Protocol of the Session on October 24, 2013

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Wenn man sich einmal die Geschichte dieses Stadtwerks ansieht: Da bekommen wir im Dezember des letzten Jahres einen Gesetzentwurf vorgelegt, nach dem das Stadtwerk als Tochtergesellschaft der Berliner Stadtreinigung gegründet werden soll. Wir fragen: Ist das mit dem Unternehmen besprochen? Welche Konzeption steht dahinter? – Antwort: Mit dem Unternehmen ist es nicht besprochen. Konzeption liegt noch nicht vor. – Die CDU fordert ein Geschäftsmodell und einen Wirtschaftsplan. Gute Idee! Beides liegt bis heute nicht vor. Ein Jahr lang passiert nichts, außer dass wir im Frühjahr des Jahres eine Anhörung gehabt haben, wo vonseiten der BSR und der Berliner Energieagentur gesagt wurde: Alles ganz schwierig und nicht das optimale Modell.

Danach passiert nichts, weil sich die Koalition nicht einigen kann. Sie sind nicht in der Lage, vor dem Volksbegehren hier einen Gesetzentwurf vorzulegen und zu verabschieden. Das wäre eine andere Situation gewesen. Dann hätten Sie vor dem Volksbegehren auftreten und sagen können: Wir haben die Frage schon so und so geregelt. Liebe Bürgerinnen und Bürger, entscheidet mit dem Volksbegehren darüber, ob es wirklich zum Volksentscheid kommen muss. – Dazu waren Sie nicht in der Lage, weil Sie sich in Ihrer Koalition permanent verhakelt haben.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Am Rande der letzten Plenarsitzung machen Sie – kurz vor der Angst – einen Koalitionsausschuss, wo Sie es sich noch mal zusammenschustern. Da erklärt die CDU: Wir wollen nicht, dass Handel stattfindet, dass dieses Stadtwerk einen Stromhandel betreibt. – Man einigt sich offensichtlich darauf, dass es die BWB sind. – Zum Thema Stromhandel komme ich anschließend noch mal.

Jetzt hat der Kollege Buchholz wirklich die Chuzpe, hier aufzutreten und zu sagen: Was ist denn das Problem, wir haben doch nur drei Buchstaben geändert? – Vielleicht ist mal aufgefallen, dass es sich um ein anderes Unternehmen handelt!

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Ich stelle mich doch auch nicht hin und sage: Ist doch kein Problem, wir können die Berliner Bäder-Betriebe nehmen, die als Energieversorger übrigens auch unter das Energiewirtschaftsgesetz fallen. Warum nehmen wir denn die nicht? Ist doch ganz einfach, kann man doch verstehen, ist doch einfach nur eine andere Abkürzung, BBB?

[Uwe Doering (LINKE): Fängt auch mit B an!]

Irgendwie setzt es aus. Und dann noch ein Unternehmen zu nehmen, das wir noch gar nicht erworben haben!

Und auf die Frage im Ausschuss, ob das denn mit dem Unternehmen, mit dem Vorstand, mit dem Aufsichtsrat diskutiert worden sei, welche Konzeption dahinterstehe, bekommen wir von der SPD die Antwort: Das können wir doch gar nicht diskutieren, weil uns das Unternehmen noch nicht gehört.

[Heiterkeit bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Hallo! Ich weiß nicht, was man dazu sagen soll.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Aber ein Gesetz beschließen, dass ein Unternehmen, das einem noch nicht zu 100 Prozent gehört, ein Stadtwerk gründen soll, das könnt ihr! Das Manöver ist doch ganz offensichtlich und deutlich.

Nachdem Jan Stöß erklärt hat, ich bin dafür, den Gesetzentwurf des Volksbegehrens zu übernehmen, nachdem

(Daniel Buchholz)

der Koalitionspartner gesagt hat, das kommt gar nicht in die Tüte, entdeckt der Parlamentsrambo Schneider

[Heiterkeit]

im Gegensatz zum Senat auf einmal, dass das hier irgendwie rechtswidrig ist. Daraufhin beschließt die Koalition, übrigens auch mit einer dringlichen Vorlage, auf die wir auch mit einem dringlichen Antrag reagiert haben, dass das alles verfassungswidrig ist und Milliardenrisiken birgt und der Untergang des Abendlandes, mindestens aber Berlins droht, wenn der Volksentscheid erfolgreich ist. Das, nachdem Jan Stöß erklärt hat, wir unterstützen den Volksentscheid, und das wird hier übernommen. Das ist doch keine politische Linie, das ist eine Geeierei, das ist der Versuch, mit dem Koalitionspartner, mit dem man sich nicht einig ist, zu einer gemeinsamen Linie zu kommen, nicht die Niederlage beim Volksentscheid einheimsen zu wollen, Verwirrung zu stiften, falsche Propaganda zu machen und zu hoffen, man kriegt das jetzt noch hin, indem man erklärt, wir haben alles schon geregelt. Nein, nichts habt ihr geregelt, und vor allen Dingen habt ihr in der Sache nichts geregelt.

Lieber Kollege Buchholz und Herr Garmer! Wenn man sich das Modell Hamburg ansieht – wo ich übrigens nicht wochen- und monatelang herumgelaufen bin und gesagt habe, das Modell Hamburg ist es, und nach meiner Erinnerung auch der Kollege Schäfer nicht, aber sei es drum! –, hat Hamburg damit begonnen, im großen Umfang Stromhandel zu betreiben, was Sie im Koalitionskompromiss auf Druck der CDU ausgeschlossen haben. Dann sehen wir uns einmal an, was dieses Stadtwerk an Eigenerzeugungsanlagen hat. Sie schreiben in ihrem Gesetzentwurf: Dieses Stadtwerk darf nur selbst produzierte erneuerbare Energien und Strom aus erneuerbaren KWK-Anlagen mit hoher Effizienz – 80 Prozent Wirkungsgrad – vermarkten. Erstens: Damit ist die Nutzung des Müllheizkraftwerks Ruhleben ausgeschlossen, was Hunderttausende in Berlin mit Strom versorgen könnte.

[Daniel Buchholz (SPD): Nein! Ich habe doch gerade die Satzung vorgelesen!]

Ja, ich habe sie auch gerade zitiert, in ihrem Gesetzentwurf steht was anderes drin. Jetzt aber weiter. – Zweitens: Ein großer Teil der Anlagen, die wir in Berlin bei den kommunalen Unternehmen haben, die erneuerbare Energien produzieren, sind investiert nach dem ErneuerbareEnergien-Gesetz. Das heißt, sie stehen für die Direktvermarktung eigentlich gar nicht zur Verfügung, sondern sie müssen ins allgemeine Netz einspeisen. Wie wollen Sie, wenn Sie den Handel ausschließen, überhaupt einen Kundenstamm aufbauen? Ich weiß nicht, worauf sich die SPD in diesem Koalitionskompromiss eingelassen hat, wenn man wirklich ein Stadtwerk haben will, das hier Privatkunden und Haushalte und Unternehmen beliefert und diesen Kundenstamm aufbauen will. Dieses Stadtwerk mit dieser Konzeption ist zu einem kümmerlichen Nischendasein verurteilt. Das ist das, was ihr vereinbart habt. Da nutzt es überhaupt nichts, jetzt einen Gesetzent

wurf zu verabschieden, in dem ein paar hehre Absichten drinstehen, wo aber keine wirkliche Konzeption, wo kein Geschäftsmodell dahintersteht und keine Perspektive eines wirklichen Stadtwerks und das Wachstums eines Stadtwerks, das man ernst nehmen könnte.

Deshalb sage ich, am 3. November brauchen wir uns als Opposition überhaupt nicht zu verstecken, wir haben immer klar gesagt, wie auch die SPD früher einmal: Wir unterstützen den Gesetzentwurf des Volksentscheids, und das Volk soll darüber entscheiden, und wir werben dafür, dass es am 3. November ein eindrucksvolles Votum für ein Ja gibt. Wir sind überzeugt davon, dass es das am 3. November auch gibt.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Lieber Kollege Buchholz! Zerbrechen Sie sich nicht den Kopf darüber, was wir im unwahrscheinlichen Fall eines Scheiterns des Volksentscheides tun werden. Da werden wir schon unsere entsprechenden Anträge einbringen. Dann hätten Sie auch Ihre Anträge einbringen können.

[Zuruf von Torsten Schneider (SPD)]

Aber das große Versagen dieser Koalition ist: Wenn Sie wirklich etwas anderes wollen als den Gesetzentwurf des Volksentscheides und des Energietisches, dann hätten Sie ihnen diesen Gesetzentwurf vorlegen und der Entscheidung des Volkes überlassen sollen. Genau dieses tun Sie nicht, meine Damen und Herren. Und dafür wird es am 3. November die Quittung geben. Dafür werden wir arbeiten.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Lassen Sie mich noch einen letzten Punkt ansprechen. Wir alle hier und der Senat arbeiten daran, dass es ein faires und diskriminierungsfreies Vergabeverfahren für das Netz gibt, so wie es gesetzlich vorgeschrieben ist.

[Lars Oberg (SPD): Alles andere geht auch nicht!]

Deshalb haben wir den Antrag eingebracht, die Aktivitäten von Vattenfall mit der rechtswidrigen Werbekampagne, wo über den Konzern, über die Vattenfall GmbH Werbung gemacht wird für das Stromnetz und damit das Unbundling-Gebot und die klare Trennung zwischen Netz und den anderen Aktivitäten eines Stromversorgers und eines Stromproduzenten gesetzlich vorgeschrieben ist – – In Hamburg hat die Bundesnetzagentur sie schon abgemahnt. Und in Berlin betreiben sie das weiter. Ich sage: Vattenfall ist an dieser Stelle Serientäter, trotz Abmahnung das immer weiter zu betreiben. Ich finde, wenn wir hier bei Volksentscheiden unter anderem auch gefordert haben, dass Finanzierungsquellen offengelegt werden, weil wir Transparenz schaffen wollen, wenn wir dafür kämpfen und uns dafür einsetzen, dass es ein faires und diskriminierungsfreies Verfahren gibt, und Vattenfall sich nicht an die gesetzlichen Regelungen hält, sondern

eine Werbekampagne mit den Geldern der Berliner Stromkunden macht für das Stromnetz, was sie nicht dürfen, trotz der Abmahnung durch die Bundesnetzagentur, finde ich, ist das gutes Recht und auch die Pflicht des Abgeordnetenhauses, für die Einhaltung von Fairness einzutreten.

Deshalb haben wir den Antrag eingebracht, dass das Abgeordnetenhaus dieses rechtswidrige Verhalten von Vattenfall missbilligt und den Senat auffordert, gegenüber Vattenfall und gegenüber der Bundesnetzagentur aktiv zu werden, dass diese Aktivitäten eingestellt werden. Ich finde, einen solchen Antrag müssten eigentlich alle Fraktionen in diesem Haus jenseits aller politischen Differenzen und unterschiedlichen Haltungen zu diesem Volksentscheid mittragen können, weil es hier um Fairness und die Einhaltung von Recht und Gesetz geht. Dafür stehen wir ein, und ich hoffe, alle anderen Fraktionen auch.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Wolf! – Für die Piratenfraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Prieß. – Bitte sehr!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Werte Kolleginnen! Werte Kollegen! Liebe Anwesende! Herr Garmer hat es eingangs angemerkt, es werden jetzt Weichen gestellt. Mein Eindruck dabei ist allerdings, dass der Zug schon über der Weiche drüber ist und jetzt gerade dabei ist, gehörig zu entgleisen. – Gleichzeitig hat er eine Sachdiskussion angemahnt. Die Sachdiskussion hat aber die Koalition gerade in den Ausschüssen verhindert. Die Änderungsanträge der Koalition kamen im Stadtentwicklungs- und Umweltausschuss so zwischen den Tagesordnungspunkten 2 und 3 ungefähr rein, wurden also kurzfristig eingereicht. Man bekommt den Eindruck, dass den Fraktionären dort die zündende Idee in dem Augenblick gekommen ist, als die Aktuelle Viertelstunde lief, bzw. bei der Diskussion über die Wohnungsbauförderung und die neue Liegenschaftspolitik.

Die Tischvorlage wurde dann während der laufenden Sitzung hereingereicht, und es gab schwerwiegende Änderungen ohne eine tiefergehende Beratung dazu. Es ist natürlich nicht nur so, dass dort Buchstaben ersetzt werden, BSR, BWB, BVG, BBU, ist irgendwie alles dasselbe. Da fühlt man sich doch als Parlamentarier verarscht.

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN]

Frau Präsidentin! Sie rügen mich da zu Recht.

Es natürlich eine unparlamentarische Ausdrucksweise, aber das Verhalten der großen Koalition ist ja hier auch sehr unparlamentarisch.

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN – Zuruf von Torsten Schneider (SPD)]

Die Wasserbetriebe, wir haben es gehört, sind noch nicht einmal richtig im Berliner Eigentum, und jetzt sollen sie schon mit neuen Aufgaben überfrachtet werden, ohne dass wir überhaupt die Umstrukturierungen vorgenommen haben, die vielleicht nötig sind, bevor eine solche Aufgabe gestemmt werden kann. – Herr Buchholz! Sie sagten, der Antrag sei schon länger in der Diskussion. Aber die Wasserbetriebe waren überhaupt noch nicht länger in der Diskussion. Mein Eindruck ist, hier ist das Fracksausen der Koalition so laut,

[Heiterkeit bei den PIRATEN]

dass man im Parlament überhaupt nicht mehr zum vernünftigen Arbeiten kommt und deswegen ist es gescheitert. Die Koalition hält einfach nichts von direkter Demokratie und offensichtlich auch nichts von parlamentarischer repräsentativer Demokratie. Das ist der Lackmustest, der hier zutage tritt.

[Beifall bei den PIRATEN]

Da Sie direkt danach gefragt hatten, Herr Buchholz: Meine Antwort bekommen Sie am 3. November. Ich hoffe, die anderen Berliner gehen da auch mit.

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]