Protocol of the Session on December 12, 2013

Eine nicht zu stoppende Abwärtsspirale wird somit auf Dauer festgeschrieben.

Das ist der zweite Brandbrief, der letzte Woche gekommen ist. Ich denke, Sie haben den auch alle bekommen. Dass die Situation akut ist, beweist auch ein bisher einmaliges historisches Ereignis: Der Rat der Bürgermeister war sich parteiübergreifend und jenseits des üblichen Konkurrenzgerangels einig und hat im Mai den Vorschlag einstimmig befürwortet. So etwas hat es noch nie gegeben. Mehr Zustimmung kann man nicht erwarten.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Herrn Nußbaum war das egal. Frau Scheeres fühlt sich nicht zuständig. Ich finde aber, dass das Abgeordnetenhaus sich diesen Stimmen nicht verschließen darf, sondern sie ernst nehmen muss. Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Koalition! Sie haben es jetzt in der Hand. Erkennen Sie endlich den Wert der allgemeinen Kinder- und Jugendförderung! Begraben Sie die Jugendarbeit nicht! Die Einnahmesituation des Landes Berlin – das haben wir heute früh u. a. von Udo Wolf gehört – gibt reichlich Gestaltungsspielraum. Stimmen Sie bitte diesem Antrag zu!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank! – Für die Piratenfraktion Frau Kollegin Graf – bitte schön!

Sehr geehrtes Präsidium! Liebe Damen und Herren! Liebe Gäste! Die Regeln der konstruktiven Kritik besagen: Zuerst das Lob, dann die Kritik. – Yeah, wir bekommen eine Ombudsstelle für die Jugendhilfe in Berlin.

[Beifall von Björn Eggert (SPD)]

Und außerdem freut es mich, dass der Senat knapp 10 Millionen Euro gefunden hat, damit die Bezirke die Spielplätze in Berlin sanieren können.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Als interessant empfand ich es allerdings, dass der Senat auf meine Kleine Anfrage vom August zu diesem Thema diesbezüglich auf eine Frage antwortete:

Über diese Form der Sonderfinanzierung hinaus ist derzeit nicht beabsichtigt, auf gesamtstädtischer Ebene ein Spielplatzsanierungsprogramm aufzulegen.

[Lars Oberg (SPD): Sehen Sie mal, wie schnell wir lernen! Bildung!]

Hauptsache, es ist jetzt eines da. Es freut mich. Danke, Frau Scheeres, dass Sie hier ihre Meinung geändert haben. Damit wird aber auch der planerische Horizont Ihrer Regierung deutlich.

Als ein sehr präsentes Thema der Familienpolitik begleitete uns 2013 der Ausbau der Kindertagesbetreuung und der Rechtsanspruch auf Kitaplätze für Kinder ab einem Jahr. Nun können wir zurückblicken. Der Senat will bei Kindern von einem bis drei Jahren eine Betreuungsquote von ca. 70 Prozent und bei den Drei- bis Sechsjährigen eine Quote von 95 Prozent erreichen. Dafür braucht Berlin bis 2016 insgesamt 11 200 zusätzliche Kitaplätze gegenüber 2012. Geplant sind für 2014 nun 1 407 bis 1 837 neue Plätze und 2015 2 064 weitere. Steigt aber der Förderanteil des Landes bei den Investitionskosten, wie es z. B. bei Kitaneubauten der Grund sein könnte, um durchschnittlich 1 000 Euro pro Platz, was gar nicht so unwahrscheinlich ist, da wir bisher die bestehenden Kitas ausgebaut haben, würden 2014 1,6 Millionen Euro und 2015 2 Millionen Euro mehr benötigt, als der Senat im Haushalt veranschlagt hat.

Es ist hier schon absehbar, dass der Haushalt schöngeredet wurde und den ersten Kontakt mit der Realität nicht überstehen wird. Die Koalition hat dieses Problem in den Haushaltsberatungen völlig ignoriert und den Senatsentwurf einfach nicht weiter geändert. Dies zeugt ebenfalls nicht von Weitblick.

Eine ähnliche Rechnung wird auch aus den Plänen für den Ausbau der Familienzentren offensichtlich. Was ist mit den geforderten Familienzentren für jeden Bezirk, für jeden Kiez vor allem auch, was Sie, als Sie das Konzept vorgelegt haben, gefordert haben? Nun wird wieder auf Sparflamme gegangen. Immerhin konnten Sie sich auch hier erbarmen, 440 000 Euro für den Ausbau zu veranschlagen, damit zumindest die bisherigen Familienzentren unterstützt werden. Unsere Forderungen nach 4,8 Millionen Euro diesbezüglich ist davon allerdings sehr weit entfernt.

Es geht aber hier auch nicht nur um die Familien, die kämpfen müssen, sondern auch die Jugendlichen und die Jugendarbeit müssen immer weiter betteln. Der Landesschülerausschuss hat sich mehr Geld für die Vertretung aller 324 140 Schülerinnen und Schüler in Berlin gewünscht. Anstelle aber einen Angleich an andere Bundesländer für Fahrtkosten, Öffentlichkeitsarbeit und eigene Veranstaltungen vorzunehmen, halten Sie sich die dort engagierten Jugendlichen so klein wie möglich. Während die Schülervertretungen in Hamburg 20 000 Euro sowie in Bremen gar 79 500 Euro pro Jahr bekommen, bekommt der Landesschülerausschuss in Berlin – halten Sie sich fest! – 1 200 Euro. Das sind gerade mal 0,004 Cent pro Schüler. Das reicht für gar nichts. Haben Sie etwa Angst vor einer politisch interessierten Jugend? Zum Ende des Jahres haben wir schockierende Propaganda gegen Flüchtlinge in Marzahn-Hellersdorf erlebt. Um sich gegen Rechtsextremismus starkzumachen, benötigt es Bildung, eben auch politische Bildung. Die 100 000 Euro pro Bezirk, die wir für den erfolgreichen und stark nachgefragten Jugenddemokratiefonds beantragt haben,

(Katrin Möller)

sind ein Witz, wenn man sich überlegt, mit welchen Zahlen wir hier sonst um uns werfen.

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Aber auch hier leider keine Zustimmung im Ausschuss!

Zum Abschluss möchte ich noch eine für mich persönlich sehr erschreckende Situation aus den Haushaltsberatungen berichten. Der Berliner Jungs e. V. setzt sich für Jungen, die Opfer von sexueller Gewalt geworden sind, ein. Ein Antrag forderte eine geringe bessere Förderung des Vereins. Da die CDU dies nicht unterstützen wollte, ist aufgrund des Koalitionszwangs dieser Antrag gescheitert, obwohl die SPD ihm eigentlich zugestimmt hätte. Herr Saleh! Ist das das Selbstbewusstsein der SPDAbgeordneten, von dem Sie vorhin gesprochen haben?

[Beifall bei den PIRATEN und den GRÜNEN – Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Ja! – Zurufe von der SPD]

Das, Herr Saleh, ist ein Armutszeugnis für die Demokratie und für Ihre eigenen Überzeugungen.

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Vielen Dank! – Wir kommen zur dritten und letzten Rederunde. Für die SPD – Herr Kollege Oberg, bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Die Haushaltsberatungen im Bereich Wissenschaft kannten drei zentrale Herausforderungen: Erstens ging es darum, die Finanzierung der Hochschulen zu sichern, zweitens in die Sanierung der Hochschulgebäude einzusteigen und drittens die spezielle Form der Forschungsförderung durch die Einstein-Stiftung in Berlin zu sichern und zu erhalten.

Erstens – zur Finanzierung der Hochschulen: Die Berliner Hochschulen werden in den nächsten vier Jahren insgesamt 300 Millionen Euro zusätzlich erhalten. Im Jahr 2017 werden die Hochschulen des Landes 10 Prozent mehr Geld haben, als sie es heute haben. Das ist eine starke Leistung. Das ist sehr viel Geld. Und wenn dazu ein Unipräsident sagt, dass er damit leben könne, dann ist das – wenn man die Auseinandersetzung der letzten Jahre kennt – geradezu ein euphorisches Lob. Ich kann mich dem anschließen: Damit kann man gut leben.

Wenn nun kritisiert wird, wie das heute Morgen auch von Frau Pop gemacht wurde, dass ein nennenswerter Anteil dieser 300 Millionen, die in den nächsten Jahren zusätzlich an die Hochschulen fließen, vom Bund kommt, so finde ich das, gelinde gesagt, lächerlich, denn erstens ist es für die Hochschulen vollkommen egal, woher das Geld

stammt, entscheidend ist, dass es bei den Hochschulen ankommt, und das ist gesichert. Zweitens ist es ein reichlich merkwürdiges Verständnis, das man auch sonst nirgendwo vorfinden kann, dass man so tut, als ob Bundesgeld schlechteres Geld wäre als Landesgeld. In der Regel müsste es doch eigentlich so sein, dass ein Land stolz darauf ist, dass es ihm gelingt, besonders viel Geld aus den Bundestöpfen für sich zu nutzen.

Und ich glaube, wir können sehr stolz darauf sein, dass wir knapp 140 Millionen Euro über vier Jahre vom Bund für unsere Hochschulen nutzen können. Wir können auch deshalb stolz sein, weil das ja nicht von alleine kommt. Das Geld kommt deshalb nach Berlin, weil unsere Hochschulen ganz hervorragende Leistungen erbringen und weil der damalige Senator Zöllner für das Land Berlin ganz hervorragend verhandelt hat.

Zum zweiten Thema – zur Sanierung der Hochschulgebäude: Die Hochschulgebäude des Landes Berlin sind in einem erbarmungswürdigen Zustand. Viele Studierende machen sich tagtäglich Sorgen darüber, ob das, worin sie da lernen, dem angemessen ist, was sie da lernen und ob das etwas ist, was auch für die gesamte Zeit ihres Studiums baulich noch hält. Ich bedauere es sehr, dass es uns nicht gelungen ist, nennenswert in ein Sanierungsprogramm einzusteigen, mit dem wir diesen Sanierungsstau abbauen.

Ich erwarte, dass – wenn die Haushaltsspielräume, die wir momentan haben, so bleiben – es uns spätestens mit dem nächsten Doppelhaushalt gelingt, ein Hochschulsanierungsprogramm aufzulegen. Ich glaube, vom Schul- und Sportanlagensanierungsprogramm, das vor einigen Jahren aus genau dem gleichen Grund mit genau der gleichen Erkenntnis aufgelegt wurde, kann man da sehr viel lernen, schrittweise einzusteigen, diesen Zustand zu beseitigen und sicherzustellen, dass wir nicht nur gute Universitäten haben, sondern auch gute Hochschulgebäude.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Drittens – die Einstein-Stiftung: Der Beschluss des Senats zur Einstein-Stiftung war, was den Fortbestand der Einstein-Stiftung angeht, leider eine Katastrophe. 2,5 Millionen Euro pro Jahr hätten nicht ausgereicht, um die Stiftung handlungsfähig zu halten, und hätten ein wichtiges Instrument, das auch ein zentrales Argument bei der Exzellenzinitiative war, zusätzliches Geld für Berlin zu bekommen, kaputt gemacht. Mit 7 Millionen Euro in zwei Jahren zusätzlich halten wir die EinsteinStiftung am Leben. Es wird Einsparungen geben müssen, die Grundfunktionalität der Stiftung kann aber erhalten werden, und die Hochschulen und die Hochschullandschaft, die Wissenschaftslandschaft insgesamt wird weiter davon profitieren. Und Berlin zeigt, dass es zu seinem Wort steht, dass diese besondere Form der Forschungsförderung parallel zur Exzellenzinitiative weitergeführt werden wird.

(Susanne Graf)

Insgesamt kann man feststellen, dass wir zwei von drei großen Herausforderungen in diesem Haushalt gelöst haben. Ich glaube, damit kann man sehr zufrieden sein. Was die dritte Herausforderung, die Hochschulsanierung angeht, verspreche ich, dass wir hartnäckig dranbleiben. Das verspreche ich auch ganz persönlich. Ich bin mir sicher, einige werden das auch als Drohung empfinden. Aber ich glaube, es lohnt sich, dort zu kämpfen. Und ich bin froh und stolz darauf, dass diese Koalition weiter zu ihrem Wort steht, dass es einen besonderen Schwerpunkt im Bereich Wissenschaft gibt. Und so wird sich das sicherlich dann auch zur gegebenen Zeit im Bereich der Gebäudesanierung abbilden, damit auch weiter gilt: Berlin kann Wissenschaft. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank, Herr Kollege! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen jetzt Frau Kollegin Schillhaneck – bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Oberg! Irgendwer hat mal gesagt: Zwei von drei ist ja vielleicht nicht ganz schlecht. – Und so verstehe ich auch gerade Ihre durchaus von sehr selbstkritischen Worten durchzogene Rede. Danke für auch dieses Eingestehen, dass nicht alles so glorios geworden ist, wie die öffentliche Darstellung aus der zuständigen Senatsverwaltung uns das z. T. glaubhaft machen wollte.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Denn Haushaltsberatungen sind vielleicht der Punkt, an dem am besten die gesamte Realität einer Politik zum Vorschein tritt. Und die ist im Fall der Hochschulen, der Wissenschaftspolitik seit Jahren in Berlin eben dann doch nicht glorios.

Vieles, was wir in diesem Jahr erleben konnten, die harte Auseinandersetzung an der FU über die Rahmenstudienprüfungsordnung, die notwendige Neugründung einer studentischen Initiative gegen Wohnungsnot, die zweimal mit einem suspensiven Gruppenveto belegte Fakultätenreform an der HU, die Ihre finanziellen Zumutungen umsetzen soll, der ständige Streit um die bereits angesprochenen dringend notwendigen Baumaßnahmen und Sanierungen an den Hochschulen, das sind Ergebnisse Ihrer Wissenschaftspolitik, da überall massiv Geld fehlt. Sie sind diejenigen, die die Hochschulen hier seit Jahren außerdem in einen ruinösen Wettbewerb schicken. Sie definieren absurde Parameter für leistungsbezogene Mittelvergabe und wundern sich dann, wenn die Umsetzung an den Hochschulen Streit produziert.

Sie brüsten sich mit den Steigerungen für die Hochschulen, aber – und das ist das Problem, Herr Oberg, nicht,

dass das Bundesgeld ist; das Problem ist, dass Sie sich da schlicht und ergreifend mit fremden Federn schmücken. Die Mittel sind aus dem Hochschulpakt.

[Lars Oberg (SPD): Gar nicht wahr!]

Im nächsten Jahr werden 137 Millionen Euro für die Hochschulen aus Bundesmitteln kommen. Das ist gut.

[Lars Oberg (SPD): Das ist auch ein Erfolg!]

Aber was ist denn nach 2017, und was ist nach Auslaufen des Hochschulpakts? Ihre Haushaltsplanung für die Hochschulen ist unsolide an dieser Stelle und sorgt nicht vor. Das haben die Beratungen zu den Hochschulverträgen deutlich gezeigt. Zudem sind sie bewusst intransparent. Das Zahlenwerk, das zu den Hochschulverträgen gehört, ist bis jetzt offensichtlich immer noch nicht richtig öffentlich.

Spätestens mit den z. T. fast 20 Prozent danebenliegenden Studienplatzzahlen, mit denen Sie in den Haushaltsberatungen hantiert haben, wurde auch dem letzten Gutgläubigen an den Hochschulen die Augen geöffnet: Hier stimmt was nicht, irgendwas stimmt hier nicht. – Denn Sie, insbesondere von der SPD, weigern sich weiterhin, die realen Finanzbedarfe der Hochschulen, der Wissenschaft anzuerkennen und über die Hochschulverträge abzusichern. Frau Senatorin! Wenn Sie von 122 Millionen sprechen, die die Hochschulen mehr bekommen, dann verschweigen Sie bitte nicht, dass die Hochschulen Ihnen nachvollziehbar vorgerechnet haben, dass sie 147 Millionen zur Sicherung des Status quo brauchten! Das reicht nicht aus, was Sie denen da geben.