Prozent gentechnikfrei wirtschaften und deren Felder kontaminiert werden – auch auf den 16 000 Hektar Land der Berliner Stadtgüter.

Mehrere Bundesländer haben nun im Bundesrat Initiativen eingebracht, mit denen der Schutz der gentechnikfeien Landwirtschaft gesichert und die Handlungsmöglichkeiten der Länder gestärkt werden sollten. Bemerkenswert, dass auch die bayerische Staatsregierung einen solchen Antrag gestellt und Staatsminister Huber erklärt

(Martin Delius)

hat, man wolle sich den Genmais von der EU „nicht aufzwingen“ lassen. Dabei war es doch die von der CSU mitgetragene Bundesregierung, die dafür mitverantwortlich ist, dass erstmals seit 16 Jahren ein Zulassungsantrag wieder Erfolg hatte. Aber so läuft das. Während die Bundesregierung in Brüssel dem Druck der einflussreichen Agrarlobby nachgibt, beschwert sie sich in Berlin über das Diktat aus Brüssel. Das ist Heuchelei!

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Katrin Lompscher (LINKE)]

Nachdem wir unseren Antrag eingebracht hatten, hat der Bundesrat Mitte April eine Entschließung gefasst, die unser Anliegen weitgehend umsetzt. Die Bundesregierung wird darin aufgefordert, sich auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass die Mitgliedsstaaten den Anbau einer EU-weit zugelassenen, genetisch veränderten – kurz: GVO – Kulturpflanze auf ihrem Hoheitsgebiet verbieten können.

[Beifall von Antje Kapek (GRÜNE) und Martin Delius (PIRATEN)]

Ich danke dem Berliner Senat, dass er diesem Antrag im Bundesrat zugestimmt hat. Ich kann deshalb heute beantragen, unseren Antrag für erledigt zu erklären. Aber das Thema hat sich nicht erledigt!

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Philipp Magalski (PIRATEN)]

Viel besser ist es, wenn der Anbau von Genmais in der EU nicht zugelassen wird. Heute werden in Deutschland keine GVO-Pflanzen angebaut. Dafür, dass es so bleibt, ist nun die Bundesregierung in der Verantwortung. Wir fordern den Senat auf, sich auch auf Bundes- und EUEbene weiter dafür einzusetzen, dass der Anbau von gentechnisch verändertem Mais gestoppt und eine gentechnikfreie Landwirtschaft geschützt wird.

Liebe Berlinerinnen und Berliner! Gehen Sie bitte am Sonntag wählen, denn über Genfood wird auf der EUEbene entschieden. Sagen Sie Ja zu einer ökologischen Politik. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Vielen Dank! – Nach Abschluss der Rederunde stimmen wir dann darüber ab, ob der Antrag für erledigt erklärt wird. Die Wortmeldungen bleiben, wie ich sehe. – Frau Köhne, bitte schön, Sie haben da Wort!

Danke sehr, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von den Grünen! Mit dem vorliegenden Antrag haben Sie mir erst einmal eine Knobelei zukommen lassen. Es ist mir auch bei

längerem Nachdenken zunächst absolut nicht ersichtlich gewesen, weshalb dieser Antrag von Ihnen weiter auf der Tagesordnung gelassen wurde, obwohl er sich – wie von Ihnen schon gesagt – eigentlich erledigt hat. Aber es ist Europawahl, und nach Ihrem Beitrag ist mir jetzt klar, weshalb der Antrag auf der Liste geblieben ist und weshalb wir darüber reden. Wir machen jetzt Wahlkampf zur Europawahl.

Der Antrag Nr. 105/14 der Länder Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen im Bundesrat, dessen Unterstützung Sie in Ihrem Antrag einfordern, ist bereits am 11. April im Bundesrat verabschiedet worden – mit klarer Mehrheit – mit den deckungsgleichen Anträgen aus Bayern und Mecklenburg-Vorpommern. Darüber hinaus wird heute, parallel zu unserem Plenum auch im Deutschen Bundestag über einen Antrag der Regierungsfraktionen beraten, der dieses Thema behandelt, also zeitgleich. Da die Mehrheit der großen Koalition nicht gefährdet sein dürfte, gehe ich davon aus, dass er auch verabschiedet wird. In diesem Antrag wird sich explizit dafür ausgesprochen, sich auf EU-Ebene für eine Opt-out-Regel einzusetzen, die das Selbstbestimmungsrecht der Mitgliedsstaaten für oder gegen den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzensorten umfassend gewährleistet.

[Beifall bei der SPD]

Also auch von dieser Seite wird es noch einmal einen klaren Auftrag an die Bundesregierung geben, ihre bisherige, bis jetzt nicht ganz eindeutige Haltung für oder gegen das Opt-out-Modell aufzugeben. Eine freundliche Unterstützung bei ihrer Entscheidung haben die Kolleginnen und Kollegen im Bundestag ja zusätzlich erhalten durch die Übergabe einer Unterschriftenliste des Bundesverbands Naturkost Naturwaren und des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft. Darin sprechen sich über 100 000 Unterzeichner ebenfalls für eine rechtlich klar abgesicherte Entscheidungsfreiheit der einzelnen Mitgliedsstaaten aus.

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Altug?

Nein, später! – Die Bundesregierung handelt bereits in diesem Sinne – direkt jetzt heute. Dass die Opt-outRegelung vielleicht nicht die beste Lösung ist, da sind wir uns – Sie als Grünen-Fraktion und ich als verbraucherpolitische Sprecherin – sicher einig. Mir persönlich und wahrscheinlich unserer Fraktion wäre ein generelles EUweites Verbot gentechnisch veränderter Pflanzen die liebste Lösung.

[Beifall bei der SPD]

(Dr. Turgut Altug)

Allerdings ist mit dieser gentechnikverliebten Kommission zurzeit solch eine Lösung nicht zu haben. Insofern rufe ich jetzt auch zur EU-Wahl auf. Das kann man auch auf SPD-Seite mal tun. Wir haben uns ja auch dafür eingesetzt, da richtig zu wählen. Um diese grundlegende Diskussion geht es in diesem Antrag hier aber gar nicht, wie vorhin schon gesagt; zumindest jedenfalls nicht den Inhalt betreffend. Dann müssen Sie noch mal einen neuen Antrag einbringen. Dass die Bundesregierung sich bis jetzt nicht mit Ruhm bekleckert hat, steht auch nicht zur Abstimmung. Aber da es nun so aussieht, als könnte es zu einer koalitionsinternen Einigung zu der Haltung auf EUEbene heute kommen, sollte das doch als positives Signal gewertet werden. Und es ist zu diesem Antrag nur zu sagen, dass er sich in dieser Form erledigt hat. – Danke!

[Beifall bei der SPD]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Die Linke Herr Dr. Lederer.

[Irene Köhne (SPD): Eine Zwischenfrage?]

Wie sind jetzt bei null Redezeit; da kann man nicht mehr dazwischenfragen. – Herr Dr. Lederer, bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch die Fraktion Die Linke findet, dass gentechnikveränderte Lebensmittel nicht in den Naturkreislauf eingespeist werden sollten. Die Fraktion Die Linke findet zweitens, dass die Bundeskanzlerin sich als feige erwiesen hat, als sie auf Druck der Industrie in den entsprechenden Gremien die Bundesrepublik Deutschland zu einer Enthaltung veranlasst hat, anstatt klar zu bekennen, dass die Politik gegen gentechnisch veränderte Lebensmittel vorgehen sollte, wodurch eine entsprechende europarechtlich Positionierung verhindert worden ist. Drittens teilt die Fraktion Die Linke, dass der Antrag erledigt ist, und findet, dass deswegen auch alles gesagt ist. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Ich bin Ihnen außerordentlich dankbar, Herr Dr. Lederer! – Herr Jupe von der CDU-Fraktion, bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde mich kurz fassen. Wir schließen uns, um es mal juristisch auszudrücken, der Erledigungserklärung an. Ich persönlich bin allerdings nicht davon überzeugt, denn ich hätte eine Anzahl von Fragen, die ich bei einer Ausschuss

überweisung, die ursprünglich verabredet war, hätte stellen und vielleicht auch im Ausschuss klären lassen können. Das haben Sie nun mit Ihrer Erledigungserklärung heute verhindert. Ich werte das so, dass Sie letztendlich der Politik der Bundesregierung unter ihrer Bundeskanzlerin zustimmen, denn die hat doch vor ganz wenigen Tagen gesagt, sie sehe gar keine Zukunft für die Gentechnik in Deutschland. Indem Sie heute Ihren Antrag für erledigt erklären, werte ich das als Zustimmung zur Politik der Bundesregierung. – Danke!

[Beifall bei der CDU]

Für die Piratenfraktion Herr Kowalewski – bitte schön!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Das klingt ja alles sehr einhellig, und trotzdem gibt es noch ein paar Fragen, die offen sind. Werden Sie Mais 1507 z. B. jemals in der Gemüseabteilung im Supermarkt finden? – Das kann man, glaube ich, mit einem klaren Nein beantworten, denn niemand, der die Wahl hat, frisst freiwillig diese Giftbombe. Die Sorte 1507 wird als Energiepflanze genutzt werden oder an die verfüttert, die die Wahl eben nicht haben, nämlich an die sogenannten Nutztiere.

Wer sich von tierischen Nahrungsmitteln ernährt – was ich in keinster Weise empfehlen möchte –, wird weiterhin nicht darüber informiert, dass die erzeugenden Tiere mit genetisch verändertem Futter ernährt wurden. Obwohl 85 Prozent der Deutschen nach einer FORSA-Studie die Verfütterung von gentechnisch veränderten Pflanzen an Nutztiere ablehnen, wird eine Deklaration der Verwendung von Pflanzenfutter, die Verbraucherinnen ermächtigen würde, selbst darüber zu entscheiden, ob sie die entsprechenden Produkte konsumieren wollen oder nicht, von der Agrarlobby blockiert, weil sie weiß, dass sie sonst verdienterweise auf ihren Produkten sitzenbleiben würde. Der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft, dem Sympathieträger wie Wiesenhof oder Rothkötter angehören, hat bereits kapituliert und bekanntgegeben, dass sie auf dem Weltmarkt für ihre Massenmästungsanlagen nicht genug nicht genetisch manipuliertes Futter bekommen können. Das Thema ist also alles andere als erledigt.

Speziell der Mais 1507 wurde bereits 2006 in Puerto Rico, einem ansonsten sehr gentechnikfreundlichen Land, verboten, weil dort nach kürzester Zeit Maisschädlinge Resistenzen gegen dieses Pflanzengift, das da gebildet wird, ausgebildet haben. Wir sehen also, dass flächendeckender nicht kontrollierter Gifteinsatz – der Anbau von Mais 1507 ist eben ein solcher – dazu führt, dass die Schädlinge sich in kürzester Zeit anpassen, Nützlinge und andere Insekten das in vielen Fällen allerdings nicht tun.

(Irene Köhne)

Es wurde auch nicht hinreichend untersucht, welche langfristigen Auswirkungen auf die Biodiversität dieses Aussetzen aus dem Labor haben kann. Deswegen fordert beispielsweise der Deutsche Imkerverband ein Verbot der Sorte. Über die Probleme der Bienen in unserer immer mehr vergifteten Welt und deren Folgen haben wir ja schon viel geredet hier an dieser Stelle. Ich habe auch viel darüber geredet, aber andere auch. Wir sollten das auch weiterhin tun, weil das ein wichtiges Thema ist.

Ökologisch angebaute Produkte sind bei Verbraucherinnen und Verbrauchern immer beliebter. Der Anbau nach den Biorichtlinien wird allerdings durch genetisch veränderte Organismen in der freien Natur immer schwieriger. Eine zwei Hektar große Fläche mit GVO-Mais verunreinigt bei einer Pollenreichweite von 800 Metern schon 200 Hektar Ackerland.

Ich spare mir jetzt noch ein paar Sachen, die ich noch aufgeschrieben hatte, und gehe noch mal kurz auf die große Koalition auf Bundesebene ein, die sich in den Koalitionsvertrag geschrieben hatte, die Vorbehalte in der Bevölkerung gegen genetische Manipulation ernst zu nehmen. Selbst in einer von der Gentechniklobby, nämlich dem Forum Grüne Vernunft, in Auftrag gegebenen Studie stimmen der Aussage, dass die Gentechnik in der Landwirtschaft größere Chancen erhalten sollte, nur 27 Prozent der Befragten zu, 71 Prozent hingegen sagen, man sollte die Gentechnik in der Landwirtschaft verbieten. Die Vorbehalte sind also mehr als deutlich, und Deutschland hat durch die koalitionsbrüchige Enthaltung im Ministerrat die ansonsten deutliche Ablehnung dieses neuen Freilandversuchs – 19 Staaten waren dagegen in der EU und nur 5 dafür – unterminiert. Jetzt werden also alle Schleusen geöffnet, dass Anbauflächen für Mais 1507 beantragt und genehmigt werden könnten.

Nun ist die hier beantragte Initiative bereits im Bundesrat beschlossen worden. Das ist sehr schön. Wir werden die Umsetzung durch die industriegeleitete Bundesregierung genau beobachten. Dennoch würde auch die Möglichkeit eines Opt-out die Gefahr bergen, dass einzelne Länder sich von den Agrochemiekonzernen dazu bringen lassen, den Anbau zu genehmigen. Hier wird also ohne Not eine Konkurrenz zwischen den Ländern aufgemacht, wer der Industrie die besten Rahmenbedingungen bietet. Deswegen ist es ein gutes Zeichen, dass auch die Bundesratsinitiative, dass sich die Bundesregierung dafür einsetzen möge, dass der Anbau von GVO-Pflanzen in der EU grundsätzlich untersagt wird, angenommen wurde. Damit würden nicht nur unfaire Konflikte der Gentechnikindustrie mit der ökologischen Landwirtschaft, die nicht über deren Agitpropmittel verfügt, vermieden, sondern auch der Konflikt der Länder untereinander. Auch hier müssen wir der Bundesregierung sehr genau auf die Finger schauen bzw. auch das europäische Parlament, um noch mal kurz diesen Bogen zu schlagen, stärken, dass es die

Möglichkeit hat, in Zukunft auf solche Entscheidungen direkt Einfluss zu nehmen. – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die antragstellende Fraktion hat beantragt, den Antrag für erledigt zu erklären. Wer dem folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Das sind die Grünen, die Piraten, CDU, SPD und Die Linke. Gibt es Gegenstimmen oder Enthaltungen? – Dann haben wir das für erledigt erklärt.

Der Tagesordnungspunkt 15 war Priorität der Piratenfraktion unter der Nummer 4.4. Tagesordnungspunkt 16 steht auf der Konsensliste.

Ich komme nun zur

lfd. Nr. 17:

Klinisches Krebsregister Berlin-Brandenburg einrichten und Fördermittel ausschöpfen

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/1642