Auch die Eltern der Kinder mit Behinderung wissen, dass es kein Schalter ist, den man umlegt. Gerade wenn man mit Betroffenen spricht, merkt man, dass der Prozess ein bisschen schwieriger ist, als Sie es hier als Oppositionsparteien darstellen.
Es wäre nett, wenn Sie es mir überlassen, wie ich meine Reden halte! Das mache ich übrigens umgekehrt auch so und höre mir an, was Sie sagen!
Nein! – Die Umgestaltung einer integrativen zu einer inklusiven Schule bedarf wegen ihrer Komplexität, der Detailfülle und wegen vielfältiger Wechselwirkungen zwischen großen organisatorischen, personellen und finanziellen Auswirkungen umfangreicher Beachtung. Das ist ein Prozess, der mehrere Jahre in Anspruch nehmen wird – nichts anderes steht übrigens auch in dem Bericht der Arbeitsgruppe zur inklusiven Schule von Frau Volkholz.
Ein Stück weit erweckt aber Ihr Antrag den Anschein, Berlin sei rückständig. Ich habe es schon deutlich gemacht: Wir sind Vorreiter gewesen, was inklusive Schulung und Bildung angeht – mit inzwischen übrigens mehr Schülerinnen und Schülern mit Förderbedarf in der Regelschule als an den Förderschulen. Das ist übrigens auch nur möglich, weil nicht nur die Schülerinnen und Schüler und die Eltern mitziehen, sondern auch die Lehrerinnen und Lehrer, denn all diese Prozesse – auch das ist in dem Bericht zur inklusiven Bildung deutlich geworden – fordern eben auch die Lehrerkollegien und die Bezirke als Schulträger. All das weiterzuentwickeln gelingt nur, wenn man das ordentlich vorbereitet, und nicht mit den drei Federstrichen, die Sie am Schulgesetz machen wollen.
Die Bedarfe zum Thema Schulträger sind übrigens auch nach Bezirken völlig unterschiedlich, denn während in Tempelhof-Schöneberg oder Steglitz-Zehlendorf nur 4 bis 5 Prozent der Kinder einen Förderbedarf haben, sind es in Friedrichshain-Kreuzberg und Lichtenberg über 10 Prozent mit ganz anderen Bedarfen.
Im Zuge der Diskussion um die Umsetzung haben wir mit dem Ergebnis des Beirats am 22. Februar das Ergebnis bekommen. Es ist viel zu umfangreich, um in fünf Minuten Redezeit aufzuzählen, was aus diesen Empfehlungen der Expertenkommission gemacht wurde. Ziel ist es, sie alle umzusetzen.
Und das ist auch in den Beratungen und Anhörungen im Ausschuss deutlich geworden. Entscheidend ist z. B. die Einrichtung von vier Beratungs- und Unterstützerzentren in den Pilotbezirken schon ab dem kommenden Schuljahr, im Jahr darauf möglichst in allen Bezirken. Die Qualifizierung der Schulleitungen und die notwendigen
Schulentwicklungsprozesse zu steuern, ist ebenfalls zentral. Gleiches gilt für die Fortbildung von Lehrerinnen und Lehrern,
die dann mit der neuen Heterogenität auch umgehen müssen. Wir knüpfen immer an die Behindertenrechtskonvention an. Inklusion bedeutet übrigens auch weit mehr, als Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen zu integrieren. Sie meint nämlich auch, Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund, unterschiedlichen sozialen Hintergründen und Begabungen zu integrieren.
Wir sind in Berlin im Bereich der Integration und Inklusion ganz schön weit gekommen. Wir befähigen zu einer wirklichen Teilnahme an der freien Gesellschaft, und zwar entweder an den allgemeinbildenden Schulen oder an den Förderschulen.
Jetzt habe ich noch ein paar Sekunden Zeit, um vielleicht auch mal für die Förderschulen eine Lanze zu brechen.
Mir geht es nämlich darum, dass Eltern in Berlin ein Wahlrecht haben sollen, und zwar ein Wahlrecht, ob ihre Kinder an einer allgemeinbildenden Schule oder an Förderzentren beschult werden sollen. Sie erwecken hier den Eindruck, dass es –
danke! – zahlreiche Fälle geben würde, wo Eltern ihre Kinder nicht an den Regelschulen unterbringen können. Die machen Sie tatsächlich mal deutlich.
Wir haben diese Erkenntnisse nicht, sondern wir bemühen uns tatsächlich, dem Wahlrecht der Eltern gerecht zu werden. – Danke für die Aufmerksamkeit!
Danke, Herr Kollege Buchner! – Und nun erteile ich das Wort dem Kollegen Mutlu. – Bitte schön, Bündnis 90/Grüne! – Ein viel beschäftigter Parlamentarier, der Kollege Mutlu. – Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentlich könnte ich viel zu dem sagen, was Herr Buchner jetzt hier
von sich gegeben hat, aber das lasse ich mal. Nur zur Erinnerung, Herr Buchner: Ihr Senat wollte in der letzten Legislaturperiode die Inklusion zum Nulltarif durchsetzen, es regelrecht durchpeitschen, und Frau Scheeres war es, die das aufgehalten hat, weil sie gesagt hat: Es ist notwendig, die Inklusion auskömmlich zu finanzieren. – Sie haben als Koalitionäre im Haushaltsplan Ihrer eigenen Senatorin, die für Inklusion entsprechende Mittel vorgesehen hatte, diese gestrichen. Das ist die Tatsache.
Wenn man sich dann beispielsweise Ihre Lehrerbedarfsplanung anschaut, über die wir letztens im Ausschuss geredet haben, stellt man fest, dass für Sie Inklusion bis zum Jahr 2020 gar nicht auf der Tagesordnung ist, weil Sie kein Wort über Inklusion in dieser Lehrerbedarfsplanung erwähnen und diesbezüglich keine Planung vornehmen. Daher ist dieser Antrag von Frau Kittler und der Linken absolut richtig und vom Timing her auch notwendig. Im Übrigen schließe ich mich Frau Kittler vollumfänglich an. Hier muss was passieren, weil die Unsicherheit in der Stadt bei Eltern von Kindern mit Behinderungen und sonderpädagogischem Förderbedarf und genauso bei Eltern, deren Kinder keinerlei Behinderungen haben, ein Ende haben und endlich Klarheit geschaffen werden muss in Sachen Inklusion. Dazu sind wir im Übrigen auch gesetzlich verpflichtet, weil Deutschland die UNKonvention ratifiziert hat.
Wenn der Herr Präsident erlaubt – es ist ja bekannt, dass das hier meine letzte Rede ist –, würde ich gerne ein paar Sätze zum Abschluss sagen: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Mitglieder des Senats! Das ist meine letzte Rede nach 14 Jahren. Ziemlich genau vor 14 Jahren, Oktober 1999, bin ich damals mit Direktmandat aus Kreuzberg hier in dieses Hohe Haus gewählt worden. Damals waren wir nur 14 Grüne und zwei mit Direktmandat. Heute schaut die Situation – auch wenn wir noch in der Opposition sind – anders aus. Wir sind 29 und haben 11 Direktmandate. Das können wir noch ausbauen, ohne Frage. Also, Sie können auch 2016 mit meiner Fraktion rechnen.
Seit meiner Wahl 1999 ist viel Wasser die Spree heruntergeflossen. Es waren gute Jahre, meiner Meinung nach, und teilweise auch erfolgreiche, auch wenn ich nur wenige Monate einer Regierungsfraktion angehören durfte, leider! Es waren 14 Jahre mit Tiefen, aber auch manchen Höhen. Ich verrate Ihnen kein Geheimnis, dass ich am meisten darunter gelitten habe, dass hier immer ritualhaft das Spiel von Opposition und Regierung gespielt worden ist, obwohl es auch viele Dinge gab, die richtigerweise von der Opposition als Thema gesetzt worden sind. Sie
haben das, statt das anzunehmen, einfach kopiert und mit einem eigenen Namen wieder eingebracht. Aber sei es drum!
Es gab einen Moment – das werde ich nicht vergessen –, da kam einer aus Rheinland-Pfalz, und der hatte dieses Spiel von Opposition und Regierung zumindest in den Anfangszeiten für die Schulpolitik nicht so verinnerlicht. Also hat er sich dem Vorschlag der Grünen-Fraktion angeschlossen, eine Schulstrukturreform zu diskutieren. Und er hat es in der Tat geschafft, die eigene Fraktion und Koalition davon zu überzeugen, eine Idee der Opposition – in dem Fall der grünen Opposition – aufzugreifen und die größte Berliner Schulstrukturreform seit Beginn der Republik in Angriff zu nehmen.
Wir haben es alle gemeinsam geschafft, die Hauptschulen abzuschaffen. Wir haben das duale Lernen und die integrierte Sekundarschule eingeführt. Manche mögen jetzt sagen, vor allem auf dieser rechten Seite des Hauses, nicht bei den Piraten, sondern bei der CDU: Na ja, so doll war ja die ISS doch nicht. – Ich kann Ihnen sagen: Die ISS wird eine Erfolgsstory, aber dafür ist es notwendig, dass Sie als Koalition, SPD und CDU, endlich die ISS materiell, finanziell, sächlich und personell so ausstatten, dass sie tatsächlich diesen Ansatz, der in der Idee richtig ist, zum Erfolg führt und viel mehr Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit auf Abitur, auf höhere Bildung, auf eine gute Ausbildung gibt. Das ist wichtig. Das ist Ihre Aufgabe.
Ich komme zum Schluss. Das ist meine letzte Rede. Manche von Ihnen werden, glaube ich, meine Zwischenrufe vermissen, manche weniger. Aber eines ist sicher: Herr Staatssekretär Rackles wird sich sehr freuen, weil er die Task-Force „Mutlus Kleine Anfragen“ jetzt auflösen und das Personal für andere sinnvolle Zwecke bei sich im Haus einsetzen kann.
Einige Kollegen werden sich freuen, weil jetzt bei dem Wettlauf in punkto spontane Fragen einer, der irgendwie mit dem Finger sehr schnell war, nicht mehr da ist. Sei es Ihnen gegönnt! Ich werde diesen Wettlauf mit Ihnen bei der Spontanen Fragestunde vermissen, weil es das im Bundestag nicht gibt.
Ich blicke zurück. Es waren schöne Jahre. Ich werde Sie definitiv vermissen, manche von Ihnen mehr, manche weniger. Ich denke, dass Sie eine sehr große Verantwortung tragen, alle zusammen – das ist Ihnen sicherlich bekannt –, für diese Stadt, für die Bundeshauptstadt. Ich würde mich freuen, wenn ich vom Bundestag aus auch mal lesen kann, dass hier dieses Spiel von Opposition und Regierung hin und wieder beiseitegelegt wird und man gemeinsam im Interesse dieser schönen Stadt Berlin
Einen letzten Satz zu der Parlamentsreform, die gerade diskutiert wird: Als jemand, der lange diesem Haus angehört hat und der weiß, was das für ein Pensum ist, das wir hier alle leisten müssen – wieder: manche mehr, manche weniger –, sage ich: Wenn Sie schon eine Parlamentsreform machen – und das sage ich auch in Richtung meiner eigenen Fraktion –, machen Sie keine halben Schritte! Machen Sie einen ganzen Schritt! Dieses Haus, das Abgeordnetenhaus, ist längst kein Halbtagsparlament mehr. Ich denke, wir sollten unsere Arbeit selber so wertschätzen, dass wir endlich mit diesem Halbtagsparlament Berlin Schluss machen. – Ich danke Ihnen und wünsche Ihnen viel Erfolg, eine glückliche Hand für die Geschicke der Stadt Berlin!
Lieber Kollege Mutlu! Sie haben gemerkt, dass ich mich hinsichtlich der Redezeit nicht kleinlich gezeigt habe, weil es Ihre letzte Rede in diesem Haus war. Ich weiß auch, dass Sie schon würdig verabschiedet worden sind. Ich möchte nur nicht versäumen, Ihnen auch noch mal im Namen des Hauses alles Gute für Ihre zukünftige Arbeit zu wünschen. Vor allem bleiben Sie gesund und tatkräftig! Und wenn wir dann eines Tages vom Bundestag in der Zeitung lesen, das Spiel von Opposition und Regierung ist beendet, dann war es Mutlu! Alles Gute, Herr Mutlu!