Protocol of the Session on November 7, 2013

Ein Beispiel: Wir haben 409 unbesetzte Stellen beim öffentlichen Gesundheitsdienst, und wir haben die Aussage der zuständigen Staatssekretärin, dass bei dieser Personalausstattung auch gesetzliche Pflichtaufgaben warten müssen. Diese Warnung ignorieren Sie einfach. Ob wir nun die Feuerwehr nehmen oder den Justizvollzug: Wenn Sie so weitermachen, wird das Land Berlin auch andere gesetzlichen Aufgaben nicht mehr erfüllen können.

[Beifall bei der LINKEN]

Man stelle sich einen Augenblick einen Probanden vor, der mit diesem Leistungsverweigerungsgesetz vor den Hauptausschuss treten würde. Die verbale Abreibung bliebe im Gedächtnis. Sie selbst von der Koalition können Ihre Pflichtaufgaben einfach aussitzen, aber die Beamtin oder der Beamte müssen ihre Arbeit trotzdem tun, und sie tun das gut und engagiert. Was müssen die Beschäftigten aber für ein Bild vom Senat und von der Koalition haben – von denen, die vieles versprechen und sich dann tot stellen, obwohl der Fachkräftemangel immer greifbarer wird und die finanzielle Situation der Stadt eine Verbesserung zuließe? Was müssen die Beschäftigten für ein Bild von Ihnen haben, wenn diese beiden entscheidenden Punkte in dieser Koalition zu nichts führen? – Die können es nicht, die wollen es nicht, oder die

(Martin Delius)

wertschätzen unsere Arbeit nicht. Das hört man immer öfter, und ich kann es auch verstehen.

Deshalb fordert unser Antrag, endlich mal einen Plan vorzulegen. Aber diesen Antrag lehnen Sie nach einem Jahr Debatte einfach ab, ohne etwas Eigenes anzubieten. So kommen Sie damit nicht durch, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Koalition!

[Beifall bei der LINKEN]

Wir werden nicht zusehen, wie Sie den öffentlichen Dienst an die Wand fahren, sondern wir werden Sie immer wieder mit Anträgen wie diesem zur Verantwortung ziehen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der LINKEN]

Vielen Dank, Herr Taş! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Zimmermann. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Perspektiven der Beamtinnen und Beamten im Land Berlin sind nicht erst heute, sondern waren auch in der Vergangenheit immer ein Thema bei uns und gerade auch in den Haushaltsberatungen. Dabei haben wir uns immer davon leiten lassen, unserer Gesamtverantwortung für alle Berlinerinnen und Berliner gerecht zu werden, und im Rahmen dieser Gesamtverantwortung sind auch Besoldungserhöhungen für Beamtinnen und Beamte zu beurteilen. Deshalb fällt es natürlich leicht, gerade als Opposition immer mehr zu fordern. Herr Taş! Aber ich erinnere auch an Ihre Regierungszeit – an unsere Regierungszeit –, und da waren wir gemeinsam der Auffassung, dass Berlin ein Haushaltsnotlageland ist. Das hat das Bundesverfassungsgericht zwar nicht anerkannt, aber wir hatten schwierige Zeiten und mussten auch dem öffentlichen Dienst viel abverlangen.

Heute sind wir zum Glück ein Stück weiter. Zum einen hat die Ausgabendisziplin über die Jahre ihre Früchte gezeigt, und zum anderen haben wir inzwischen eine deutlich verbesserte, spürbar bessere Einnahmesituation.

[Hakan Taş (LINKE): Eben!]

Deswegen gibt es durchaus Spielräume, aber nicht, wie Sie teilweise behaupten, um Hunderte von Millionen zu verteilen, sondern wir werden diese Spielräume nutzen, um insbesondere der Beamtenschaft des Landes eine Perspektive aufzuzeigen und auch konkret die Besoldung anzuheben. Wir haben das 2012 bereits um 2 Prozent getan und in diesem Jahr erneut um 2 Prozent. Wir haben im Haushaltsplan 2014/2015, der demnächst verabschiedet wird, für 2014 2,5 Prozent und für 2015 erneut 2,5 Prozent vorgesehen. Das macht in vier Jahren 9 Pro

zent. Das ist jetzt nicht wahnsinnig viel, aber es ist nicht so, wie Sie es darstellen, Herr Taş, dass wir den öffentlichen Dienst hängenlassen, nicht wertschätzen oder dass ähnliche Vokabeln angebracht wären. Vielmehr ist es eine deutliche Perspektive über mehrere Jahre hinweg.

Wir werden im Jahr 2016 feststellen, wie der Abstand zu den anderen Bundesländern dann ist, und in einem nächsten Schritt werden wir dann entscheiden, wie wir bis 2017 die Schere weiter und möglichst vollständig schließen.

[Hakan Taş (LINKE) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Taş?

Bitte schön, Herr Taş!

Bitte, Herr Kollege!

Herr Zimmermann, danke für die Aufklärung! – Sie zählen heute wieder einige Sachen auf, aber ist Ihnen bekannt, wie viel Personal bei der Berliner Feuerwehr noch gebraucht wird, was von der Feuerwehr selbst gefordert wird oder wie viel Personal bei der Polizei oder im Gesundheitswesen notwendig ist? – Ein Beispiel habe ich heute gebracht. Sind Ihnen diese Personallücken überhaupt bekannt, und was möchten Sie als Koalitionspartner bzw. als größere Koalitionspartei dafür tun, dass diese Mängel beseitigt werden können? Können Sie dazu etwas sagen?

Sehr gerne! Das ist auch schon weiter hinten im Text vorgesehen. Wir haben dazu auch schon etwas eingebracht, und das wissen Sie auch, Herr Taş. Ich komme auf das, was die einzelnen Bedarfe in diesen Bereichen betrifft, noch zu sprechen. Wir werden das würdigen, und wir werden auch dort etwas tun.

Ich will festhalten: Die Schere zu den anderen Bundesländern und zum Bundesdurchschnitt geht nicht auf. Die anderen galoppieren nicht davon, sondern im Gegenteil: Die Schere schließt sich, zwar langsam, aber sie schließt sich.

[Stefanie Remlinger (GRÜNE): Sie schließt sich nicht!]

(Hakan Taş)

Andere Bundesländer machen zurzeit z. B. überhaupt keine Anpassung – wie etwa Nordrhein-Westfalen: null – oder Rheinland-Pfalz: 1 Prozent, deutlich geringer als Berlin. Nordrhein-Westfalen macht z. B. jetzt das, was wir hinter uns haben. Der Vergleich zeigt also, dass wir uns annähern.

Es gibt auch noch andere Vergleichsgrößen, die herangezogen werden müssen, um ein Gesamtbild im Vergleich zwischen Berlin und den anderen Bundesländern herzustellen. Ich will mal die regelmäßige Wochenarbeitszeit für Beamtinnen und Beamte nennen: Bund 41 Stunden, Bayern 42 Stunden, Hessen 42 Stunden, NordrheinWestfalen 41 Stunden, Thüringen 42 Stunden und Berlin 40 Stunden. Das ist also ein deutlich besserer Zustand, was die Wochenarbeitszeit anbetrifft, als in anderen Bundesländern.

Ein zweites Beispiel sind die Regelaltersgrenzen für den Eintritt in die Pension: Bund 67 Jahre, BadenWürttemberg 67 Jahre, Bayern 67 Jahre, Hamburg 67 Jahre. Ich könnte das fortsetzen. Aber Berlin 65 Jahre! Das ist eine deutlich bessere Situation für die Berliner Beamtinnen und Beamten als woanders.

Herr Taş! Man muss all das zusammenziehen, um genau beurteilen zu können, wo wir stehen. Und wenn man das tut, sieht es doch nicht ganz so düster aus, wie Sie es hier teilweise ausmalen. Dennoch bedarf es für die Perspektive des öffentlichen Dienstes noch mehr: Das ist eine vernünftige Personalentwicklungsplanung. Der geplante Personalabbau endet 2016 bei 100 000 Vollzeitäquivalenten. Angesichts des altersbedingten Ausscheidens vieler Beschäftigter in den kommenden Jahren und angesichts der Personalengpässe in Teilen der öffentlichen Verwaltung und auch angesichts der wachsenden Bevölkerung in Berlin kann es jedoch – das ist meine feste Überzeugung – nicht richtig sein, dogmatisch an dieser Zahl festzuhalten.

Wir haben deswegen auch im Innenausschuss, Herr Taş, gezeigt, dass wir uns diesem Problem stellen. Dazu will ich nur einmal einen Satz aus dem Antrag nennen, den wir hoffentlich demnächst hier auch beraten werden:

Soweit sich aus der Entwicklung der wachsenden Metropole Berlin ein stellenmäßiger Mehrbedarf über die in dieser Wahlperiode festgelegte Zahl von 100 000 nach dem Jahr 2016 ergibt, legt der Senat diese Mehrbedarfe unverzüglich vor und arbeitet sie in sein Personalkonzept ein. Das betrifft insbesondere die Bereiche Polizei, Feuerwehr, Justizvollzug, Lehrer, die Steuerverwaltung und die Bereiche der direkten Bürgerservices auf der Ebene der Haupt- und Bezirksverwaltungen.

Sie müssen bitte zu einem Ende kommen, Herr Kollege!

Wir werden die Bedarfe anpassen. Wir werden darauf reagieren, was in diesen schwierigen Bereichen teilweise an Notwendigkeiten entsteht. Deswegen kann sich der öffentliche Dienst darauf verlassen, dass wir ihn bedarfsgerecht weiterentwickeln und uns auch bei der Besoldungsstruktur weiter an das Bundesniveau angleichen.

[Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Herr Kollege Zimmermann! – Für die Fraktion Bündnis Die Grünen hat jetzt die Kollegin Remlinger das Wort. – Bitte sehr!

Werter Herr Präsident! Werte Damen und Herren! Lieber Herr Zimmermann! Lieber Herr Taş! Ich schlage vor, wir sprechen tatsächlich über Besoldung. Wir sprechen über den Antrag: Eine Perspektive für Berliner Beamtinnen und Beamte. Ich frage Sie von der Koalition ganz ernsthaft: Wie kann man dagegen sein?

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Es ist völlig richtig, dass wir nicht das erste Mal darüber sprechen. Es ist auch richtig, dass der Antrag schon ein Jahr alt ist, aber er ist in seinem Timing nach wie vor genau richtig. Er ist richtig, weil wir jetzt in den Haushaltsberatungen stecken und weil wir nicht ein zweites Mal von Ihnen hören möchten, dass Sie dann, wenn das Besoldungsanpassungsgesetz tatsächlich von Ihnen vorgelegt wird, Sie die Diskussionen mit dem Hinweis abwürgen, mehr sei im Haushalt nicht eingestellt.

Also sprechen wir jetzt über Besoldungsniveaus und sprechen jetzt über einen Anpassungspfad. Es ist auch jetzt der richtige Zeitpunkt, weil in diesem Herbst, wenn Sie einen Herbst der Entscheidungen würden haben wollen, der dieses Namens auch würdig wäre, das Ruder der Personalpolitik tatsächlich herumgeworfen werden könnte. Sie könnten tatsächlich von diesen reinen Zielzahlen und dem personalabbaufixiertem Denken zu einem Nachdenken über einen aufgabengerechneten Nachwuchs kommen.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Sie dürfen dieses Thema nicht – ich hoffe, Sie wollten es gerade nicht tun – gegen die Besoldung ausspielen. Was wir brauchen, ist ein neuer Pakt für den öffentlichen Dienst. An der Stelle müssen wir beim Thema Besoldung sagen, dass Wertschätzung an die Beamtinnen und Beamten zu transportieren vor dem Hintergrund der Geschehnisse die Eintrittskarte ist, um in einen Dialog mit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu kommen. Insofern ist der Anpassungspfad ein ganz wichtiges Thema. Wenn Sie das ohne einen Änderungsantrag ablehnen oder

(Frank Zimmermann)

den Änderungsantrag vorlegen, der zugibt, dass das Datum 2017 nicht mehr zu schaffen ist, aber zusagt, es bis 2018 oder 2019 zu versuchen, können wir eine entsprechende Diskussion nicht führen. Wir haben nicht aufgeholt. Wir fahren einigermaßen parallel.

Sie holen mit Ihren 2,5 Prozent keinen Deut auf. Sie liegen im Bundesdurchschnitt der Tarifsteigerungen, die vielleicht nicht zum selben Zeitpunkt 1. August oder 1. März geplant sind. Sie liegen im Durchschnitt der Bundesländer der Besoldungen und nicht einmal das halbe Prozent darüber, wo Sie bei den Angestellten immer sagen, dass zusätzlich zu dem eigentlichen Tarifergebnis noch Zwischenschritte von einem halben Prozent benötigt werden, um aufholen zu können.

Aufholen ist das Thema. Das tun Sie nicht. Sie tun es nicht mit 2,5 Prozent. Sie weigern sich auch, den Weg und das Ziel zu beschreiben. Wenn Sie diesen Antrag der Linken heute ablehnen, der völlig richtig ist, bestätigen Sie, dass Sie das nicht wollen und damit eben sehr wohl unterschiedliche Gruppen sehr unterschiedlich behandeln. Das bringt Unfrieden. Das wissen Sie.

Ich habe es erwähnt: Es gibt ein sinnvolles Bekenntnis für die Tarifbeschäftigten mit einer Beschreibung des Pfades, wie das mit zwei Stellschrauben ablaufen kann. Ich finde auch, dass wir für uns selbst als Abgeordnete einen sehr intelligenten Fortschreibungsmechanismus haben in der Koppelung an den Verbraucherindex, festgestellt durch das Bundesamt für Statistik, veröffentlicht im Amtsblatt. Die einzige Gruppe, der Sie das verweigern, sind die Berliner Beamtinnen und Beamten. Das verstehe ich nicht. Das ist inakzeptabel. Das Mindeste, was Sie hier heute machen müssten und was ich auch von der CDU erwarte, ist, dass Sie nicht sagen: Ja, wir würden gern, aber ich kann es bei meinem Koalitionspartner nicht durchsetzen, sondern dass Sie wenigstens sagen, wann dann, wenn nicht 2017. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Danke, Frau Kollegin Remlinger! – Für die Fraktion der CDU erteile ich jetzt dem Kollegen Dr. Juhnke das Wort. – Bitte schön, Herr Kollege!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, wir sind zurzeit in einer sehr guten konjunkturellen Phase in Deutschland. Wir haben ein höheres Wachstum als der Euroraum. Wir haben eine stark exportierende Wirtschaft, weit besser als Japan oder die USA. Wir haben eine geringere Arbeitslosigkeit im Vergleich zu anderen europäischen Staaten. Wir haben eine drastisch geringere Rate bei der Jugendarbeitslosigkeit. Noch nie waren so viele Menschen in Deutschland

in Beschäftigung. Das ist übrigens nicht der Tatsache geschuldet, dass wir mehr reguliert oder die Steuern erhöht hätten, wie es die antragstellende Linkspartei in ihrem Programm immer wieder fordert. Es haben vielmehr sinnvolle Regulierungen und Reformen beim Arbeitsmarkt stattgefunden. Die Eurokrise wurde bisher erfolgreich bewältigt. In der Vergangenheit hat zudem eine maßvolle Lohnanpassung dazu geführt, dass Deutschland wettbewerbsfähig ist und unsere Wirtschaft exportieren kann.

Die Kehrseite dieser Entwicklung ist, dass es einen Kampf um gute Nachwuchskräfte gibt. Die Diskussion hatten wir gerade im Innenausschuss zum Thema Feuerwehr. Auch dort sind der Senat und die Feuerwehr proaktiv am Handeln. Es gibt ein Maßnahmepaket, wie man dem im Rahmen dessen, was möglich ist, begegnen kann. So ist es auch bei der qualitativen Personalentwicklung im Land Berlin. Auch hier haben wir gerade ein Maßnahmepaket im Innenausschuss verabschiedet. Es wird ein wichtiger Beitrag sein.