Ich eröffne die erste Lesung. Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Es wird die Überweisung des Gesetzesantrags an den Ausschuss für Wissenschaft empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.
Stellungnahme der Fraktionen bei Volksentscheiden (Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid)
Ich eröffne die erste Lesung. Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Es wird die Überweisung des Gesetzesantrags federführend an den Rechtsausschuss und mitberatend an den Innenausschuss empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.
Der Tagesordnungspunkt 8 war Priorität der Piraten unter Nr. 3.3. Tagesordnungspunkt 9 steht auf der Konsensliste. Tagesordnungspunkt 10 war Priorität der Fraktion Die Linke unter Nr. 3.2. Die Tagesordnungspunkte 11 bis 15 stehen auf der Konsensliste.
Fahrpreiserhöhungen für BVG und S-Bahn ablehnen – nachhaltiges Entschuldungs- und Finanzierungskonzept für BVG vereinbaren
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bauen, Wohnen und Verkehr vom 22. Januar 2014 und Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 19. Februar 2014 Drucksache 17/1478
Es beginnt die antragstellende Fraktion. Der Kollege Gelbhaar, dem ich das Wort erteile, steht bereits da. – Bitte schön!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Senator Müller! Mit Fahrpreiserhöhungen wie der im letzten Jahr hängen Sie immer mehr Berlinerinnen und Berliner vom ÖPNV ab. Ich weiß nicht, ob Sie wie ich beispielsweise auch das Schreiben der Großmutter aus Treptow erhalten haben, die sich die Fahrt zu ihren Enkeln nicht mehr leisten kann. Das kann nicht Ziel eines SPD-geführten Senats sein.
Wenn Personen mit geringem Einkommen auf den ÖPNV verzichten müssen, dann ist das unsozial. Es muss doch darum gehen, Mobilität für alle zu ermöglichen, und das heißt, die Preise müssen nicht hoch, sondern sie müssen runter.
Der Senat will die Fahrpreise künftig aber am liebsten jährlich und automatisch erhöhen. Darum geht es heute. Dafür gibt es jetzt wilde Vorschläge, wie das gehen könnte. Da stellt z. B. der Finanzsenator Nußbaum in einem Interview einen Index in den Raum, wonach Preiserhöhungen in Mainz oder in Braunschweig zu Preiserhöhungen in Berlin führen sollen. Das kann man nicht anders bezeichnen als sachfremd, vollkommen sachfremd. Das wirkt wie eine Preisabsprache zwischen den Verkehrsunternehmen, und das ist ganz klar der falsche Weg.
Dann wird erörtert, ob nicht die Inflationsrate als Grundlage für jährliche Preissteigerungen taugen kann. Was aber hat z. B. die Steigerung der Wohn- oder der Lebensmittelkosten oder von Klavieren – auch die sind im Inflationsratenindex – mit den Fahrpreisen zu tun? – Nichts! Deswegen basteln Sie jetzt an eigenen Indizes. Eine Kumulation aus Energiepreisen und Tariferhöhungen steht da im Raum. Aber auch das ist, mit Verlaub, fragwürdig, denn die Energiepreise sind z. B. über zum Teil sehr langfristige Lieferverträge gesichert, und Tariferhöhungen sind auch schwerlich indizierbar. Wir werden deshalb solche Initiativen des Senats nicht einfach so hinnehmen und jedenfalls überprüfen lassen.
Herr Senator Müller! Ich verstehe, dass Sie lieber der weiße Ritter sein wollen. Anstatt Preiserhöhungen genehmigen zu müssen, wollen Sie diese idealerweise in Wahljahren aussetzen. Aber die Fahrpreise folgen politischen Vorgaben. Deswegen: Verstecken Sie sich nicht hinter Automatismen! Wir erhöhen hier im Hause auch nicht jährlich automatisch den ÖPNV-Haushaltsansatz, sondern erörtern ihn intensiv in den Haushaltsberatungen.
Und, Herr Müller, auch Sie wissen: wir sind an der Schmerzgrenze bei den Fahrpreisen angelangt. Viele sagen, sie ist schon überschritten. Ich sage ganz klar: Ein ÖPNV nur für Gutverdiener ist mit uns nicht machbar.
Wo wir uns einig sind: Die BVG muss finanziell auf sichere Füße gestellt werden. Da setzen wir auf einen effektiveren Betrieb beim ÖPNV. Steigende Fahrgastzahlen ist da das Stichwort, die erhöhen die Wirtschaftlichkeit. Mehr Kunden durch schnellere Verbindungen und mehr Zuverlässigkeit, das ist das richtige Ziel. Und das Zauberwort dazu ist Beschleunigung. Aber Sie, Herr Senator Müller, lassen die Verkehrslenkung Berlin weiter auf unserer aller Nase herumtanzen, weiter den ÖPNV ausbremsen. Ich nenne mal einige Beispiele, einige von vielen. Nehmen wir den Bus M41 oder die Straßenbahnlinie M4 oder auch die M10, Höhe Schönhauser Allee. Diese Linien könnten Sie allesamt beschleunigen und zum Erfolgsmodell machen, und das ist übrigens auch Ihre Aufgabe.
Die Koalition blockt hier ab, leider, die vielen konstruktiven Vorschläge aus dem Parlament, aber nicht nur. Genauso gut kommen viele Vorschläge aus der Stadtgesellschaft. Ich schlage Ihnen vor, Herr Senator Müller, Sie schauen sich die Vorschläge noch einmal an, im Interesse der Berlinerinnen und Berliner. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Kollege Gelbhaar! – Für die Fraktion der SPD hat der Kollege Kreins das Wort. – Bitte sehr!
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Hochgeschätzter Kollege Gelbhaar! Wir halten erst einmal fest, dass Berlin ein sehr gutes öffentliches Personennahverkehrssystem hat, ein ziemlich großes Netz – ob im Vergleich zu Braunschweig oder Düsseldorf –, enge Takte, ein großes Maß an Barrierefreiheit und nachts eine gute Erreichbarkeit. Das gibt es nicht überall. Als Nutzer kann ich das bestätigen.
Zwei Drittel der Leistungen des städtischen ÖPNV werden von der BVG erbracht. Das Angebot, das den Berlinerinnen und Berlinern täglich zur Verfügung steht, sucht in Europa seinesgleichen.
Da das aber nicht vom Himmel fällt, sondern finanziert werden muss, gibt es zwei große Stellschrauben. Die eine, ganz kleine liegt bei den individuellen Fahrpreisen und die andere beim Landeszuschuss. Das ist zumindest das, was als Einnahmen für die BVG gesehen werden kann. Die Fahrpreise sind in der Tat das letzte Mal um 2,8 Prozent erhöht worden, aber in Rhein-Ruhr waren es 3,9, in München 3,7, in Stuttgart 2,9 und in Freiburg 5 Prozent. Darunter sind auch ein paar grüne Bürgermeister.
Die tatsächliche Frage ist, ob wir mit diesen Fahrpreiserhöhungen Leute ausschließen. Ich schaue mir die Zahlen an: Im Jahr 2012 hatten wir 12 000 neue Abokunden bei der BVG. Das hat sich im letzten Jahr fortgesetzt. Wir haben also trotz Fahrpreiserhöhung mehr Kunden. Gleichzeitig wollen wir, dass das Sozial- und das Seniorenticket stabil bleiben. Wir wollen, dass schwerbehinderte Menschen weiterhin den ÖPNV kostenlos nutzen können. Das, was Sie hier sagen – wir würden den ÖPNV teurer machen und damit Fahrgäste vergraulen und es gäbe kaum Mehrwert –, kann ich nicht nachvollziehen.
Ich möchte auch noch einmal daran erinnern, dass der eigentliche Vorschlag war, die BVG zu entschulden. Die Frage einer indizierten Fahrpreisanpassung, die ich auch sehr kritisch sehe – Sie haben die Argumente genannt: Wir haben in Berlin aus gutem Grund so niedrige Fahrpreise, weil die Einkommen auch nicht sehr hoch und nicht mit München und Hamburg vergleichbar sind. Deswegen halte ich es auch für richtig, das weiterhin politisch zu entscheiden. Den Vorwurf, es handele sich nur um wahlkampfbedingte politische Entscheidungen, lasse ich nicht gelten, denn es sind dauerhafte politische Entscheidungen. Die treffen manchmal mehr und manchmal weniger zu. Die Frage der Entschuldung der BVG ist damit aber noch nicht diskutiert. Sie hat zwar Effizienzgewinne, aber die sind für uns so etwas wie die eierlegende Wollmilchsau, denn sie müssen Barrierefreiheit sicherstellen, das Aufzugsprogramm bis 2020 mit 65 Millionen Euro finanzieren, neue Züge realisieren – wir wissen, wie teuer das ist – und mehr Sicherheit herstellen. All das und vielleicht noch ein bisschen mehr wäre wünschenswert. Wir haben das mit dem Zuschuss im Verkehrshaushalt finanziert. Den Zuschuss haben wir von 260 auf 290 Millionen Euro pro Jahr erhöht. Natürlich kann ich mir mehr vorstellen, aber Sie kennen auch die Landeshaushaltssituation. Deswegen funktioniert es nicht zu sagen: Wir wollen mehr Leistung, weniger Kosten für den Haushalt, niedrigere Tarife. – Man muss das mit Augenmaß machen. Das wollen wir weiter tun. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Kollege Kreins! – Für die Fraktion Die Linke hat jetzt Herr Harald Wolf das Wort. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, niemand bestreitet, dass wir ein hervorragendes System des öffentlichen Personennahverkehrs haben. Niemand bestreitet auch, dass wir – zumindest in Teilbereichen und auch bezüglich der Tarife – ein besseres Angebot haben als andere Großstädte. Es bestreitet aber auch niemand, dass wir in Berlin ein niedrigeres Einkommensniveau haben als in allen anderen Großstädten. Insofern ist das Thema Preisgestaltung besonders sensibel. Deshalb ist das auch in der Vergangenheit immer sehr sensibel gehandhabt worden. Trotz der nachvollziehbaren Begehrlichkeiten der BVG und des Verkehrsverbunds gab es in der Vergangenheit über mehrere Jahre hinweg keine Tariferhöhungen. Ich glaube, das war eine politisch richtige Entscheidung.
Ich lehne die Überlegung hinsichtlich einer Indexierung ab. Das ist der Versuch, die Entscheidung über die Fahrpreise aus dem politischen Raum herauszunehmen und so zu tun, als sei das eine objektive Entwicklung, die man nicht steuern und über die man nicht politisch entscheiden könne. Doch, man muss darüber politisch entscheiden. Kollege Kreins hat gesagt, es gibt zwei Stellschrauben. Ich sage, es gibt drei Stellschrauben zur Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs: Das sind die Fahrpreiseinnahmen, der Landeszuschuss und Effizienzsteigerungen im Unternehmen beziehungsweise – wie der Kollege Gelbhaar zu Recht angesprochen hat – die Frage, wie über Verkehrsbeschleunigungsmaßnahmen die Umlaufzeiten und damit die Kosten für das Unternehmen gesenkt und damit neue Spielräume geschaffen werden können. Alle drei Aspekte müssen politisch abgewogen und entschieden werden. Deswegen lehnen wir eine Indexierung ab, die so tut, als sei das ein objektiver Prozess.
Es ist notwendig, sich noch einmal ernsthafter mit diesen drei Stellschrauben auseinanderzusetzen. Das, was wir in den letzten Jahren mit zwei Fahrpreiserhöhungen pro Jahr erlebt haben, kann nicht der richtige Weg sein, denn es war die politische Entscheidung, das vor allen Dingen über die Fahrpreise voranzutreiben. Die Anpassung, die jetzt über den Verkehrsvertrag erfolgt ist, kommt viel zu spät und ist hinter dem zurückgeblieben, was bei der BVG an zusätzlichen Kosten entstanden ist.
Jetzt kann man darüber reden – ich halte das auch insbesondere im Hinblick auf die Zukunft für sinnvoll –, ob es sinnvoll ist, die BVG weiterhin mit einem Kostenblock von über 800 bis 900 Millionen Euro Schulden fahren zu
lassen, mit dem entsprechenden Zinsänderungsrisiko in der Vergangenheit oder ob man auf der Ebene des Landeszuschusses etwas tut. Wobei die Bundesregierung gegenwärtig alles dazu tut, dass wir eine deflationäre Entwicklung haben und die Zinsen weiterhin unten bleiben, aber man weiß nicht, wie lange das so ist. Es wird nicht in alle Ewigkeiten so sein. Diese Diskussion müssen wir konkret dann führen, wenn es ansteht, und zwar anhand einer objektiven Datengrundlage und der Abwägung zwischen diesen drei Stellschrauben. Wir müssen endlich zu einer objektiven Diskussion kommen. Deshalb sage ich nein zur Indexierung.
Eine letzte Bemerkung: Wenn Sie sagen, Herr Kreins, die Fahrgäste seien nicht abgeschreckt worden, da wir steigende Fahrgastzahlen hätten, dann ist das absolut richtig.
Natürlich haben wir diese Steigerung. Nichtdestotrotz gibt es in dieser Stadt immer noch Bevölkerungsschichten, für die jede Fahrpreiserhöhung eine erhebliche Einschränkung ihrer Mobilität bedeutet, weil sie nicht in den Genuss des Sozial- oder Seniorentickets kommen. Deshalb helfen uns diese Durchschnittszahlen, die natürlich mit einer erfolgreichen Politik der BVG, aber auch mit Bevölkerungs- und Touristenzuwachs zu tun haben, nicht. Wir dürfen diejenigen, die auch bei der bisherigen Tarifstruktur durch die Roste fallen, nicht vergessen.