Schlimmer noch – und das haben Sie, Herr Saleh, gerade wundervoll zum Ausdruck gebracht: Hunderttausende von Berlinerinnen und Berlinern haben gesagt, sie un
terstützten die Initiative „100 Prozent“. Sie haben gerade Hunderttausenden von Menschen in dieser Stadt Egoismus, stadtprovinzielle Spießigkeit und vieles mehr vorgeworfen. Das ist nicht nur selbstherrlich – Wählerbeschimpfung in einer Demokratie ist echt das Letzte, und so gewinnen Sie mit Sicherheit kein Vertrauen in dieser Stadt zurück!
Wir wollen die Stadt mitnehmen, und deshalb haben wir von Anfang an gesagt: Macht den Masterplan wieder auf! Macht Pläne, die die ganze Stadt mittragen kann und nicht nur einige wenige! – Sie haben sich immerhin jahrelang in Konzeptlosigkeit für Tempelhof geübt, um dann plötzlich von heute auf morgen Baufakten zu schaffen. Nennen Sie mir einmal ein Beispiel in Berlin, wo ein Schnell-Schnell an Planung zu einem guten Ergebnis geführt hätte!
Ihre Pläne, Herr Schneider, sind trotz alledem einfach schlecht, und dafür stehen auch Sie! Sie sind nämlich auch dank Ihnen weder sozial noch ökologisch, noch sind sie mit einer ernsthaften Beteiligung entstanden. Deshalb kann man sie einfach nur ablehnen!
Wir haben Ihnen einen dritten Weg vorgeschlagen. Den wollten Sie nicht, den haben Sie verhindert. Deshalb ist unsere Position ganz klar: Wir sagen Ja zu „100 Prozent“ und Nein zu Ihrem Vorschlag, denn das ist tatsächlich die einzige Möglichkeit, den Senatsmasterplan zu stoppen und damit einen Neuanfang für Tempelhof möglich zu machen.
Sie werfen uns Augenwischerei vor? – Ich sage Ihnen einmal etwas: Sie arbeiten die ganze Zeit, gerade auch in Ihrer Rede, mit falschen Versprechen, und Sie verstricken sich dabei auch in Widersprüche! In dem Flyer der SPD ist die Rede von 100 Prozent bezahlbarem Wohnraum; in der Broschüre des SPD-Senators ist nur noch die Rede von 50 Prozent bezahlbarem Wohnraum.
Und in Ihrem Gesetz ist von null Prozent die Rede – da kommen weder die Wörter „sozial“ noch „bezahlbar“ vor.
Trotzdem stellen Sie sich hier hin und behaupten, Sie würden sozialen Wohnungsbau auf dem Tempelhofer Feld schaffen. Das glaubt Ihnen nur keiner!
[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN – Torsten Schneider (SPD): Was schaffen Sie denn?]
Sie benutzen den vermeintlichen Bedarf an sozialem Wohnungsbau als Totschlagargument gegen die Initiative, und dann schaffen Sie es nicht einmal, in Ihrem eigenen Gesetzentwurf das Wort „sozial“ zu erwähnen! Es ist kein Wunder, dass die Stadt Ihnen misstraut.
Ich kann Sie nur eindringlich darum bitten: Hören Sie auf, die Leute zu beschimpfen, nur weil sie sich Sorgen machen, sondern machen Sie endlich verbindliche Zusagen, und schreiben Sie die dann auch in Ihre Gesetze!
Sie behaupten, es gebe überall in der Stadt Blockaden gegen Wohnungsneubau. Fakt ist: Überall in der Stadt wird gebaut, und die Zahl der Neubauvorhaben steigt stetig. Das ist auch gut so.
Was die Stadt aber braucht – und da sind wir uns sogar einig –, sind nicht nur neue Wohnungen, sondern auch bezahlbare Wohnungen.
[Torsten Schneider (SPD): Sie bauen überhaupt keine Wohnungen! Bezahlbare Wohnungen bekommt man aber nicht pau- schal durch eine Bauabsicht in Tempelhof, [Torsten Schneider (SPD): Was ist denn das für ein Zickzack?]
sondern neue soziale Wohnungen bekommt man nur durch den Einsatz einer neuen sozialen Wohnraumförderung.
Sie haben einen Neubaufonds auf den Weg gebracht. Dieser Neubaufonds sieht 1 000 Wohnungen für Berlin pro Jahr vor. 1 000 Wohnungen für ganz Berlin! Das ist nicht mal ein Tropfen auf den heißen Stein. Ich sage Ihnen etwas: Das grenzt an Stillstand.
Trotzdem behaupten Sie, am Rande des Tempelhofer Felds würden bezahlbare Wohnungen entstehen. Sie reden von „bezahlbar“. Ja, bezahlbar ist alles, fragt sich immer nur, für wen.
Fakt ist: Mieten von 6 bis 8 Euro netto-kalt sind für Menschen mit kleinem Portemonnaie nicht zu bezahlen.
Später! – Ein Viertel der Berlinerinnen und Berliner wird damit niemals eine Wohnung auf dem Tempelhofer Feld mieten können.
Und genau deshalb kommt in Ihrem Gesetzesentwurf das Wort „sozial“ auch nicht vor. Würden Sie es mit den bezahlbaren Wohnungen für alle Berliner wirklich ernst meinen, dann hätten Sie eine verbindliche Quote in Ihr Gesetz geschrieben.
Sie haben es selbst so schön gesagt: „100 Prozent Tempelhof“ bedeutet für Sie Stillstand. – Ich sage Ihnen noch eines: Fakt ist: Sie haben zehn Jahre unter Rot-Rot die Mietenpolitik verhindert.
Sie behaupten auch, Ihr Gesetzesentwurf würde 230 Hektar Freifläche bringen. Aber die Juristen unter uns wissen: Ihr Gesetz ist genau so geschrieben, dass diese Freifläche im Prinzip sogar ein riesiger Parkplatz werden könnte.
Es hat juristisch den gleichen Stellenwert wie die Freifläche auf dem Alexanderplatz. Wo ist denn da der Mehrgewinn für diese Stadt?
Apropos Schlingerkurs: Florian Graf – er wird gleich nach mir reden – ist Kreisvorsitzender der CDU in Tempelhof-Schöneberg. Dieser Kreisverband macht sich – das war auch bei der Bundestagswahl im letzten Jahr so – massiv stark gegen jede Form der Bebauung auf dem Tempelhofer Feld und auch gegen den Neubau der ZLB.
Hier im Abgeordnetenhaus vertritt Herr Graf gemeinsam mit Herrn Saleh das genaue Gegenteil. Das widerspricht sich, Herr Graf. Ich kann nur sagen: Aus Ihren zaghaften Zweifeln an den Neubauplänen für eine ZLB wird auch lange noch keine klare Position. Wenn Sie heute für Klarheit sorgen wollen, dann sagen Sie uns doch ein für alle Mal und klipp und klar: Wird es mit Ihnen, mit Ihrer Partei und Ihrer Fraktion einen Neubau für eine Zentral- und Landesbibliothek auf dem Tempelhofer Feld geben oder nicht?
Solange Sie diese Frage nicht eindeutig beantworten können, können Sie auch nicht behaupten, das würde hier nicht zur Abstimmung stehen oder das sei ja noch alles offen. Die Wähler wollen keine Katze im Sack, sondern eine klare Ansage von Ihnen.
Wenn schon der SPD die Verschwendung von Steuergeldern an der Stelle egal ist, sollte doch wenigstens die CDU ein Mindestmaß an Kostenrationalität vorweisen. Wenigstens von Ihnen könnte man doch erwarten, dass Sie die fatale Kritik des Berliner Rechnungshofs am Neubauprojekt der Landesbibliothek ernst nehmen – und dies vor allem, solange die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen ist. „100 Prozent Tempelhof“ heißt vielleicht keine Wohnungen, es heißt aber auch keine ZLB. Das Geld, das wir für den Neubau der ZLB sparen, kann man an anderer Stelle für den Bau von Wohnungen einsetzen. Das ist kein Stillstand, sondern das ist Vernunft.