Protocol of the Session on September 12, 2013

Vielen Dank! – Für die Piratenfraktion hat Herr Kollege Delius das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Vielen Dank! Sehr geehrte Damen und Herren! Erst einmal auch von mir an dich, Özcan: danke für die Zusammenarbeit bisher! Wenn das wirklich deine letzte Rede im Plenum war, wünsche ich dir viel Glück, wenn nicht, dann sehen wir uns noch einmal. Auf jeden Fall wird es der letzte Antrag gewesen sein, den du hier gestellt hast.

Dementsprechend möchte ich mich auch bei den Grünen bedanken, dass sie das Thema zumindest in dieser Legislaturperiode per Antrag wieder auf die Tagesordnung gebracht haben. Frau Bentele! Wir sind uns auch im Ausschuss bis auf die SPD einig gewesen, dass es ein Thema ist, das in dieses Parlament gehört. Die frühe Einschulung

(Hildegard Bentele)

bzw. der Einschulungsvorgang, auch der Übergang von der Kita zur Grundschule ist für die Eltern, Schulen und Kitas ein Thema und sollte auch für uns eines sein. Insofern passt es doch, dass die Grünen den Antrag gestellt haben.

Dennoch, und weil wir uns ausführlich darüber unterhalten haben, bleibt festzustellen, dass – das habe ich eingangs schon in der ersten Lesung gesagt – Korrelation nicht Kausalität gleichzusetzen ist. Es gibt bisher keine Beweise und keine Gutachten, die sich mit dem Thema so weit beschäftigen, dass sie sagen können, dass die frühe Einschulung schädlich ist. Das ist nicht so. Dafür gibt es keine Beweise. Man kann als Indizien den PISA-Test heranziehen, man kann auch andere Vergleiche heranziehen, aber es gibt genau dazu keine Untersuchung.

Unserer Meinung nach ist auch nicht die frühe Einschulung das Schädliche, sondern der Stichtag an sich. Der Stichtag trägt einem entwicklungspsychologischen Modell Rechnung, das einfach nicht mehr aktuell ist. Wir haben mehrfach im Ausschuss darüber gesprochen, dass es kein Über-den-Kamm-Scheren von jungen Menschen und Kindern, die eingeschult werden sollen und können, geben kann, wenn es darum geht, wann sie schulpflichtig werden.

[Beifall von Philipp Magalski (PIRATEN)]

Entwicklungspsychologisch gibt es ein Spektrum, das man dort ansetzen muss. Das hat uns auch der Staatssekretär Rackles in einer Kleinen Anfrage völlig richtig beschrieben, in dem er gesagt hat:

sich aber bei gleichaltrigen Schulanfängerinnen und Schulanfängern um drei bis vier Jahre unterscheiden kann.

Es ging um die Frage, wann man schulpflichtig oder schuleingangsfähig sein kann.

Diese drei bis vier Jahre – wir sind von vier Jahren ausgegangen – kommen auch in unserem Antrag vor. Dem tragen wir Rechnung, indem wir vor allen Dingen die Rückstellung und den ganzen Vorgang der Einschulung flexibilisieren und vereinfachen wollen. Das wollen wir genau tun. Es ist völlig richtig, was Frau Kittler gesagt hat. Es gibt schon teilflexible Regelungen im Schulgesetz. Es ist aber so, dass die noch frühere Einschulung leichter für Erziehungsberechtigte und Eltern leichter zu bewerkstelligen ist als die derzeitige Rückstellung. Dieses Ungleichgewicht wollen wir mit unserem Antrag beheben.

Was wollen wir genau? – Wir wollen, dass das Kitagutachten abgeschafft wird. Es ist auch eine Entlastung für die Fachkräfte. In diese Richtung geht auch – das hat Frau Bentele gerade schon ausgeführt – die Bestrebung der Senatorin. Das begrüßen wir. Wir wollen, dass alle begründeten und fristgerecht eingereichten Anträge auf Rückstellung erst einmal als genehmigt gelten und erst

dann – das ist der dritte Punkt –, wenn die Schulbehörde, die Schulaufsichtsbehörde, die Kita, Erzieherinnen oder die schulpsychologische Untersuchung, meinetwegen auch die Sprachstandsfeststellung belegen, dass ein zusätzlicher oder weiterer Förderbedarf besteht, bis das Kind schulfähig wird, solche Anträge abgelehnt werden. Das ist das, was wir im Antrag auch in der Begründung als Beweisumkehr beschrieben haben.

Das wäre eine vernünftige flexible Regelung, die dazu führen würde, dass Rückstellungen einfacher werden. Das würde wahrscheinlich der Grünen-Fraktion entsprechen, dass gleichzeitig aber auch dem Rechnung getragen wird, was der Wirklichkeit entspricht, dass Kinder im Alter von vier bis acht Jahren völlig unterschiedlich und völlig individuell – wegen der Stichtage – schulfähig oder nicht schulfähig sind. In Richtung CDU sagen wir, dass wir unseren Schwerpunkt auf die Elternentscheidung legen, was in der Phase meiner Meinung nach auch völlig gerechtfertigt ist.

Bei früheren Einschulungen bleibt nur noch der besondere Sprachförderbedarf übrig. Der ist auch das Kriterium, das wir für die Schulfähigkeit ansetzen würden.

Grundsätzlich bleibt noch festzustellen, dass Kitas in Berlin längst Bildungseinrichtungen sind. Das ist auch etwas, was wir wollen und was wir weiter fördern wollen. Wir wollen keine Vorschulklassen oder Vorklassen wieder einführen. Das halten wir für den falschen Weg. Das würde die Anstrengungen der letzten Jahre auch zunichtemachen. Wir müssen den Übergang bzw. die individuelle Förderung in den Kitas und danach auch in der Grundschule weiter fördern und die Bildungsangebote ausbauen, dann klappt es auch mit der Einschulung besser.

Ganz zum Schluss noch zum Antrag der Grünen, den wir jetzt leider nicht besprechen, der passt nämlich auch zum Thema, was den Übergang angeht. Die Idee, die Kooperationskitas im Übergang zur Grundschule wie auch bei der Schulplatzvergabe zu berücksichtigen, finden wir gut, und dem wäre zuzustimmen, wenn man der konsequenten Ansicht folgt. – Danke.

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zu dem Gesetzesantrag auf Drucksache 17/588 empfiehlt der Bildungsausschuss mehrheitlich – gegen Grüne, bei Enthaltung Linke und Piraten – die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion Die Grünen. Gegenstimmen? – Das sind die Koalitionsfraktionen und der

(Martin Delius)

fraktionslose Kollege. Enthaltungen? – Bei den Piraten und bei der Fraktion Die Linke.

Zu den Gesetzesanträgen auf der Drucksache17/1082 und 17/1137 wird jeweils die Überweisung an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht, dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 7:

Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid

Antrag der Piratenfraktion Drucksache 17/1113

Erste Lesung

Hierzu: Änderungsantrag der Piratenfraktion Drucksache 17/1113-1

Der soll für heute vertagt werden. Gibt es da Widerspruch? – Das ist nicht der Fall.

Die lfd. Nr. 8 war bereits Priorität der SPD-Fraktion. Der Tagesordnungspunkt lfd. Nr. 9 steht als vertagt auf der Konsensliste.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 10:

Jugendmedienschutz und Novellierung des JMStV

Schriftliche Antwort Drucksache 17/1072

auf die Große Anfrage der Piratenfraktion Drucksache 17/0848

Zunächst erteile ich das Wort dem Regierenden Bürgermeister für eine über die schriftliche Antwort hinausgehende Stellungnahme. – Bitte schön, Herr Regierender Bürgermeister!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst einmal festhalten: Es gibt beim Jugendmedienschutz viele positive Entwicklungen, auch wenn die Novellierung des Staatsvertrages dazu im ersten Anlauf gescheitert ist.

Die Aufmerksamkeit für das Thema ist gestiegen, in der Politik, aber vor allem in der Gesellschaft insgesamt. Immer deutlicher wird dabei, dass Medienkompetenz für moderne Erziehung zu einem zentralen Kriterium werden muss, sei es im Elternhaus oder in der Schule.

[Zuruf von den GRÜNEN: Wir wollen einen Runden Tisch!]

Zwei Dinge sind dabei wichtig: Aufklärung und Transparenz. Aufklärung bedeutet, dass neben den großen Chan

cen der neuen Informationsmedien und -techniken immer auch über Risiken und Gefahren informiert werden muss. Transparenz bedeutet nicht zuletzt Hinschauen, Hinschauen durch Lehrer und Eltern, Hinschauen aber auch durch die Medienpolitik, die im raschen Wandel der Medien immer wieder nach zeitgemäßen Lösungen sucht. Gewaltverherrlichung, Verletzung der Menschenwürde, Rassismus, Diskriminierung von Minderheiten, Gefährdung der Persönlichkeitsrechte von Kindern und Jugendlichen – dies darf keinen Platz in unserer Gesellschaft haben, nicht im wirklichen Leben und auch nicht im virtuellen, nicht auf der Straße, im Stadion und in der Schule, aber auch nicht im Netz.

Wir reden heute nicht zum ersten und sicher auch nicht zum letzten Mal darüber, auf welchen Wegen wir das erreichen können. Ich sage dazu gleich zu Beginn dieser Debatte: Das darf nicht nur eine Frage der rechtlichen Regulierung sein. Wohl wahr – Straftaten müssen konsequent verfolgt werden, auch wenn es sich um Straftaten im Internet handelt. Aber die Sensibilität, die wir brauchen, erreichen wir vor allem durch Aufklärung und Dialog in der Gesellschaft, zu dem die Politik ihren Beitrag leisten muss.

Schon der bisher gültige Staatsvertrag zu Jugendmedienschutz, der seit dem 1. April 2003 in Kraft ist, ist eindeutig. Dort heißt es in § 5 zu entwicklungsbeeinträchtigenden Angeboten:

Sofern Anbieter Angebote, die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen, verbreiten oder zugänglich machen, haben sie dafür Sorge zu tragen, dass Kinder oder Jugendliche der betroffenen Altersstufen sie üblicherweise nicht wahrnehmen.

Das ist eine klare Regelung, sie gilt für Rundfunkangebote, Fernsehen und Hörfunk, aber auch für das Internet. Auch das Strafgesetzbuch gilt uneingeschränkt, also auch für Taten im Netz. Über allem steht das Grundgesetz: Artikel 5 Abs. 2 sagt sinngemäß, die Rundfunk-, die Meinungs- und Kommunikationsfreiheit findet ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, in den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

Wenn wir also über den Jugendmedienschutz sprechen, müssen wir nicht von vorne anfangen. Der Schutz von Kindern und Jugendlichen ruht auf zwei Säulen: einer technischen und einer, die auf Medienkompetenz und Aufklärung setzt. Technisch setzt der bestehende Jugendmedienschutzstaatsvertrag nicht auf Zensur, wie heute manche verlangen, sondern auf die Einrichtung der freiwilligen Selbstkontrolle. Die FSM, Freiwillige Selbstkontrolle der Multimediadienstanbieter, hat sich bewährt. Gleiches gilt für die weiteren Selbstkontrolleinrichtungen wie Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen

(Präsident Ralf Wieland)

FSF, die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft FSK und die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle USK. Unser Ziel ist es, dieses System der regulierten Selbstregulierung weiter zu stärken. Die Regelungen zur freiwilligen Selbstkontrolle sollen einen wirkungsvollen Ausgleich schaffen zwischen den verfassungsrechtlich geschützten und hoheitlich zu gewährleistenden Anforderungen an einen effektiven Jugendmedienschutz auf der einen Seite und den durch das Grundgesetz geschützten Freiheiten der Anbieter und Rezipienten auf der anderen Seite. Wo immer sich zeigt, dass die Selbstkontrolle nicht oder nicht mehr greift, muss über verschärfte Standards gesprochen werden.

Ein wichtiger Baustein dieser Selbstregulierung sind sogenannte Jugendschutzprogramme. Sie verbessern die Möglichkeiten der Nutzer, mithilfe von Jugendschutzsoftware die Anzeige von bestimmten Seiten für die jugendlichen oder kindlichen Nutzer des eigenen Computers zu beschränken oder das Laden der Seiten nach Alter zu staffeln. Auf diesem Weg sollten wir entschlossen weitergehen. Aber auch hier kommt wieder die Verantwortung der Eltern ins Spiel. Sie sollen und müssen sich erst einmal dafür entscheiden, überhaupt Schutzprogramme auf den Rechnern ihrer Kinder zu installieren. Je mehr die vorhandenen Jugendschutzprogramme eingesetzt werden, je mehr sich ihre Anwendung durchsetzt, desto mehr Kinder werden geschützt und desto mehr Onlineanbieter werden sich mit dieser Möglichkeit zur jugendmedienschutzkonformen Programmierung ihres Webauftritts beschäftigen.

Die zweite Säule des Kinder- und Jugendmedienschutzes bleibt der Ausbau der Medienkompetenz und die präventive Aufklärung. Der Staat kann dies fördern, aber in erster Linie ist das eine gesellschaftliche Aufgabe. Kinder müssen bei der Mediennutzung von Eltern und Pädagogen begleitet werden, die mit ihnen darüber sprechen und dabei ihren Sinn für Qualität schärfen. Jugendmedienschutz ist also auch ein pädagogisches Thema. Unsere Schulen fördern bei den Kindern und Jugendlichen den bewussten und verantwortungsvollen Umgang mit den Medien.