Protocol of the Session on August 29, 2013

Tatsache ist jedoch, dass wir dennoch Eltern haben, die keine entsprechende Betreuungsmöglichkeit zur Verfügung haben. Der Senat beantwortet das sogar gleichzeitig, indem er sich auch bisschen selbst widerspricht, indem er sagt:

Eine dauerhafte Finanzierung zur Sicherung der Versorgung mit flexibler Kinderbetreuung kann jedoch nicht gewährleistet werden.

Warum sorgen wir dann nicht dafür, dass es gewährleistet werden kann? Wollen wir die Eltern hier einfach im Stich lassen? Das Zeitalter, in dem man sich zwischen Familie und Beruf entscheiden musste, wollten wir doch eigentlich hinter uns lassen, oder?

[Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Regulär dürfen Kitas in Berlin von 6 bis 21 Uhr geöffnet haben. Berlinweit nutzen dieses Angebot aber nur ganze 13 Kitas, viele davon auch nur, wenn der Bedarf vorher angemeldet wurde und nicht regelmäßig. Andere haben bis 18 oder 19 Uhr offen, und selbst das sind unter anderem schon Öffnungszeiten, die relativ lang sind, denn 17 Uhr ist eher die Regel. Berlin ist eine Stadt mit modernen Eltern, die auch ihrem Beruf nachgehen wollen. Ebenso modern müssen auch wir sein und ihnen diese Möglichkeiten schaffen.

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Vielen Dank, Frau Kollegin Graf! – Für die Fraktion der SPD erteile ich jetzt das Wort dem Kollegen Eggert. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Graf! Ein wichtiges Thema haben die Piraten heute zur Priorität gemacht, und das begrüße ich. Flexible Betreuungsangebote von Kindern im Vorschulalter und daraus die Bedarfe abzuleiten, dieser Bedarf ist da, und ich folge Ihrer Begründung in vielen Punkten und vor allen Dingen auch in den Teilen, in denen Sie die Familienberichte zitieren, die eine steigende Zahl und einen steigenden Bedarf darstellen. Flexible Betreuung von Kindern ist wichtig für die Menschen – Sie haben es gerade dargestellt –, die im Schichtdienst arbeiten oder Bereitschaftsdienst leisten möchten. Aber

auch für Menschen, die in Fortbildung sind oder – und das, glaube ich, kennen wir hier auch alle ganz gut – die an Gremiensitzungen teilnehmen, sind solche flexiblen Öffnungszeiten in der Kita sehr wichtig. Zudem benötigen diese Eltern flexible Angebote, die vielleicht ein bisschen weiter gehen als das, was im Kitaförderungsgesetz als regulär aufgeführt ist. Ich finde es sehr richtig, dass wir an dieser Stelle, hier auf der Tagesordnung, dieses Thema diskutieren und dass wir das auch, und darauf haben wir uns schon geeinigt, auch in einem der nächsten Ausschüsse tun werden.

Wenn ich die Begründung und auch die drei Punkte sehe, die zu prüfen sind, sehe ich doch noch den einen oder anderen Punkt, den wir noch einmal intensiver beraten sollten. Lassen Sie mich hier und heute nur wenige Punkte aufgreifen, da es Konsens ist – wie ich eben schon sagte –, dass wir das Ganze noch einmal im Jugend-, Bildung- und Familienausschuss beraten werden.

Der Bedarf ist da und wird auch von uns als Koalition gesehen und, ich glaube, vom Senat auch. Das haben wir ja gerade schon gehört, was sich auch aus der Beantwortung der Fragen, die die Opposition gestellt hat, ableiten lässt.

[Martin Delius (PIRATEN): Aber!]

Wenn ich Ihre Begründung lese – passt hier gar nicht, steht auch gar nicht in meinem Manuskript, aber das „Aber“ nehme ich auf. – Danke, Herr Delius! – Ich stelle mir die Frage: Ist es wirklich so, dass wir nur ein Informationsdefizit haben, oder gibt es bereits Betreuungsangebote, und wir wünschen uns nur noch eine flexiblere Ausgestaltung? Ich sehe, dass wir in Berlin bereits ein Angebot haben. Wir müssen natürlich darüber reden: Wie wird es ausgebaut, und welche Möglichkeiten gibt es, es noch mehr auf die Bedürfnisse der Eltern einzurichten?

Wenn ich mir das angucke, dass sozusagen überwiegend auf das Informationsdefizit abgehoben wird, zumindest lese ich so Ihre Begründung, dann muss ich dem natürlich widersprechen. Das Haus von Frau Scheeres ist bereits seit längerer Zeit aktiv um Aufklärung bemüht. Auch im Familienbeirat – Sie sind selber Mitglied – war dieses schon mehrfach Thema, und wir haben über die Flexibilisierung dieser Angebote bereits geredet. Das Ganze zitieren Sie auch in Ihren Texten. Sie sehen, das Thema wird schon behandelt.

Ich finde – und das ist ein wichtiger Punkt –, ich habe zwei- bis dreimal lesen müssen, um zu verstehen, wie das mit dem Gespräch mit der Gewerkschaft gemeint war. Im ersten Ansatz dachte ich, es ginge hier vor allen Dingen darum, mit der Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerseite zu sprechen, welche Bedürfnisse da sind. Dann ist mir aufgefallen, in der Form der Begründung, dass es Ihnen vor allen Dingen darum geht, mit der GEW oder Verdi darüber zu verhandeln, inwieweit das zusätzliche Angebot aus Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmersicht

von den Beschäftigten in der Kita geleistet werden kann. In beiden Fällen muss ich ganz ehrlich sagen, allein nur der Fokus auf die Gewerkschaften ist mir zu wenig, denn ich sage, das ist eine Verpflichtung, die auch von Arbeitgeberseite getroffen werden muss und vor allen Dingen von denjenigen, die die Eltern beschäftigen, die dieses Angebot annehmen wollen. Ich weiß, und das wissen Sie auch, die IHK, die Vereinigung der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg und auch die Handwerkskammer sind an diesem Thema interessiert. Wir haben das, wie gesagt, im Berliner Familienbeirat auch schon mal besprochen. Ich bin aber nicht nur der Meinung, sie sollten interessiert an diesem Thema sein, ich bin der Meinung, es ist ihre Pflicht, hier zusätzlich zu dem, was der Senat anbietet und was freie Träger anbieten, auch mit einzusteigen.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Wer sich aus Arbeitgebersicht auf der einen Seite über Fachkräftemangel und fehlende Flexibilität von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern beschwert, der muss auf der anderen Seite dafür sorgen, dass Rahmenbestimmungen so gemacht werden, dass – Frau Graf, Sie haben es richtigerweise gesagt – beide Teile einer Familie arbeiten können und dass alle Menschen, die Arbeit haben möchte, sie aufnehmen können. – Den Rest werden wir im Ausschuss besprechen. Frau Graf! Ich danke Ihnen noch einmal für die Initiative, dass wir dazu beraten. – Vielen Dank! Eine schöne Beratung! Tschüss!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank, Herr Kollege Eggert! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grüne erteile ich jetzt das Wort der Kollegin Burkert-Eulitz. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Berlin ist Spitzenreiterin in vielen Bereichen. Berlin ist leider die deutsche Hauptstadt der Kinderarmut. Das liegt vor allem daran, dass die Berliner Familien einkommensarm sind. Berlin ist auch die Hauptstadt der Alleinerziehenden. Alleinerziehende Eltern sind besonders stark von Armut betroffen und befinden sich in einer Armutsfalle, der dauernden Abhängigkeit von sozialen Transferleistungen, aus der sie kaum herauskommen, vor allem, weil sie nicht wie erwartet dem wirtschaftlichen System zunehmender Flexibilität in allen Lebenslagen angepasst sind.

Wenn eine rot-schwarze Regierung, allen voran ihr Regierender Bürgermeister, Berlin als Hauptstadt des Tourismus und des Dienstleistungssektors rühmen und wir alle zu jeder Tages- und Nachtzeit einkaufen und Lokalitäten aufsuchen wollen, dann sind auch die meisten Berliner Jobs in diesen Dienstleistungsbereichen zu finden.

Diejenigen Eltern, die in der Armutsfalle sitzen, die nicht wie gutverdienende Eltern, die auch hier in diesem Raum sitzen, einen großen Teil ihres Einkommens in zusätzliche Kinderbetreuung stecken können oder die Großeltern in der Nachbarschaft haben, brauchen besondere Unterstützung, um Zeiten zwischen Job und Kita zu überbrücken.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Grundsätzlich ist der Antrag und der Ansatz der Piraten begrüßenswert, er ist aber nicht tiefgreifend genug. Wir haben ein gesellschaftliches Problem. Wie wollen wir leben, arbeiten und unsere Kinder gut großziehen? Wie wollen wir alle Eltern in die Lage versetzen, die große Aufgabe, ihren Kindern gerecht zu werden, zu erfüllen? Die Arbeitswelt und die Wirtschaft müssen endlich selbstverständlich familien- und kinderfreundlich werden. Wir brauchen nicht noch mehr Preise und Modellprojekte.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Alleinerziehende Eltern könnten als Fachkräfte gewonnen werden. Da reichen aber nicht nur längere Kitaöffnungszeiten, da braucht es eine andere Verteilung von Arbeit und Zeit. Wir haben Vorschläge dazu, da können Sie in unser Wahlprogramm schauen.

[Zuruf von der LINKEN: Was?]

Die Lebenswelt eines Kindes muss auch kindgerecht sein. Mein Modell ist nicht die Entwicklung einer Wochenkrippe, wie es sie in den Fünfziger- und Sechzigerjahren gab. Kindgerecht ist es auch nicht, die Kids in einer Woche früh um 4 Uhr in der Kita abzugeben und sie dann in der nächsten Woche nachts um 23 Uhr wieder abzuholen.

Es stimmt auch nicht, wie ich vonseiten der Senatsjugendverwaltung oft gehört habe, dass es keine Bedarfe an flexibler Kinderbetreuung gibt. Für mich ist es dann aber nicht der Ort Kita, in dem die Kids noch mehr Zeit verbringen sollen – pädagogische Arbeit ist unter diesen Umständen auch gar nicht möglich –, sondern Projekte und Unterstützungen von zum Beispiel Selbsthilfeinitiativen wie SHIA müssen ausgebaut und endlich auch verbindlich und dauerhaft finanziert werden.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Die zusätzliche Betreuung sollte meiner Meinung nach unabhängig von Kitas sein und in der Lebenswelt der Familie stattfinden, wie gesagt, wir müssen über flexible Betreuungsangebote diskutieren, aber dies muss auch über den Antrag der Piraten hinausgehen. – Danke schön.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die Fraktion der CDU hat jetzt das Wort der Kollege Simon. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir diskutieren heute den Antrag „Flexible Betreuungsangebote im Vorschulalter“, und auch ich darf den Dank aussprechen, dass die Piraten diesen Antrag zur Priorität erklärt haben.

Die CDU-Fraktion befürwortet flexible Betreuungsangebote für Kinder. Berlin soll sich nach unserem Willen – neben der Beantwortung der Frage, wie können wir unnötigen Stress bei nicht ausreichend flexiblen Betreuungsangeboten für junge Familien reduzieren – sinnvollerweise auch dem Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf widmen. Auch alle Vorrednerinnen und Vorredner haben sich ja mit dieser Frage befasst.

Auch deshalb heißt es im Koalitionsvertrag:

Der Koalition ist es besonders wichtig, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu stärken. Vor dem Hintergrund des verschärften Wettbewerbs um qualifizierte Fachkräfte werden wir weiterhin für familienfreundliche Standortbedingungen sorgen.

[Beifall bei der CDU]

Der Punkt 1 Ihres Antrags fordert den Senat zur jährlichen Analyse des Bedarfs auf. Diesen Punkt kann ich leider weder nach Ihrer schriftlichen noch nach Ihrer mündlichen Begründung so richtig nachvollziehen. Im Antrag auf einen Kitagutschein, der Anmeldung zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen, wird unter Punkt 3.5 abgefragt, für welchen Zeitraum der Betreuungsbedarf besteht. Das heißt, in den zuständigen Bezirksämtern weiß man sehr genau, für welchen Zeitraum ein Bedarf besteht. Nun bin ich ja sehr für Kommunikation und Informationsaustausch. Das muss passieren. Aber es muss doch auch klar sein, wer für was zuständig ist und wer was bearbeitet. Für Doppelarbeiten haben wir einfach zu wenig Personal in Berlin, hier sind die Bezirke zuständig.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Zu Punkt 2, der nicht so ganz klar formuliert ist, aber den ich so verstehe, dass jährlich der Bedarf mit dem Angebot in Tagespflegestellen und in Familienzentren verglichen werden soll, gilt das eben Gesagte zu Punkt 1.

Punkt 3 Ihres Antrags, die jährliche Prüfung zusätzlichen Bedarfs für jede Kita, dürfte nicht notwendig und auch nicht wirklich sinnvoll sein. Das Angebot insgesamt an flexiblen Betreuungsplätzen ist im Auge zu behalten. Hierfür könnte man zum Beispiel darüber nachdenken, auch den Kitabedarfsatlas um diese Komponente zu erweitern. Denn nicht an jeder Kita müssen aus Sicht der CDU-Fraktion über die regelmäßigen Betreuungsangebote hinausgehende flexible Betreuungsangebote gemacht werden.

Wir jedenfalls sehen auch die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Berliner Kindertagesstätten zum Beispiel an familienfreundlichen Arbeitszeiten. Und wir sehen die Notwendigkeit, mit öffentlichen Geldern möglichst sinnvoll und zielgenau umzugehen. Den Bedarf an jeder Kita, die Betreuungszeiten auszuweiten, sehen wir nicht, und wir halten das auch nicht für finanzierbar.

[Beifall bei der CDU]

Sichergestellt werden muss selbstverständlich, dass alle Familien, die einen Kitaplatz benötigen, einen solchen, der auch ihrem zeitlichen Bedarf entspricht, in räumlicher Nähe erhalten. Hier pflichte ich ausdrücklich den Ausführungen von Frau Graf bei. Hierfür setzen wir uns ein und freuen uns auf die weitere Diskussion in den Ausschüssen. – Vielen Dank.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Herr Kollege Simon! – Für die Fraktion Die Linke Frau Kollegin Möller! – Bitte schön, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Präsident! Flexible Kinderbetreuung ist ein Baustein zur Gestaltung einer familienfreundlichen Gesellschaft, für die Politik und Wirtschaft gleichermaßen verantwortlich sind – natürlich auch die Bezirke, Herr Simon.

Dieser Antrag greift die seit Jahren in dieser Stadt kontrovers diskutierte Frage nach dem tatsächlichen Bedarf an flexibler Kinderbetreuung auf – den kennt nämlich keiner, da stimme ich Frau Graf zu. Hier gibt es sehr unterschiedliche Auffassungen, mehr Fragen als Antworten. Hier geht es, denke ich, für uns zuerst darum, den politischen Handlungsbedarf klar auszumachen. Es geht dabei nicht zuerst, wie dieser Antrag meines Erachtens suggeriert, um zusätzliche Plätze, zusätzliche Betreuungsstunden und Personalaufwüchse.