Protocol of the Session on September 26, 2013

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Ich verstehe nicht, warum die CDU, die ja für sich in Anspruch nimmt, am meisten von Geld zu verstehen, so versessen darauf ist, die Gewinne bei fremden Investoren zu belassen. Jetzt kommen Sie mir sicherlich mit dem Argument, Private seien grundsätzlich effizienter und Energie- und Netzbetrieb seien unkalkulierbare Risiken. Das haben wir alles beim letzten Mal gehört, aber das ist Unsinn, und das wissen Sie alle, und zwar aus drei Gründen.

Erstens: Wenn alles so ein riskantes und schlechtes Geschäft wäre, warum kämpft dann Vattenfall mit Händen und Füßen um das Netz? Warum stehen private und öffentliche Konsortien Schlange, um Berliner Netze betreiben zu können?

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Zweitens: Wir haben in Berlin mittlerweile, mit wenigen Ausnahmen, überwiegend erfolgreiche und solide kommunale Unternehmen, die die Berliner etwa am Wohnungsmarkt mit günstigen Wohnraum versorgen und dennoch Gewinne abwerfen, wir haben mit der IBB eine Förderbank, die die Wirtschaft fördert und darüber hinaus Gewinne an den Landeshaushalt abführt, und mit der BSR haben wir einen Entsorger, der bei den Kosten im Bundesvergleich auch ganz gut dasteht. Also: Kommunale Unternehmen können grundsätzlich genauso gut wirtschaften wie Private, wenn der Rahmen stimmt.

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Der Mythos, Private seien immer billiger, trifft so nicht zu.

(Harald Wolf)

Drittens: Im Bereich der Energieversorgung herrscht seit Jahren ein regelrechter Kommunalisierungsboom. Energiegenossenschaften haben in den letzten Jahren mehr als die Hälfte aller Genossenschaftsgründungen ausgemacht. Dabei gibt es jede Menge Erfolgsgeschichten. Mir ist kein Fall bekannt, bei dem eine Kommune diesen Schritt bedauert hätte – im Gegenteil. Heute auch sehr glücklich sind diejenigen, die von vornherein darauf verzichtet haben, ihre Stadtwerke aus der Hand zu geben.

Natürlich gibt es auch Risiken. Aber die sind vergleichsweise gut kalkulierbar. Wenn Sie meinen, Risiken minimieren zu wollen, dann steigen Sie lieber aus der Flughafengesellschaft aus, verzichten Sie auf die Landesbibliothek am Tempelhofer Feld oder stoppen Sie den Ausbau der A 100.

[Beifall bei den PIRATEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Das sind auch alles Kostenrisiken, die Sie dann nicht eingehen dürften, und zwar von ganz anderen Dimensionen.

Zu dem Argument, das auch immer wieder genannt wird, durch das Gesetz würde das Land gar nicht in den Besitz des Netzes gelangen, weil es ein unparteiisches Vergabeverfahren gibt: Genauso ist es. Deshalb fordern wir, dass Sie endlich ein Stadtwerk und eine Netzgesellschaft auf die Beine stellen, die den Namen auch verdienen, und als Gewinner aus dem Verfahren überhaupt hervorgehen können.

[Beifall bei den PIRATEN]

So halbherzig, wie Sie das derzeit betreiben, könnte man meinen, Sie wollen im Vergabeverfahren gar nicht gewinnen.

Das wird aber nicht funktionieren. Denn wenn Sie es nicht hinbekommen, bei der Bewerbung erfolgreich zu sein, werden Sie zum Gespött der Stadt werden. Herr Müller wird derjenige sein, der es nicht geschafft hat, in einem Vergabeverfahren, das Finanzsenator Nußbaum betreibt, erfolgreich zu sein. Ich frage mich, was die Berliner und die Genossen in der Partei dazu wohl sagen werden.

Ich sehe, meine Redezeit wird etwas knapp. – Nutzen Sie den Volksentscheid, um dieses Szenario abzuwenden. Denn bekommen Sie das nicht hin, wird am 3. November mit Sicherheit eines von zwei Szenarien eintreten: Entweder stehen Sie vor den Scherben Ihrer Energiepolitik oder Sie werden dastehen wie Olaf Scholz am letzten Sonntag und es von den Berlinerinnen und Berlinern schwarz auf weiß haben, dass sie ihre Energieversorgung selbstbestimmt organisieren wollen. – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Danke schön! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. – Ich lasse nun abstimmen, und zwar zunächst über den Antrag der Fraktion der CDU. Wer diesem Thema – Stichworte: Wirtschafts- und Technologieförderung – zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen und der fraktionslose Kollege. Gegenstimmen? – Das sind die Oppositionsfraktionen. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Ersteres war die Mehrheit. Dann rufe ich dieses Thema für die Aktuelle Stunde unter Tagesordnungspunkt 3 auf. Die anderen Anträge auf Aktuelle Stunde haben damit Ihre Erledigung gefunden.

Ich möchte auf die vorliegende Konsensliste hinweisen und auf das Verzeichnis der Dringlichkeiten. Ich gehe davon aus, dass allen eingegangenen Vorgängen die dringliche Behandlung zugebilligt wird. Sollte dies im Einzelfall nicht Ihre Zustimmung finden, bitte ich um entsprechende Mitteilung.

Ich rufe auf,

lfd. Nr. 1:

Mündliche Anfragen

gemäß § 51 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

Drucksache 17/MA36

Die erste Mündliche Anfrage stellt Herr Abgeordneter Daniel Buchholz von der SPD-Fraktion über

Weiterentwicklung der Tempelhofer Freiheit

Bitte schön, Herr Kollege!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senat:

1. Wie ist der aktuelle Informations- und Beteiligungsstand bei der geplanten Weiterentwicklung des Tempelhofer Feldes?

2. In welchem Umfang sind weitere Bau- und Wohnflächen denkbar, und in welcher Größenordnung sollen Grün- und Freiflächen erhalten bzw. entwickelt werden?

Es antwortet Herr Senator Müller. – Bitte schön!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter Buchholz! Ihre Frage geht eigentlich über den Rahmen einer Mündlichen Anfrage hinaus, weil so viel passiert ist. Insofern bitte ich

(Pavel Mayer)

um Verständnis, dass es jetzt ein bisschen dauert, bis ich alles beantwortet habe. Aber, die Kollegen freuen sich schon.

Zu Ihrer Frage 1: Am 6. März 2013 habe ich den Masterplan zur Entwicklung des Tempelhofer Feldes in einer öffentlichen Veranstaltung im Flughafengebäude vorgestellt. Im Fokus standen die Themen Schaffung von bezahlbarem Wohnraum an den Rändern des Tempelhofer Feldes, der Masterplan selbst sowie die Entwicklung der Parklandschaft von 230 Hektar freier Fläche. Rund 600 Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten wir bei dieser Veranstaltung. Die Standortkonferenz wurde per Livestream im Internet übertragen, alle Reden sind festgehalten und im Internet abrufbar, ebenso wie die Videomitschnitte der Reden. Am 9. März 2013 fand eine öffentliche Bürgerveranstaltung Stadtwerkstatt in der Zollgarage statt, in der die Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit hatten, an einzelnen Thementischen mit Vertretern der Verwaltung und der Projektgesellschaften vertiefende Aspekte zum Masterplan zu besprechen und zu diskutieren. Auch daran haben rund 500 Interessierte teilgenommen.

Am 23. April und am 12. Juni fanden weitere Werkstätten zum Thema Vernetzung des ehemaligen Flughafengeländes mit den umgebenden Bezirken statt. Denkmalschützer, Architekten sowie Vertreter der für die Gebäudeentwicklung verantwortlichen Tempelhof Projekt GmbH diskutierten am 17. August in einer Werkstatt über die aktuelle Nutzung und die Zukunft des denkmalgeschützten Flughafengebäudes. Zu dieser öffentlichen Veranstaltung kamen ca. 350 Besucherinnen und Besucher in die Haupthalle des Flughafens Tempelhof. Zuvor hatten die Besucher die Möglichkeit, das Gebäude in geführten Touren zu besichtigen.

Am 21. August kam der Nutzerbeirat Parklandschaft zu einer konstituierenden Sitzung zusammen. Das neu geschaffene Beteiligungsgremium wird sich regelmäßig mit nutzungsbezogenen und gestalterischen Aspekten der Parkentwicklung beschäftigen sowie Empfehlungen und Lösungsvorschläge bei möglichen Interessenkonflikten entwickeln. Die Ergebnisse sollen in den Entwicklungsprozess der Parklandschaft eingebracht werden. Die im Nutzerbeirat vertretenen Gruppen spiegeln die Vielfalt der aktuellen und künftigen Nutzerinnen und Nutzer wider. Eingeladen wurden Jugendliche, Senioren, Migranten, Menschen mit Behinderungen, Vertreterinnen und Vertreter der Sportvereine, die Pionierprojekte der Tempelhofer Freiheit, Nachbarschafts- und Bürgerinitiativen sowie Naturschützer.

Bei einer Pressekonferenz am 12. September habe ich dann gemeinsam mit den Verständen der DEGEWO, der Stadt und Land und der IDEAL Wohnungsbaugenossenschaft das Konzept der künftigen Bebauung am Tempelhofer Damm vorgestellt und einen Letter of Intent unter

zeichnet. Mit dieser Vereinbarung zum Wohnquartier am Tempelhofer Damm wurden die formulierten Ziele, die Entwicklung moderner, urbaner Wohnquartiere mit bezahlbarem Wohnraum für das Tempelhofer Feld, untermauert. Die ersten Planentwürfe für die Bebauungspläne am Tempelhofer Damm und am Südring werden vom 26. September bis zum 1. November in einer Ausstellung im Flughafen Tempelhof der Öffentlichkeit vorgestellt, um diese frühzeitig in die Bebauungsplanverfahren einzubinden. Die Pläne für die Wohnbebauung an der Oderstraße sowie für einen Sportpark im Südosten des Areals folgen dann 2014.

Am Montag, den 30. September und am Donnerstag, den 10. Oktober sind Kinder und Jugendliche herzlich eingeladen, an Führungen durch die Ausstellung teilzunehmen und sich zur Planung zu äußern. Schulklassen haben die Möglichkeit, Termine für den Zeitraum nach den Herbstferien bis Ende der Auslegungsfrist zu vereinbaren.

Nach den Herbstferien in Berlin werden die Pläne in einer öffentlichen Erörterungsveranstaltung mit mir im Hangar 2 des Flughafens Tempelhof noch einmal präsentiert und mit den Bürgerinnen und Bürgern diskutiert. Die Stadtwerkstatt B-Planverfahren findet am 15. Oktober statt.

Neben der formal vorgeschriebenen Bürgerbeteiligung der Bevölkerung im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens wird es noch darüber hinausgehende Partizipationsformate bei der Entwicklung der Tempelhofer Freiheit geben. Parallel zur frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung wird am 29. und 30. November mithilfe einer sogenannten Planungszelle ein Bürgergutachten erstellt. Dies ist ein Instrument der Bürgerbeteiligung, mit dem per Stichprobe ausgewählte Bürgerinnen und Bürger aus ganz Berlin Empfehlungen für den weiteren Planungsprozess geben. Eine Gruppe von 50 Personen wird sich mit den konkreten Planungsinhalten beschäftigen und im Ergebnis ein Bürgergutachten erstellen. Das Bürgergutachten wird im weiteren Planungsprozess genauso behandelt, wie die Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange, die im Rahmen der formalen Beteiligung einbezogen werden.

Zu Ihrer Frage 2: Der Masterplan zur Entwicklung des Tempelhofer Feldes stellt die strategische Basis für die künftige Entwicklung der Stadtquartiere an den Rändern der Parklandschaft dar. Im Zentrum der Entwicklung steht der 230 Hektar große Park. Dieser bleibt auch in Zukunft unbebaut und wird für Erholungs- und Freizeitaktivitäten weiter qualifiziert. Nur an seinen Rändern werden in den kommenden Jahren weitere Stadtquartiere entstehen, bei denen die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum im Fokus steht. Die bebaubaren Flächen der Quartiere Tempelhofer Damm, Südring und Oderstraße umfassen insgesamt eine Fläche von 58 Hektar. Auf

(Bürgermeister Michael Müller)

diesen Flächen können je nach Wohnungsgröße ca. 4 200 bis 5 000 Wohnungen entstehen.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Herr Kollege Buchholz, haben Sie eine Nachfrage? – Bitte schön, dann bekommen Sie das Wort.

Herr Senator! Teilen Sie meinen Eindruck, dass sich jetzt viele Bürgerinnen und Bürger auch mal ehrlich machen müssen? Entweder man ist dafür, bezahlbaren neuen Wohnraum in der Stadt zu schaffen – wir reden ja nur über die Bebauung an den Rändern, die große grüne Freifläche soll erhalten bleiben –, dann kann man aber nicht gleichzeitig gegen so eine Bebauung sein. Wie schätzen Sie da die Unterschriftensammlung des neu gestarteten Volksbegehrens ein, wo mitunter, glaube ich, bei der Unterschriftensammlung am Rande des Feldes der Eindruck erweckt wird, es ginge um eine Totalbebauung des ganzen Feldes?

Bitte schön, Herr Senator!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter Buchholz! Dass Bürgerinnen und Bürger und insbesondere die direkten Anwohner durchaus auch kritisch diskutieren und unsere Pläne hinterfragen, das – finde ich – muss Politik aushalten als eine Selbstverständlichkeit. Dafür macht man die Beteiligungsverfahren, die ich Ihnen gerade dargestellt habe, damit es eine Auseinandersetzung um bessere Konzepte gibt und dass man gemeinsam etwas weiterentwickelt. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Aber Sie haben schon recht mit Ihrer Nachfrage. Ich denke auch, dass sich eine aktive Bürgergesellschaft dahin gehend engagieren sollte, dass sich Stadt weiterentwickelt. Dazu gehört auch, dass wir soziale Infrastruktur und bezahlbaren Wohnraum in unserer Stadt haben. Es geht nicht, dass man sich dafür einerseits immer engagiert, aber in dem Moment, wo es konkret wird, dann keinen Ort für geeignet hält, um dann auch wirklich bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Ich glaube allerdings, das zeigen auch unsere ersten Erfahrungen mit diesen Beteiligungsformaten, dass es auch viel Zuspruch gibt, dass es auch viele gibt, die sagen: Ja, genau das, an den Rändern weiterentwickeln und die Freifläche erhalten, ist etwas, was wir unterstützen wollen.