Wenn man sich vor Augen führt, dass die pflegenden Angehörigen im Schnitt acht bis zehn Jahre diese wichtige ehrenamtliche Arbeit leisten und sich in dieser Zeit auch um sich selbst kümmern müssen und dafür Beratung und Unterstützung brauchen, dann zeigt das, dass das eine wichtige Aufgabe ist, so eine Institution wie die Fachstelle für pflegende Angehörige zu unterstützen. Volkswirtschaftlich und ökonomisch wissen wir, dass das auch noch für die Gesellschaft die günstigste Art und Weise ist, Pflege zu ermöglichen, denn sie ist entscheiden günstiger, als wenn professionelle Pflegeanbieter diese Arbeit leisten müssen, die das aufgrund des Fachkräftemangels ja nicht mal mehr vollständig auffangen könnten. Deswegen rechnet sich auch die Unterstützung für pflegende Angehörige, denn es ist eben auch wichtig, dass diese auf ihre Gesundheit achten, mal die Möglichkeit haben, aus der Pflege herauszukommen und dabei kein schlechtes Gefühl haben müssen, dem Angehörigen etwas Schlechtes zu tun, sondern sich professionelle Hilfe zu leisten.
Ich denke, es wird uns auch gelingen, diese Unterstützungsformen – wir machen ja noch ein paar Jahre Gesundheits- und Sozialpolitik – dann auch weiter zu festigen.
Vielen Dank! – Für eine weitere Nachfrage hat jetzt Frau Kollegin Villbrandt von den Grünen das Wort. – Bitte schön!
Herr Senator! Zu diesem Bild von Angehörigen gehört noch eine Gruppe dazu, die Sie nicht erwähnt haben, also nicht nur diejenigen, die ihre Angehörige selbst zu Hause pflegen und die dies mit professionellen Hilfen tun, sondern auch diejenigen, die ihre Angehörigen in Pflegewohngemeinschaften haben und diese besuchen und auch unterstützen. Deshalb meine Frage an Sie: Sie wissen, dass es eine sehr schwierige Geschichte ist, sich überhaupt in diesem Dschungel von Angeboten zurechtzufinden. Wie sichern Sie gute Beratung und Unterstützung für die Angehörigen, die diesen Schritt gehen, damit sie auch als Angehörige weiterhin aktiv bleiben können?
Ja, es gibt ein breites Netz an Angeboten. Frau Abgeordnete, da haben Sie völlig recht. Und es ist nicht ganz einfach, sich durch dieses breite Netz hindurchzuwühlen und die jeweiligen Angebote zu finden. Der wesentliche Ansprechpartner sind immer die Pflegestützpunkte, die
Beratung und Unterstützung geben sollen – mit dem Ziel, dass drei pro Bezirk vorhanden sind. 36 war einmal die Zielstellung, und wir sind jetzt bei 27.
Dann gibt es die Institutionen „PflegeEngagement“, die in den Stadtteilzentren in den Bezirken gebündelt sind, sodass die anderen Stadtteilzentren, wenn man zu ihnen geht, auch auf das Stadtteilzentrum hinweisen, in dem diese Stellen für das Pflegeengagement vorhanden sind. Natürlich weisen auch die unterschiedlichen Leistungsanbieter auf diese Hilfe- und Unterstützungsmöglichkeiten hin.
Wie Sie bei der „Woche der pflegenden Angehörigen“ gesehen haben, haben viele Leistungsanbieter, die Selbsthilfekontaktstellen und die Stadtteilzentren auf diese Woche und das Engagement hingewiesen, aber das bewahrt nicht davor, dass sich pflegende Angehörige häufig in dieser Phase zurückziehen, sich aus Liebe und Vertrauen zu ihrem Angehörigen nur noch darum kümmern und die anderen Sachverhalte nicht mehr so genau beachten und Hilfsangebote nicht mehr sehen. Unser Ziel ist, diese beiden Institutionen, die Pflegestützpunkte und die Einrichtungen der Stadtteilzentren, weiter auszubauen und zu stärken, weil wir glauben, dass das die zentralen Anlaufpunkte sind, die ja auch in Teilen aufsuchende Arbeit vornehmen.
1. Wie bewertet der Senat die derzeitige Durchführungspraxis des besonders beschleunigten Verfahrens – §§ 417 ff. StPO – im Land Berlin?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Abgeordneter Rissmann! Der Senat bewertet die Anwen
dung des besonders beschleunigten Verfahrens in Berlin ausgesprochen positiv. Unser Land liegt im bundesweiten Vergleich beim Anteil an den beim Amtsgericht durchgeführten Strafverfahren vorn. Der Grund dafür ist in einer guten und erfolgreichen Kooperation der beteiligten Akteure, namentlich der Polizeidienststellen, der Amtsanwaltschaft sowie der Richterinnen und Richter am Bereitschaftsgericht am Tempelhofer Damm, zu sehen.
Aber nichts ist so, dass man es nicht besser machen könnte. Deswegen hat sich auf meinen Vorschlag hin die Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister im Juni 2013 mit der Thematik des besonders beschleunigten Verfahrens befasst. Sie hat in ihrem Strafrechtsausschuss gebeten, eine länderoffene Arbeitsgruppe einzusetzen, die die Erfahrungen der Länder mit diesem Verfahren auswertet – es gibt da bedeutende Unterschiede zwischen den Ländern – und gegebenenfalls Optimierungsvorschläge für die Anwendung, die Durchführung oder das Gesetz zu unterbreiten. Mein Haus hat sich bereit erklärt, den Vorsitz in der Arbeitsgruppe zu übernehmen, die voraussichtlich im Herbst 2013 erstmals zusammentreten wird.
Das besonders beschleunigte Verfahren weiter zu stärken, ist also unser Ziel. Grundsätzlich sind hierfür alle Fallgestaltungen geeignet, in denen der Sachverhalt einfach gelagert ist oder wegen klarer Beweislage sofort verhandelt werden kann. Dies ist mit den Beteiligten aufseiten der Polizei, der Amtsanwaltschaft und der Richterschaft zu erörtern – es ist klar, dass das im Bereich von richterlicher Unabhängigkeit liegt –, um in Zukunft möglichst viele geeignete Fälle zu identifizieren. Wir haben dazu bereits mehrfach ressortübergreifend zu Gesprächen eingeladen. Dabei wurde u. a. erörtert, welche Deliktsgruppen und Fallgestaltungen sich für eine Anwendung des besonders beschleunigten Verfahrens eignen.
Im Jahr 2012 sind seitens der Amtsanwaltschaft 1 172 Anträge auf Durchführung des besonders beschleunigten Verfahrens gestellt worden. In 1 127 Fällen hat das Bereitschaftsgericht am Tempelhofer Damm die Einschätzung geteilt, dass sich die unterbreiteten Sachverhalte für ein besonders beschleunigtes Verfahren eignen, und dann dieses Verfahren durchgeführt. Dies entspricht einem Anteil von gut 96 Prozent. Diese Zahlen zeigen, dass das Zusammenspiel der Akteure bei Polizei, Strafverfolgungsbehörden und Gerichten ziemlich gut funktioniert. Diese erfolgreiche Kooperation gilt es fortzuentwickeln.
Um die Sache noch etwas anfassbarer zu machen: Es geht insbesondere um die Frage, ob es weitere Verfahren gibt, die man hinzunehmen kann. Dabei wird besprochen, ob man Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte bei überschaubaren Tathandlungen, Beleidigungsdelikte und einfach gelagerte Fälle der Körperverletzung in das besonders beschleunigte Verfahren aufnehmen kann. Ferner wurde bisher in Berlin das besonders beschleunigte
Verfahren hauptsächlich in den Fällen durchgeführt, in denen der oder die Beschuldigte geständig ist. Es ist aber durchaus denkbar – und das prüfen wir gerade –, dass sich dieses Verfahren auch für Fälle eignet, wo die Geständigkeit fehlt, es aber leicht nachweisbar ist, dass der Tatvorwurf zu Recht erhoben wird. Daran arbeiten wir.
Vielen Dank! – Herr Rissmann hat keine Nachfrage. Dann hat Herr Kollege Behrendt das Wort zu einer Nachfrage. – Bitte schön!
Herr Justizsenator! Sie haben jetzt drei Gruppen aufgezählt, die am beschleunigten Verfahren beteiligt sind: die Amtsanwaltschaft, die Polizei und die Richter. Es fehlt eine vierte Gruppe vor Gericht, nämlich die Anwälte. Wie sieht die Berliner Anwaltschaft die verstärkte Anwendung des beschleunigten Verfahrens?
In der Tat, Herr Behrendt, habe ich es unterlassen zu berichten, dass wir selbstverständlich auch mit der Anwaltschaft in Gesprächen sind. Die Rechtsanwaltskammer hat sich durchaus offen für diese Vorschläge gezeigt. Da sie aber noch nicht so konkret vorliegen, dass sie dazu schon abschließend Stellung nehmen konnten, bleibt das den weiteren Beratungen vorbehalten.
Nun hat Kollege Olalowo von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort zu seiner Mündlichen Anfrage über
Solidarische Ökonomie in Berlin stärken und weiterentwickeln: Wie nutzt der Senat die vorhandenen Fördermöglichkeiten?
1. Wie beabsichtigt der Senat, die neuen Möglichkeiten, welche die europäische Rahmenverordnung zum Europäischen Sozialfonds – ESF – eröffnet, zur Stärkung der gemeinwohlorientierten und solidarischen Ökonomie in Berlin zu nutzen?
Herr Präsident! Herr Abgeordneter Olalowo! Ich darf zunächst zur Frage der Beteiligung der Solidarwirtschaft an den künftigen Umsetzungen der ESF-Maßnahmen darauf hinweisen, dass wir ja derzeit noch im Abstimmungsverfahren sind. Die europarechtlichen Rahmenbedingungen der Strukturfondsförderung stehen noch nicht abschließend fest – auch nicht, was die finanzielle Ausstattung für die Förderperiode 2014 bis 2020 beim ESF anbelangt. Insofern sind auch die operationellen Programme im Senat noch im Entwicklungs- und Abstimmungsprozess. Ich kann aber bereits darauf hinweisen, dass sich im Zuge der Beratungen über die operationellen Programme abzeichnet, dass sich ein Schwerpunkt bei der Armutsbekämpfung bilden wird und insofern auch die Beteiligung der Solidarwirtschaft als wesentlicher Akteur dieser ESF-Maßnahmen vorgesehen ist.
Frau Senatorin! Nun ist es leider so, dass Sie uns den Entwurf dieses operationellen Programms, an dem Sie gerade schreiben, noch nicht vorlegen konnten. Deshalb müssen wir hier so explizit nachfragen. Mich würde Folgendes interessieren: Im August 2013 hat das Europäische Parlament noch mal die Rahmenverordnung nachgebessert und explizit die Punkte „Förderung des sozialen Unternehmertums sowie der sozialen und solidarischen Ökonomie zur Verbesserung des Zugangs zur Beschäftigung und zu hochwertigen Dienstleistungen“ aufgenommen. Sehen Sie eine Möglichkeit, das auch in Berlin zu berücksichtigen?
Herr Abgeordneter! Wie Ihnen nicht zuletzt aufgrund der Ausschussberatungen bekannt ist, werden wir Ihnen den Entwurf der operationellen Programme nach der Senatsbeschlussfassung selbstverständlich zügig zur Verfügung
stellen. Aus den bisherigen Beratungen kann ich nur darauf hinweisen, dass die Beteiligung solidarischer Unternehmungen insbesondere von Genossenschaften ein Thema ist, das auch von den zuständigen federführenden Senatsverwaltungen im Zuge der künftigen Umsetzung der ESF-Programme geprüft wird.
Allerdings muss man bei allen Maßnahmen der stärkeren Beteiligung des sozialen Unternehmertums, wie sie die EU vorsieht, immer im Einzelnen fragen, inwieweit hier in Berlin beispielsweise Finanzinstrumente wie Darlehen, Bürgschaften und Fonds, die auf europäischer Ebene in Erwägung gezogen werden, beispielsweise ein spezifischer Investmentfonds für soziales Unternehmertum, tatsächlich das geeignete Instrument ist, um Armutsbekämpfung, also die Unterstützung von Arbeitslosen und allgemein Benachteiligten sowie von Ausgrenzung Bedrohter bestmöglich zu unterstützen. Hier wird die Prüfung vorgenommen, ist aber noch nicht abgeschlossen.
Vielen Dank! – Es gibt keine weitere Nachfrage. Dann hat Frau Kollegin Radziwill das Wort. – Bitte schön!
Frau Yzer! Können Sie uns noch einmal darstellen, was Sie mit Schwerpunkt bei der Armutsbekämpfung als prozentualen Anteil meinen? Wollen Sie 50 Prozent der Mittel in diesem Bereich einsetzen, oder wie darf ich diese Schwerpunktsetzung prozentual verstehen?
Frau Abgeordnete! Da derzeit die Beratungen zwischen den Ressorts noch laufen und die Ressortabstimmung, wie ich schon erwähnte, noch nicht abgeschlossen, ist, geht es im Moment in erster Linie um Inhalte und Programmschwerpunkte und nicht um eine prozentuale Zuweisung zu einzelnen Programmen.
Die Fragestunde ist damit beendet. Die heute nicht beantworteten Anfragen werden gemäß § 51 Abs. 5 unserer Geschäftsordnung mit einer Beantwortungsfrist von einer Woche schriftlich beantwortet.