Vielen Dank, Frau Senatorin! – Wir kommen jetzt zur zweiten Rederunde. Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Wansner. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Taş! Herr Reinhardt! Sie tun hier immer so, wenn Sie diskutieren, als wüssten wir nicht, was Asylpolitik ist und was Flüchtlinge bedeuten. Möglicherweise haben Sie sich mit der Geschichte unseres Volkes nicht auseinandergesetzt, Herr Taş.
Meine Eltern wurden nach dem Zweiten Weltkrieg aus Breslau vertrieben, und ich habe in der Görlitzer Straße mit meinen Eltern gelebt. Ich weiß, was Armut ist, und ich weiß auch, welche Probleme vor Ort sind. Meine Eltern haben immer versucht und bis zu ihrem Lebens
ende die Hoffnung gehabt, dass sie einmal wieder nach Hause gehen können. Sie haben das leider nie erlebt. Ich habe Weihnachtsfeiern in meiner Kindheit erlebt, wo meine Eltern geweint und gesagt haben: Wir wollen doch eigentlich wieder nach Hause. Bloß, sie konnten nicht nach Hause.
Deshalb ist diese Diskussion über Flüchtlinge in dieser Stadt auch verlogen. Die Flüchtlinge am Oranienplatz wurden von dem Bezirksbürgermeister Schulz motiviert, diesen Platz zu besetzen. Man hat eins gemacht, man hat die Flüchtlinge in ihren politischen Ansichten gerade vor Ort brutal ausgenutzt. Wer sich mit dem Oranienplatz mal beschäftigt, welcher Dreck, dass die sanitären Einrichtungen eigentlich keine sanitären Einrichtungen waren, wer erlebt hat, wie Anwohner den Flüchtlingen helfen mussten, weil der Bezirk nicht im Ansatz bereit war, sich um die Menschen dort zu kümmern, der erkennt: Der Bezirk, liebe Frau Bayram, und der frühere Bezirksbürgermeister Schulz und auch Frau Herrmann haben die Flüchtlinge, die dort leben, mehr oder weniger für ihre politischen Forderungen brutal ausgenutzt. Sie haben nicht im Ansatz an die Flüchtlinge dort vor Ort gedacht, sondern sie haben mehr oder weniger versucht, ihre politischen Ansätze umzusetzen. Und wissen Sie, wenn man die Not von Menschen in einer derartigen Art und Weise ausnutzt, dann frage ich mich manchmal: Wie geht ein Bezirksamt mit der Verantwortung um?
Und ich kann mich erinnern, als der Bezirksbürgermeister Schulz dann sein Amt aufgegeben hat, wie ein Aufatmen durch den Bezirk ging.
Was dieser Bezirksbürgermeister auch mit den Menschen angerichtet hat, welche Wünsche er bei den Flüchtlingen geweckt hat, was er ihnen mehr oder weniger versprochen hat – nichts davon hat er eingehalten. Herr Schulz, das ist doch nichts Unbekanntes, wollte ein riesiges Diskussionsforum auf dem Oranienplatz einbringen.
Nein, es hat doch keinen Sinn. – Er wollte auf dem Oranienplatz ein Diskussionsforum einrichten, wo deutschlandweit die Diskussion über Asylanträge in Deutschland geführt wird. Dazu hat er Bundesminister und auch Euro
paabgeordnete eingeladen. Keiner ist gekommen. Deshalb lassen Sie uns doch fairer, auch anständiger mit den Flüchtlingsproblemen umgehen! Bloß, ich sage es Ihnen ganz deutlich: So, wie Sie es machen, machen Sie eins: Sie erwecken Hoffnungen, die Sie im Anschluss nicht erfüllen können. Und Sie benutzen die Flüchtlinge, die auch hier oben sind, um mehr oder weniger Ihre politischen Anforderungen umzusetzen. Deshalb ist das, was Sie hier vortragen, falsch. Und lassen Sie mich wirklich noch mal zur Integration in dieser Stadt sagen:
Zum Schluss noch mal: Ich schäme mich dafür, was das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg mit diesen Flüchtlingen am Oranienplatz angerichtet hat. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Lieber Herr Wansner! Ich möchte als Erstes diesen Vorwurf der Instrumentalisierung sehr deutlich zurückweisen, den Sie hier gemacht haben.
Ich finde ihn auch der Sachlage nicht angemessen. Wir alle wissen um die Probleme der Flüchtlinge, die hier oben sitzen, am Oranienplatz. Wir wissen um die bisherige Ausweglosigkeit ihrer Situation, und wir sind alle schon einen Schritt weiter miteinander. Das haben Sie vielleicht noch nicht mitbekommen, Herr Wansner.
Es gibt nämlich seit geraumer Zeit ernsthafte Bemühungen und konstruktive Gespräche zwischen dem Bezirk, der Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann, dem Sozialsenator Czaja und mit dem Innensenator Frank Henkel, die alle miteinander in einem guten Dialog sind. Aus diesen Gesprächen dringt meistens nichts nach außen, was immer ein gutes Zeichen ist, wie ich finde, wo man
sich ernsthaft damit auseinandersetzt, wie man dieses Problem verantwortlich im Sinne der Stadt Berlin miteinander gemeinsam löst. Ich glaube, das ist der Weg, den wir alle gemeinsam gehen sollten. Wir sollten hier nicht Dinge befördern und Öl in ein Feuer gießen, was schon lange nicht mehr besteht, sondern den konstruktiven Dialog, den der Senat mit dem Bezirk führt, unterstützen. Denn alle sollten wir uns wünschen, dass wir eine vernünftige Lösung hinbekommen in unserem Sinne und für die Flüchtlinge in dieser Stadt. Und das sollten wir nicht anders behandeln, sondern genauso, weil wir eine Verantwortung haben, alle miteinander, die von uns getragen werden muss. Und das finde ich sehr richtig.
Frau Pop! Möglicherweise waren Sie gestern nicht in der BVV Friedrichshain-Kreuzberg, wo Frau Herrmann in ihrer unbeschreibbaren Art und Weise dem Senat, dem Regierenden Bürgermeister, dem Innensenator und Herrn Czaja den Vorwurf machte, für die Verhältnisse am Oranienplatz und in der Schule in der Reichenberger Straße zuständig zu sein. Und Frau Herrmann versteigerte sich sogar in die Aussage, dass das alles, was sie mehr oder weniger mit allen bespricht, Lügen sind.
So haben es mir meine Bezirksverordneten berichtet. – Sie hat mehr oder weniger alles das, was bisher diskutiert wurde, infrage gestellt. Ich glaube, Sie machen es sich ein bisschen zu leicht. Es ist einfach, sich hierhin zu stellen und so zu tun, als ob das vor Ort läuft. Wir werden sehen, ob Frau Herrmann bereit ist, aus den Fußstapfen von Herrn Schulz herauszutreten und sich wirklich darum zu bemühen, den Flüchtlingen am Oranienplatz ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Denn wenn Sie den Oranienplatz sehen, können Sie doch nicht so tun, als ob das da alles vernünftig wäre. Das dort ist eine Katastrophe, von der ich nicht glaubte, dass ich sie in dieser Stadt und in diesem Bezirk erleben würde. Deshalb kann ich an die Grünen nur appellieren: Gewisse grüne Bezirksverordnete halten sich Tag für Tag auf dem Oranienplatz auf und versuchen, die Flüchtlinge zu motivieren, dort auszuhalten. So einfach können die Grünen es sich nicht machen. Ich sage deutlich: Sie haben für die Verhältnisse dort am Oranienplatz und in der Schule in der Reichenberger Straße die Verantwortung. Nehmen Sie die endlich einmal wahr!
[Beifall bei der CDU – Joachim Esser (GRÜNE): Das ist eine gemeinsame Verantwortung von Senat und Bezirk und uns allen!]
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren von der CDU! Sehr geehrter Herr Wansner! Merkwürdigerweise haben Sie mit Ihren Beiträgen heute zum Thema Integration und Flüchtlinge nicht überrascht. Sogar ein Wahrsager in Ihrem Bezirk Kreuzberg hätte bis auf den Punkt genau alles so voraussagen können, was Sie heute hier vorgetragen haben. Nach diesen Beiträgen kann ich Sie zwar nicht, aber die SPD schon bedauern. Bekanntlich haben die Sozialdemokraten die Koalitionsverhandlungen mit der CDU/CSU aufgenommen, mit einer Partei, die weder christlich noch sozial ist. Insofern viel Erfolg bei den Gesprächen, liebe SPD! Herrn Uhl oder Herrn Friedrich muss ich Ihnen heute nicht erneut zitieren. Und Herrn Wansner haben Sie sich ja selbst anhören dürfen bzw. müssen.
Herr Wansner! Vielleicht einen Satz noch zum Schluss: Statt gegen die Flüchtlinge in dieser Stadt zu hetzen, statt gegen die Flüchtlinge am Oranienplatz zu hetzen, sorgen Sie endlich dafür, dass die Flüchtlinge in dieser Stadt bessere Lebensbedingungen bekommen! – Danke!
Für die Piratenfraktion hat das Wort der Herr Abgeordnete Reinhardt noch einmal. – Aber vorher würde ich darum bitten, dass wieder ein wenig Ruhe einkehrt!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie haben es bald geschafft, die Debatte ist bald zu Ende. Aber noch mal einen Satz zum Kollegen Wansner, weil Sie die Debatte noch mal in eine andere Richtung gelenkt haben. Es drängt sich mir ein dringender Verdacht auf. Sie haben es ja erzählt: Ihre Kindheit in Breslau – immer haben Sie gedacht, Sie wollen wieder in Ihre Heimat zurückkehren. Jetzt kann man darüber streiten, ob das eine gute Idee ist oder ob der Krieg zu Recht verloren wurde, aber tatsächlich scheint das mit eine Grundlage für Ihre Haltung in der Flüchtlingspolitik zu sein. Es gibt ja einige Mitglieder
der CDU, die immer wieder auch die Tatsache nach vorne stellen, sie gingen davon aus, dass diese Menschen in ihre Heimat zurückkehren wollten. Das spricht auch aus Ihren Anträgen, wenn es heißt, dass der Erwerb von Sprachkenntnissen wichtig sei, da sich bei einer Rückkehr ins Heimatland die berufliche Perspektive verbessere. Ich fordere Sie hiermit auf, sich den moderaten Teilen Ihrer Fraktion und Ihrer Partei anzunähern, –
die diesen Gedanken schon überwunden haben und die anerkannt haben, was Frau Kolat richtigerweise gesagt hat: Migrationsströme in alle Richtungen gehören zur Menschheitsgeschichte dazu, sind selbstverständlich und müssen anerkannt werden.
Vielen Dank, Herr Reinhardt! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aktuelle Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden.