Vielen Dank, Frau Dr. Kahlefeld! – Für die Fraktion der SPD erteile ich jetzt dem Kollegen Lehmann das Wort. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! In Berlin existieren ca. 80 Moscheegemeinden, die zum Teil unterschiedlichen Dachverbänden angehören. Die genaue Anzahl von Imamen ist unbekannt, es ist jedoch davon
Ich rechne mal zusammen, wenn es gestattet ist. – Das heißt, dass mehr als 80 Imame in Berliner Moscheen tätig sind.
Das Rekrutierungsprozedere der Imame ist sehr unterschiedlich und hängt von den Moscheegemeinden bzw. vom Dachverband ab. Demzufolge sind die Imame unterschiedlich ausgebildet. Auch ihre Deutschkenntnisse sind unterschiedlich ausgeprägt. Imame in kleineren Gemeinden arbeiten in der Regel ehrenamtlich bzw. nebenberuflich als Imam.
Vom seinerzeitigen Integrationsbeauftragten der letzten Legislaturperiode wurden zwei kleinere Modellprojekte zum Thema angestoßen, jedoch immer mit der Perspektive einer möglichen späteren Regelfinanzierung. Im zweiten Umsetzungsbericht zum Integrationskonzept für den Zeitraum 2009 bis 2011 wurde ausgeführt, ich zitiere:
Darüber hinaus hat das Islamforum im Berichtszeitraum eine Weiterbildungsmaßnahme für Imame und Seelsorger und Seelsorgerinnen auf den Weg gebracht. In acht theoretischen Unterrichtseinheiten machten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer vertraut mit den Strukturen des öffentlichen Lebens in Deutschland und in Berlin. Über Exkursionen zu und Besuche in politischen Einrichtungen, wie z. B. dem Deutschen Bundestag oder bei einem Bezirksbürgermeister konnten sie Kontakte knüpfen. Im Herbst 2009 haben rund 20 Absolventinnen und Absolventen die einjährige Weiterbildung mit dem Zertifikat „BerlinKompetenz“ abgeschlossen. Aufgrund des großen Erfolges ist derzeit eine weitere Fortbildung in Vorbereitung.
Die Weiterbildungsreihe wurde von der Muslimischen Akademie durchgeführt, von der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales, wie sie damals hieß, unterstützt und vom BAMF finanziert. Insgesamt umfasste das Angebot acht Themenblöcke unterteilt in zwei Einheiten à vier Stunden. 25 Imame hatten sich angemeldet, die Teilnehmerzahl schwankte zwischen 19 und 25.
Die Weiterbildung war ein großer Erfolg, sowohl aus der Perspektive der Imame als auch aus der Perspektive verschiedener Akteure, die im Rahmen von Exkursionen und Besuchen der Imame teilweise zum ersten Mal Kontakt mit dieser Gruppe überhaupt bekamen. Daraus haben sich im Laufe der Zeit auch Netzwerk- und Kooperationsstrukturen entwickelt. Generell kann man sagen, dass die Weiterbildung auch zum Abbau von Vorurteilen und Stereotypen auf beiden Seiten beigetragen hat. Umso bedauerlicher ist die Tatsache, dass eine Neuauflage des
Weiterbildungsangebotes der Muslimischen Akademie im Jahr 2011 nicht angenommen wurde. Da sich zu wenige Teilnehmerinnen und Teilnehmer angemeldet hatten, konnte die Weiterbildung nicht stattfinden. Ein Problem schien hierbei darin zu liegen, dass viele Imame, insbesondere von der Ditip, nur kurz in Berlin sind.
Wir als SPD-Fraktion sehen im Ergebnis diese Sprach- und Integrationskurse als ein freiwilliges Angebot für Imame und Seelsorger und Seelsorgerinnen an. Bevor erneut eine Weiterbildung angeboten wird, muss ein Sondierungsgespräch mit Vertretern der Moscheegemeinden und der Dachverbände stattfinden, um abzuklären, welche Bedarfe und Wünsche die Gemeinden haben.
Danach sollen die Finanzierungsmöglichkeiten geprüft werden, und insbesondere muss die Frage erörtert werden, wie diese Querschnittsaufgabe durch unterschiedliche Senatsverwaltungen zukünftig gehandhabt wird. Aus diesem Grunde bitte ich Sie, unseren Berichtsauftrag – denn es ist ein Berichtsauftrag, das will ich hier noch mal klarstellen – zu unterstützen. Ich hoffe, dass Sie diesem Antrag stattgeben werden. – Herzlichen Dank!
Kleinen Moment! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lauer? Ein bisschen Zeit haben Sie noch.
Nein danke, sagt er. Gut, dann erteile ich jetzt dem Kollegen Taş für die Fraktion Die Linke das Wort. – Bitte sehr!
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Dregger! Sie müssen in erster Linie die gesellschaftliche Realität in dieser Stadt in Deutschland anerkennen.
Der Antrag der Koalitionsfraktionen erscheint daher nicht gerade sehr sinnvoll. Wie in der Begründung ausgeführt, sind die Imame und islamischen Religionslehrer tatsächlich nur für eine begrenzte Zeit in Berlin. Sie haben in der Regel keine Sprachkenntnisse und Kenntnisse über die Strukturen, über die sozialen Beziehungen in unserem Land, es sei denn, sie sind in der Bundesrepublik geboren bzw. aufgewachsen, auch solche gibt es nämlich. Diese Imame und islamischen Religionslehrer haben aber einen
sicherlich nicht unbedeutenden Einfluss auf das Verhalten der Kinder und der Erwachsenen, die sie zu betreuen haben. Sie könnten ihrer Aufgabe besser nachkommen und das Zusammenleben durchaus fördern, wenn sie durch Sprach- und Integrationskurse besser für ihre Aufgabe ausgerüstet wären.
Ich erinnere mich, dass der Türkische Elternverein Berlin-Brandenburg in den Neunzigerjahren in Zusammenarbeit mit dem Erziehungsattaché des türkischen Generalkonsulats für Lehrkräfte, die meist nachmittags Türkischunterricht erteilt haben, Seminare über das politische System und das Bildungssystem in Berlin angeboten hat. Durch Kontakte mit den konsularischen Vertretungen der Heimatstaaten könnte am Ende sicherlich ein reger Besuch der Sprach- und Integrationskurse erreicht werden. Es wäre sicherlich angebracht, die Sprach- und Integrationskurse auf die Lehrkräfte, die Türkischunterricht erteilen, auszuweiten. So weit, so gut.
Die Linke ist aber kein Befürworter dessen, dass die Regierungen und das Personal der ehemaligen Heimatländer hier so gesellschaftlich wichtige Aufgaben übernehmen. Dies geschieht nicht nur aus grundsätzlichen Erwägungen heraus, sondern deswegen, weil diese Menschen Teil unseres Landes sind und wir uns um ihre berechtigten Belange zu kümmern haben, und auch, weil wir mit den politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen der Entsendestaaten und damit auch mit dem, was durch diese Personen eventuell vermittelt wird, sicherlich nicht immer einverstanden sein können.
Deshalb sollten wir bei dieser Gelegenheit einen kurzen Rückblick wagen und darüber nachdenken, warum wir uns in dieser Lage befinden. Die jahrzehntelang verfolgte Realitätsverweigerung, die Wir-sind-kein-Einwanderungsland-Ideologie ist hier der Kern des Übels.
Das Recht auf Förderung der Muttersprachen wurde und wird weiterhin negiert, aber auch die berechtigten religiösen Bedürfnisse wurden, wie bereits gesagt, lange Zeit negiert. Ich kann mich noch daran erinnern, dass 1988 die damalige Schulsenatorin Frau Dr. Laurien auf einen Vorstoß der GEW Berlin zur Einführung eines islamischen Religionsunterrichts wörtlich antwortete: Es gibt keinen Handlungsbedarf. – Wenn die Politik keinen Handlungsbedarf sieht, sehen eben andere einen Handlungsbedarf, und das ist dann nicht immer in unserem Sinne.
Da die FDP nach Berlin auch nicht mehr im Bundestag vertreten ist – und darüber bin ich persönlich auch nicht traurig –, darf ich Hans-Dietrich Genscher zitieren: Die Probleme suchen sich ihre Lösungen. – Langfristig wären der Berliner Senat und die Koalitionsfraktionen gut be
raten, sich Strategien zu überlegen, wie diese Importlösung durch, ich will es mal so formulieren, landeseigene Maßnahmen ersetzt werden könnten. Dies wäre ein weiterer Schritt zur Anerkennung und Gleichbehandlung der Migrantencommunities und würde uns vor allem vor zweitbesten Lösungen bewahren. – Herzlichen Dank!
Vielen Dank, Herr Kollege Taş! – Für die Piratenfraktion hat jetzt der Kollege Reinhardt das Wort. – Bitte sehr!
Danke schön, Herr Präsident! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich fange einmal vorn an, inhaltlich. Die Piratenpartei hält Sprache für den Schlüssel zur Bildung und steht deshalb den Sprach- und Integrationskursen und auch der Ausweitung dieser Kurse durchaus positiv gegenüber. Wir vertreten die Auffassung – ich zitiere aus unserem Parteiprogramm:
dass jedem unabhängig von seinem Alter und seiner Nationalität bzw. Staatszugehörigkeit zu ermöglichen ist, an kommunalen und staatlichen Bildungseinrichtungen auf qualitativ hohem Niveau die deutsche Sprache als Alltagssprache zu erlernen.
Das gilt natürlich auch für Menschen, die nur kurz in Deutschland leben oder deren Aufenthaltsstatus prekär ist. Insofern ist die grundsätzliche Ausrichtung bezüglich der Sprachkurse von uns zu unterstützen bzw. ist es schwer, diese abzulehnen.
Aber gucken wir uns einmal die Realität an. Sprach- und Integrationskurse sind wichtig. Das streitet keiner ab. Der Bedarf ist in der Tat sehr groß. 2011 – ich zitiere das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – haben rund 100 000 Zuwanderinnen und Zuwanderer einen Integrationskurs des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge begonnen. Dies sind rund 10 Prozent mehr als im Vorjahr. Das Problem ist also nicht die Nachfrageseite, sondern die Angebotsseite. Die Staatsministerin für Migration und Flüchtlinge, Maria Böhmer, räumt deshalb auch regelmäßig Finanzierungslücken ein. 2010 – das Problem ist seitdem vermutlich nicht besser geworden – warteten 20 000 Menschen auf einen Kursplatz. Die Mittel für diese hoch gelobten Integrationskurse wurden aber gerade jüngst auf Bundesebene um 15 Millionen Euro gekürzt. Also: Nachfrage ist hoch, Angebot ist niedrig, Mittel werden gekürzt. Sie sehen das Problem an der Stelle.
Viele Menschen können sich diese Kurse nicht leisten oder sind davon auf ungerechtfertigte Art und Weise
ausgeschlossen. Seit vielen Monaten weisen die Kirchen, die Wohlfahrtsverbände, Flüchtlingsinitiativen und viele weitere Partner darauf hin, dass zum Beispiel geflüchteten und geduldeten Menschen in Deutschland dieser Bildungserwerb versperrt ist. Der Grund unter anderem: Die schwarz-gelbe Bundesregierung ermöglicht ihnen nicht die Teilnahme an den Kursen des Bundesministeriums. Mehrere Bundesländer haben deshalb eigene Gelder bereitgestellt, um solche Kurse für Flüchtlinge und Geduldete anzubieten. Berlin leider noch nicht. Aber: Letzten Donnerstag haben wir uns einstimmig im Integrationsausschuss darauf verständigt, dass wir 300 000 Euro zusätzlich bereitstellen wollen im aktuellen Haushalt, damit zumindest die Sprachkurse auf Berliner Ebene möglich sind. Jetzt kommt mein Appell: Ich hoffe sehr, dass die Koalition zu diesem Commitment steht und innerhalb der laufenden Haushaltsverhandlungen dieses nicht revidiert. – Jetzt könnte man mal klatschen.
Jetzt aber zu dem Antrag, den die CDU heute zur Priorität gemacht hat. Der Antrag zeigt, dass Sie die richtig wichtigen Probleme im Bereich der Migrations- und Integrationspolitik nicht anpacken. Gerade deswegen – die Anträge aus dem Bereich Integration aus den letzten zwei Jahren zeigen das eigentlich durchweg – besprechen wir heute wieder einmal einen Minimalkonsensantrag der Koalition. Das ist eigentlich schon peinlich genug. Was der Antrag konkret will, ist schleierhaft. Da muss ich ganz ehrlich sagen: Respekt meiner Kollegin Kahlefeld, dass Sie sich so viel Mühe gemacht haben bei der Vorbereitung Ihrer Rede. Wir sind davon ausgegangen, dass der Antrag gar nicht dran kommt, so schlecht ist der.
Im Kern wirft er mehr Fragen auf als er beantwortet. Einige der Fragen sind: Wie viele Imame gibt es? – Es wurde eben schon gesagt: Wissen wir nicht, es sind mehr als 80. Für mehr als 80 muss ich natürlich gleich einen Antrag machen. – Wie viele davon wollen aus welchen Gründen überhaupt nicht an den Sprachkursen teilnehmen? Gibt es dazu Studien? – Auch unbekannt. Wie soll das finanziert werden, denn es müsste eigentlich eine konkrete Mehrfinanzierung geben. Die Haushaltsverhandlungen sind mittendrin, da kommt nichts von Ihnen. Bundes- oder Landesmittel? Warum diese Fixierung auf diese eine Religion? Warum der Islam? Es gibt doch genug Menschen, die Sprachkurse machen wollen – das habe ich Ihnen gerade dargelegt – verschiedenster Religionszugehörigkeit. Diese Fixierung auf eine bestimmte religiöse Gruppe ist der Sache nicht angemessen.
Außerdem gefällt mir der Unterton in diesem Antrag auch überhaupt nicht. Sie unterstellen in der Begründung Imamen und islamischen Religionslehrern, dass Sie keine deutschen Sprachkenntnisse und kein Mindestmaß an
politischer Bildung hätten. Die Befürchtung ist: Jetzt kommt demnächst noch ein Antrag, der eine Deutschpflicht für Imame fordert, wie auch immer. Übrigens ist der Antrag grammatikalisch nicht in Ordnung, da müssen Sie noch einmal draufschauen.
Mein Fazit: Dieser Antrag ist unnötig, wirkt isolierend, unterschwellig schuldzuweisend, und außerdem wäre es wahrscheinlich egal, wenn er tatsächlich angenommen wird, denn da steht nichts Konkretes drin, was der Senat tun muss. Insofern wird daraus nichts Konkretes resultieren.