Protocol of the Session on March 6, 2014

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! – Danke, liebe Kollegin Kofbinger, für den Hinweis auf den Internationalen Frauentag – das war ja damals auch eine sozialdemokratische Idee.

[Zuruf von den GRÜNEN]

Gefordert wird die Einsetzung einer Werbewatchgroup. Ich gehe jetzt mal nicht auf die ungeheuere sprachliche Schönheit dieses Begriffes ein. Vielleicht können wir daran auch noch mal arbeiten. Wir hatten heute auch schon ein bisschen Germanistik im Hause. Das wäre auch noch mal ein Betätigungsfeld.

Sexistische Werbung ist ärgerlich. Sie ist in ihren Auswirkungen schädlich. Insofern ist es nicht bloß eine Frage von Gefallen oder Nichtgefallen. Im Übrigen sind auch durchaus Männer davon betroffen, denn es geht darum, dass den Geschlechtern bestimmte stereotype Zuschreibungen gemacht werden. Das können zum Beispiel auch gewalttätige Männer in der Darstellung sein. Wer sich hier stark engagiert, ist die Initiative Pinkstinks. Die möchte ich mal erwähnen, die finde ich auch sehr unterstützenswert. Da geht es um das berühmte Überraschungsei, das plötzlich für Mädchen rosa Pferde enthält und anderes für Jungen. Auch das fällt alles in diesen Bereich.

Ich hätte auch nie das Telefon bei Alice bestellt. Das ist ja auch immer eine Möglichkeit, die wir haben, nämlich solche Werbung dadurch zu bestrafen, dass man

schlichtweg nicht auf sie eingeht und diese Produkte dann nicht kauft.

Die Thematisierung ist wichtig. Es geht hierbei auch immer um die Kinder, die in einer Phase, wo sie sich noch gar nicht so aktiv damit auseinandersetzen können, bestimmte Bilder in den Kopf getrichtert bekommen. Ich finde es allerdings auch sehr sinnvoll, immer mal darüber zu reden und zu sagen, warum man etwas nicht kauft: Die Werbung hat mich geärgert! – Na, warum denn? – Mit solchen Gesprächen kommt man weiter. Das ist zumindest meine Erfahrung.

Wir haben als SPD eine Beschlussfassung zu dem Thema. Die Bundesfrauenkonferenz hat 2012 beschlossen, dass eine unabhängige Kontrolle außerhalb des Werberates eingeführt werden soll, die auch Sanktionen beinhaltet. Das wurde allerdings eher auf Bundesebene angesiedelt.

Wien ist natürlich interessant. Nun denke ich, dass wir nicht unbedingt alles das, was die Experten und Expertinnen dort schon ausgearbeitet haben, hier von Experten und Expertinnen noch mal ausarbeiten lassen müssen. Ich vertraue den Wienern und Wienerinnen, dass sie das alles wissenschaftlich sehr gut gemacht haben.

Ansonsten ist der Antrag ja relativ allgemein: Werbewatchgroup in Berlin einrichten! – Was die aber nun genau tun soll – gut, Experten und Expertinnen sollen sich austauschen –, das ist eher offen und beinhaltet eine Menge Fragen. Auch die Finanzierung ist eine der Fragen, die wir dann, glaube ich, wohlwollend im Ausschuss diskutieren und zu einer Beschlussfassung führen können. – Danke!

[Beifall bei der SPD und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Danke, Frau Kollegin Dr. Czyborra! – Für die Fraktion Die Linke hat jetzt Frau Kollegin Sommer das Wort. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Dr. Czyborra! Die Frage der Urheberschaft – wer nun den 8. März als Frauentag ins Leben gerufen hat – ist immer schwierig. Aber in diesem Fall: Clara Zetkin war nicht in der SPD, sondern – –

[Anja Kofbinger (GRÜNE): Die war auch in der SPD!]

Sie war erst in der SPD und dann 1917 in der USPD. So viel hier noch mal zur Aufklärung!

[Zurufe]

(Anja Kofbinger)

Jetzt zum Thema: Werbung ist ein fester Bestandteil unseres Lebens. Wir beachten sie bewusst oder unbewusst, und immer wieder sehen wir es: Frau gleich Sex, Frau gleich Produkt oder Produkt gleich Frau. Die Frau muss schön sein. Der Mann muss stark sein. Er ist der Ernährer. Sie ist die Hausfrau. – Solche Bilder sind meines Erachtens nicht zeitgemäß und haben für viele selbstbewusste Frauen und Mädchen reichlich wenig mit der Realität zu tun.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Aber die abwertende Darstellung von Frauen oder Männern in der kommerziellen Werbung verfestigt ein bestimmtes Frauen- und Männerbild. Sexistische Werbung manifestiert Geschlechterhierarchien. Das trifft insbesondere junge Menschen, die sich an solchen Bildern und Werten orientieren. Sexistische Werbung ist weder lustig noch amüsant. Nein! Sie reduziert Frauen auf Sexobjekte. Sie verletzt die Würde insbesondere von Frauen. In einer modernen und aufgeklärten Gesellschaft wie der unsrigen kann so etwas nicht mehr toleriert werden.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Anja Kofbinger (GRÜNE)]

Sexistische Werbung verletzt die UN-Konvention zur Beseitigung jeglicher Diskriminierung der Frau, die EURichtlinie über audiovisuelle Mediendienste sowie mehrere Entschließungen des Europäischen Parlaments aus dem letzten Jahr.

Wir wissen, dass die Werbung ein Produkt verkaufen will, und Sex sells. Aber es gibt einen Unterschied zwischen selbstbestimmter, gleichberechtigter und lustvoller Sexualität und der Reduzierung der Frau auf ein Sexualobjekt. Wir wollen keinen Rückfall in die Prüderie vergangener Epochen. Wir wollen keine Zensur, und wir wollen auch keine Kunst verbieten. Wir wollen lediglich Werbung, die die Würde der Frauen nicht verletzt. Der Widerstand gegen sexistische Werbung kann sehr vielfältig sein. Wir können die Werbelandschaft beobachten und sexistische Inhalte öffentlich machen. Es gibt die Möglichkeit, Beschwerde beim Deutschen Werberat einzureichen. Wir können Produkte, für die in sexistischer Manier geworben wird, auch boykottieren.

[Beifall von Carsten Schatz (LINKE)]

Eine Werbewatchgroup in Berlin einzurichten, das ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber dabei darf es selbstverständlich nicht bleiben. Wie Sie wissen, versucht der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg sexistische, diskriminierende und frauenfeindliche Außenwerbung auf den vier bezirkseigenen Werbeflächen zu unterbinden. Ein Antrag dazu wurde mit überragender Mehrheit am 26. Februar 2014 im Bezirksparlament verabschiedet.

Ich werbe für eine gesamtgesellschaftliche Sensibilisierung in Bezug auf dieses Problem. Allein mit Verboten kommen wir hier nicht weiter, weil das keinen Bewusstseinswandel herbeiführen kann. Jedenfalls müssen wir

uns wehren und diese offene Form des Sexismus ächten, und zwar nicht nur durch die Einsetzung einer Werbewatchgroup. Lassen Sie uns über die weiteren Möglichkeiten und Maßnahmen gegen sexistische Werbung dann im Ausschuss beraten und dort Ideen zusammentragen! – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Beifall von Anja Kofbinger (GRÜNE)]

Danke, Kollegin Sommer! – Für die Fraktion der CDU hat jetzt das Wort der Kollege Goiny. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst ist noch mal selbstverständlich, aber auch richtig darauf hinzuweisen, dass die Ablehnung von Gewalt in Ausübung, Androhung oder Verherrlichung gegenüber jedweder Person ohne Ansehen verurteilungs- und verabscheuungswürdig ist. Das betrifft junge Männer, die am Alexanderplatz totgeschlagen werden, das betrifft Kindesmissbrauch und Gewalt an und gegen Frauen. Die Gleichberechtigung von Männern und Frauen in unserer Gesellschaft ist noch nicht vollendet, und daran zu arbeiten, ist auch Aufgabe des gesamten Parlaments.

Aber bei dem, was wir hier als Antrag vorliegen haben, wundert es mich ein bisschen, dass das in der GrünenFraktion überhaupt mehrheitsfähig gewesen ist, weil es doch wieder ein passender Baustein grüner Bevormundungspolitik ist, der in verschiedenste Bereiche der beruflichen Ausübung, der Medienlandschaft und der Freiheitsrechte eingreift und, wie wir finden, in unzulässiger Weise eingreift.

Ich habe mir mal die Mühe gemacht, mir das anzuschauen, was da in Österreich vermeintlich als Vorbild entwickelt worden ist, und habe versucht, herauszufinden, welche Werbung, die wir hier so im Alltag sehen, nach den dortigen, sehr detaillierten Kriterien noch zulässig wäre. Da gibt es nicht viel, was dann noch unproblematisch machbar ist. Offenkundig ist, dass die Bestatterbranche weiter werben kann, ohne von diesen Regularien beeindruckt zu werden. Vielleicht ist das ja auch eine Absicht. Kollege Esser hat uns mit dieser Thematik auch gestern im Hauptausschuss erfreut, indem er diese Landesgräberanstalt gefordert hat. Werbung für Kreuzfahrtreisen ist auch noch möglich, wenn man sich die gängige Werbung anguckt und sie mit den Kriterien vergleicht, weil in dieser Werbung nur die Schiffe abgebildet sind. Sickergrubenanbieter haben damit sicherlich auch kein Problem. Aber schon, wenn man sich die Werbung für Treppenlifte anschaut, wird das anders. Wenn die ältere Dame dort vielleicht auch noch verführerisch lächelt und die Knie zeigt, dann ist das schon sexistisch und diese Werbung nicht mehr zulässig.

(Evrim Sommer)

Wenn man diesen Kriterienkatalog ernst nimmt und in der Praxis anwenden will, zeigt sich die gesamte Absurdität dessen, was Sie uns auf den Tisch des Hauses gepackt haben. Das hat bei Teilen der Friedrichshain-Kreuzberger auch Tradition. Jedenfalls ist der Bezirk leider in dieser Ausprägung mehr und mehr ein Beispiel für Intoleranz und Engstirnigkeit geworden. Das hat ja auch der „Tagesspiegel“ jüngst durch Herrn Martenstein passend kommentiert. Wenn ich mir angucke, welche Beispiele es da noch gibt, die hier entsprechend zu erwähnen sind: Wir haben die Diskussion über den Veggie-Day und darüber, dass es in Kreuzberg kein McDonald‘s-Restaurant geben darf. Man möchte, weil es nicht in die politische Landschaft passt, jamaikanischen Künstlern, auch wenn sie sich von homophobem Gedankengut längst distanziert haben, Auftrittsmöglichkeiten in Kreuzberg untersagen. Und man möchte keine Touristen, obwohl diejenigen, die dagegen protestieren, selbst noch bis zur Wiedervereinigung aus Westdeutschland nach Kreuzberg gewandert sind.

Also all das ist Ausdruck von Engstirnigkeit und Intoleranz, und das ist nicht die Vorstellung von einem freiheitlichen, toleranten Berlin, wie wir sie haben. Insofern gehen Sie mit dem, was Sie uns hier politisch vorschlagen, komplett in die falsche Richtung. Solche Art von Sittenwächterrat kann man dann vielleicht in der Tat bei den Taliban in Nordkorea gebrauchen, wie Herr Martenstein geschrieben hat, aber nicht bei uns in Berlin. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU – Zuruf von den GRÜNEN: Sie verharmlosen das!]

Das Wort zu einer Kurzintervention hat jetzt die Kollegin Kofbinger. – Bitte schön!

Also, Herr Goiny, Sie haben meine Offerte nicht angenommen, genau darüber heute nicht zu reden, sondern sich über ein Instrument um sexistische, diskriminierende und/oder frauenfeindliche Werbung aus dem öffentlichen Raum herauszuhalten, zu unterhalten. Das war unser Angebot. Was Sie wieder vom Stapel gelassen haben, ist so unsäglich. Wer ist denn hier spießig? – Es ist selbstverständlich die CDU.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Simon Kowalewski (PIRATEN)]

Es ist selbstverständlich, dass die Grünen, die Linken und die SPD eine große Übereinstimmung haben. Ich darf an unsere Sitzung vor 14 Tagen erinnern, in der es darum ging, die Opfer von Menschenhandel besser zu schützen. Da mussten Sie unbedingt noch etwas fremdenfeindliches hineinfriemeln. Deshalb lag der Antrag eineinhalb Jahre. Also haben wir gesagt, dass wir eine Werbewatchgroup

einrichten möchten, nicht, um die Menschen zu bevormunden. Sie gehen doch heute Abend nicht nach Hause, und Ihre Frau sagt: „Na, wie war es?“ Sie antworten: „Das war super. Wir haben uns total dafür eingesetzt, dass du und die Kinder weiterhin sexistische, diskriminierende und frauenfeindliche Werbung hier um die Ecke zu sehen bekommen. Das ist eine großartige Sache.“ Ihre Frau wird sagen: „Schatz, das hast du gut gemacht.“

[Beifall von Dr. Turgut Altug (GRÜNE) und Simon Kowalewski (PIRATEN)]

Ich gehöre übrigens nicht zur Fraktion der Grünen in Friedrichshain-Kreuzberg. Ich bin Neuköllnerin, wie Sie sehr wohl wissen. Es geht hier darum, etwas zu bekämpfen, was sowieso verboten ist, aber leider immer wieder in der öffentlichen Wahrnehmung auftaucht. Das hat Ihnen Frau Dr. Czyborra auch schon gesagt. Es geht auch um die Kinder, die das sehen. Die FriedrichshainKreuzberger haben einen Einwohner-Antrag bearbeitet. Die Einwohner wollten die Werbung ganz verbieten. Das finde ich wirklich übertrieben. 51 von 55 von Abgeordneten in der BVV haben dem zugestimmt. Wo ist das talibanesk? Außerdem gibt es, so glaube ich, in Nordkorea keine Taliban. Es ist wirklich schlimm, was Sie sich teilweise leisten. Sie werfen Sachen in einen Topf, die dort nicht hineingehören. Lassen Sie uns ganz ohne Schaum vor dem Mund darüber reden, was das genau ist! Nehmen Sie nicht den Vorschlag vom Wächterrat, der heute in der „BZ“ verbreitet wurde, auf. Eine Uhr kann beispielsweise auch so etwas machen. Ein Bild von einer Armbanduhr von IWC. Sie ist fast so schön wie eine Frau, tickt aber richtig. Das finden Sie witzig? Das finden Sie gut? Ich finde das überhaupt nicht witzig. Warum finde ich das nicht witzig? – Ich finde es nicht witzig, weil ich eine Frau bin. Es war eine Männerarmbanduhr, für die geworben wurde. So etwas möchte ich einfach hinterfragen.

Weil Sie das ganz anders bewerten als ich, sollten wir uns den Gefallen tun, und ein ebenso zusammengesetztes Gremium einberufen, um genau diese Streitfälle zu schlichten. Es ist doch nicht schlimm. Kommen Sie doch mit uns ins Jahr 2014! Das wird schon. – Ich danke Ihnen!

Danke schön! – Und Kollege Goiny repliziert. – Bitte sehr!

Frau Kollegin! Ich rede hier ganz entspannt und ohne Schaum vor dem Mund. Die von Ihnen hier eingeforderte Toleranz würde ich gern einmal bei dem Einen oder Anderen im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg sehen, wenn es darum geht, Andersdenkende zu Wort kommen zu lassen.

[Beifall bei der CDU – Anja Kofbinger (GRÜNE): Taliban? Nordkorea?]

Sie führen hier eine sehr schräge Debatte. Im Übrigen ist mein Freiheitsverständnis so, dass jemand auch etwas sagen, malen, schreiben und sonst wie in Szene setzen kann, ohne dass ich das gut oder witzig finden muss. Aber er darf das. Ich brauche dafür nicht gleich ein Gremium, das dieses kontrolliert oder verbietet, weil es mir nicht gefällt. An der Stelle haben Sie einen ganz merkwürdigen Freiheitsbegriff. Den teilen wir ausdrücklich nicht.

[Beifall bei der CDU]

Danke schön! – Kollege Kowalewski hat jetzt das Wort für die Piratenfraktion. – Bitte schön!

Der Antrag zum Frauenkampftag: Wir erleben auch da gerade in der Werbung, dass dieser eigentlich als Empowermenttag gedacht Tag von der Werbewirtschaft zu einer Art zweitem Muttertag herunter sandgestrahlt wird, wo sich die Frauen Blumen schenken lassen und sich zu so richtig günstigen Preisen einmal so richtig schön verwöhnen lassen können. Das funktioniert auch nicht so ganz gut.