Protocol of the Session on March 20, 2014

Möglicherweise haben Sie, Herr Reinhardt, nie gesehen oder nie zur Kenntnis genommen, wie die Menschen in diesen Zelten leben, wie sie in Hütten leben, die jeden Augenblick einstürzen können. Ist Ihnen eigentlich schon einmal klar gewesen, wenn es regnet, wenn es stürmt, welche Gefahrenpotenziale dort vor Ort sind?

Liebe Frau Kolat! Ich kann Ihnen persönlich – das sage ich hier ganz offen – nur wünschen, gemeinsam mit dem Innensenator, gemeinsam mit Regierenden Bürgermeister, dass wir einen Erfolg auf dem Oranienplatz erzielen. Die Flüchtlinge, ich sage es mit aller Deutlichkeit, haben nach anderthalb Jahren mehr oder weniger die Nase voll, dort zu leben.

Kollege! Lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

(Canan Bayram)

Nein! – Frau Bayram! Sie haben in diesem Zusammenhang auch noch einmal über mich persönlich gesprochen. Frau Bayram! Sicherlich kann man mit 63 Jahren ein Pflegefall werden. Man kann aber auch ein Pflegefall mit 70 Jahren werden, auch mit 80 Jahren. Aber die große Tragödie, liebe Frau Bayram, ist, dass es Menschen gibt, die schon mit fast 50 Jahren geistige Pflegefälle werden, und das leider mehr oder weniger nicht merken und uns oft auch belästigen mit gewissen Redewendungen, die man mehr oder weniger manchmal nicht akzeptieren kann.

[Unruhe]

Herr Kollege Wansner! Wenn Sie damit die Kollegin gemeint haben, dann rüge ich das als unparlamentarisch!

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Lieber Herr Präsident! Da das für solche Menschen Tragödien sind, würde ich sicherlich Frau Bayram nicht in diesen Zusammenhang bringen. Aber man sollte darüber nachdenken.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU – Unruhe bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Für die Fraktion Die Linke hat jetzt der Kollege Taş das Wort.

[Zurufe von den GRÜNEN]

Entschuldigung! Das war mir jetzt nicht klar. Eine Kurzintervention der Kollegin Bayram. – Bitte schön!

Herr Wansner! Ich könnte ja sagen, ich bin noch keine 50 Jahre alt, mich können Sie nicht gemeint haben. Aber so seltsam, wie Sie das hier angedeutet haben und wie Sie heute ohnehin so seltsame Andeutungen machen, kann man das wirklich nicht stehenlassen.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Ich kann verstehen, dass Sie über die Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg verärgert sind, weil sie Ihren Antrag auf Sondernutzung des Oranienplatzes – und zwar nicht auf der Seite, für die eine Sondernutzungserlaubnis vorliegt, sondern auf der gegenüberliegenden – zum Aufstellen Ihres Zeltes, das sie sich gerade im Baumarkt geholt haben, noch nicht beschieden hat.

Ich kann verstehen, dass Sie solch einen Wunsch haben. Aber Sie müssen akzeptieren, dass auf dem Oranienplatz nur dort eine Sondernutzungserlaubnis erteilt ist, wo sich die Flüchtlinge befinden. Herr Kollege Wansner! Sie müssen sich entscheiden, ob Sie sich zu den Flüchtlingen dazugesellen, ob dort überhaupt noch Platz ist für das Zelt, das Sie aufstellen wollen, um über die Politik der CDU zu informieren. Ich glaube, das Interesse der Flüchtlinge an der Politik der CDU wäre gar nicht so gering. Die würden Sie wirklich fragen, warum Sie das eine oder andere verantworten. Aber was problematisch ist und nicht geht, ist, dass Sie letztlich auf eine Art und Weise versuchen, das Thema für sich so auszuschlachten, dass es auf dem Rücken der Leute ausgetragen wird. Wenn ich mich schützend davorstelle, mich hier persönlich anzugreifen, wenn das Ihr Politikstil ist, dann kann ich damit leben. Aber Sie müssen sich wirklich ernsthaft fragen, für wen Sie das machen. Ich habe dort keinen Anwohner getroffen, der sich von einem Abgeordneten Kurt Wansner, der in Britz lebt, auf dem Oranienplatz vertreten fühlte. Aber auch darüber können wir immer gern weiter diskutieren.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Danke schön! – Der Kollege Wansner hat den Wunsch zu erwidern. – Bitte sehr, Herr Kollege!

Sehr geehrte Frau Bayram!

[Unruhe]

Meine Damen und Herren! Etwas mehr Ruhe bitte! Wir sind gleich am Ende der Tagesordnung.

Möglicherweise ist Ihnen die Gegend um den Oranienplatz nicht so bekannt. Diese Parkanlage beginnt an der Hochbahn und endet an der Schillingbrücke. Das heißt, das ist eine zusammenhängende Parkanlage.

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Das hat Ihnen doch der Stadtplan verraten!]

Herr Lux! Ich gehe gern einmal mit Ihnen dort spazieren, damit Sie vielleicht diese Gegend einmal kennenlernen. Frau Bayram! Sicher ist es das Recht jedes Einzelnen vor Ort, die Forderung aufzustellen, ein Informationszelt aufzustellen. Das wird sicher, wenn der Bezirk das genehmigt – ich hoffe, das wird passieren –, auf der anderen Seite des Oranienplatzes sein.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Meinen Sie das ernst?]

Was mich allerdings bei Ihnen verwundert, ist, dass Sie keine Anwohner gefunden haben, die sich über diesen Platz dort mehr oder weniger ärgern. Möglicherweise oder vielleicht ist es auch so, dass die Menschen zwischenzeitlich mit Ihnen dort nicht mehr reden,

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Sie sollen nicht nur mit der „BZ“ reden!]

weil sie es als sinnlos ansehen, weil Sie deren Interessen nicht mehr vertreten. Ich kann mir ja vorstellen, dass es Sie ärgert, weil Sie bei der Bundestagswahl gesehen haben, welche riesige Niederlage die Grünen in Friedrichshain-Kreuzberg bekommen haben, ich glaube Sie sind auf 18 oder 17 Prozent zwischenzeitlich abgerutscht.

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Nur, dass die da die Bürgermeisterin stellen und das Direktmandat für den Bundestag errungen haben!]

Ich kann Ihnen trotzdem versichern: Wir, die CDU vor Ort, werden uns um die Flüchtlinge kümmern. Wir werden uns um die Anwohner kümmern, und wir werden eines tun: Im Gegensatz zu Ihnen werden wir nicht spalten, sondern wir werden versuchen, ein gütliches Miteinander aller Menschen im Bezirk FriedrichshainKreuzberg hinzubekommen. Da können Sie mit Ihrer Bezirksbürgermeisterin gegensteuern, es wird Ihnen nicht gelingen. Glauben Sie mir, die Grünen sind in Kürze in diesem Bezirk vollkommen überflüssig.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Kollege Wansner! – Für Die Linke hat jetzt aber der Kollege Taş das Wort. – Dann sind Sie auch der letzte Redner für den heutigen Tag. – Bitte schön!

[Unruhe]

Meine Damen und Herren! Noch einmal etwas mehr Aufmerksamkeit. Wir liegen in den letzten Zügen.

Zum Thema zurück.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist wirklich erstaunlich, es wird in der Öffentlichkeit so dargestellt, als ob eine Lösung für das Anliegen der Flüchtlinge am Oranienplatz gefunden worden ist. Ich frage mich, ich frage Sie, Frau Senatorin Kolat, Herr Senator Henkel, natürlich auch Herrn Wowereit, der jetzt nicht im Raum ist: Welches Problem ist denn nun gelöst worden? Erst am Montag hat die SPD-CDUKoalition im Innenausschuss einen Antrag der Linken zur Aufhebung der Residenzpflicht zwischen Berlin und Brandenburg abgelehnt. Die Aufhebung der Residenzpflicht ist eine wichtige, berechtigte Forderung der Flüchtlinge.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Martin Delius (PIRATEN)]

Das ist eine Forderung, bei der man auch auf Landesebene etwas machen kann. Das Land Brandenburg hätte mitgemacht, und es hätte das Land Berlin nichts gekostet. Auch andere Anträge der Opposition zur Verbesserung der Rechte von Flüchtlingen haben Sie abgelehnt. Ich sage nur: Arbeitsverbote aufheben, Winterabschiebestopp, Flughafenverfahren oder Integrationskurse für Flüchtlinge. Große Reden werden geschwungen, Versprechungen wurden gemacht, insbesondere von der SPD, aber Ihre Politik hier im Haus sieht ganz anders aus.

[Zuruf von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Jetzt präsentieren Sie mit großer Geste die vermeintliche Lösung für den Oranienplatz. Aber nur die LampedusaFlüchtlinge können eventuell von diesem Ergebnis profitieren, weil sie noch nicht registriert sind. Sogar das ist zweifelhaft. Sie sollen Duldungsbescheinigungen erhalten, aber es gibt keine Aussage über die Geltungsdauer der Duldungen. Viele andere Flüchtlinge gehen vollends leer aus, ihnen bleibt nur die Abschiebung oder die Illegalisierung. So ist es auch kein Wunder, dass die Mehrheit der Flüchtlinge diese Scheinlösung ablehnt.

Ich möchte die Bemühungen von Integrationssenatorin Kolat in keiner Weise kleinreden, natürlich auch Dank an Frau John. Aber die ursprüngliche Einigung wurde offensichtlich gekippt, weil Herr Henkel nicht an einer einvernehmlichen Lösung interessiert war, weil der Regierende Bürgermeister seine Richtlinienkompetenz nicht nutzen wollte. Ja, wo war und ist denn der Innensenator abgeblieben? – Falls ich richtig informiert bin, war kein Vertreter, keine Vertreterin der Innenverwaltung an den Gesprächen beteiligt, zumindest nicht der Innensenator selbst, auch nicht der zuständige Staatssekretär. Fühlt sich der Innensenator nicht auch zuständig, sieht er seine Aufgabe nicht darin, Probleme zu lösen und den Frieden in unserer Stadt zu bewahren? Will er keine politischen Lösungen? Soll wieder einmal die Polizei das Versagen der Politik ausbaden?

Es sind weitere Gespräche notwendig, um eine akzeptable Lösung zu erreichen. Der Senat muss deshalb weiter am Runden Tisch teilnehmen einschließlich der Innenverwaltung. Zuvor muss es aber eine ernst gemeinte einheitliche Staatslinie geben. Es müssen alle offenen Fragen – Gültigkeitsdauer der Duldung, Aussicht auf Umverteilung nach Berlin, Aufhebung der Residenzpflicht Berlin-Brandenburg, Teilnahme an Deutsch- und Integrationskursen, Zugang zu Existenzsicherung, genauer zeitlicher Ablauf der Einigung, menschenwürdige Unterbringung und weitere Fragen – geklärt werden. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

(Kurt Wansner)

Danke sehr, Herr Kollege Taş! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Der Antragsteller hat die sofortige Abstimmung beantragt. Die Koalitionsfraktionen beantragen hingegen die Überweisung an den Ausschuss für Arbeit, Integration, berufliche Bildung und Frauen federführend und mitberatend an den Innenausschuss. Wer diesen Überweisungen zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Koalition. Wer ist dagegen? – Das sind Grüne, Linke und alle Piraten, wenn ich richtig sehe. Der eine Kollege sitzt gerade bei der CDU.

[Heiterkeit]

Er hat aber ein deutliches Stimmzeichen abgegeben. Ersteres war die Mehrheit. Damit ist die Überweisung beschlossen.

Ich komme zu

lfd. Nr. 19 D: