Protocol of the Session on February 20, 2014

Herr Höfinghoff, zu Ihrer Brüllerei: Ich kann leider nicht verstehen, was Sie sagen. Es ist vielleicht auch besser so.

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Sie können alles im Protokoll nachlesen!]

Es zeigt, dass Sie bei diesem Thema grundsätzlich cholerisch reagieren und in keiner Weise zu konstruktiven Diskussionen bereit sind. Wenn Sie sich hier darüber echauffieren, dass die Polizei geheime Festlegungen oder anderes vornimmt – bei jeder Verkehrskontrolle wird der Innenausschuss nicht vorher befragt, ob am morgigen Tag am Britzer Damm oder anderswo eine Verkehrskontrolle stattfinden darf –, kann ich nur feststellen, dass Probleme herbeigeredet werden, die in dieser Form gar nicht bestehen.

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Sie bestehen ja auf Papier! Das ist nicht so klar!]

Sie haben auch falsche Dinge behauptet und das Gesetz oder die Kommentare dazu gar nicht gelesen. Sie wissen, dass die Voraussetzungen für die Kontrollbefugnis durchaus nicht willkürlich sind, sondern dass bestimmte Dinge bestehen, die beachtet werden müssen. Es ist beispielsweise nicht einfach nur ausreichend, einen solchen Ort zu passieren. Sie müssen sich dort schon aufhalten.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Reinhardt?

Nein! – Sie müssen sich dort tatsächlich aufhalten. Das hat eine andere Qualität. Der gefährliche Ort muss aus eigenen Erkenntnissen als solcher identifiziert werden und nicht auf Zuruf oder Denunziation oder wegen eines schlechten Rufs.

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Sie meinen den kriminalitätsbelasteten Ort!]

Das muss festgelegt werden. Der Ort muss auch über einen gewissen Zeitraum eine Gefährlichkeit besitzen. Er kann diese Kriminalitätsbelastung wieder verlieren. Deshalb ist es unsinnig, diese Orte zu veröffentlichen, weil ein Ort, der vielleicht gestern zu dieser Liste, die dann vielleicht auch in Zeitungen veröffentlicht wird, aber nicht stimmen muss, gehört, es morgen nicht mehr sein kann. Aus dieser Stigmatisierungswirkung heraus wäre es unsinnig, diese Orte zu publizieren.

[Beifall von Frank Zimmermann (SPD)]

Aus diesem Grund halte ich auch den Vorschlag der Grünen für Unsinn. Im Übrigen hat auch Herr Lux seine eigenen Worte nicht ernst genommen, denn wenn er der Meinung ist, es gehörte alles abgeschafft und sei ein nicht zu rechtfertigender Eingriff in die Freiheit und fragwürdig, müsste es konsequenterweise auch abgeschafft werden, dass sie in die Öffentlichkeit getragen werden. Es ist weder Fisch noch Fleisch, was Sie dort fordern, ein Dahergerede und ein Aufspringen auf eine Initiative.

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Das ist doch noch gar nicht abgestimmt!]

Es gab sie schon in der Vergangenheit im Innenausschuss unter dem Vorgänger von Frank Henkel, der auch an dieser Praxis festgehalten hat. Damals hätten Sie das schon fordern können. Nein, es fällt Ihnen jetzt auf. Es ist völlig ohne Anlass. Das ist das Einzige, bei dem wir uns einig sind. Anlasslos ist diese Diskussion, die Sie hier fortführen. Wenn es der Wahrheitsfindung dient, beraten wir das auch noch einmal im Ausschuss. Meinetwegen hätten wir das auch gleich abstimmen können. Es wird keine Mehrheit finden. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Herr Dr. Juhnke! – Das Wort zu einer Zwischenbemerkung hat abermals der Herr Abgeordnete Lauer. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Juhnke! Dadurch, dass Sie und Ihr Kollege von der SPD immer wieder gebetsmühlenartig wiederholen und behaupten, dass es hier bei den Gefahrengebieten in Berlin um etwas anderes ginge als in

(Dr. Robbin Juhnke)

Hamburg, wird diese Behauptung nicht wahrer und auch nicht besser. Wir haben den § 21 im ASOG, der regelt, wie diese Gefahrengebiete festgelegt werden. Es steht auch nirgendwo, wie groß oder klein der Ort ist. Bonn ist auch ein Ort oder ist eine Stadt. Nur weil die Polizei in Berlin das so macht, bedeutet das nicht, dass Sie es nicht auch anders machen könnten. Es ist Quatsch, was Sie erzählen.

Wir haben im ASOG den § 34 – Durchsuchung von Personen –. Dieser bezieht sich auf die Gefahrengebiete. Dort steht ganz klar „von Personen“ und bezieht sich auf diese Gefahrengebiete. Es steht klar geschrieben, dass es Polizistinnen und Polizisten obliegt, wenn Sie sich in einem solchen Gefahrengebiet aufhalten. Wir wissen von der CDU, dass sie die Polizei nicht überwachen wollen. Sie fordern für die Bürgerinnen und Bürger eine Vorratsdatenspeicherung. Äußern Sie sich doch einmal zu einer Vorratsdatenspeicherung und Überwachung der Sicherheitskräfte! Wer nichts zu verbergen hat, hat nichts zu befürchten. Dieser § 34 bezieht sich auf § 21 und ermöglicht den Kollegen vor Ort, Durchsuchungen durchzuführen. Auch der § 35 ASOG ermöglicht den Kolleginnen und Kollegen vor Ort, Sachen zu untersuchen bis zu dem Moment, wo sie anlasslos, weil sie nichts getan haben, weil sie sich zur falschen Zeit am falschen Ort aufgehalten haben, von der Polizei zur Identitätsfeststellung mit auf die Wache gebracht werden.

Dazu sagen Sie, es sei alles tutti. Die Polizei sagte uns im Innenausschuss, es sei ein effizientes Mittel. Das sagen sie uns aber bei allem. Sie hat uns aber nichts vorgelegt, was uns als Abgeordnete davon überzeugen könnte.

[Beifall von Fabio Reinhardt (PIRATEN)]

Meine subjektive Wahrnehmung war, dass die Polizei in Berlin nach dem Motto handelt, es wird irgendwo ein Gefahrengebiet errichtet, weil es dann bequemer ist, die Leute über § 21 ASOG zu durchsuchen und ihre Identität festzustellen, als den ganzen Papierkram zu machen, jedes Mal bei jeder einzelnen Person begründen zu müssen, warum man das jetzt gemacht hat. Es ist auch viel Papierkram. Ich finde es bemerkenswert, wie Sie sich hier jedes Mal bei diesen Themen hinstellen, verharmlosen und Sicherheitsesoterik verteidigen. Das geht nicht. Wie Ihre Partei auf der einen Seite sauer darüber sein kann, dass das Telefon der Kanzlerin abgehört wird und sie sagen, dass man das unter Freunden nicht tut und es hätten Sicherheitsbehörden ihre Befugnisse missbraucht, und auf der anderen Seite dies im Kleinen in Berlin handhaben und ganz in Ordnung finden, erschließt sich mir nicht.

[Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Carsten Schatz (LINKE)]

Vielen Dank, Herr Lauer! – Möchten Sie antworten, Herr Dr. Juhnke? – Bitte sehr!

Es ist schön, dass Sie das Gesetz gelesen haben, Herr Lauer. Ich würde Ihnen aber auch empfehlen, dass Sie sich einmal tiefer mit der Materie befassen, beispielsweise auch einmal einen Kommentar zum Gesetz lesen. Dann könnten Sie viele interessante Dinge über die Frage lernen, wie ein Recht anzuwenden ist. Sie werden übrigens auch, von erfahrenen Polizeipraktikern geschrieben, diese Einschränkungen nachlesen können, dass man beispielsweise nur dann jemanden überprüfen kann, wenn er sich dort aufhält. Das ist ein Unterschied zum Durchschreiten. Das können Sie darin lesen. Sie können auch lesen, dass das Gefahrengebiet nicht in extenso auf den inneren S-Bahnring ausgeweitet werden könnte. Das steht alles darin. Sie würden viel sachlicher über diese Dinge reden können. Wenn Sie allerdings bestimmten könnten, was die Polizei darf und nicht tun darf, hätten wir in der Tat eine Situation, in der wir nur hoffen, dass uns Esoterik bei der Sicherheit weiterhilft, denn dann wäre keine Sicherheit mehr zu erreichen, weil die Polizei keine Befugnisse mehr hätte, in irgendeiner Art und Weise einzugreifen. Das ist das, was Sie immer wieder verbreiten. Deshalb ist es schon albern, wenn Sie sich hier hinstellen und das als Sicherheitsesoterik diskreditieren.

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Dr. Juhnke! – Für die Linksfraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Taş. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde mich bemühen, mich gründlicher mit der Materie zu beschäftigen. § 21 Abs. 2 des Allgemeinen Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Berlin – ASOG – verleiht der Polizei das Recht, an bestimmten Orten ohne Vorliegen einer konkreten Gefahr die Identität einer Person festzustellen und sie zu durchsuchen. In Einzelfällen ist sie sogar bevollmächtigt, sie mit auf eine Dienststelle zu nehmen. Ich wiederhole: ohne eine konkrete Gefahr, ohne konkrete Anhaltspunkte. Wollte die Polizei eine Wohnung durchsuchen, bräuchte sie eine richterliche Verfügung. Aber laut ASOG entscheidet sie – und nur sie allein – darüber, wer wann und wo anlasslos kontrolliert werden darf. Auf der Grundlage dieses Paragrafen wird die Polizei zur Einrichtung sogenannter kriminalitätsbelasteter Orte ermächtigt.

Was ist so ein gefährlicher Ort? – Laut ASOG ein Ort, an dem Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dort

(Christopher Lauer)

Straftaten von erheblicher Bedeutung stattfinden könnten – Bertolt Brecht würde sagen, eine Bank.

Was ist eine Straftat von erheblicher Bedeutung? – Nach § 17 ASOG alle Verbrechen und alle weiteren in § 100a Abs. 1 StPO angeführten Straftaten. Das ist geradezu ein Ritt quer durch das Strafgesetzbuch. Ausreichend kann beispielsweise auch die Bestechung von Abgeordneten sein – § 100a Abs. 2 Nr. 1b StPO. Ist dann etwa auch das Abgeordnetenhaus ein gefährlicher Ort, weil man dort vermehrt Abgeordnete antrifft?

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Sie sehen, diese Vorschrift ist uferlos. Hier wäre die Transparenz vonnöten, die Herr Innensenator Henkel verweigert.

Eine exekutive Gewalt, die sich bei ihrem Handeln jeglicher parlamentarischer und gerichtlicher Kontrolle entzieht, ist rechtsstaatlich mehr als nur bedenklich. Ziel der Geheimhaltung – so die offiziellen Verlautbarungen – solle sein, dass polizeiliche Maßnahmen nicht unterlaufen werden können. Außerdem wolle man Geschäftsleute und Anwohner in den entsprechenden Gegenden nicht stigmatisieren. Wir kennen aber die räumliche Verteilung von Kriminalität aus dem Kriminalitätsatlas, den die Polizei herausgibt. Nur die kriminalitätsbelasteten Orte kennen wir nicht. Wie passt das zusammen? Und sind dies tatsächlich geeignete Mittel zur Kriminalitätsbekämpfung? – Allein durch lageabhängige Kontrollen werden die Ursachen von krimineller Energie nicht behoben.

Laut den Aussagen des Polizeipräsidenten, Herrn Kandt, habe es aufgrund der Erfolge der Polizei gegen die Kriminalität bereits Orte gegeben, die wieder von der Liste der kriminalitätsbelasteten Orte genommen worden seien. Welche wissenschaftlichen Untersuchungen liegen hier vor? Wie können wir das nachvollziehen? Ohne Transparenz können Sie uns alles erzählen!

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Lux?

Nein, ich möchte meinen Vortrag gern zu Ende bringen.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Aber am Ende, oder?]

Du kannst mir die Frage nachher stellen, wir haben bereits überzogen.

Ferner bezogen sich die Maßnahmen eher auf einen Personenkreis mit typischem Täterverhalten, wie zum Beispiel dem Herumlungern vor U-Bahneingängen, und nicht auf normale Bürger. Kann es ausreichend sein, sich völlig auf polizeiliches Alltagswissen zu verlassen? – Es drängt sich auf, worum es sich handelt: Racial Profiling,

wozu sich der Polizeipräsident mehrfach zweideutig geäußert hat. Natürlich ist Racial Profiling verboten, aber in der Praxis leisten ihm gerade solche unbestimmten und unkontrollierbaren Regelungen wie zu den kriminalitätsbelasteten Orten Vorschub. Denn hier kann die Polizei sich die Personen, die sie kontrolliert, quasi willkürlich aussuchen.

Eine Maßnahme mit dermaßen weitreichenden grundrechtlichen Auswirkungen darf nicht allein im Ermessen der Polizei liegen.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Ein Rechtsstaat zeichnet sich dadurch aus, dass er polizeiliche Ermächtigungen begrenzt und dort, wo er sie schafft, möglichst präzise ausgestaltet. § 21 Abs. 2 Nr. 1 ASOG in seiner jetzigen Fassung erfüllt diese rechtsstaatlichen Erfordernisse nach unserer Auffassung nicht. Der Antrag der Grünen geht deshalb in die richtige Richtung, aber aus unserer Sicht muss man weiter gehen und über die gesetzliche Grundlage diskutieren. Wir fordern daher, dass mindestens eine saubere juristische Rechtsgrundlage mit klaren Voraussetzungen, Transparenz und Begrenzungen wie Richter- oder Parlamentsvorbehalt geschaffen wird. Auch über die komplette Streichung der Regelung, wie die Piraten sie beantragen, sollten wir reden. – Ich freue mich auf die Beratung im Ausschuss. Danke!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Taş! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung beider Anträge an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung empfohlen. Gibt es hierzu Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir so.

Ich komme zur

lfd. Nr. 7:

Nachwahl einer Person zum ordentlichen Mitglied des Gnadenausschusses

Wahl Drucksache 17/0182