Protocol of the Session on May 22, 2014

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Insofern werden Sie sicher nicht überrascht sein, dass wir dem Antrag, den Sie heute eingebracht haben, ein klares Nein entgegensetzen.

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Frage des Kollegen Zillich?

Ist Ihnen klar, dass es bei verdachtsunabhängigen Kontrollen, um die es sich dabei handelt, ein bisschen schwierig ist, von vornherein auszuschließen, dass sich jemand nichts hat zuschulden kommen lassen oder nicht als Täter infrage kommt?

Das ist mir nicht klar, da ich davon ausgehe, dass die Polizei im Land Berlin gut geschult ist, die notwendigen Maßnahmen ergreift und das notwendige Augenmaß in diesen Fragen hat.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Jetzt hat der Kollege Lauer um eine Zwischenbemerkung gebeten. – Bitte schön, Sie haben das Wort! Und bitte beziehen Sie sich auf den Vorredner!

(Thorsten Karge)

Vielen lieben Dank für den Hinweis, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Karge! Ich hätte mich gefreut, wenn Sie versucht hätten, die Debatte zu verfolgen, aber das ist anscheinend leider nicht möglich. Wenn Sie davon sprechen, ich würde der Berliner Polizei pauschal Racial-Profiling unterstellen, dann weise ich das zurück, und zwar ausdrücklich. Ich weise Sie darauf hin, dass ich gesagt habe, dass allein durch die Geheimhaltung dieser kriminalitätsbelasteten Orte dieser Vorwurf einfach in den Raum gestellt werden kann. Das ist ein Unterschied, und das sollten Sie wissen, tun Sie aber anscheinend nicht.

Ihre Argumentation bezüglich der Verlagerung von Kriminalität verfängt nicht. Nach einer solchen Argumentation müssten wir auch die Standorte sämtlicher Polizeidienststellen in Berlin geheim halten. Ich habe im Ausschuss gefragt: Wie mag sich wohl der Abschnitt 15, der in Laufweite zum Mauerpark ist, auf den dortigen Verkauf von Haschisch ausgewirkt haben? Da hat Herr Kandt nur gelacht. Und Sie sprechen hier von der Kontrolle durch das Parlament. Es wäre schön gewesen, wenn Sie zugehört hätten. Ich finde es sehr bemerkenswert, dass Sie einerseits sagen, wir müssten das gar nicht kontrollieren. Ich meine, Sie hätten im Ausschuss gesagt, das interessiere sie gar nicht, sie wollten gar nicht wissen, wo diese kriminalitätsbelasteten Orte seien. Andererseits sagen Sie hier – obwohl es Kleinen Anfrage gibt, die das Gegenteil zeigen –, dass man das irgendwann einmal kontrollieren und zu der Erkenntnis kommen könnte, dass das anders geregelt werden müsse. – Wie denn, Herr Karge? Sie sagen selbst im Ausschuss, es interessiere Sie nicht. Sie sagen im Ausschuss: Ja, ja! Die Polizei wird das alles ordentlich machen. Sie sagen hier in der Debatte: Das ist schon alles super, und das mit dem RacialProfiling ist an den Haaren herbeigezogen, weil das verboten ist. – Ich rufe sofort bei den Berliner Gerichten und Staatsanwälten an und sage: Hitzefrei! Es steht doch in den Gesetzen geregelt. Warum verstoßen denn dagegen Leute? – Herr Karge, das ist eine Argumentation, die Sie eigentlich nicht nötig haben. Ich halte Sie für intelligenter. Ich finde es sehr bedauerlich, wenn Sie auf der einen Seite sagen, es sei eine tolle Maßnahme, die wir irgendwann einmal kontrollieren könnten, aber gleichzeitig im Ausschuss – –

Das hätten wir als kleinsten gemeinsamen Nenner ja mal machen können, aber selbst das war nicht möglich, nämlich den Innensenator aufzufordern – gerne auch in nichtöffentlicher Sitzung – darzulegen, wie das gemacht wird und nach welchen Kriterien. Selbst diese Forderung haben Sie nicht aufgestellt. Dann gab es noch einen schönen Kommentar in der „Berliner Zeitung“.

Sie müssen zum Schluss kommen!

Mein letzter Satz: Wie sähe denn der 1. Mai heute aus, wenn Innenpolitiker vorheriger Legislaturperioden nicht darauf beharrt und gepocht hätten, dass die Polizei etwas an ihrer Taktik ändert? Wenn wir nichts machen, machen die auch nichts. – Vielen lieben Dank!

[Beifall bei den PIRATEN]

Danke schön! – Herr Kollege Karge! Wollen Sie antworten? – Bitte, Sie haben natürlich das Recht dazu.

[Torsten Schneider (SPD): Gibt mal hitzefrei für den Kollegen Lauer!]

Hitzefrei? Ich weiß nicht. Vielleicht hat er es sich verdient. Ich finde es auch eine positive Grundeinstellung, dass wir uns gegenseitig Intelligenz unterstellen.

[Beifall bei der SPD]

Ich möchte allerdings noch klar sagen, dass Sie mich im Ausschuss entweder falsch verstanden haben oder falsch verstehen wollten. Es ging gar nicht darum, ob mich das interessiert oder nicht interessiert. Ich habe einfach eine Güterabwägung vorgenommen und gesagt, dass es nicht sinnvoll ist, wenn sich jeder in diese Diskussion einmischt, vom Politiker über den Bürger bis zu allen anderen Personen. Das war eine Einlassung und nicht eine Frage des Interesses oder Nicht-Interesses. Ich glaube auch nicht, dass es uns weiterführt, wenn wir uns immer unterschwellig irgendetwas unterstellen. Natürlich ist das ein rhetorischer Trick, den Sie hier anwenden, so zu tun, als hätten Sie nicht Racial-Profiling gesagt, sondern es nur als Gefahr gegenüber der Berliner Polizei aufgestellt, für die Berliner Polizei eine Art Interesse bezüglich dieser Frage zu bekunden, dass dort nichts passiert. Wenn Sie diesen Begriff einführen, müssen Sie ihn auch durchgehend deklinieren. Das heißt, dass Sie der Polizei schon unterstellen, dass sie Racial-Profiling durchführt. Ich sage Ihnen ganz offen und ehrlich, ich glaube nicht, dass die Berliner Polizei in der Gesamtheit – da sind wir bei Ihren 99 Prozent, die Sie in Ihrem Redebeitrag erwähnt haben – Racial-Profiling durchführt. Aber wenn das eine Prozent möglicherweise so etwas macht, ist es natürlich Aufgabe des Polizeipräsidenten und der Innenverwaltung, dagegen eindeutig vorzugehen.

Ich kann Ihnen aber eindeutig sagen, dass wir uns als Sozialdemokraten verwahren werden, dass solche Maßnahmen wie Racial-Profiling in Berlin durchgeführt werden. Wenn es zu einem Missbrauch kommt, wird er geahndet, und dann kann man zu dieser Fragestellung reden.

[Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Herr Kollege! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort der Kollege Lux. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Uns bleibt heute nichts erspart. Sie erleben einen weiteren Tiefpunkt in der innenpolitischen Debatte.

[Joschka Langenbrinck (SPD): Der Tiefpunkt kommt mit Ihrer Rede!]

Warum ist es ein Tiefpunkt? Es ist ein Tiefpunkt, weil der Innensenator einmal wieder substanziell jegliche Stellungnahme zu diesem Thema verweigert, sich der Debatte entzieht und nicht einmal begründen will, warum gefährliche Orte in Berlin kontrolliert werden müssen und warum diese Regelung stehenbleiben soll.

Auch zu dem Thema davor, weshalb man Geisteskranke und Personen mit Ansteckungsgefahr polizeilich speichern will, hat er sich der Debatte entzogen. Ich finde, dass es bei solch gravierenden innenpolitischen Themen ein starkes Stück ist, dass wir das mehr oder weniger unter uns diskutieren, sich aber die Verwaltungsspitze vor der Debatte scheut.

Kollege Juhnke hat vorhin schon ausgeführt, dass er am liebsten jede Psychiatrie als gefährlichen Ort markieren würde, weil geisteskranke Personen nach Ihrer Aussage dazu geneigt sind, aggressive Gewaltausbrüche zu verursachen.

[Dr. Robbin Juhnke (CDU): Es wird immer absurder, was Sie sagen!]

Sie haben jederzeit die Möglichkeit, Ihre Äußerungen noch einmal klarzustellen. – Sie als Koalition wollen in Zukunft jeden HIV-Infizierten, der mit der Polizei in Berührung kommt, in Datenbanken speichern.

[Peter Trapp (CDU): Stimmt nicht! Das wollen Sie! Das haben Sie hier auch bestätigt. [Joschka Langenbrinck (SPD): Schwachsinn!]

Gute Nacht, weltoffene Stadt Berlin!

Jetzt kommen wir zu den „gefährlichen Orten“. Es ist ein trauriges Stück, dass Sie als Koalition verweigern, dass man die gefährlichen Orte einmal diskutiert und einmal evaluiert, wie es in den letzten 20 Jahren so lief, ob man damit tatsächlich Straftraten vermeiden konnte und ob damit die Stadt tatsächlich sicherer geworden ist.

Bereits bei der Einführung der gefährlichen Orte haben Juristinnen und Juristen erklärt, dass man Orte nicht allgemein als gefährlich unterstellen kann. Sie hatten recht damit. Sie führen das fort und wollen nicht einmal die Orte bekanntgeben. Kollege Karge hat gerade ausgeführt,

dass man nicht die Orte stigmatisieren will, indem man sie bekanntgibt. Die Stigmatisierung dieser Orte erfolgt dadurch, dass sie die Polizei als gefährlich festlegt und nicht erst durch die Veröffentlichung. Die Personen, die dort kontrolliert werden, werden stigmatisiert, nicht die Orte, die Sie allgemein festlegen. Deswegen spricht gar nichts dagegen, den Berlinerinnen und Berlinern reinen Wein einzuschenken und zu sagen, dass sie normalerweise nur kontrolliert werden können, wenn sie im Verdacht stehen, eine Straftat begangen zu haben oder eine Gefahr zu verursachen oder ein Notstandspflichtiger zu sein – sprich: eine Gefahr nur beseitigt werden kann, wenn man diese Person als Nichtstörer in Anspruch nimmt. An einem gefährlichen Ort kann jede Person, kann jede Berlinerin und jeder Berliner kontrolliert werden. Wir als Grüne finden das nicht richtig. Berlinerinnen und Berliner müssen wissen wo und weshalb sie kontrolliert werden. Nur das stärkt die Akzeptanz von polizeilichem Handeln. Wir glauben, dass die Berliner Polizei an sich auch breit genug dafür aufgestellt ist, transparent mit dieser Frage umzugehen. Dass Sie nicht einmal eine Überprüfung dieser Praxis bei den gefährlichen Orten wollen, zeigt, dass Sie sich vor dieser Debatte scheuen und dass Sie hier die Augen vor realistischen Problemen verschließen. Mir fällt dazu nur das Gedicht „Die unmögliche Tatsache“ von Christian Morgenstern ein, nachdem ich Herrn Karge sehr gut zugehört habe. Der letzte Satz lautet: Palmström, Herr Karge, so schloss er messerscharf, dass nicht sein kann, was nicht sein darf. – Viel Erfolg beim Weiterregieren, aber tun Sie noch einmal etwas für diese Stadt, bitteschön!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Danke schön, Herr Kollege Lux! – Für die Fraktion der CDU hat jetzt das Wort Kollege Dr. Juhnke. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kriminalitätsbelastete Orte, die letzte: Das ist die gute Nachricht. Ich hatte schon prophezeit, dass wir das Thema hier noch einmal besprechen werden, nachdem wir es auch schon im Ausschuss und im Plenum besprochen haben. Im Ausschuss haben selbstverständlich die Senatsverwaltung und der Polizeipräsident dazu Stellung genommen. Es ist völliger Blödsinn zu behaupten, der Senator würde sich dem entziehen. Sie wissen, dass es bei normalen Tagesordnungspunkten nicht üblich ist, dass Senatsmitglieder hier das Wort ergreifen. Nur weil Sie bestimmte Dinge nicht verstehen, wird sich an der Praxis nichts ändern und nichts ändern müssen.

[Beifall bei der CDU]

Deshalb ist auch vieles gesagt worden. Ich möchte noch einmal für die CDU unterstreichen, dass wir es nicht als Willkürmaßnahme erachten. Herr Karge hat schon darauf hingewiesen. Es ist so, dass man sich dort nach äußerem Anschein aufhalten muss. Man kommt also nicht durch einfaches Passieren in die Verlegenheit, dieser Maßnahme unterzogen zu werden. Ein kriminalitätsbelasteter Ort muss aus eigenen Erkenntnissen, beispielsweise der Kriminalstatistik oder eigenen Erkenntnissen der Polizei, als solcher identifiziert werden. Es geht also nicht im Zurufverfahren oder in der Frage, welche Imagepunkte irgendwelche Orte aufweisen. Es muss tatsächlich auch belegt werden. Es müssen dort Straftaten von erheblicher Bedeutung, beispielsweise nach § 17 Abs. 3 ASOG, verübt worden sein. Die Personen, die unter keinen Umständen zum Täterprofil passen, werden auch nicht zu dem Adressatenkreis gehören. Dazu wurde auch schon Stellung genommen.

Ich glaube auch, dass die Berliner Polizei dieses Mittel außerordentlich maßvoll zur Anwendung bringt. Die Diskussion hat sich an der Frage in Hamburg entzündet, wo es ganz andere rechtliche Voraussetzungen gibt. Das haben wir in Berlin gar nicht, eine große geografische Einheit dort als Gefahrengebiet zu definieren. Deshalb hinkte die Diskussion schon von Anfang an, weil man versuchen wollte, an der Stelle Äpfel mit Birnen zu vergleichen.

Ein letztes Wort möchte ich noch zur Frage der Veröffentlichung verlieren. Ich stehe zu der von Herrn Karge vertretenen Auffassung, dass wir die Anwohner beunruhigen, die Geschäftsleute dort schädigen und eventuell Gegenstrategien befördern würden. Lassen Sie uns heute diese Phantomdiskussion beenden, die den Bürger in dieser Stadt bislang weiter nicht erregt hat und wo auch kein wie auch immer gearteter übermäßiger Gebrauch konstatiert wurde. Es ist eine reine Phantomdiskussion der Opposition. Da wir uns nicht auf Sicherheitsesoterik zurückziehen können, müssen wir auch der Polizei Mittel an die Hand geben, um die Sicherheit herzustellen. Das tun wir mit der Beibehaltung dieser Regelung. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Dr. Juhnke! – Für die Fraktion Die Linke hat jetzt das Wort der Kollege Taş. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste! Immer noch werden mehr als 20 Straßen, Plätze, U-Bahnlinien und Parks von der Polizei in Berlin als kriminalitätsbelastete Orte eingestuft. Was genau unter den sogenannten kriminalitätsbelasteten Orten zu verstehen ist, haben wir bereits in der letzten

Lesung zu diesem Thema ausführlich behandelt. Der Senat hält weiterhin an dem Grundgedanken der lageabhängigen Kontrollen fest und verweigert strikt die Veröffentlichung dieser Orte, ohne dabei konkrete Erfolge jener Methoden in der Kriminalitätsbekämpfung vorweisen zu können. Wir stellen somit fest, dass verdachtsunabhängige Kontrollen leider auch weiterhin Praxis im Handeln der Berliner Polizei sind. Der Senat und die Koalition scheinen nicht einmal die darin liegende offensichtliche Problematik zu erkennen, oder aber sie verschließen bewusst die Augen davor.

Erstens: Mit den kriminalitätsbelasteten Orten ist der Polizei das Instrument in die Hände gegeben worden, in bestimmten Gebieten im eigenen Ermessen und ohne konkreten Verdacht Bürgerinnen und Bürger umfassend zu kontrollieren, um mittels Identitätsfeststellungen und Platzverweisen den Aufenthalt unmittelbar verbieten zu können. Die Bürgerinnen und Bürger selbst wissen nicht, wo diese Gebiete sind, und sie wissen deshalb auch nicht, welche Befugnisse die Polizei an dem Ort hat, an dem sie sich gerade aufhalten.

[Unruhe]

An einem Ort wie dem Görlitzer Park müssen sie eine Durchsuchung erdulden, die an der nächsten Straßenecke vielleicht schon verboten wäre. Das muss den Betroffenen willkürlich erscheinen.

Dass sich polizeiliche Maßnahmen dabei unter dem Deckmantel der Geheimhaltung jeglicher parlamentarischer Kontrolle entziehen, ist erschreckend. Niemand weiß, ob solche verdachtsunabhängigen Kontrollen überhaupt etwas bringen. Geheimhaltung scheint mir ohnehin der Begriff der Stunde zu sein;

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]