Protocol of the Session on September 26, 2013

Vielen Dank, Herr Kowalewski! – Der Tagesordnungspunkt 10 steht als vertagt auf der Konsensliste. Tagesordnungspunkt 11 war bereits Priorität der Piratenfraktion unter Nr. 4.5.

Ich komme nun zum

lfd. Nr. 12:

a) Unterbringung von Flüchtlingen als gesamtstädtische Aufgabe verstehen und finanzieren

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit und Soziales vom 2. September 2013 und Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 11. September 2013 Drucksache 17/1181

zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/0587 Neu

b) Endlich ausreichend Wohnungen im geschützten Marktsegment und für Flüchtlinge bereitstellen

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit und Soziales vom 2. September 2013 und Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 11. September 2013 Drucksache 17/1182

zum Antrag der Fraktion Die Linke Drucksache 17/0680

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Das Wort hat Frau Abgeordnete Bayram. – Bitte sehr!

Vielen Dank! – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir beraten heute über die beiden Anträge, die bereits in den Ausschüssen diskutiert wurden und in denen es eine Beschlussempfehlung gibt, sie abzulehnen. Dennoch will ich noch einmal dafür werben, dass Sie unseren Anträgen hier zustimmen. In dem Antrag gesamtstädtisches Konzept zur Unterbringung von Flücht

lingen geht es darum, etwas zu unterstützen und auch vorher konzeptionell auszurichten, was zugegebenermaßen der Senat insbesondere der Senator Czaja mit dem Rat der Bürgermeister bereits verhandelt.

Man kann ruhig einmal erwähnen, dass es dort auf einem guten Weg ist. Dennoch ist bei diesem ganzen Stückwerk, das dort verhandelt wird, kein echtes Konzept sichtbar, sodass es immer wieder stockt und zu Schwierigkeiten kommt.

Ich will diese Schwierigkeiten auch kurz erwähnen. Einerseits gibt es Widerstand in den Bezirken, sobald dort Flüchtlingseinrichtungen, insbesondere Sammelunterkünfte, eingerichtet werden. Da würde ich mir mehr Unterstützung vom Senat wünschen, um die Bezirke in die Lage zu versetzen, einerseits die Bevölkerung rechtzeitig zu informieren und andererseits – ich glaube gerade die Initiativen in Neukölln haben es gezeigt – diese Ankunft der Flüchtlinge so gut vorzubereiten, dass sie tatsächlich willkommen geheißen und herzlich empfangen werden, statt dass die Flüchtlinge, wie es in Hellersdorf geschehen ist, abgelehnt werden und dort auf Hass treffen, den sie auch schwer verarbeiten können. Ich war neulich erst selbst dort und habe mit einem jungen Mann aus Afghanistan gesprochen, der sich überhaupt nicht traut, das Heim zu verlassen, weil er auf der Straße nicht weiß, wer Freund und wer Feind ist.

Ein weiteres Thema, das noch nicht so gut gelungen ist, ist, die Bezirke durch Mittel in den Stand zu versetzen, die Verantwortung für die Flüchtlinge zu übernehmen bei der Unterbringung, beim Schulbesuch, beim Kitabesuch, aber auch bei der gesundheitlichen Versorgung und der Ausstattung mit all den Dingen, derer Menschen bedürfen, wenn sie nicht eigenständig dafür sorgen können. Da ist es wichtig – und das müssen wir jetzt bei den Haushaltsberatungen auch konkretisieren –, dass die Bezirke ordentlich ausgestattet sind, damit sie das, was wir hier alle gemeinsam beschlossen haben – die Flüchtlinge vernünftig unterzubringen und zu unterstützen – auch tatsächlich realisieren können.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Dann will ich noch etwas zu dem Antrag der Linken sagen, der sich insbesondere damit beschäftigt – das haben wir schon in einem Antrag auf den Weg gebracht –, Menschen in Wohnungen unterzubringen. Dass das nicht gelingt, haben wir auch schon mehrfach diskutiert. Eigentlich ist es nur folgerichtig, was die Linksfraktion fordert, dass es ein Controlling geben muss, um erst mal festzustellen, wo die Fehler liegen und wie man sie beheben kann, um die Flüchtlinge in Wohnungen unterzubringen.

Ein weiterer Punkt, den ich sehr spannend finde: Wenn etwas nicht funktioniert, dann muss man auch darüber diskutieren, welche Sanktionen eingeführt werden können, um die Dinge so auf den Weg zu bringen, wie wir

sie alle gemeinsam beschlossen haben, wie wir sie haben möchten.

Abschließend will ich noch einmal kurz darauf hinweisen, dass wir in Berlin nicht alle Flüchtlinge menschenwürdig unterbringen können, sondern dass wir zurzeit die Gefahr haben, dass Menschen, die auf dem Oranienplatz protestieren oder in der Gerhart-Hauptmann-Schule in Kreuzberg, die sie besetzt haben, weil ihnen in Berlin keine Unterkunft zur Verfügung gestellt wird, weil ihnen keine staatliche Unterstützung zukommt, – – Die Situation am Oranienplatz und in der Gerhart-HauptmannSchule ist dramatisch. Wir können als Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland nicht mit anschauen, wie diese schutzlosen Menschen dort zu verhungern oder im Winter zu erfrieren drohen. Auch darüber müssen wir uns hier unterhalten; denn eines ist klar – und das haben wir auch in einer Resolution beschlossen –: Berlin trägt Verantwortung für alle Flüchtlinge, die in unser Bundesland kommen. – Danke schön!

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Frau Bayram! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt das Wort die Abgeordnete Frau Radziwill. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Ja, Berlin trägt Verantwortung für alle Flüchtlinge, die hierherkommen. – Was behandeln wir heute in der zweiten Lesung? – Wir behandeln einen Grünen-Antrag mit der Überschrift „Unterbringung von Flüchtlingen als gesamtstädtische Aufgabe verstehen und finanzieren“ und den Antrag der Linken mit der Überschrift „Endlich ausreichend Wohnungen im geschützten Marktsegment und für Flüchtlinge bereitstellen“. Nach einer sehr ausführlichen Beratung im Ausschuss für Gesundheit und Soziales am 2. September haben wir als Koalition beide Anträge abgelehnt, und das ist auch die Beschlussempfehlung für das Plenum heute. In aller Kürze nun die Gründe für unsere Entscheidung:

Zum ersten Punkt des Antrags der Grünen: Mitte 2012 wurde das Konzept zur gesamtstädtischen Unterbringungssteuerung in Berlin beim Rat der Bürgermeister eingereicht und mit einer laufenden Fortschreibung auch angepasst. So haben wir es auch von Herrn Senator Czaja im Ausschuss noch einmal bestätigt bekommen. Wir sehen keinerlei Anlässe, das noch einmal mit Ihren Anträgen zu verändern.

Die Bezirke erhalten nun jede Woche eine Unterbringungsstatistik.

[Elke Breitenbach (LINKE): Na, das ist ja toll!]

Auch die prozentualen Angaben, welche Bezirke welchen Anteil erbringen, werden dargestellt. Auch die Kommunikation ist deutlich verbessert worden. Der Senat bestätigte uns in dieser Ausschusssitzung, dass die im Antrag angesprochenen Fragestellungen auch in diesem gesamtstädtischen Konzept der Unterbringungssteuerung enthalten sind. Es ist also nicht notwendig, ein gesamtstädtisches Konzept à la Grünen zu fordern oder umzusetzen, denn es existiert bereits ein gutes Konzept. Bitte akzeptieren Sie das endlich!

Zum zweiten Punkt des Grünen-Antrags, den Bezirken Mittel für zusätzliche Kosten zu übermitteln: Es ist so, dass die Kosten, die den Bezirken zusätzlich entstehen, über die Basiskorrektur ausgeglichen werden. Daher ist die Sorge der negativen Auswirkungen auf den Bezirkshaushalt nicht berechtigt. Herr Allert, Präsident des Landesamts für Gesundheit und Soziales, sagte dazu ergänzend in der Ausschusssitzung, die Kostenleistungsrechnung habe für diesen Bereich des Landesamts für Gesundheit und Soziales bei der Zuweisung der Mittel keine Bedeutung. Die Senatsverwaltung für Finanzen stelle die notwendigen Mittel im Rahmen der Haushaltswirtschaft zur Verfügung. Dies sei vergleichbar mit der laufenden Basiskorrektur bei den Bezirken.

Nun zu dem Antrag der Linken! Von den rund 14 500 Flüchtlingen in Berlin sind über 8 000 in Wohnungen in Berlin untergebracht. Das ist gut. Wir wollen und werden die Unterbringung von Flüchtlingen in Wohnungen auch weiterhin fördern und unterstützen. Die Verträge mit den städtischen Wohnungsbaugesellschaften hinsichtlich des geschützten Marktsegments werden weiterentwickelt, und die zugesagten Wohnungen für das geschützte Marktsegment müssen diese städtischen Wohnungsbaugesellschaften auch zur Verfügung stellen. Darauf werden wir achten.

Eine klassische Sanktionierung ist hier schwierig. Wir müssen noch Folgendes berücksichtigen: Dieses Wohnsegment, das geschützte Marktsegment, wird auch anderen obdachlosen oder von Obdachlosigkeit bedrohten Personen sowie weiteren Personengruppen angeboten. Wir können diese Gruppen nicht gegeneinander ausspielen, das wäre aus meiner Sicht unsozial. Daher lehnen wir beide Anträge ab.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Frau Radziwill?

Vielen Dank! – Ich bitte, das als Votum des Ausschusses mitzunehmen. Die ausführliche Beratung hat dort stattgefunden. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD]

(Canan Bayram)

Danke schön, Frau Radziwill! – Für die Linksfraktion hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Breitenbach. – Danke schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ja, die ausführliche Debatte hat im Ausschuss stattgefunden, die ausführliche Debatte hat hier stattgefunden. Wir führen sie seit über einem Jahr, und ich finde, der morgige „Tag des Flüchtlings“ ist ein guter Anlass, um sich die Situation nach einem Jahr noch einmal genauer anzusehen und eine Bilanz zu ziehen.

Wir stellen fest, Frau Radziwill: Der Senat ist im letzten Jahr aktiver geworden und hat Maßnahmen eingeleitet. Und wir stellen fest, dass sich die Lebenssituation der Flüchtlinge trotzdem nicht grundlegend verbessert hat. Nach wie vor reichen die Plätze in den Gemeinschaftsunterkünften nicht aus. Nach wie vor gibt es die Situation, dass neu ankommende Flüchtlinge, die – wie das Bundesgesetz es vorschreibt – erst drei Monate in Unterkünften untergebracht werden müssen, nicht untergebracht werden können, sondern abgewiesen werden – mittellos und ohne Unterkunft. Weiterhin werden hektisch Notunterkünfte eingerichtet. Gleichzeitig laufen die Verträge der bestehenden Notunterkünfte aus. Unklar bleibt, ob die Unterkünfte jetzt geschlossen oder die Verträge verlängert werden. Das wird derzeit geprüft. Insgesamt wird seit einem Jahr viel geprüft und geguckt und wenig gemacht. Das ist das Problem.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Wir hören immer wieder: Der Senat hat ein gesamtstädtisches Konzept erarbeitet und mit den Bezirken abgestimmt.

[Senator Mario Czaja: So ist es!]

Ja, auch das, Herr Czaja, nehmen wir zur Kenntnis. Wir stellen aber fest, dass es Bezirke gibt, die ihre Verantwortung nicht wahrnehmen wollen und mauern. Dazu gehören viele CDU-Bezirke.

[Senator Mario Czaja: Frau Feierabend!]

Nein, Herr Czaja, Frau Feierabend mauert nicht. – Wir stellen im Übrigen auch fest, dass das, was Sie gesamtstädtisches Konzept nennen, unzureichend ist. Genau deshalb, liebe Kollegin Radziwill, ist der Antrag der Grünen nach wie vor aktuell; er geht viel weiter als das, was jetzt vorliegt. Es reicht eben nicht allein aus, Flüchtlinge unterzubringen. Das ist zentral, aber notwendig ist auch die Infrastruktur vor Ort.

[Beifall bei der LINKEN]

Dazu gehört – Frau Bayram hat es schon gesagt – eine vernünftige Ausstattung der Bezirke. Und wer behauptet, wir haben diese Infrastruktur, der soll mal gucken, wie

viel Kinder nicht in die Kita gehen können und wo überall Schulplätze fehlen. Das hängt natürlich damit zusammen, dass die Bezirke weder die finanziellen noch die personellen Ausstattung dafür haben. Herr Czaja! Es wird auch nicht besser, wenn Sie immer sagen, dass das Geld reiche und alles bezahlt sei.

[Senator Mario Czaja: Ist aber so!]

Nein, das ist eben nicht so, Herr Czaja! Dann gucken wir nämlich mal in den Haushalt, das sollten Sie vielleicht auch einmal machen, dann werden Sie feststellen, dass Sie Ihre Verantwortung nicht wahrgenommen haben.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Senator Mario Czaja: Ich habe ihnen geschrieben!]

Die Bezirke sind nicht ausgestattet, es gibt keine ausreichenden Mittel für die Unterbringung und die Versorgung von Flüchtlingen. Und im Rahmen der großen Haushaltsklarheit und -wahrheit wird dann gesagt, das machen wir alles mit der Haushaltswirtschaft. Wir reden da von Millionen, die da fehlen. Das machen wir mit der Haushaltswirtschaft, darauf bin ich sehr gespannt.

[Senator Mario Czaja: Haben wir bei Rot-Rot gelernt!]