Protocol of the Session on August 29, 2013

Konsequenz auf strafrechtlichen Inhalt geprüft und gegebenenfalls verfolgt? Warum zum Beispiel sind die Polizeibeamten nicht gegen den Neonazis mit den volksverhetzenden Rostock-Lichtenhagen-Parolen vorgegangen?

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Da wird eine Journalistin bei einer Kundgebung von Neonazis niedergeschlagen. Anstatt das zum Anlass zu nehmen, die Nazi-Veranstaltung aufzulösen, wird die Journalistin verdächtigt, eine linke Gewalttäterin zu sein. Was ist denn da los? Dann hören wir vom Polizeipräsidenten, die größte Gefahr seien nun Auseinandersetzungen zwischen Links und Rechts. So ein gefährlicher Unsinn. Sind wir wieder im Vor-NSU-Modus der Polizei angelangt?

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Um das ganz deutlich zu sagen – die Kollegin Pop hat völlig recht –: Keiner verharmlost hier Flaschenwürfe auf Polizisten und andere Menschen. Aber es ist noch nicht lange her, da haben in Deutschland Asylbewerberheime gebrannt. Da ist es gut und notwendig, dass sich die Zivilgesellschaft zahlreich an Gegenveranstaltungen zu rechten Demos beteiligt, sich schützend vor die Flüchtlinge stellt. Unsere größte und erste Sorge ist und muss es sein, den Schutz und die menschenwürdige Behandlung der Flüchtlinge zu garantieren. Flüchtlinge, die oftmals schwer traumatisiert sind, brauchen auch das Gefühl, dass sich Menschen hier in der Stadt für sie einsetzen. Wenn Staat und Polizei nicht imstande sind, wenigstens das Verbot von Nazi-Demonstrationen zu prüfen, dann ist zumindest denen zu danken, die Flüchtlinge unterstützen und sich dem Nazi-Spuk entgegenstellen.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Deshalb, Herr Henkel: Es war eine grobe Entgleisung, als der Innensenator in einer Pressemitteilung die Unterstützer der Flüchtlinge am Oranienplatz mit der NPD in Hellersdorf in einen Topf geworfen hat. Ich weiß nicht, welcher Teufel Sie da geritten hat, aber es wäre nur anständig, wenn Sie das zurücknehmen und sich entschuldigen.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN – Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Allerdings!]

Dort, wo Gemeinschaftsunterkünfte gebraucht werden, muss besser präventiv gegen Hetze und Anfeindungen gearbeitet werden. Das ist offensichtlich nicht überall gelungen. Daraus müssen wir lernen. Was wir brauchen – es ist bereits mehrfach genannt worden –: den Aufbau von Unterstützernetzwerken aus Zivilgesellschaft, Vereinen, Bezirksämtern, Kirchen möglichst im Vorfeld der Eröffnung einer Gemeinschaftsunterkunft. Und wir brauchen ein schlüssiges Sicherheitskonzept von Polizei und

Wachschutz zum Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner. Wir brauchen einen Konsens, dass Demokraten rassistischen Ressentiments entgegentreten. Dass Flüchtlinge Angst haben müssen, in eine bestimmte Unterkunft zu ziehen, das darf einfach nicht sein.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN - Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Berlin verzeichnet steigende Asylbewerberzahlen, aber Berlin ist in der Pflicht und auch in der Lage, damit menschenwürdig umzugehen. Senat und alle Bezirke sind dafür verantwortlich. Wer den Flüchtlingen helfen möchte und gleichzeitig Rassismus und Vorurteile bekämpfen will, muss aktiv an der Herstellung von Normalität für Flüchtlinge arbeiten. Sie müssen schnellstmöglich die Chance erhalten, in Berlin ein normales Leben als Nachbarn führen zu können. Dazu gehört auch die schnelle Eingliederung der Kinder in Kita oder Schule. Dazu gehört auch – das ist bereits angesprochen worden – die Abschaffung der Residenzpflicht und weiterer diskriminierender Sondergesetze für Flüchtlinge.

Wenn wir dann heute doch zu einer gemeinsamen Entschließung im Hause kommen werden, hoffe ich sehr, dass es nicht bei Lippenbekenntnissen bleibt. Gegen Rassismus, Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit sollten wir aktiv zusammenstehen. Wir alle hier fordern immer wieder und zu Recht die Zivilgesellschaft zum Aufstand der Anständigen auf. Das ist richtig und gut. Aber das heißt nicht, dass die Zuständigen ihre Arbeit nicht machen müssen. Helfen wir den Flüchtlingen und den Anständigen! – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Beifall von Monika Thamm (CDU) – Kurt Wansner (CDU): Eine furchtbare Rede!]

Vielen Dank, Herr Wolf! – Für die Piratenfraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Reinhardt. – Bitte sehr!

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist ja doch mal ein Ton, in dem heute diskutiert wird, der ein bisschen angenehmer ist als in vielen anderen Debatten, die wir hier schon geführt haben. Das ist gut, aber trotzdem bleibt die Verpflichtung bestehen, auf Fehlentwicklungen hinzuweisen. Der Titel der Aktuellen Stunde lautet: Berlin wird seiner Verantwortung gerecht. Die Frage lautet: Wird es das wirklich?

Fangen wir an, auf die Situation von Flüchtlingen in Berlin einzugehen. Es fängt an mit der Frage, wie diese

(Udo Wolf)

Menschen in Sammelunterkünften leben. Die Gesamtquadratmeterzahl, die jedem einzelnen Menschen zugewiesen wird, sind 6 Quadratmeter. Das haben wir schön verarbeitet in diesem Flyer „Leben auf 6 Quadratmeter“, der hier im Abgeordnetenhaus ausliegt. 6 Quadratmeter, mehr gesteht der Senat Flüchtlingen nicht zu. Ich will es ein bisschen plastischer machen. Dazu komme ich ein wenig zu Ihnen nach vorn. Bitte erschrecken Sie sich nicht.

[Redner verlässt das Redepult]

6 Quadratmeter, das ist vielleicht die Hälfte vom Kleiderschrank des Kollegen Joschka Langenbrinck,

[Heiterkeit bei den PIRATEN und den LINKEN]

vielleicht in etwa die Hälfte eines kleinen Gartenschuppens in einem Ihrer Gärten. 6 Quadratmeter, das müssen Sie sich einfach vorstellen. Das ist wichtig, denn darauf will ich auch gleich noch einmal eingehen.

Seit 2010 steigt die Zahl von Asylsuchenden in Berlin, und der Senat hat leider lange nichts dafür getan, für die Unterbringung von Flüchtlingen Vorkehrungen zu treffen. Stattdessen wurden Kapazitäten abgebaut. Im Herbst 2012 hat der Senat reagiert. Das war zu spät. Und wir fragen uns jetzt, was die aktuellen Konsequenzen aus dieser Verzögerung sind. Eine dieser Konsequenzen ist: Als die Plätze knapp wurden, musste der Senat innerhalb kürzester Zeit schnell neue Sammelunterkünfte schaffen. Er schuf Notunterkünfte zu Substandards und musste sich dann mit den CDU-Bezirksfürsten, auf die hier schon eingegangen wurde, herumschlagen, welche die Errichtung von Sammelunterkünften sabotierten. Als die Situation sich verschärfte, fing er an, die bestehenden Unterkünfte überzubelegen, und das bei einer zugewiesenen Quadratmeterzahl von 6 Quadratmetern. Am 30. Juli wies das Landesamt die Betreiber der Sammelunterkünfte an, die Mindestwohnfläche für die kommenden Wochen von 6 auf 4 Quadratmeter zu reduzieren. Jetzt schreite ich die 4 Quadratmeter nicht noch mal ab, ich hoffe, das können Sie sich jetzt vorstellen.

[Sven Rissmann (CDU): Nee!]

Nach Protesten zog der Senat die Weisung zurück, bzw. das Landesamt, und sprach von einer ungenauen Formulierung. Allerdings ist immer noch in der Diskussion, ob die Gemeinschaftsräume in den Sammelunterkünften auch für die Belegung genutzt werden. Das ist noch nicht vom Tisch, und das ist eine ganz gefährliche Sache, weil das nicht nur dazu führt, dass die Flüchtlinge in den Unterkünften massiv in ihren Lebensstandards eingeschränkt werden, sondern gleichzeitig besteht die Gefahr, dass Integrationsangebote nicht mehr wahrgenommen werden können, weil viele Ehrenamtler auf die Gemeinschaftsräume in Unterkünften angewiesen sind und deswegen die Möglichkeiten für Sprachkurse zum Beispiel entfallen. Das ist eine große Gefährdung, und das ist eine dieser Konsequenzen aus der Verzögerung durch den Senat.

Aber die Mitarbeiter im Landesamt für Gesundheit und Soziales sollen natürlich nicht nur kritisiert werden. Es soll im Gegenteil auf ihre Situation konkret hingewiesen werden. Wir haben am 13. August einen Brandbrief von Verdi bekommen, die darauf hinweisen, dass es mittlerweile im Landesamt kaum noch Möglichkeiten gebe, sich den Menschen individuell zu widmen – aufgrund der personellen Situation vor Ort. Herr Krüger, Sie haben darauf hingewiesen, dass im Haushaltsentwurf Verbesserungen vorgesehen sind. Das ist uns auch aufgefallen. Aber zum einen würde das bedeuten, dass bis lange ins Jahr 2014 die Situation sich nicht bessern wird, und zum zweiten sind die Aufstockungen im Personalbereich bei Herrn Czaja nicht ausreichend. Da fehlt vieles, und das wird nicht ausreichen, die Situation zu entschärfen. Das ist dem Brandbrief zu entnehmen, und das kann man sich auch anhand der Zahlen überlegen. Das heißt, da muss noch nachgebessert werden, und das Personal im Landesamt reicht nicht aus.

Wichtig ist aber natürlich, nicht nur auf die Sammelunterkünfte einzugehen, sondern eben auch auf die Privatwohnungen. Berlin war mal deutlich besser, wenn es darum ging, dass Flüchtlinge in privaten Wohnungen leben konnten. In den letzten drei Jahren ist der Anteil der in Sammelunterkünften statt Wohnungen lebenden Flüchtlinge in Berlin von 15 auf 50 Prozent angewachsen, die Zahl der Unterkünfte von 6 auf aktuell 30 gestiegen. Mittlerweile leben weit über 6 000 Flüchtlinge in einer Sammelunterkunft in Berlin. Es ist wichtig, dass wir gemeinsam über die Unterbringung in diesen großen anonymen Sammelunterkünften hinausdenken, denn sie diskriminieren, sie stigmatisieren und sie isolieren die Flüchtlinge. Zudem kostet die Sammelunterbringung deutlich mehr als die Unterbringung in privatem Wohnraum. Ich weiß, es wird zum Teil auch als Argument von rechten Initiativen benutzt, zu sagen: Wir wollen die Flüchtlinge hier nicht in einer Sammelunterkunft in unserer Gegend, not in my neighbourhood. Da müssen wir drüber hinausdenken. Dieses Argument gilt nicht. Aber die Forderung, Sammelunterkünfte zu überwinden und privaten Wohnraum zu nutzen, ist richtig. Sie erfordert mittelfristige Planung. Und wir haben dazu bereits zahlreiche Vorschläge gemacht. Herr Krüger, wenn Sie sagen: Na ja, so dahingeschmierte Anträge helfen nicht weiter –, ja, Entschuldigung, von Ihnen kommt gar nichts, nichts in den letzten Jahren. Sie haben keinerlei Vorschläge gemacht; Sie haben hier keinerlei Anträge dazu eingereicht. Sie haben uns an keiner Stelle erklärt, was Ihre Alternativen sind zu unseren Ideen. Solange Sie das nicht machen können, gilt, dass wir hier konkrete Vorschläge gemacht und Sie diese abgelehnt haben.

Die Unterbringung von Flüchtlingen in Sammellagern ist als gescheitert anzusehen. Der Verdacht liegt zudem nahe, dass die prekäre Situation in den Sammelunterkünften politisch gewollt ist. Offensichtlich sollen Flüchtlinge abgeschreckt werden. Von einer Willkommenskultur, die hier ab und zu gepredigt wird, kann keine Rede sein.

[Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Was wir konkret in diesem Bereich sehen, ist, dass die Unterbringung von Flüchtlingen in Wohnungen im geschützten Marktsegment mitnichten so gut läuft, wie es der Senat darstellt. Noch nicht einmal die Hälfte des Kontingents wird ausgeschöpft. Manche landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften zeigen hier so gut wie kein Engagement. Das Landesamt kann viel unbürokratischer handeln und den Bezug von privaten Wohnungen fördern statt behindern. Das muss auch passieren. Die Mietkautionen und die Genossenschaftsanteile müssen übernommen werden. Wir fordern eine unabhängige Beratungsstelle für die Wohnungssuche. Wir brauchen eine aktive Wohnungspolitik, die bezahlbaren Wohnraum für alle schafft und den Mietanstieg durch wirksame gesetzliche Maßgaben begrenzt, und die sozialhilferechtlichen Mietobergrenzen müssen für Asylsuchende genauso wie für Hartz-IV-Berechtigte an die Realitäten auf dem Berliner Wohnungsmarkt angepasst werden.

Schauen wir uns den Titel in Gänze noch mal an, wie er oben zu sehen ist. Das Thema lautet ja weiterhin: „Fair, sicher und schnell.“ Frage dazu: Wie sieht es in der Realität aus? – Noch immer werden Asylsuchende bundesweit massiv eingeschränkt in ihrer Bewegungsfreiheit durch die Residenzpflicht, die das Reisen zwischen Bundesländern oder Landkreisen erschwert. Sie werden in ihrer Arbeitsfreiheit eingeschränkt durch das allgemeine Arbeitsverbot. Durch Asylschnellverfahren an Flughäfen, durch zu wenig individuelle Betrachtung von Fluchtursachen, durch die Vorverurteilung ganzer Bevölkerungsgruppen oder aufgrund ihres sozialen Status kann man nicht davon sprechen, dass das Recht auf Asyl fair, sicher und schnell umgesetzt wird – weder in Berlin noch in Deutschland.

Wir sind uns ja in der Sache in einigen Punkten anscheinend einig. Das sollte jedoch nicht verhindern, dass wir die Augen dafür öffnen, dass noch sehr viel zu tun ist. Flüchtlinge sind keine Belastung für Berlin; sie bereichern unsere Stadt auf vielfältige Art und Weise, auch wenn das einige nicht immer wahrhaben wollen. Lassen Sie uns die Situation gemeinsam angehen!

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN]

Vielen Dank, Herr Reinhardt! – Für den Senat hat jetzt das Wort der Herr Senator Czaja. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Berlin ist eine weltoffene und für unterschiedliche Kulturen, Biographien und Lebensentwürfe aufgeschlos

sene Metropole, und so wird es auch bleiben. Es ist selbstverständlich, dass das von den Müttern und Vätern im Grundgesetz verankerte Recht auf ein faires Asylverfahren auch in Berlin sichergestellt ist. Jedem Menschen, der in unserer Stadt sein Recht auf Schutz vor politischer Verfolgung geltend machen will, wird dies ungehindert und in Würde ermöglicht. Die Geschichte unserer Stadt ist geprägt von der Aufnahme unterschiedlicher Flüchtlingsgruppen. Nicht nur der Französische Dom am Gendarmenmarkt oder das Böhmische Dorf in Rixdorf sind sichtbare Beispiele, dass Flüchtlinge Berlin bereichert haben. Zudem ist es unsere politische Verantwortung, dass wir denen, die aus Katastrophengebieten geflohen sind und vor politischer Verfolgung Zuflucht suchen, Schutz bieten. Dieser wachsenden Aufgabe nachzukommen ist für Berlin keine neue Herausforderung, denn wir dürfen nicht vergessen, dass es bereits Anfang der Neunzigerjahre eine ungleich höhere Zahl von Asylbegehrenden und Flüchtlingen mit einer Höchstzahl von rund 400 000 Personen in Deutschland gegeben hat.

Für das laufende Jahr erwartet das Bundesinnenministerium einen bundesweiten Zuzug von 100 000 Flüchtlingen. Dies bedeutet für Berlin aufgrund des Verteilungsschlüssels zwischen den Bundesländern, dass 5 000 Flüchtlinge für 2013 zu erwarten sind, von denen bereits rund 3 000 in Berlin sind, zuzüglich der 250 Kontingentflüchtlinge aus Syrien. Dabei sollten wir uns aber immer vergegenwärtigen, dass heute bereits 15 000 Asylbewerberinnen und -bewerber sowie Flüchtlinge hier in unserer Stadt leben. Das sind im Wesentlichen Menschen, die in unserer Stadt ein Asylverfahren entweder noch betreiben oder bereits durchlaufen haben. Mehr als die Hälfte dieser Menschen, nämlich rund 8 800, leben in Wohnungen, und das, obwohl wir alle wissen, dass der Wohnungsmarkt in Berlin angespannt ist. Während also gefordert wird, dass in Berlin mehr Menschen in Wohnungen unterzubringen sind, ist das bereits Normalität und Realität. Die Asylbewerberinnen und Asylbewerber leben zum größten Teil seit mehreren Jahren überall in unserer Stadt, in allen Kiezen und auch in Hellersdorf. Tausendfach gelingt damit Normalität, nämlich ein friedliches Zusammenleben zwischen den Berlinerinnen und Berlinern und den Flüchtlingen. Die überwiegende Zahl der Flüchtlinge und Asylbewerberinnen und Asylbewerber in Berlin lebt als Nachbar unter Nachbarn.

Das alles sollten wir nicht aus dem Blick verlieren, wenn wir an die Bilder und Nachrichten aus Hellersdorf denken. Die hässlichen Szenen, die wir erleben mussten, sind schockierend und abstoßend. Aber gleichzeitig erleben wir auch vielfach und viel mehr Solidarität und Unterstützung. Sowohl in der virtuellen als auch in der realen Welt sind die Unterstützer eines fairen Asylrechts weit in der Überzahl, während ein paar Dutzend NPD-Kader die Eröffnung eines Asylbewerberheims nutzen, um Sorgen und Ängste zu instrumentalisieren. Für dieses breite Bündnis und diese große Unterstützung vieler Berlinerin

(Senator Mario Czaja)

nen und Berliner möchte ich mich als Sozialsenator ausdrücklich bedanken.

[Beifall bei der CDU, der SPD, der LINKEN und den PIRATEN – Beifall von Canan Bayram (GRÜNE)]

Es sind gerade nicht die so abstoßenden Bilder, die den wahren Geist unserer Stadt, die Hilfsbereitschaft der Berlinerinnen und Berliner repräsentieren, auch nicht die von Hellersdorf, es sind vielmehr Szenen und Eindrücke wie die jener Berlinerinnen und Berliner, die momentan Geschenke und Hilfsgüter sammeln, um diese zum Flüchtlingsheim zu bringen. Dazu gehören auch das Engagement der Alice-Salomon-Fachhochschule, die ihre Solidarität ganz praktisch durch studentische Projekte mit den Flüchtlingen bekundet, und das des Pfarrers, der sich spontan entschließt, der Heimleitung seine Unterstützung bei den Bemühungen um einen Ausgleich mit der anständigen Anwohnerschaft anzubieten. Diese Beispiele dürfen uns Mut machen und uns zuversichtlich stimmen, dass ein friedliches und konfliktfreies Zusammenleben von Flüchtlingen sowie Berlinerinnen und Berliner gelebt wird. Diesen Berliner Geist werden wir uns von Extremisten nicht kaputtmachen lassen.

[Beifall bei der CDU, der SPD und der LINKEN – Beifall von Canan Bayram (GRÜNE)]

Deshalb muss Politik verbinden und zusammenstehen. Solch ein Anlass wie der in Hellersdorf darf nicht dazu führen, dass der Eindruck vermittelt wird, wir hätten in dieser Frage keine gemeinsamen Werte oder Überzeugungen. Deswegen möchte ich mich beim Abgeordnetenhaus außerordentlich bedanken, dass es gelungen ist, eine gemeinsame Erklärung und Resolution für das Grundrecht auf Asyl in Berlin zu verabschieden bzw. vorzubereiten und im Nachgang zu verabschieden.

Ich verkenne natürlich nicht, dass es bei der Aufnahme von Flüchtlingen in der Bevölkerung auch Sorgen und Bedenken gibt. So hören wir an allen Standorten die Fragen: Nehmen diese Kinder uns die Plätze in den Schulen oder Kindertagesstätten weg? Muss ich mit erhöhter Kriminalität oder Verwahrlosung im Umfeld des Flüchtlingsheims rechnen? Erfolgt auch wirklich eine gleichmäßige Verteilung? Warum passiert das bei uns und nicht bei den anderen? – Das sind Sorgen, die etliche Anwohnerinnen und Anwohner beschäftigen. Wir können diese Sorgen und Fragen beantworten und die Kritik und die falschen Ressentiments, die dahinterstehen, zurückweisen und deutlich machen, dass die Ängste vor Kriminalität, vor Wegnahme von Schul- oder Kitaplätzen völlig unberechtigt sind, weil an Schulen und Kitas zusätzliche Plätze geschaffen wurden und jetzt eine gleichmäßige Verteilung in Berlin möglich geworden ist. Die Bezirksämter, das Landesamt für Gesundheit und Soziales und die Betreiber der Einrichtungen stehen jeden Tag für den Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung. Die mit den Bezirksbürgermeistern verabredete Vereinbarung, dass die ersten Ansprechpartner in

den Bezirken die zuständigen Sozialstadträte sind, wird überall gelebt. Dass es funktioniert, zeigen uns Beispiele, wie die in der Soorstraße und am Eichborndamm, wo es immer mehr Unterstützung und Hilfsangebote für die Bewohnerinnen und Bewohner gibt – trotz anfänglichem Widerstand auch dort aus der lokalen Nachbarschaft. Dies zeigen uns Einrichtungen, in denen Deutschkurse für die Bewohnerinnen und Bewohner angeboten werden, und solche, in denen aktuell Tage der offenen Tür, gemeinsame Grillnachmittage oder andere Veranstaltungen stattfinden, die die Nachbarschaft stärken. Trotz dieser vielen guten Beispiele und Angebote stehen selbstverständlich auch wir, die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales, mit unserem Landesamt zur Beantwortung von vielen Fragen zur Verfügung. Der Dialog endet nicht mit der Einrichtung und Inbetriebnahme dieser Einrichtungen, sondern er ist ein fortlaufender Prozess.

Auch die Sorge, dass mit zu großen Unterkünften eine gute Nachbarschaft erschwert wird, nehmen wir ernst. Aber in Berlin gibt es nur zwei Einrichtungen mit mehr als 500 Plätzen. Die durchschnittliche Kapazität einer Berliner Einrichtung beträgt rund 220 Plätze, und die langjährige Erfahrung der Fachleute des Landesamtes für Gesundheit und Soziales und der Betreiber zeigt, dass Wohnheime mit der Größenordnung, wie wir sie in Berlin derzeit haben, gut durch kompetente und erfahrene Betreiber geführt werden können. Insgesamt können wir in Berlin erreichen, dass alle bei uns aufzunehmenden Flüchtlinge trotz verhältnismäßig stark gestiegener Zuzugszahlen in kleineren oder mittelgroßen neu geschaffenen Einrichtungen untergebracht werden konnten.

Auf Lösungen, die man sonst nur aus dem Katastrophenschutz kennt, wie Containerstädte oder Zeltdörfer, konnten wir im Gegensatz zu anderen Bundesländern verzichten – und das, obwohl wir zumindest zeitweise nicht nur die Flüchtlinge unterzubringen hatten, die nach dem Königsteiner Schlüssel in Berlin verteilt und aufgeteilt werden, sondern auch die, die wenige Tage später in andere Bundesländer gehen oder beispielsweise aufgrund des Hochwassers noch einige Tage hier blieben, aber Berlin als erste Anlaufstelle gewählt haben. Das sind im Schnitt 20 Prozent der Flüchtlinge, die insgesamt nach Berlin kommen, und viermal so viele, wie wir insgesamt nach dem Königsteiner Schlüssel aufzunehmen haben. Das zeigt, dass unsere Anstrengungen ausgesprochen positive Wirkungen haben.

Diese Anstrengungen können aber nur gemeinsam gelingen. Die Unterbringung von Flüchtlingen ist eine gesamtstädtische Aufgabe, und ich danke daher ausdrücklich für die Unterstützung aus allen Berliner Bezirken. Ohne deren aktive Mithilfe wäre es nicht möglich gewesen, die verfügbaren Unterbringungskapazitäten innerhalb der letzten zwölf Monate um rund 70 Prozent zu steigern. Ein ebenso großer Dank gebührt dem Landesamt für Gesundheit und Soziales, sowohl der Leitung als auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Unterbringungsleit

(Senator Mario Czaja)