Protocol of the Session on January 30, 2014

Zweitens ist weder über die Stärkung der Minderheitenrechte noch über Bürgerbeteiligung nachgedacht worden. Wie von den Verfassungsgerichten mehrfach festgestellt, obliegt es in der Regel der parlamentarischen Minderheit, die Regierung zu kontrollieren, die ja von einer Mehrheit getragen wird. In einer Zeit, in der Bürgerinnen und Bürger immer mehr von Beteiligungsrechten Gebrauch machen, haben wir als gewählte Abgeordnete keine Überlegungen angestellt, wie Bürgerinnen und Bürger besser beteiligt werden können. Gerade die Änderungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hätten hier Verbesserungen insbesondere in der Ausschussarbeit, also der eigentlichen fachpolitischen Arbeit, gebracht. Es wurden Chancen vertan und Oppositionsrechte beschnitten. Deswegen kann ich die eingebrachten Geschäftsordnungsänderungen nur ablehnen. Die wenigen Vorzüge, wie der frühere Beginn und die engere Frist für die Beantwortung von Fragen, wiegen die Nachteile in keinster Weise auf.

Nun haben wir noch einen Antrag der Piratenfraktion Drucksache 17/0815 – er heißt wirklich so! –

[Heiterkeit]

Da empfiehlt der Rechtsausschuss einstimmig mit allen Fraktionen, den Antrag für erledigt zu erklären. Wer dieser Erledigungserklärung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist einstimmig. Gibt es Gegenstimmen? – Nein. Enthaltungen auch nicht. Damit ist das auch erledigt. Dann haben wir diesen Tagesordnungspunkt erledigt.

Ich komme zu

lfd. Nr. 5 B:

Gesetz über die Aus-, Fort- und Weiterbildung der Lehrerinnen und Lehrer im Land Berlin (Lehrkräftebildungsgesetz – LBiG)

Dringliche Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, Jugend und Familie vom 23. Januar 2014 und dringliche Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 29. Januar 2014 Drucksache 17/1429

zur Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 17/1219

Zweite Lesung

hierzu:

Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion Die Linke und der

(Vizepräsident Andreas Gram)

Piratenfraktion Drucksache 17/1219-1

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die zweite Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der 20 Paragrafen der Drucksache 17/1219 miteinander zu verbinden. – Dazu höre ich keinen Widerspruch. Ich rufe also die Überschrift, die Einleitung sowie die Paragrafen 1 bis 20 der Drucksache 17/1219 auf. Auch hier haben die Fraktionen wieder eine Redezeit von bis zu fünf Minuten. Es beginnt hier die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Meine Kollegin Schillhaneck hat das Wort, und das erteile ich ihr jetzt auch.

Vielen Dank! – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man sagt ja: Was lange währt, wird endlich gut. – Ich glaube, an dieser Stelle muss man sagen: Was lange währt, wird – na ja, schauen wir mal. Aber einen halben Schritt zurück! Wer die bildungspolitischen Debatten in diesem Haus oder auch in der Stadt aufmerksam verfolgt, wird feststellen: Unsere Schulen sollen für sehr viel da sein.

[Unruhe]

Meine Damen und Herren! Obwohl wir gerade die neue Geschäftsordnung beschlossen haben, haben wir heute noch die alte Geschäftsordnung. Das heißt: Bitte verhalten Sie sich so wie immer, und hören Sie der Rednerin zu!

[Heiterkeit]

Das ist mir neu, dass die neue Geschäftsordnung das anders regelt! – Wir erwarten sehr viel von den Lehrerinnen und Lehrern dieser Stadt und von allen anderen, die in der Schule tätig sind. Wir erwarten viel von den Schulen für unsere Kinder und die Jugendlichen in dieser Stadt. Das heißt: Wir sind auch in der Pflicht, die Lehrerinnen und Lehrer in die Lage zu versetzen, diese Aufgaben überhaupt zu erfüllen. Die Lehrkräftebildungsreform – ob Lehrkräfte oder Lehrerinnen und Lehrer genau dasselbe bedeuten, mögen bitte andere entscheiden; ich denke, das ist Wortklauberei – ist daher ein relevanter Schritt. Wenn man das Gesetz so anguckt – da steckt eine Menge drin.

Wir haben ja durchaus das eine oder andere an Veränderungen in den letzten Jahren gehabt: die Schulstrukturreform, die Inklusion, die Veränderung von Anforderungen an die Schule, was Heterogenität, Ausbildungsziele und Ähnliches angeht. Aber an einer Stelle muss man ganz

deutlich sagen: Liebe Koalition! Sie haben sich auf den schwierigen Weg gemacht, ein großes Werk zu vollbringen. Sie haben sich auf die Reise begeben. Das Problem, das Sie haben, ist, dass kurz vor der Ankunft an Ihrem Ziel ein Teil Ihrer Reisegruppe gesagt hat: Nö! Ab hier gehen wir nicht mehr weiter! – Dieser Zeitpunkt war ziemlich genau im Dezember 2012. Seitdem ist nicht viel passiert. Deshalb: Was lange währt, sogar viel länger, als es eigentlich hätte sein müssen, wird – naja, gucken wir mal.

Wie gesagt: Viel Gutes steckt da drin. Aber es gibt definitiv einen Grund – egal, was sie da sonst hineinschreiben – warum wir als die drei Oppositionsfraktionen gesagt haben, wir machen Ihnen gemeinsam einen Gegenentwurf, wir schreiben einen gemeinsamen Änderungsantrag – was wir, wie Sie wissen, auch nicht alle Tage tun –, um zu zeigen, wie es sein könnte. Das ist die Sache mit den zwei Masterstudiengängen. Das, liebe Koalition, geht so nicht!

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Wesentlicher Auslöser für diese Lehrkräftebildungsreform war die Schulstrukturreform, die wir in der letzten Legislaturperiode hier gemeinsam miteinander viel diskutiert und beschlossen haben. Einige Menschen haben da Kampfbegriffe wie „Einheitsschule“ oder Ähnliches eingebracht. Da würde ich persönlich sagen, das ist relativer Unfug. Aber wir haben uns gemeinsam in diesem Bundesland darauf verständigt, dass wir die Oberschule so organisieren wollen, dass es nur noch zwei Schultypen gibt, Gymnasium und ISS, die beide aber allen offen stehen und zum Abitur führen, und dass wir uns davon trennen, nach bildungspolitisch oder wie auch immer geleiteten Vorstellungen zu sortieren und die einen dahin und die anderen dorthin zu schicken.

Wir haben mittlerweile in beiden Schultypen – und das ist ein großer Erfolg – Schülerinnen und Schüler mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen, verschiedener Herkunft oder Muttersprache, und das ist gut so. Was Sie insbesondere von der CDU aber – und das hat sich besonders in den Begründungen in den Ausschüssen gezeigt – nicht verstanden haben, ist, dass Sie diese Auseinandersetzung schon in der letzten Legislaturperiode verloren haben.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Was Sie jetzt hier tun, ist schlicht und ergreifend, dass an dieser Stelle Ihr Koalitionspartner erpressbar ist, um die anderen Sachen umzusetzen, und Sie nehmen den Rest der Stadt für Ihre rückwärtsgewandten bildungspolitischen Vorstellungen in Geiselhaft.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

(Vizepräsident Andreas Gram)

Es wäre noch vieles zu sagen, das wir auch in unserem Änderungsantrag einbringen und wo wir feststellen, dass man das besser machen müsste. Zum Beispiel ist es unserer Meinung nach eine wichtige Forderung, die Studiengänge auch an den Vorschriften des § 22 des Berliner Hochschulgesetzes zu orientieren. Für die, die hier nicht ganz so sattelfest sind: Auch Lehramtsstudierende müssen die Möglichkeit haben, über das fachliche Studium hinauszublicken, also den klassischen Blick über den Tellerrand haben.

Wir wollen ebenfalls nicht, dass durch ein etwas überhandnehmendes Verordnungsunwesen in die Regelungskompetenzen der akademischen Selbstverwaltung eingegriffen wird. In zwei verschiedenen Ausschüssen wurde uns gesagt: Klar können wir die Verordnungsentwürfe der Debatte zufügen. – Passiert ist das leider nicht. Das finde ich, muss ich ehrlich sagen, nicht unbedingt sinnvoll. Es ist völlig klar: Eine Senatsverwaltung muss etliche Dinge per Verordnung regeln können. Wenn aber versucht wird, über den gesetzlichen Weg festzuschreiben, dass nicht die akademische Selbstverwaltung zum Beispiel wählbare Fachkombinationen festlegt, sondern die Senatsverwaltung das kraft ihrer Wassersuppe oder administrativer Herrlichkeit tun soll, dann geht das zu weit, liebe Koalition!

Auch diese Dinge haben wir in unserem Änderungsantrag aufgegriffen. Wir bieten Ihnen heute eine Alternative. Wenn Sie unseren Änderungsantrag übernehmen, ihm zustimmen und wir gemeinschaftlich dann hinterher das Gesetz beschließen, dann haben wir etwas Gutes. – Danke!

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Frau Kollegin Schillhaneck! – Für die Fraktion der SPD hat der Kollege Oberg das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Ich wünsche mir für meine Kinder eine gute Schule. Ich denke, da geht es mir wie allen Eltern in Berlin. Aber da ist auch die spannende Frage: Was ist das eigentlich, eine gute Schule? – Es gibt sehr, sehr viele verschiedene Antworten darauf, und sehr viele verschiedene Dinge werden in Berlin auch gemacht. Aber eine Antwort gilt immer: Eine gute Schule ist eine Schule, an der gute Lehrerinnen und Lehrer unterrichten. Ohne gute Lehrer helfen die schönsten Gebäude, die besten Rahmenlehrpläne und die intelligentesten Konzepte nichts. Auch wir hier wären bildungspolitisch völlig aufgeschmissen, wenn es keine guten Lehrerinnen und Lehrer gäbe. Denn irgendjemand

muss ja das, was wir uns hier Woche für Woche an klugen Dingen ausdenken, in die Wirklichkeit umsetzen.

Die Berlinerinnen und Berliner erwarten zu Recht – und da hat die Kollegin Schillhaneck völlig Recht – sehr viel von den Lehrerinnen und Lehrern: Sie sollen jedes Kind individuell fördern, es bilden, ihm eine echte Chance auf Bildung und Teilhabe geben, im besten Fall begeistern und in seiner Entwicklung begleiten. Lehrerin oder Lehrer zu sein ist ein schwieriger Beruf. Aber – und das ist noch viel wichtiger: Es ist ein gesellschaftlich ungeheuer wichtiger Beruf. Deshalb verdienen Lehrerinnen und Lehrer unsere Anerkennung, denn wer hart arbeitet und jeden Tag Verantwortung für die ihm anvertrauten jungen Menschen übernimmt, der verdient Respekt und Wertschätzung.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Das Lehrkräftebildungsgesetz, das wir heute abschließend beraten und dann auch beschließen werden, ist Ausdruck dieser Wertschätzung, weil wir damit die künftigen Generationen von Lehrerinnen und Lehrern in die Lage versetzen, all diesen Anforderungen gerecht zu werden. Das Gesetz bringt zahlreiche Neuerungen, ja, es bringt zahlreiche Verbesserungen: Der Praxisanteil im Studium wird deutlich ausgeweitet. Der Berufsvorbereitungsdienst wird auf 18 Monate vereinheitlicht. Alle Lehrerinnen und Lehrer werden eine Grundausbildung in Sonderpädagogik erhalten, um für die inklusive Schule fit zu sein.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Die Ausbildung der Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer wird endlich auf zehn Semester erweitert und auf die Schwerpunkte Deutsch und Mathematik konzentriert. Und die Schulstrukturreform wird nachvollzogen – es wird das gemeinsame Lehramt für Sekundarschule und Gymnasium geschaffen. Lehrerinnen und Lehrer dieses Lehramts werden künftig an beiden Schulen unterrichten. Beide Schulen führen zum Abitur – da ist ein gemeinsames Lehramt genau richtig.

Wir haben dieses Gesetz intensiv beraten. Wir haben Experten angehört, und wir haben auf sie gehört. Wir haben Änderungen am Gesetzentwurf des Senats vorgenommen, und es richtig, dass wir uns in der Koalition hart auseinandergesetzt haben. Wir haben uns gestritten und hart um einen Kompromiss gerungen. Für all das muss sich ein Parlament sicherlich nicht schämen. Es ist die Aufgabe, ja, es ist geradezu das Wesen der Demokratie und des Parlamentarismus, all das zu tun. Wo es Unterschiede gibt, müssen sie thematisiert werden. Dennoch muss der Versuch unternommen werden, einen Kompromiss zu finden. Das ist uns gelungen, indem wir dabei bleiben, dass es ein gemeinsames Lehramt gibt und eine Differenzierung in der Ausbildung dort, wo es sinnvoll ist. Dort, wo es nicht sinnvoll ist, wird es diese Differenzierung aber auch nicht geben. Die Limitierungen sind da relativ eng, sonst würde es mit dem einheitlichen Lehramt nicht klappen.

(Anja Schillhaneck)

Der Prozess war lang, ja, er war auch anstrengend. Es war auch sicherlich von außen nicht immer schön anzusehen, wie die Positionen aufeinandergeprallt sind. Ich glaube aber, es hat sich gelohnt. Es hat sich gelohnt für die Lehrerinnen und Lehrer, die wir in den kommenden Generationen fit machen werden für ihren Beruf. Es hat sich vor allem für die Schülerinnen und Schüler gelohnt, denen wir auch künftig gute Lehrerinnen und Lehrer in die Klassenzimmer bringen, die ihnen eine echte Chance auf Bildung und einen Aufstieg durch Bildung geben. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank, Kollege Oberg! – Für die Fraktion Die Linke erteile ich jetzt das Wort der Kollegin Kittler. – Bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach meiner Einschätzung ist die SPD bei dieser für Jahrzehnte wirkenden Chance, nicht nur die Ausbildung der Lehrkräfte, sondern als Folge eben auch das Bildungswesen zu revolutionieren, bildungspolitisch eingeknickt.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Reden Sie sich das doch nicht noch schön! Herr Özışık verstieg sich im Bildungsausschuss sogar dazu zu äußern, dass ja nun, Zitat, „alle glücklich sein können“. Traurig, dass Sie damit glücklich sind. Wir sind es nicht!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]