Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Weiß! Die Verhandlungen zwischen der Senatsverwaltung für Finanzen und dem Bezirk Neukölln über die Gesamtfinanzierung sind noch nicht abgeschlossen. Die Verständigung über die notwendigen Kosten läuft aktuell zwischen den beteiligten Verwaltungen. In Verhandlungen zwischen dem Bezirk, der Senatsverwaltung für Finanzen und meinem Haus konnten die Kostensätze weiter gesenkt werden. Aber aktuell sind zusätzliche Kosten aufgetreten, zum Beispiel bezüglich des fachgerechten Abrisses und der aus historischen Gründen notwendigen Dokumentation der ehemaligen Zwangsarbeiterbaracke.
Über die finanzielle Beteiligung des Bezirks an den Einzelmaßnahmen ist noch nicht entschieden worden. Dass sich der Bezirk grundsätzlich an einzelnen Maßnahmen beteiligt – zum Beispiel an der gewünschten Bibliothek –, ist unstrittig.
Können Sie mir sagen, warum Sie jetzt die Frage beantwortet haben? Möchte Herr Nußbaum nichts dazu sagen?
Nachdem das geklärt ist, würde ich gerne noch wissen wollen: Der Leiter der Schule hat sich auf seiner Website am Tag nach der Demonstration bei allen Beteiligten bedankt und dort schon die folgenden Zahlen veröffentlicht, nämlich dass der Senat jetzt bereit sei, 37 Millionen Euro zu übernehmen, und dass der Bezirk gesagt habe, er übernehme die Finanzierung der Stadtbücherei. Damit
seien nur noch 2,9 Millionen Euro in der Finanzierungssumme übrig. – Ist das so richtig? Sehen Sie eine Möglichkeit, 2,9 Millionen Euro auch noch für den Bezirk aufzubringen?
Sehr geehrte Frau Kittler! Ich habe es eben dargestellt: Teilbereiche, die Sie gerade ansprachen, sind stimmig. Aber es gibt bestimmte Punkte, da sind die Diskussionen und Verhandlungen noch nicht abgeschlossen.
1. In welcher Form würdigt der Senat die pflegenden Personen in dieser „Woche der pflegenden Angehörigen“?
2. Welche Unterstützungsstrukturen finanziert der Senat für pflegende Angehörige, Freunde und Nachbarn, um ihre Arbeit zu fördern und zu unterstützen?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Radziwill! Ich danke Ihnen, dass Sie zu diesem wichtigen Thema eine Frage gestellt haben.
Zu Ihrer ersten Frage: Die „Woche für pflegende Angehörige“ findet vom 23. bis 29. September 2013 statt. Wir sind also mittendrin, und das zum zweiten Mal in Berlin. Die Woche leistet einen wichtigen Beitrag, um die Leistung der pflegenden Angehörigen stärker in den Fokus der politischen und öffentlichen Aufmerksamkeit zu rücken. Ihr unermüdliches Engagement öffentlich zu würdigen und danke zu sagen – wie Sie es auch in Ihrer
Anfrage tun – sowie pflegende Angehörige zu motivieren, sich selbst auch mehr wertzuschätzen und damit mehr für die eigene Selbstpflege zu tun, ist richtig und wichtig und deshalb auch ein wichtiges Thema für heute.
Im Rahmen der Eröffnungsveranstaltung am 23. September wurden erneut zehn Botschafterinnen und Botschafter der häuslichen Pflege mit dem Berliner Pflegebären geehrt – neun Personen und eine Gruppe, die unterschiedliche Pflegezusammenhänge repräsentieren. Ich habe für den Senat zwei der Laudatien gehalten und begleitend im Rahmen einer Pressekonferenz sowie der Öffentlichkeitsarbeit die Leistungen der pflegenden Angehörigen gewürdigt. Die Laudatien zeigen in bewegender Form, wie vielfältig, einzigartig und doch ähnlich die Pflegesituationen sind.
Diese Berliner Form der Ehrung ist bundesweit einmalig. Wir und auch ich sind stolz darauf, dass Berlin diese Vorreiterrolle einnimmt, und ich würde mich freuen, wenn andere Kommunen den Berliner Impuls aufgreifen, denn verdient haben die Ehrungen in Berlin und bundesweit grundsätzlich alle, die sich in der Versorgung ihrer Angehörigen, Freunde und Nachbarn engagieren. Sie leisten – leider noch viel zu oft – jeder für sich allein, isoliert und unzureichend unterstützt einen unschätzbaren Dienst an der Gesellschaft. Ihr Beitrag wird im Rahmen der Wertediskussion gesellschaftlich leider immer noch zu wenig wahrgenommen, diskutiert, wertgeschätzt und anerkannt.
Aber wie Sie und ich und viele von uns wissen, ist Pflege keine Randnotiz des Lebens. Sie geht uns alle an. Statistisch hat eigentlich jeder im Laufe seines Lebens mit Pflege zu tun, sei es als Angehöriger oder als Betroffener. Quantitativ hat, betrachtet man die Pflegestatistik, die Anzahl der Pflegebedürftigen mit einer Pflegestufe in den letzten zwölf Jahren um rund 33 Prozent zugenommen, von rund 81 000 mit der Pflegestufe 1 im Jahr 1999 auf rund 108 000 im Jahr 2011.
65 Prozent der Pflegebedürftigen in Berlin brauchen Pflege mehrmals täglich, zum Teil rund um die Uhr. Dazu kommen all diejenigen, die keine Pflegestufe haben, aber einen Hilfebedarf, und die zum Beispiel über die Hilfe zur Pflege unterstützt werden. Die Zahl der Pflegebedürftigen wird in den nächsten Jahren deutlich wachsen. Das sagt auch der Berliner Pflegereport.
Momentan ist es so, und das ist eine gute Entwicklung und weiterhin eine gute Situation, dass Pflege zumeist in den eigenen vier Wänden und von Angehörigen stattfindet, nämlich zu 75 Prozent ist es bei weit dem größten Teil so, dass ein Großteil der Pflegebedürftigen von Angehörigen gepflegt wird und nur ein Teil davon professionelle Hilfe in Anspruch nehmen muss. Aber die Hälfte derjenigen, die von Angehörigen gepflegt werden, haben auch professionelle Pflege, die dies unterstützt und damit
in der Regel auch die nahestehenden Angehörigen in irgendeiner Form begleitet und unterstützt. Dies zeigt, dass die Pflegebereitschaft der Angehörigen, Freunde, Nachbarn weiterhin hoch ist. Der Berliner Familienbericht, der im Jahr 2011 veröffentlicht wurde, sagt, dass ungefähr 170 000 Berlinerinnen und Berliner in die Betreuung und Pflege von Angehörigen eingebunden sind.
Häusliche Pflege, zumeist im Kontext von Familie und Beruf, ist eine herausragende Leistung. Wahrnehmung, Anerkennung und Wertschätzung dieser Leistung im alltäglichen Kontakt und Kommunikation auf Augenhöhe sind zentrale Bausteine für ein positiv besetztes Selbstverständnis und Selbstwertgefühl. Dies gilt es natürlich nicht nur im Rahmen dieser aktuell stattfindenden „Woche der pflegenden Angehörigen“ zu zeigen und zu leben. Wir sind hier gefordert, und wir helfen natürlich dabei, dass immer mehr Angehörige spürbar wahrnehmen, dass Anerkennung und Wertschätzung ihrer Leistung auch erfahrbar wird.
Zu Ihrer zweiten Frage: Welche Unterstützungsstrukturen finanziert der Senat für pflegende Angehörige, Freunde und Nachbarn, um ihre Arbeit zu fördern und zu unterstützen? – Zunächst: Der Wunsch, möglichst lange in den eigenen vier Wänden zu leben, ist nach wie vor das zentrale Anliegen vieler Menschen. Ihre persönlichen Wünsche stimmen hierbei mit den Vorgaben der für diesen Bereich wichtigsten Rechtsnormen überein. So sollen die Leistungen der Pflegeversicherungen vorrangig dafür eingesetzt werden, dass die Pflegebedürftigen so lange wie möglich in ihrer häuslichen Umgebung bleiben können. Auch in der Sozialhilfe haben ambulante Leistungen grundsätzlich Vorrang vor stationären Leistungen.
Das Land Berlin hat über Jahre große Anstrengungen unternommen, um diesem Rechnung zu tragen. Wir können mit einem gewissen Stolz sagen, dass uns dies im Rahmen der begrenzten Steuerungsmöglichkeiten, die wir aufgrund der starken Marktorientierung der Pflegeversicherung haben, gelungen ist. Mit Zuwendungen des Landes Berlin und teils auch mit Mitteln der Pflegeversicherung unterhalten wir Angebote und Strukturen, die pflegende Angehörige unterstützen. Zu diesen gehören: die Fachstelle für pflegende Angehörige und insbesondere die Pflegestützpunkte, wo wir vor ein paar Tagen in Neukölln den 27. eröffnet konnten. Dazu kommen die Kontaktstellen „PflegeEngagement“, die Einrichtung „Pflege in Not“, das Kompetenzzentrum „Pflegeunterstützung“, das Projekt „MenschenKind“ sowie die Fachstelle für Prävention und Gesundheitsförderung. Die Fachstelle ergänzt seit Mitte 2010 als berlinweit agierende neutrale Vernetzungs-, Koordinierungs- und Anlaufstelle zu Fragen der Unterstützung pflegender Angehöriger das zur wohnortnahen Beratung pflegender Angehöriger zur Verfügung stehende Angebot.
Im Verbund mit weiteren engagierten Akteuren aus verschiedenen Bereichen der Gesellschaft, wie dem Berliner Bündnis für Familie, KOBRA oder dem Treffpunkt pflegender Angehöriger im Haus am Mierendorffplatz haben diese Projekte unter Federführung der Fachstelle für pflegende Angehörige als Initiativgruppe die „Woche der pflegenden Angehörigen“ ins Leben gerufen und fachlich weiterentwickelt. Ihnen zusammen ausdrücklicher Dank für diese geleistete Arbeit!
Der Senat ist auch weiterhin bereit, den beteiligten Projekten diesen Spielraum für die Fortsetzung dieser Arbeit zu lassen und so den Grundstein für eine Tradition der Wertschätzung zu legen.
Wenn man auf den Kreis der Mitwirkenden und Unterstützer dieser „Woche der pflegenden Angehörigen“ schaut, so sieht man, dass im letzten Jahr ungefähr 200 Träger dabei waren. Das sind die der ersten Stunde wie die AOK Nordost oder freigemeinnützige und private Pflegeanbieter und Beratungsangebote. Mittlerweile sind immer mehr Dachverbände, wie das Deutsche Rote Kreuz, die Arbeiterwohlfahrt, das Diakonische Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz e. V., der Evangelische Verband für altenpflegerische Dienste, die Caritas oder der Anbieterverband qualitätsorientierter Gesundheitspflegeeinrichtungen an Bord.
Hinzu kommen Krankenkassen wie die SiemensBetriebskrankenkasse, Sozialleistungsträger wie die Unfallkasse Berlin, Verbünde wie die Geriatrisch-gerontopsychiatrischen Verbünde im Bezirk Neukölln, Tempelhof und Charlottenburg oder der Qualitätsverbund Netzwerk im Alter aus Pankow, dann die Netzwerke für demenzfreundliche Kommunen aus Treptow-Köpenick, aus Lichtenberg und Reinickendorf, Selbsthilfeorganisationen wie der Landeselbsthilfeverband Schlaganfall- und Aphasiebetroffener und gleichartig Behinderter Berlin e. V.. Hinzu kommen noch der Arbeitskreis Berliner Senioren und der Deutsche Berufsverband für Pflegberufe, die neu dabei sind.
Der Senat lädt aber auch alle darüber hinaus und noch nicht beteiligten fachlich und gesellschaftlich involvierten Akteure ein, sich von dem Thema der Woche berühren zu lassen und sich als Partner oder Förderer zu beteiligen, durch Kommunikation auf Augenhöhe, Wertschätzung und Anerkennung, durch Diskurs, aber natürlich auch durch Spenden und Öffentlichkeitsarbeit dazu beizutragen, dass diese Anerkennungs- und Wertschätzungskultur noch weiter gestärkt wird.
Nachdem bezirkliche Netzwerke den Samstag, den 28. September, der nun kommen wird, gestaltet haben, werden mit dem Projekt "Dostane" der Türkischen Gemeinde in Deutschland e. V., der Evangelischen KaiserWilhelm-Gedächtniskirchengemeinde und der Sehitlik Moschee Vertreter verschiedener Glaubensrichtungen
gemeinsam das Programm des letzten Tages gestalten. Das ist für uns auch ein wichtiges Signal, dass aus der „Woche der pflegenden Angehörigen“, die in der Vergangenheit 5 Tage hatte, nun 7 Tage geworden ist und dieses religionsübergreifende Projekt die „Woche der pflegenden Angehörigen“ in der Kaiser-WilhelmGedächtniskirchengemeinde abschließen wird.
Vielen Dank für diese ausführliche Beantwortung! Ich möchte nachfragen: Halten Sie diese Unterstützungsstrukturen für pflegende Angehörige und Pflegebedürftige in Berlin angesichts der wachsenden Anzahl der Pflegebedürftigen für ausreichend?
Frau Kollegin Radziwill! Die Haushaltsberatungen im Fachausschuss sind abgeschlossen. Natürlich kann man sich für pflegende Angehörige immer mehr wünschen, aber die Fachstelle, insbesondere unter Leitung von Herrn Schumann, der eine ganz wichtige Arbeit leistet, lebt vor allem davon, dass auch viel ehrenamtliches Engagement aktiviert wird.
Wenn man dies in der vergangenen Woche, am Montag nach der Bundestagswahl im Rathaus Schöneberg, gesehen hat, wie viele Träger und Selbsthilfeorganisationen sich auf dem Markt der Möglichkeiten anbieten und in den Diskurs treten, es uns gelungen ist, in den Bezirken Partner zu finden, und die Stadträte gemeinsam an einem Strang ziehen, dann zeigt das, dass ohne das ehrenamtliche Engagement bei der „Woche der pflegenden Angehörigen“ das nicht möglich wäre.
Wir sind mit der Finanzierung der Fachstelle für pflegende Angehörige, so, wie sie jetzt konzipiert ist, zunächst zufrieden. Aber richtig ist: Die Zahl der Pflegebedürftigen steigt, von jetzt gut über 100 000 auf erwartungsgemäß 170 000 im Jahr 2030. Wir wissen, dass die Zahl derer, die Angehörige pflegen, zurückgehen wird, weil die Angehörigen auch älter werden. Und unsere Erfahrungen sind, dass die Fünfundsechzigjährigen die Fünfundachtzigjährigen pflegen, dass dafür Hilfe und Unterstützung notwendig ist, damit diese Angehörigen, die dort Pflege leisten, nicht nach der Zeit, die sie gepflegt haben, selbst zum Pflegefall werden, und dafür viel Unterstützung und Beratung notwendig ist.
Wenn man sich vor Augen führt, dass die pflegenden Angehörigen im Schnitt acht bis zehn Jahre diese wichtige ehrenamtliche Arbeit leisten und sich in dieser Zeit auch um sich selbst kümmern müssen und dafür Beratung und Unterstützung brauchen, dann zeigt das, dass das eine wichtige Aufgabe ist, so eine Institution wie die Fachstelle für pflegende Angehörige zu unterstützen. Volkswirtschaftlich und ökonomisch wissen wir, dass das auch noch für die Gesellschaft die günstigste Art und Weise ist, Pflege zu ermöglichen, denn sie ist entscheiden günstiger, als wenn professionelle Pflegeanbieter diese Arbeit leisten müssen, die das aufgrund des Fachkräftemangels ja nicht mal mehr vollständig auffangen könnten. Deswegen rechnet sich auch die Unterstützung für pflegende Angehörige, denn es ist eben auch wichtig, dass diese auf ihre Gesundheit achten, mal die Möglichkeit haben, aus der Pflege herauszukommen und dabei kein schlechtes Gefühl haben müssen, dem Angehörigen etwas Schlechtes zu tun, sondern sich professionelle Hilfe zu leisten.