Protocol of the Session on March 6, 2014

[Beifall bei den GRÜNEN – Zurufe von Ole Kreins (SPD) und Martin Delius (PIRATEN)]

Vor nunmehr 22 Monaten – lassen Sie sich das noch mal auf der Zunge zergehen – wurde die Eröffnung abgesagt. Ich glaube, es ist heute eine gute Gelegenheit, da noch mal zurückzuschauen und zu gucken: Was ist eigentlich

seitdem passiert? Und was haben der Regierende Bürgermeister und die anderen Vertreter Berlins in den Gremien eigentlich gemacht? – Herr Wowereit! Sie sind ja ein guter Taktiker.

[Anja Kofbinger (GRÜNE): Das war früher!]

Aber es reicht nicht, wenn man in Drucksituationen, in Wahlkämpfen oder in Parlamentsdebatten einmal glänzt, sondern ein Großprojekt braucht eine Strategie. Strategie braucht man beim Schachspiel, beim Militär und vor allen Dingen in der Wirtschaft. Wenn man ein Unternehmen zum Erfolg führen will, dann braucht man Strategie. Und diese Strategie haben Sie nicht.

[Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf von Christopher Lauer (PIRATEN)]

Wenn wir uns das mal anschauen: Im April 2012 saß der Aufsichtsrat zusammen. Hauptpunkt war: Wie ist das Menü bei der Eröffnungsfeier? Wo sitzt die Kanzlerin? Die technischen Probleme, die am Rand vielleicht vorkamen, wurden für lösbar erklärt. Alles war in Ordnung. Im Mai die Absage. Sie waren überrascht. Und was man als Taktiker macht, man handelt schnell, entschlossen und in Ihrem Fall falsch. Sie haben die Techniker entlassen. Alle Nichttechniker im Aufsichtsrat haben alle Techniker rausgeworfen in der Annahme, dann würde man schon irgendwie ein technisches Bauwerk allein hinkriegen. Wenn man sich das heute noch mal überlegt – und das würde ich auch ganz gerne mit Ihnen diskutieren, Herr Wowereit, ob das nicht einer der größten Fehler war und der Anfang vom Ende Ihres Krisenmanagements, das diesen Namen ja überhaupt nicht verdient.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Sie haben im Juni 2012 Herrn Amann geholt. Super! Ein Experte, der schon Flughäfen gebaut hat, der kann das, aber die strategische Begleitung durch den Aufsichtsrat hat gefehlt. Sie haben keine Änderungen vorgenommen. Im Aufsichtsrat war nach wie vor niemand, der überhaupt mit Herrn Amann über die technischen Probleme diskutieren konnte. Es war niemand da, der den Geschäftsführer an die kurze Leine hätte nehmen können, der mit ihm darüber reden hätte können: Was ist eigentlich als Nächstes zu tun? Wann wollen wir fertig werden? Was sind die Schritte bis dahin? – All das hat gefehlt. Keinerlei Änderung! Sie haben gedacht: – Das ist taktisch. – Jetzt haben wir einen, der macht das, der regelt alles für uns, und wir warten auf die nächste Eröffnungsfeier. Wunderbar! – Aber es hat nicht funktioniert. Sie haben im September neue Eröffnungstermine bekommen. Sie haben im Januar 2013 eine neue Absage bekommen. Und Sie haben dann auch wieder – wir können uns gut an die Debatte über das Misstrauensvotum erinnern – taktisch reagiert. Sie haben Prof. Schwarz entlassen. Sie haben den Aufsichtsratsvorsitz an Herrn Platzeck geschoben, später wieder zurückbekommen. Alles kurzfristig gehandelt, aber keine Strategie, keine Strategie, BER fertig zu bauen, gemeinsam mit Brandenburg und dem Bund Lösungen zu finden und dieses Projekt wirklich zu einem Erfolgsprojekt werden

zu lassen. Bisher ist es die größte Blamage und Ihre Fehlleistung.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Und dann haben Sie – wieder taktisch – Herrn Mehdorn geholt, vor einem Jahr. Und Sie haben gedacht: Mensch, das ist ein Macher. Der hat Qualitäten. Der kann was durchsetzen. Der hat Ideen. Und die wichtigste Aufgabe: Mit seiner Bahnerfahrung ist er ein guter Prellbock. – Herr Mehdorn hat Sie und die anderen Mitglieder des Aufsichtsrats aus der Schusslinie genommen und fängt mit seinem breiten Rücken alles ab, jede Kritik, jede öffentliche Aufregung, und nimmt Sie raus, und Sie können jetzt hier gemütlich lächelnd sitzen und so tun, als ob alles, was irgendwie seitdem passiert ist, Hartmut Mehdorn verantwortet, und Sie haben gar nichts damit zu tun. Das ist uns hier die ganze Zeit so aufgetischt worden: Die Geschäftsführung ist verantwortlich. – Natürlich ist die verantwortlich. Herr Kreins wird uns das nachher noch mal erklären. Aber Sie sind der Chef. Sie sind der Aufseher. Sie müssen dafür sorgen, dass dieses Projekt wirklich ein Erfolg werden kann. Und danach sieht es bisher leider nicht aus.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Das Erste, was Herr Mehdorn unter Ihrer Nichtaufsicht gemacht hat: Er hat die Tegel-Debatte angefangen. Das Zweite, was er gemacht hat: Er hat eine Debatte darüber angefangen, ob man nicht am Pier Nord einen Sparbetrieb machen könnte. Haben Sie ihn dabei unterstützt? Haben Sie eine Risikoanalyse gemacht, ob das eigentlich geht? Haben Sie sich im Aufsichtsrat eine eigene Einschätzung dazu machen lassen? Ja, vielleicht auch mit Herrn Henkel zusammen! – Das ist die Frage. Nein! Das alles haben Sie nicht getan. Sie haben Herrn Mehdorn machen lassen und zugeguckt, wie er am Schluss gescheitert ist.

Ähnlich bei der Frage der Sanierung der nördlichen Start- und Landebahn: Sie haben sich darüber unterhalten, aber haben Sie das ernsthaft geprüft? Haben Sie gesagt, das ist eine Chance, eine gute Idee, wir unterstützen den Mehdorn? – All das haben Sie nicht gemacht. Sie haben ihn nicht unterstützt. Sie haben ihn aber auch nicht aufgehalten. Das wäre ja die Alternative gewesen, Herr Wowereit! Sie hätten sagen können: Mensch, Mehdorn, das ist eine blöde Idee. Du kannst nicht erklären, wir eröffnen hier eine Start- und Landebahn, und der Lärmschutz ist nicht da.

[Zuruf von Ole Kreins (SPD)]

Die Fenster sind nicht da. Die Lüfter sind nicht da. Die sind nicht eingebaut. – Nein! All das haben Sie nicht gemacht. Sie haben es laufen lassen. Sie haben nicht kontrolliert. Sie haben keine Strategie. Und deshalb musste auch dieses Projekt schiefgehen.

Und jetzt wird schon darüber diskutiert, ob Herr Mehdorn der Richtige an der Stelle ist oder ob man noch jemand anderen braucht. Sie werden wahrscheinlich niemanden

finden. Sie müssen mit dem klarkommen. Da kommt unser Hilfsangebot, Herr Wowereit. Wir wollen Ihnen helfen.

[Martin Delius (PIRATEN): Oh! Koalitionsaussage!]

Deswegen haben wir diesen Antrag eingebracht. Sie brauchen fachkundige Unterstützung.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Vor einem Jahr haben uns Herr Saleh und Herr Graf erzählt, der Aufsichtsrat, der würde ein Gremium werden, das aufgewertet werde.

[Harald Wolf (LINKE): Ach was!]

Dort komme technische Expertise hinein. Möglicherweise haben Sie das überhört oder die haben Ihnen nichts zu sagen. Ich dachte immer, Herr Saleh sei so eine Art Chef von Ihnen. Das ist aber nicht der Fall. Die Expertise ist nicht in den Aufsichtsrat gekommen. Die muss offensichtlich von einer anderen Seite kommen. Deswegen schlagen wir Ihnen vor: Richten Sie einen Beirat mit Experten ein, die Sie auch bezahlen,

[Steffen Zillich (LINKE): Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Landes- und Fraktionsvorsitzendem?]

die all das, was Sie selber nicht überblicken können, für Sie übernehmen und dem Aufsichtsrat helfen, tatsächlich dieses Unternehmen zu beaufsichtigen. Das ist nämlich die vornehmste Aufgabe eines Aufsichtsrats und des Gesellschafters Land Berlin. Das ist das Erste.

Das Zweite ist: Wir wollen einen Statusbericht sehen. Wir haben in den vergangenen zwei Jahren von Ihnen nichts über Einzelheiten erfahren. Wir haben nichts darüber erfahren, wie es weitergeht. Sie weigern sich inzwischen, überhaupt Termine bekanntzugeben. All das liegt nicht vor. Das wollen wir von Ihnen haben, das wollen wir von Ihnen sehen. Wir wollen Ihnen mit dieser Unterstützung helfen, irgendwann doch noch den BER fertig zu bekommen. Wann das sein wird, diese Antwort erwarten wir von Ihnen. – Danke schön!

[Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank, Herr Otto! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Kreins – bitte sehr!

[Benedikt Lux (GRÜNE): Wo ist denn Ihr Koalitionspartner?]

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Otto! Ich habe wirklich noch einmal durch die Reihen geschaut, auch durch andere Oppositionsreihen, und da haben schon einige mit dem Kopf geschüttelt. Man kann eigentlich nur mit dem Kopf

(Andreas Otto)

schütteln, denn dieser Antrag steht in der Tradition von Vierteljahresberichten, die Sie fordern, Halbjahresberichten, Kassensturzberichten, Finanzplänen, Rechtfertigungsplänen, Berichterstattung zu neuem und altem Personal, Zeitplanberichten und Berichtszeitplänen. Absurdistan, das sage ich Ihnen einmal ganz ehrlich!

[Beifall bei der SPD und der CDU – Ramona Pop (GRÜNE): Absurdistan ist der BER – Weitere Zurufe von den GRÜNEN]

Auch Ihre Behauptung, Sie wüssten nichts, kann vielleicht für Sie zutreffen. Aber wenn ich mir anschaue, was hier auf Mündliche Anfragen berichtet worden ist, 13 Mündliche Anfragen in den letzten Plenarsitzungen, da können Sie sich ausrechnen, jedes Mal eine. 83 Kleine und Schriftliche Anfragen, mit unzähligen Unterfragen. Wenn Sie die nicht gelesen haben, Herr Otto, dann tut es mir leid, aber dann kann man Ihnen auch nicht helfen.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der CDU]

Heute steht eine Große Anfrage auf der Tagesordnung. Darin steht etwas zum Finanzkostenrahmen. Wissen Sie, warum Sie die nicht diskutieren? – Weil Polemik viel einfacher ist als Sachlichkeit. Es tut mir leid, Frau Pop.

[Ramona Pop (GRÜNE): Ja, genau! Jetzt bin aber gespannt! Erklären Sie einmal den Finanzkostenrahmen! Los!]

Fragen 23 bis 27: 330 Millionen Euro Ausgaben des Landes Berlin. Das können Sie nachlesen. Lesen Sie es nach! Ich wusste gar nicht, dass Sie sich so über die vierte Reihe echauffieren, Frau Kollegin!

[Ramona Pop (GRÜNE): Sehen Sie, ich rede auch mit Ihnen!]

Ja, aber Sie haben es immer noch nicht verstanden. Also, die 83 Kleinen Anfragen sind benannt.

Wir sitzen, Kollege Otto, gemeinsam in diesem Untersuchungsausschuss. 2 000 Aktenordner à 500 Blatt, wenn Sie hochrechnen – ich bin darin nicht besonders gut –, komme ich auf ungefähr 80 000 Blatt Papier. Nun steht nicht auf jedem einzelnen Blatt Papier die Antwort auf Ihre Fragen. Aber wir haben ja auch die Chance gehabt, im Bauausschuss, im Haushaltsausschuss und im Unterausschuss Beteiligungen uns bei Anhörungen die Experten – Herrn Mehdorn, Herrn Wowereit – anzuhören. Das haben wir auch gemacht. Also, dass Sie hier behaupten, es gäbe nichts, das mag in der Tat Ihr Kenntnisstand sei. Wenn ich mir Ihre Zeugenbefragungen im Untersuchungsausschuss vor Augen führe, stelle ich mir tatsächlich die Frage, ob das keinerlei Erkenntnisgewinn war.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Otto?

Nein, ich gestatte keine Zwischenfragen! – Allerdings, was ich verstanden habe, ist, dass Sie im Hochschulkurs den Unterschied zwischen der Ausrichtung von Strategie und der kurzfristigen Dimension von Taktik erkannt haben. Ich gebe Ihnen recht und sage Ihnen: Es ist in der Tat ein taktisches Instrument, einen so unzureichenden Antrag heute auf die Tagesordnung zu setzen, denn die Sachargumente werden in der Öffentlichkeit nicht gehört, aber die Polemik findet statt. An der Polemik möchte ich mich nicht beteiligen.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der CDU]

Kommen wir noch einmal zu dem Zeitpunkt, zu dem dieser Flughafen eröffnet wird! Den kann man feststellen. Dazu muss man es in der Tat von hinten betrachten, wenn der Probebetrieb abgeschlossen ist – und zwar erfolgreich abgeschlossen ist. Diesen kann man erst durchführen, wenn das Gebäude vom Bauordnungsamt abgenommen worden ist. Dieses wird erst abgenommen, wenn die bauenden Unternehmen und die Flughafengesellschaft ihre TÜV-Prüfer mit den Prüfungsunterlagen zum Bauordnungsamt geschickt haben. Damit das passiert, muss die Brandschutzanlage funktionieren, und Siemens baut daran. Wir sind also über den Schritt, den wir vor anderthalb Jahren hatten, die Fehleranalyse, schon hinaus. Es wird gebaut. Die Fehler hat man erkannt. Das ist in der Tat ein Punkt. Die Kette, die ich Ihnen gerade genannt habe, je näher das Ende dieser Kette kommt, umso verbindlicher kann man den Eröffnungstermin benennen.

Ich möchte gern noch etwas zum Antrag sagen. Den Antrag haben Sie nicht erläutert. Die Frage, woher wir Experten für diesen Bau bekommen sollen, hat sich schon mit der Frage der Ausstattung der Geschäftsführung mit Experten gestellt. Es gibt nicht so viele Experten, ein Flughafen wird nicht täglich gebaut. Die Experten, die da kommen sollen, sollen in einem Begleitgremium agieren. Da frage ich mich tatsächlich, warum sie nicht in die Flughafengesellschaft hinein sollen, warum sie nicht operativ arbeiten sollen, warum sie nicht an der Planung, am Finanzcontrolling und am Bau mitwirken sollen. Das lässt der Antrag offen.

Zu den Berichtspflichten habe ich bereits etwas gesagt und zu der Anzahl der Experten, die es offenbar wie Sand am Meer gibt, müssen Sie selbst feststellen,

[Zuruf von Anja Kofbinger (GRÜNE)]

ob das von Ihnen ernst gemeint ist.