Die schlechte Nachricht bezieht sich auf die andere Seite der Bank. Wir sind bei der Vergabe der Netzkonzession jetzt in der Phase, wo der zweite Verfahrensbrief für die Stromnetzkonzession vorbereitet wird. Da geht es vor allen Dingen um die Ausgestaltung der Wertungskriterien für die Vergabe der Konzession und um die Gewichtung dieser Wertungskriterien. Das – ich habe es vorhin schon angesprochen – ist eine zentrale Frage in diesem hoch rechtsförmlich ausgestalteten Verfahren für die Vergabeentscheidung am Ende, das heißt für die Auswahl des künftigen Netzbetreibers, und auch für die Frage: Welche Chance hat ein kommunaler Netzbetreiber, oder wie kann eine Kooperation zwischen der Kommune und einem der Bewerber für die Netzkonzession aussehen? Das ist letztendlich eine ganz entscheidende Phase.
Wenn wir alle oder zumindest überwiegend in diesem Hause der Auffassung sind, dass wir mit dem Thema Daseinsvorsorge anders umgehen müssen, als das früher der Fall war, und dass wir Daseinsvorsorge als öffentliche Aufgabe begreifen müssen, und zwar nicht nur in dem Sinne, dass sie öffentlich ist und sie dementsprechend der Staat betreibt, sondern dass das auch öffentlich und transparent gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern sein muss, dann müssen wir hierzu eine öffentliche Diskussion führen: Wie wird dieses Verfahren ausgestaltet? Welche Anforderungen stellen wir an den künftigen Netzbetreiber? Wie soll der Einfluss der Kommune gesichert werden, und wie soll das beim künftigen Netzbetreiber ausgestaltet werden? Wie soll die Frage der Bürgerbeteiligung und wie sollen Informationspflichten des Netzbetreibers ausgestaltet werden? Wie sollen die Arbeitsverhältnisse geregelt werden, wenn es einen neuen Netzbetreiber gibt? Zu welchen Konditionen soll der Übergang der Beschäftigten erfolgen?
All das sind Themen, die in der Stadt diskutiert werden, aber Finanzen diskutiert sie nicht mit der Stadt, sondern wir haben gegenwärtig die Situation, dass noch nicht mal der zweite Verfahrensbrief Gas veröffentlicht ist, obwohl er schon an die Unternehmen verschickt worden ist. Das Verfahren ist gegenwärtig so, dass Finanzen mit seinen Beratern – – Das sind gute. Die Kanzlei Becker, Büttner, Held gehört unbestritten zum Besten, was es auf dem
Markt zu diesem Thema gibt, und ich finde auch, dass die eine gute Arbeit machen. Aber das ersetzt nicht die öffentliche Diskussion.
Finanzen betreibt gegenwärtig eine Politik des Closed Shop. Der Senat entscheidet über die Kriterien. Das Abgeordnetenhaus bekommt sie in den Geheimschutzraum. Es gibt eine kurze Information, und dann geht es raus an die Unternehmen. Aber ich sage: Wir brauchen eine breite, öffentliche Diskussion über den Entwurf des Senats für die Kriterien und anschließend – nach dieser öffentlichen Diskussion – eine Senatsentscheidung.
Es gibt keinen rechtlichen Grund für diese Politik hinter verschlossenen Türen. Denn die gleiche Kanzlei, die Finanzen gegenwärtig berät, hat zu dem Thema „Öffentlichkeit im Konzessionsverfahren“ für die Stadt Stuttgart eine rechtliche Stellungnahme abgegeben. Ich zitiere nur mal einen Auszug, aber ich empfehle allen, sich diese rechtliche Stellungnahme, die auch im Netz steht, mal anzusehen und das zu verinnerlichen. Dort schreibt die Kanzlei Becker, Büttner, Held zum Thema „Vorbereitung der Verfahrensbriefe, Bewertungskriterien, Konzessionsvertragsentwürfe“ – ich zitiere:
Hier sind umfassende Möglichkeiten eröffnet, mit den Bürgern insbesondere die Abfassung der Wertungskriterien innerhalb des rechtlichen Rahmens zu erörtern und Vorschläge für die Ausgestaltung der Wertungskriterien oder auch zur Gewichtung der Kriterien aufzunehmen und bei der Beschlussfassung des Gemeinderates zu berücksichtigen.
Das ist die rechtliche Stellungnahme der Kanzlei Becker, Büttner, Held. Man muss nun nicht den Einwand bringen, dass wir hier in Berlin keine Gemeindeverfassung haben, sondern dass wir ein Land sind: Das Land hat genau die gleichen rechtlichen Möglichkeiten, denn die gleichen rechtlichen Rahmenbedingungen für Konzessionsvergaben gelten sowohl für den Stadtstaat Berlin als auch für die Kommune Stuttgart.
Ich frage mich, warum das, was damals in Stuttgart möglich war, und zwar nicht unter einem GrünenBürgermeister,
sondern unter einem CDU-Bürgermeister, Herrn Schuster – der zuständige Stadtrat war auch CDU-Mitglied, um das auch noch mal zu sagen –, nicht auch unter einer sozialdemokratisch geführten Regierung mit einem auf Mandat der Sozialdemokratie im zuständigen Finanzressort sitzenden Finanzsenator möglich sein sollte. Wir haben, glaube ich, alle verstanden, dass das Thema „Öffentlichkeit und Transparenz“ ein zentrales Thema ist, und deshalb sieht unser Antrag vor, hier im Vorfeld der
Festlegung der Wertungskriterien und der Vertragsentwürfe eine öffentliche Diskussion zu ermöglichen.
In Stuttgart gab es einen Workshop mit den Bürgerinitiativen über die Wertungskriterien. Es gab eine Verfahrensinformation an die Bürgerinnen und Bürger, und es gab eine Bürgerinformation in einer Bürgerversammlung über die Wertungskriterien. Auf dieser Grundlage sind Vorschläge gemacht worden, die dann vom Gemeinderat bewertet worden sind.
Ein gleiches bzw. analoges Verfahren wäre auch in Berlin möglich. Wir sollten aufhören mit dieser Geheimdiplomatie. Wir sollten wirklich ernst machen – mit Transparenz der Verwaltung. Es handelt sich hier um ein öffentliches Thema, und es soll auch öffentlich verhandelt werden. Das wird im Übrigen auch die Akzeptanz stärken – sowohl bei den Gewerkschaften und Arbeitnehmern als auch innerhalb der Bürgerschaft. Deshalb bitte ich, dass Sie unserem Antrag zustimmen. Ich bedauere, dass Michael Müller jetzt darauf antworten muss, der gar nicht für das Thema zuständig ist, sondern für das Verfahren zuständig ist Kollege Nußbaum. Ich möchte gern wissen, warum es nicht möglich sein soll, hier diese Form der Öffentlichkeit zuzulassen.
Danke sehr, Herr Kollege Wolf! – Für die Fraktion der SPD hat jetzt das Wort der Kollege Buchholz. – Bitte sehr, Herr Kollege!
Knapp unter der Kinnkante ist das Pult. – Vielen Dank! – Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Sehr geehrter Kollege Wolf! Es ist am Anfang eines festzustellen: Es besteht inhaltlich weitestgehend Konsens in diesem Parlament – von Links bis Rechts –: Die Berliner Energienetze sind Teil der Daseinsvorsorge, und sie sollten daher denen gehören, die sie nutzen. Das sind die Berlinerinnen und Berliner. Und das heißt für uns auch, den Mehrwert aus dem Betrieb dieser Netze in der Stadt zu halten. – Das ist ein Konsens, den wir mal feststellen sollten. Das ist nämlich schon eine ganze Menge.
Vor welchen Herausforderungen stehen wir im Augenblick? – Kollege Wolf, Sie haben jetzt viel über Vergabekriterien und die öffentliche Diskussion dieser Kriterien gesagt. Ich glaube, die Herausforderungen sind eigentlich viel größer. Wir müssen Energiepolitik und die Frage,
wie wir mit den Netzen umgehen, größer diskutieren, denn wir haben zentrale Herausforderungen, was mit den Netzen gestaltet werden kann.
Ich kann nur eins sagen: Schauen Sie sich an, was diese Koalition beim Thema Rekommunalisierung hinbekommt!
Ja, noch lachen Sie, aber ich glaube, Sie haben vielleicht eines nicht mitbekommen: Die aktuell regierende Koalition hat es geschafft, die RWE-Anteile der Wasserbetriebe zurückzukaufen, und wir werden, glaube ich, auch in Kürze dazu kommen, dass wir den Rest von Veolia zurückkaufen, und dann ist das wieder ein öffentliches Unternehmen, das dem Land Berlin gehört.
[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Wer bezahlt? – Joachim Esser (GRÜNE): Und was hat dann der Bürger davon?]
Eine Menge, Herr Kollege Esser! Aber das ist eine andere Diskussionsrunde, was der Bürger davon haben wird. Wenn Sie, Kollege Esser, noch nicht verstanden haben, was die Bürgerinnen und Bürger von einer Rekommunalisierung der Wasserbetriebe haben, frage ich mich erstens: Warum unterstützt Ihre Partei entsprechende Volksbegehren? – Und zweitens: Sind Sie so weit hinter dem aktuellen Diskussionsstand in der GrünenPartei zurück, wo man immerhin so weit ist, dass man sagt: Daseinsvorsorge ist nicht nur ein Wert an sich, sondern sichert langfristig auch ein Stück Gemeinwohl zu vertretbaren Preisen. – Wenn wir das Grünen-Politikern erklären müssen, ist das ziemlich traurig. Ziemlich traurig!
[Beifall bei der SPD – Joachim Esser (GRÜNE): Dann müsst ihr das beim Wasserpreis erst mal schaffen, dann klatsche ich auch!]
Ich weiß nicht, an was Sie da denken. Wir können Ihnen eines ganz klar sagen: Wenn irgend jemand – ob ein kleines Energieunternehmen oder ein großes – auf die Idee kommt, Berlin z. B. durch eine Beteiligung an der Berliner Energieagentur erpressen zu können, und meint, darauf irgendeinen klitzekleinen Vorteil ziehen zu kön
nen, dann hat er sich – verdammt noch mal – in den Finger geschnitten. Das werden wir nicht zulassen.
Das ist ein sauberes, rechtssicheres und transparentes Verfahren. Darauf legen wir nicht nur Wert, sondern das ist die Notwendigkeit. Wenn die größte Kommune und Stadt Deutschlands die Energienetze ausschreibt, wie es nach dem Energiewirtschaftsgesetz zu erfolgen hat, dann muss das auch tatsächlich hundertprozentig wasserdicht sein. Sie wissen genau so gut wie wir, dass die großen Konzerne mit Argusaugen auf diese Stadt schauen. Was macht der Senat? Wie verhält sich das Parlament? Wird es ihnen gelingen, dort zu rekommunalisieren? – Und die hoch- und gutbezahlten Anwälte stehen bereit, um gegen jede Vergabeentscheidung zu klagen.
Wir und auch die Finanzverwaltung sorgen dafür, dass dieses Verfahren rechtssicher durchgeführt wird.
[Beifall bei der SPD und der CDU – Steffen Zillich (LINKE): Wird es eine Vertraulichkeitsklausel geben?]
Ich komme nun zu den echten Zukunftsfragen bei der Berliner Energiepolitik, denen wir uns stellen müssen.
Wird dieses Konzessionsverfahren für die Vergabe des Gas- und des Stromnetzes erstens diskriminierungsfrei und zweitens rechtssicher durchgeführt? – Die zweite große Frage: Wie kann Berlin, das bei diesen Ausschreibungsverfahren ein Bewerber unter vielen ist – und ich kann Ihnen nur sagen, das sind hochkompetente und auch solvente Bewerber, die dort bereitstehen –, eine wettbewerbsfähige und letztlich hoffentlich erfolgreiche Bewerbung als Land Berlin abgeben? – Das ist unsere Frage.