Protocol of the Session on March 6, 2014

c) Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes und weiterer Gesetze

Dringliche Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, Jugend und Familie vom 27. Februar 2014 Drucksache 17/1499

zur Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 17/1382

Zweite Lesung

d) Bußgeldverbundene Teilnahmeverpflichtung an der Sprachstandsfeststellung (Änderung des Schulgesetzes)

Dringliche Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, Jugend und Familie vom 27. Februar 2014 Drucksache 17/1496

zum Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU Drucksache 17/1000

Zweite Lesung

Die Fraktion Die Linke hat zu Unterpunkt c die Überweisung der Gesetzesvorlage des Senats sowie der entsprechenden Beschlussempfehlung des Bildungsausschusses auf Drucksache 17/1499 an den Hauptausschuss beantragt. Gibt es dazu Widerspruch? – Das ist nicht zu erkennen, so dass die Überweisung beschlossen ist. Die Unterpunkte a, b und d werden für heute vertagt. – Auch dazu höre ich keinen Widerspruch.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4:

Gesetz zur Änderung des Justizverwaltungskostengesetzes und anderer Gesetze

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Verbraucherschutz, Geschäftsordnung vom 12. Februar 2014 Drucksache 17/1468

zur Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 17/1377

Zweite Lesung

Ich eröffne die zweite Lesung zur Gesetzesvorlage des Senats auf Drucksache 17/1377 und schlage vor, die Einzelberatung der vier Artikel miteinander zu verbinden. Auch dazu höre ich keinen Widerspruch. – Also rufe ich auf die Überschrift und die Einleitung so wie die Artikel I-IV der Drucksache 17/1377. Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Zur Gesetzesvorlage auf Drucksache 17/1377 empfiehlt der Rechtsausschuss einstimmig mit allen Fraktionen die Annahme. Wer der Gesetzesvorlage zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das dürften alle sein. Es geht hier gerade um eine Abstimmung. Ich sehe: einstimmig. Damit ist auch das Gesetz so beschlossen.

Ich rufe auf

(Katrin Lompscher)

lfd. Nr. 5:

Für eine Berliner Verfassung, die auf den Gebrauch des Begriffs „Rasse“ verzichtet (Dreizehntes Gesetz zur Änderung der Verfassung von Berlin)

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Piratenfraktion Drucksache 17/1481

Erste Lesung

Ich eröffne die erste Lesung. Ab jetzt stehen den Fraktionen für alle weiteren Beratungen die Kontingente der Gesamtredezeit nach § 64 Abs. 1 Satz 1 unserer Geschäftsordnung zu. In der Beratung beginnt die Piratenfraktion. Da ist mir Kollege Reinhardt als Redebeitrag gemeldet. – Bitte schön, Sie haben das Wort!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich spreche heute zu einer Verfassungsänderung. Allerdings geht es bei der Verfassungsänderung – ich beziehe mich auf Artikel 10 Abs. 2 – nicht um eine inhaltliche, tatsächliche, also juristisch bedeutsame Veränderung, sondern um eine symbolische Veränderung. Es geht um eine Veränderung symbolischer Natur.

Jetzt können Sie natürlich berechtigterweise die Frage stellen: Seit wann sind denn symbolische Gesten okay? Weil wir das ja ab und zu auch mal kritisieren. Uns geht es natürlich schon darum, wenn man symbolische Gesten vollzieht, dann muss das auch eine gute Begründung haben. Und die liefere ich Ihnen jetzt. Der Kollege Behrendt wird dann sozusagen den zweiten Teil nachliefern.

Der Begriff der Rasse findet sich an zahlreichen Stellen im deutschen Bundes- und Landesrecht, in Berlin an prominentester Stelle in Artikel 10 der Verfassung. Die Intention sollte, glaube ich, von allen in diesem Haus geteilt werden. Die Aussage ist: Niemand soll wegen seiner Rasse benachteiligt oder bevorzugt werden. – Aber der Begriff ist das Problem, nicht die Intention dahinter.

Der Begriff Rasse ist historisch seit jeher extrem belastet und hat unweigerlich rassistische Implikationen. Mit dem Begriff werden Vorstellungen von der Existenz verschiedener menschlicher Rassen perpetuiert. Der Begriff wurde benutzt, um Kategorien von Menschen zu bilden und zugleich der Rechtfertigung von Sklaverei und Kolonialpolitik zu dienen. Seit dem Ende des 17. Jahrhunderts wurde der Begriff Rasse schließlich so verwendet, dass mit ihm Kategorienbildungen von Menschen einhergingen. Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es zunehmend Veröffentlichungen, in denen auch das Judentum als Rasse bezeichnet und eingestuft wurde.

[Unruhe]

Ich muss mal einen Moment unterbrechen, Kollege Reinhardt! – Es ist Unruhe im Saal. Ich glaube, das Thema ist so wichtig, dass die Aufmerksamkeit hier dem Redner gegeben werden sollte. Ich bitte Sie herzlich: Wer Gespräche führen will, soll bitte hinausgehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie können uns natürlich gerne im Rechtsausschuss besuchen, wenn wir das dort diskutieren, aber wollen sicherlich die Debatte auch noch mal hier führen. Ich fahre fort: Die Bewertung des Judentums löste sich dabei von religiösen Begründungsansätzen und verlängerte sich zu einer sekularen Charakterologie, wobei Stereotypen der alten christlichen Judenfeindschaft übernommen und modern zugeschnitten und ergänzt wurden. Bei den Nationalsozialisten waren dann Rassenlehre und Antisemitismus untrennbar miteinander verknüpft. Dabei stellten sie den Rassenkampf ins Zentrum ihrer menschenverachtenden Ideologie.

Diesen heute lang überwundenen Begriff wollen wir streichen. Die bloße Streichung des Begriffs würde natürlich zu einer Schutzlücke führen, z. B. bei der Bekämpfung antisemitischer Diskriminierungen. Daher solle der Begriff Rasse durch die Formulierung „aus rassistischen Gründen“ ersetzt werden. Damit wird dann der Wechsel von einem angenommenen Fakt der Rasse hin zu einem Vorurteil deutlich betont.

Immer wieder, zuletzt vom Deutschen Institut für Menschenrechte, wurde darauf hingewiesen, dass die Verwendung des Begriffs Rasse das Konzept menschlicher Rassen akzeptabel und geduldet erscheinen lässt, und es kann dazu beitragen, rassistischem Denken Vorschub zu leisten. Rassismus lässt sich gerade nicht glaubwürdig bekämpfen, solange der Begriff Rasse beibehalten wird. Deswegen geht es uns darum, den Blick auf die Geisteshaltung der Täter und deren rassistische Motivation zu lenken, statt den Begriff selbst zu benutzen, der eben genau von diesen eingeführt wurde.

Dementsprechend ist auch die Entwicklung auf EU-Ebene zu begrüßen, wo das Europäische Parlament empfohlen hat, den Begriff in allen amtlichen Texten zu vermeiden so wie in anderen Mitgliedsstaaten, etwa Finnland, Schweden, Österreich und seit Kurzem auch Frankreich, die den Begriff inzwischen aus der Gesetzgebung entfernt oder dies angekündigt haben. An immer mehr Stellen wird dem nachgekommen. Auch unser direkter Nachbar, das Land Brandenburg, hat es uns vorgemacht und seine Verfassung im letzten November 2013 einstimmig geändert.

Insofern denke ich, dass wir dort an vielen Stellen schon gesehen haben, dass es in der Sache unproblematisch ist. Natürlich sind wir uns bewusst, dass es unterschiedliche

(Vizepräsident Andreas Gram)

Wege gibt, zum Ziel zu kommen. Und darüber wollen wir auch gerne mit Ihnen diskutieren. Wir haben einen Weg vorgeschlagen, aber wir können uns im Ausschuss gerne noch darüber unterhalten, ob es auch andere Formulierungsmöglichkeiten gibt. Wichtig sind das Ersetzen und die Intention, nicht die genaue Formulierung, die wir jetzt vorgeschlagen haben. – Danke schön!

[Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Udo Wolf (LINKE)]

Danke, Kollege Reinhardt! – Für die Fraktion der SPD hat jetzt das Wort der Kollege Kohlmeier. – Bitte schön!

[Zuruf von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! So weit zur politischen Kultur der Grünen, wenn schon auf dem Weg zum Rednerpult rumgepöbelt wird, herzlichen Glückwunsch, Kollege Lux, ist ja Ihr Vorschlag, den Sie eingebracht haben.

Die SPD-Fraktion sagte bereits vorab, dass wir eine Offenheit für den Vorschlag haben, den vorliegenden Antrag zu diskutieren und den Begriff Rasse aus der Verfassung von Berlin zu streichen. Doch sollten wir die Diskussion darüber ordentlich führen. Das Hohe Haus hat die Verfassung erst vor wenigen Monaten geändert. Ich bin überzeugt, die Verfassung von Berlin sollte nicht so oft gewechselt werden wie die tägliche Kleidung. Jede Verfassungsänderung bedarf eines tief gehenden Diskurses. Das wird schon deshalb deutlich, weil der Verfassungsgeber uns die Zweidrittelmehrheit zur Beschlussfassung von Verfassungsänderungen auf den Weg gegeben hat.

Sie wollen den Begriff Rasse durch „aus rassistischen Gründen“ ersetzen. Ich halte das juristisch und verfassungsrechtlich zumindest für diskussionswürdig, denn zum einen geht Artikel 10 Abs. 2 der Verfassung von Berlin in seinen ersten Wortbestandteilen ausschließlich von normativen Substantiierungen aus. Da passt die Begrifflichkeit mit dem Adjektiv schon vom Wortsinn her nicht. Und ich sehe auch die Gefahr, dass die Begrifflichkeit „aus rassistischen Gründen“ einer Bewertung zugänglich ist. Wer oder welche Instanz legt eigentlich fest, was rassistische Gründe sind, wer definiert diese rassistischen Gründe?

[Fabio Reinhardt (PIRATEN): Und wer definiert die Rasse?]

„Im gängigen politischen Diskurs denken immer die anderen rassistisch“, so die „FAZ“ heute zutreffend. Rechtsprofessor Pestalozza hat uns meines Erachtens völlig zu Recht heute im „Neuen Deutschland“ auf den Weg gegeben, über die Begrifflichkeit und die Stellung

innerhalb der Verfassung von Berlin zu diskutieren. Pestalozza selbst macht ja deutlich, dass er die Verfassungsänderung sogar – ich zitiere – „ziemlich überflüssig“ findet.

Ich finde, die Diskussion ist im Rechts- und Verfassungsausschuss hervorragend aufgehoben. Ich schlage Ihnen vor, dass wir dort eine Expertenanhörung mit Wissenschaftlern, Rechtsprofessoren und Verfassungsexperten durchführen. Die Anhörung im brandenburgischen Landtag hat gezeigt, dass damit ein erheblicher Erkenntnisgewinn für die Abgeordneten verbunden ist. Im Rechtsausschuss sollten wir auch diskutieren, welche Begrifflichkeit hier möglicherweise passender ist. Unser Koalitionspartner – so war zu lesen – schlägt vor, den Begriff gänzlich zu streichen. Einige schlagen vor, den Begriff Rasse durch „Ethnie“ zu ersetzen. Hendrik Cremer vom Deutschen Institut für Menschenrechte schlägt vor, den Begriff „rassistische Benachteiligung“ zu verwenden.

Das Grundgesetz und acht andere Landesverfassungen nutzen den Begriff Rasse, in acht weiteren Landesverfassungen wird der Begriff nicht verwendet. Das Land Berlin ist mit seiner Verfassung und dem bisher verwendeten Begriff Rasse daher nicht besser oder schlechter als andere Bundesländer, und wir sind auch nicht menschenverachtend. Angesichts der wissenschaftlichen Diskussion werden wir jedoch ergebnisoffen diskutieren, ob der Begriff Rasse noch zeitgemäß ist. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU – Beifall von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Danke, Kollege Kohlmeier! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt der Kollege Dr. Behrendt das Wort. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Kohlmeier! Das hörte sich ja schon ganz gut an, dass Sie da gesprächsbereit sind. Vielleicht noch mal in Kurzform – Kollege Reinhardt hat ja schon darauf hingewiesen –, worum es uns geht: Wir wollen mit dieser Initiative das Wort Rasse aus der Berliner Landesverfassung streichen. Zur Erinnerung: Die Charité hat gestern Gebeine von Menschen an den Staat Nigeria zurückgegeben. Wir fragen uns: Warum waren die eigentlich hier? – Das ist Kern des Problems.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]