Die eigenen Kinder freuen sich bestimmt auch nicht wirklich, wenn ich vor der Tür stehe und sage: „Papa möchte jetzt bei euch einziehen!“ Daher brauchen wir genügend qualifizierte Leute, die sich um die Pflege alter Menschen kümmern.
Der Beruf des Altenpflegers ist ein wahnsinnig wichtiger Job, der mehr Aufmerksamkeit und soziale Anerkennung verdient. Diese Leute leisten jeden Tag unheimlich viel, um alten Menschen ein würdevolles Leben zu ermöglichen – und wir brauchen mehr davon!
Und zuletzt wird als weiteres Gesicht der Kampagne Stefan Kretzschmar als sportlicher All-Star zitiert:
Das ist schon ganz schön krass, sich selbst als alter Mensch zu sehen. Wenn ich mir vorstelle, mich irgendwann nicht mehr so bewegen zu können wie heute, dann wird mir ganz anders.
Alle haben mit ihren Aussagen recht. Halten wir uns doch nun an die Worte von Frau Nick: Das Alter ist ein Fortschritt! – Damit wären wir mitten im Thema. Ja, es geht auch um Ihre, um unsere zukünftige Pflege, um gute Pflege im Alter für uns alle.
Mit dieser Pflegekampagne will Herr Czaja als Sozialsenator Folgendes erreichen: Erstens mehr Aufmerksamkeit und damit auch Anerkennung für den Pflegeberuf!
Zweitens eine bessere Werbung für den Pflegeberuf, damit mehr junge Menschen eine Ausbildung in der Pflege beginnen oder andere eine Umschulung oder den Wiedereinstig in den Pflegeberuf packen! Fachkräftemangel ist in dieser Branche definitiv kein Fremdwort mehr.
Und drittens: Mehr Sensibilität bei uns allen für das Alter wecken! Organisieren wir viel früher einige Dinge für unser Alter! Das wäre doch ein Fortschritt, und Fortschritt macht neugierig.
Vielen Dank, Frau Radziwill! – Sie haben richtigerweise angesprochen, dass man Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel ergreifen muss. Ich frage Sie, ob die Tatsache, dass die Altenpflegeausbildung bis heute nicht vom Land Berlin finanziert wird und die Schüler von Hartz IV leben müssen oder dass eine Stunde ambulanter Pflege derzeit mit 26 Euro dotiert werden soll – dafür würde ein Maler oder Klempner nicht einmal an der Tür klingeln –, Ihre Form von wirkungsvoller Maßnahme gegen Fachkräftemangel ist.
Vielen Dank, Frau Kapek, für diese Frage. Wären Sie meiner Rede noch etwas gefolgt, wüssten Sie meine Antwort. Seien Sie neugierig; ich komme gleich darauf zu sprechen.
Ein differenzierter Blick auf diese Pflegekampagne ist aus meiner Sicht notwendig. Wenn diese drei Kernziele der Kampagne greifen, wird es ein Erfolg werden. Dieses
lassen wir uns auch nicht von der Opposition zerreden. Wir müssen auch einige politische Entscheidungen wagen. Attraktivität für diesen wichtigen Berufszweig werden wir insbesondere durch die Verbesserung der Arbeitsbedingungen erreichen, möglicherweise nicht nur mit einer wirklich gut gemachten Kampagne.
Aus meiner Sicht sind es folgende Punkte. Erstens: Wenn wir diesen Knochenjob wirklich attraktiv gestalten wollen, muss die Ausbildung in der Pflege kostenlos sein.
Junge Menschen müssen zu Beginn ihrer Ausbildung in freier Trägerschaft im Schnitt 150 Euro Schulgeld mitbringen. Niedersachsen beispielsweise hat Wege gefunden, das Schulgeld aus dem Sozialressort abzusichern. Das haben zumindest meine Recherchen ergeben. Warum sollte das in Berlin nicht möglich sein? Diese Investition in die Ausbildung neuer Pflegekräfte müsste und könnte uns rund 3,5 Millionen Euro wert sein. Ist hier aber nicht auch der Bund Adressat? Muss hier nicht auch von der Bundesebene gegengesteuert werden?
Zweitens: In der Pflege muss die Pflegeperson mehrere Jobs vereinen können, vom Koch, über den Friseur, den Psychologen, die Putzkraft, Pflegender, Gesprächspartner bis hin zum Sterbebegleiter. Dieser Knochenjob wird in der Pflege im Schnitt mit 11 Euro pro Stunde bezahlt. Das ist für viele wenig attraktiv. Aber die Wertschätzung drückt sich nicht nur an der Bezahlung, sondern auch an der Anerkennung der Leistung und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflege aus. Senden wir heute aus dem Plenum unseren Dank an alle, die dort mit ihrer Leistung beitragen! Ich würde mich freuen, wenn Sie an dieser Stelle einmal applaudierten.
Vielen Dank! – Drittens: Die Verweildauer im Job muss verbessert werden. Hätten wir es geschafft, dass die Pflegekräfte im Schnitt 15 oder 20 Jahre im Pflegeberuf bleiben, so hätten wir heute noch keinen Fachkräftemangel. In vielen anderen Berufen ist die Verweildauer wesentlich länger, beispielsweise in der Autoindustrie. Also muss die Attraktivität insbesondere durch bessere Arbeitsbedingungen und betriebliche Gesundheitsvorsorge verbessert werden. Das Land Berlin als Träger der Sozialhilfe gibt ca. 350 Millionen Euro für diesen Bereich aus, ist also der wichtigste Akteur auf dem Pflegemarkt in Berlin. Das bedeutet für mich, dass wir uns mit den Pflegesätzen befassen müssen, diese statt ab und an auf sehr niedrigem Niveau anzupassen, sondern stetig und damit nachhaltig. Das erscheint mir sinnvoll. Die jüngste Erhöhung bei den ambulanten Diensten von vier Prozent ist sicherlich notwendig gewesen. Ich gehe davon aus, dass deren Personal direkt davon profitiert und es nicht als Gewinn verbucht wird. Dafür gibt das Land Berlin rund 12 Millionen Euro aus.
Frau Radziwill! Ich war angenehm überrascht, dass Sie sich dafür ausgesprochen haben, dass die Altenpflegeausbildung in Berlin umsonst sein soll. Warum ist dies bislang aber noch nicht passiert? Vielleicht können Sie einmal ein paar Sätze darauf verwenden, damit wir das verstehen.
Liebe Frau Villbrandt! Das ist ein Prozess. Berlin steckt nun einmal in einem Finanzkorsett. Wir müssen uns genau überlegen, welche finanziellen Schwerpunkte wir setzen. Für mich wäre genau hier einer der Schwerpunkte und besonders wichtig. Diesen Prozess müssen wir in den nächsten Haushaltsberatungen gemeinsam anpacken. Das wäre mein Appell als Sozialpolitikerin.
Sie haben bislang nach meiner Kenntnis in den Haushaltsberatungen auch nichts gesagt. Schauen Sie einmal nach vorn und nicht nach hinten! – Vielen Dank für das rege Interesse an meiner Rede, aber ich fahre nun fort.
Im engen Finanzkorsett Berlins müssen wir uns die finanziellen Schwerpunkte genau überlegen. Das bedeutet auch die Erarbeitung einer verlässlichen Basis und Vereinbarung über die Kriterien. Insbesondere muss dieses mit den privaten Anbietern vereinbart werden.
Viertens: Die am schnellsten in die Altenhilfesysteme hineinwachsende Gruppe hat einen Migrationshintergrund oder liegt viel mehr Wert auf Sensibilität und Individualität in der Pflege. In einer weltoffenen und multikulturellen Stadt wie Berlin ist das auch kein Wunder. Daher plädiere ich in einem weiteren Schritt, diese Pflegekampagne auch um die Komponente der kultursensiblen Pflege zu erweitern. Hier ist unter anderem das Kompetenzzentrum zur interkulturellen Öffnung der Altenhilfe Kom.zen ein wichtiger Partner.
Fünftens: Berlin muss den demografischen Wandel gestalten. Ein wesentlicher Faktor dabei ist die Infrastruktur. Zu Recht hat Bürgermeister und Senator Michael Müller jüngst auf der Fachveranstaltung Wohnen und Pflege in Berlin von der Gesundheitsstadt Berlin festgehalten: „Bauen ist Ausdruck der Gestaltung der Infrastruktur und sollte positiv bewertet werden.“ Bis zum Jahr 2030 rechnen Expertinnen und Experten für Berlin mit einem Anstieg der reiferen Generation um 200 000 Menschen. Dabei wird der Anteil der über 80jährigen um mehr als 80 Prozent ansteigen. Aktuell haben wir in Berlin rund 117 000 Pflegebedürftige, davon werden 89 000 zu Hause versorgt, 57 000 von ihnen zu Hause durch Angehörige gepflegt – das ist immer noch die größte Gruppe – und 32 000 durch die etwa 600 ambulanten Pflegedienste. Deshalb werden wir viel stärker Wohnen und Pflege zusammen denken und gestalten müssen.
Senioren brauchen oft kleine Wohnungen, aber eine Seniorenwohngemeinschaft benötigt eben viel größere Räume. Daher appelliere ich auch hier an dieser Stelle, am 25. Mai für eine Randbebauung auf dem Tempelhofer Feld zu votieren.
Das hilft auch, den demografischen Wandel zu bewältigen, beispielsweise durch den Bau von seniorengerechtem, barrierearmem, generationsübergreifend nutzbarem, gendergerechtem und preiswertem neuen Wohnraum.
Am 25. Mai geht es auch darum, über eine Randbebauung auf dem Tempelhofer Feld abzustimmen. Das wissen Sie alle. Deswegen appelliere ich an dieser Stelle auch noch einmal dafür.
Sechstens: Zuletzt möchte ich noch den folgenden Aspekt nennen. Auch der Herausforderung von Demenz müssen wir mit den Kompetenzen einer demenzfreundlichen Kommune begegnen. Stolz können wir auf unsere universitäre Forschung in Berlin sein. Hier wird an den Alltagsgeräten der Zukunft geforscht, damit Ältere und Menschen mit Handicap länger und selbständig in ihrer eigenen Häuslichkeit gut und sicher wohnen können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste! In der Autoindustrie geht Forschung oft im Einklang mit dem Zwang der Rationalisierung in der Produktion einher. Ob das gut ist, sei einmal dahingestellt. Alle Gerätschaften fallen von oben, und die Handgriffe sind oft im Radius über dem Bauchnabel des Arbeitnehmers auszuführen. Bekanntermaßen ist es in den Pflegeberufen so nicht. Dort müssen sie ganzen Körpereinsatz und noch viel mehr mitbringen. Uns muss und wird der Einsatz und Fürsorge für den anderen, den Menschen, mehr wert sein.