Protocol of the Session on April 18, 2013

[Ramona Pop (GRÜNE): Er ist ja Mitglied!]

Jetzt erwarte ich doch mal, verehrte Vorrednerin, dass Sie nun an der einen oder anderen Stelle den Ansatz eines Nachweises führen, dass Herr Büge in diesem Gedankengut schwimmt und sich in dieser Hinsicht geäußert hat, mündlich oder schriftlich.

[Beifall bei der CDU – Zuruf von den GRÜNEN: Sie haben es nicht verstanden! Er ist Mitglied! – Zuruf von Joachim Esser (GRÜNE)]

Danke schön! – Meine Damen und Herren! Jetzt hat der Kollege Höfinghoff für die Piratenfraktion das Wort. – Bitte sehr!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Herr Krüger! Der Nachweis darüber, dass Herr Büge offensichtlich in irgendeinem rechten Gedankengut mitschwimmt: Er ist immer noch Mitglied in der Gothia.

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Das ist das, worum es hier geht. Ich könnte jetzt auf die Einzelheiten, die Sie gerade so schwadroniert haben, eingehen, aber ich glaube, ich lasse es an der Stelle wirklich lieber, weil ich mich daran nur abarbeiten würde.

Die eigentliche Frage ist tatsächlich: Wer sind diese Männer mit den bunten Schärpen und Mützen und diesen anachronistischen Ritualen wie Mensur und Kampftrin

ken? Die Frage könnte uns die Senatsbank sicher besser beantworten, denn mit der Koalition aus SPD und CDU zogen auch die Burschenschaften wieder in den Senat ein. Mit Henkel und Büge sitzen stramme Burschen hier unter uns und besetzen Regierungsposten. Vielleicht mag sich ja niemand daran stören, dass ein Bursche mit Eintritt in eine Verbindung einen „Lebensbund“ – das ist auch so ein Wort, das Sie vielleicht in dem Kontext verinnerlichen könnten – eingeht, einen Bund fürs Leben. Mit Eintritt in diese Verbindung, ob schlagend, nicht schlagend, farbentragend, farbenführend oder farbenlos, ein paar Dinge haben die Korporationen, wie Burschenschaften sich auch gerne nennen, gemeinsam, alle.

Bis auf ein paar wenige Frauenverbindungen sind Burschenschaften, Sängerschaften, Turnverbindungen und was es alles gibt, reine Männerveranstaltungen. Frauen werden getreu dem Menschenbild des 19. Jahrhunderts, das in diesen Vereinen immer noch gepflegt wird, ausschließlich als Beiwerk oder künftige Ehefrauen betrachtet. Darüber, dass aus dieser Richtung in absehbarer Zeit keine Initiativen zur Gleichstellung von Frauen kommen werden, sind wir uns in diesem Haus sicher alle einig, zumindest fast.

[Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Anja Kofbinger (GRÜNE) – Canan Bayram (GRÜNE): Wie viel Frauen habt ihr denn? – Heiko Herberg (PIRATEN): Wir arbeiten dran!]

Wir arbeiten dran! – In der Selbstdarstellung der Gothia heißt es, Mitglied könne nur werden, wer „ein deutscher Student ist“. Dann müssen wir jetzt zwar zumindest zw. den Burschenschaften, der Deutschen Burschenschaft und der Neuen Deutschen Burschenschaft unterscheiden. 1996 spalteten sich von der Deutschen Burschenschaft diejenigen Verbindungen ab, die nicht mehr einen völkischen Nationalbegriff vertreten wollten, und gründeten die Neue Deutsche Burschenschaft. „Volkstumsbezogener Vaterlandsbegriff“, das möchte ich an der Stelle kurz erklären, bedeutet, dass nur jemand als deutsch anzusehen sei, der deutsche Vorfahren habe. – So weit zum Bekenntnis der Burschenschaften zum Grundgesetz und gegen Extremismus. Dass ich nicht lache! Bis Artikel 116 Grundgesetz ist es offensichtlich ziemlich lang zu lesen. In diesem Artikel heißt es:

Deutscher im Sinne dieses Grundgesetzes ist …, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt …

Wer Deutscher ist, ist also per Verfassung geregelt. Und wenn irgendwelche Burschenschaften dies nicht anerkennen, dann wären sie eigentlich ein Fall für den Verfassungsschutz.

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Leider sind diese Behörden ja auf dem rechten Auge – sagen wir – etwas eingetrübt. Das hat sich ja in den letzten Monaten deutlich gezeigt.

An der Stelle erspare ich mir, anders als juristisch zu argumentieren. Ich habe ja nur fünf Minuten und möchte auch nicht gezwungen sein, unparlamentarische Wörter zu benutzen. In vielen Korporationen der Deutschen Burschenschaft muss ein Bewerber quasi einen Ariernachweis vorlegen, um aufgenommen zu werden. Wir halten fest: Nur biodeutsche Männer dürfen in Burschenschaften wie der Gothia Mitglied werden. Frauen sind per se ausgeschlossen wie auch alle Menschen mit Migrationshintergrund.

Dass es sich bei der Gothia um ein Gebilde vom rechten Rand handelt, belegt allein der Umstand, dass dort Autoren der „Jungen Freiheit“ referieren, z. B. am 7. Mai ein Herr Rolf Stolz, der in der Rechtspostille „Junge Freiheit“ gegen angebliche Gutmenschen, Muslime, Demokraten und angeblichen Multikulturalismus hetzt. Am Freitag, dem 22. Juni 2012 um 20 Uhr gab es eine Informationsveranstaltung mit dem Titel: „Wer ist Deutscher? Einwanderungsland Deutschland?“ – Zumindest die erste der beiden Fragen hat, wie ich eben schon erwähnt habe, das Grundgesetz bereits geklärt.

Dieser Vortrag ist auch nur die Fortsetzung einer alten Tradition in der Gothia. So wurde in den Neunzigerjahren der verurteilte Holocaustleugner Horst Mahler von der Gothia eingeladen. Ich muss mich fragen, ob das Ultimatum Büges an seine Verbindung in irgendeiner Form sinnvoll hätte sein können. Ich vermute aber, dass die Gothia eher eine der Verbindungen ist, die den Rest der DB noch ein bisschen schlechter aussehen lässt, als das eh der Fall ist. Da weht der Wind immer nach rechts.

Nun haben wir ein Mitglied dieser Verbindung in der Regierung von Berlin sitzen. Und als wäre das nicht schon perfide genug, bearbeitet Herr Büge als stolzer „Gothe“, wie sich die Mitglieder der Burschenschaft nennen, auch noch den Bereich Soziales und ist somit für die Betreuung von Flüchtlingsunterkünften zuständig. Da prallen Welten aufeinander.

In der Selbstdarstellung der Gothia heißt es zudem über die „Alten Herren“, also über Herrn Büge, diese ehrenwerten Herren könnten den Mitgliedern „in Studium, Praktikum und Beruf weiterhelfen“. Hier wäre auch einmal die Frage angebracht, ob und wie sich der „Alte Herr“ Büge an diesen Grundsatz seines Vereins hält und wie viele Personen aus diesem Dunstkreis er in seiner Funktion als Staatssekretär schon den einen oder anderen Job oder Auftrag zugeschanzt hat.

[Zuruf von Monika Thamm (CDU)]

Sie müssen bitte zum Ende kommen.

Ja, gerne. – Durch das Lebensbundprinzip und das Selbstverständnis der Burschen liegt dieser Verdacht ja nah, allerdings nicht nur bei Herrn Büge, sondern eben auch beim Innensenator Frank Henkel. Warum versucht der Senat unsere legitimen Bemühungen zu torpedieren? Die Verstrickungen – –

Herr Kollege! Sie müssen zum Ende kommen!

Ich muss zum Ende kommen, okay, letzter Satz: Da gebaren sich seit bald 200 Jahren weiße Männer in einer Parallelgesellschaft und sorgen durch ihre Lebensbünde für den Ausschluss von Menschen mit Migrationshintergrund und Frauen von Jobs und Aufträgen, sie tun es, in dem sie diese als „Alte Herren“ mit Vorliebe ihren Bundesbrüdern zuschanzen. Das ist keine offene Willkommensgesellschaft. Das ist das Gegenteil davon. Und nur weil Burschis im Senat von Berlin sitzen, wird dieses Verhalten nicht legitim. Liebe SPD! Es hätte Ihnen sehr gut angestanden, sich zu diesem Thema irgendwie zu verhalten.

Jetzt fordere ich Sie zum letzten Mal auf, zum Ende zu kommen, Herr Kollege Höfinghoff!

Gerne. Ich bin sofort fertig. – Wenigstens einen Redebeitrag – –

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

[Sabine Bangert (GRÜNE): Wo bleibt die SPD? – Zuruf von den GRÜNEN: Die größte Fraktion des Hauses schweigt! – Zurufe von den GRÜNEN und der LINKEN: Feiglinge! – Wolfgang Brauer (LINKE): Linke sollten linker sein!]

Der Antragsteller hat die sofortige Abstimmung beantragt. Wer dem Antrag Drucksache 17/0935 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind

(Vizepräsident Andreas Gram)

Linke, Grüne und die Piratenfraktion. Wer ist dagegen? – Das sind SPD

[Joachim Esser (GRÜNE): Ein Partei, die diese Stadt führen will!]

und CDU. Damit ist der Antrag abgelehnt.

[Unruhe]

Meine Damen und Herren! Jetzt habe ich das Wort, nicht dazwischenbrüllen!

Ich komme nun zu

lfd. Nr. 6:

Gesetz über das Verbandsklagerecht für Tierschutzvereine

Beschlussempfehlung des Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Verbraucherschutz, Geschäftsordnung vom 27. Februar 2013 Drucksache 17/0862

zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/0549

Zweite Lesung

Ich eröffne die zweite Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der zwei Artikel miteinander zu verbinden – und höre hierzu keinen Widerspruch. Ich rufe also auf die Überschrift und die Einleitung sowie die Artikel I und II der Drucksache 17/0549. Hier stehen wieder pro Fraktion fünf Minuten Redezeit zur Verfügung. Es beginnt die Kollegin Hämmerling für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Ich erteile Ihnen das Wort, bitte sehr!

Meine Damen und Herren! Herr Präsident! – Da kommt Herr Senator Heilmann, alles wird gut! – Ich will Ihnen an einem Beispiel deutlich machen, wofür wir das Verbandsklagerecht für anerkannte Tierschutzverbände brauchen. Wir haben in Berlin einen Zoo und einen Tierpark, und beide liegen jeweils in unterschiedlichen Bezirken und unterstehen unterschiedlichen Amtstierärzten. Die entscheiden in der selben Sache heutzutage völlig unterschiedlich. Der Zoochef betreibt in beiden Zoos Inzestzucht.

Frau Kollegin Hämmerling! Darf ich Sie einen Moment unterbrechen. – Meine Damen und Herren! Wenn es etwas zu besprechen gibt, bitte ich rauszugehen oder sich hinzusetzen. Wir haben hier eine Rednerin, und sie hat das Recht, dass wir ihr zuhören!

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Joachim Krüger (CDU)]

Bitte schön!

Das ist sehr freundlich, Herr Präsident! – Die Amtstierärzte in beiden Bezirken entscheiden also in der selben Sache völlig unterschiedlich. Der Zoochef betreibt im Zoo und im Tierpark Inzestzucht, und Sie wissen ja, bei Menschen ist Inzest ein Straftatbestand, weil damit ein sehr hohes Risiko an gesundheitlichen oder Erbgutschäden verbunden ist. Das ist auch bei Tieren so. Das Veterinäramt in Mitte geht folgerichtig gegen diesen Inzest im Zoo vor, das Veterinäramt in Lichtenberg dagegen erlaubt die Inzestzucht. Eine Behörde entscheidet also falsch, und, Herr Senator Heilmann, Sie sagen dazu: Ich bin nicht zuständig – und da haben Sie formal sogar recht, das stimmt. Es gibt aber ein Tierschutzgesetz, und es gibt ein Grundgesetz, in dem der Tierschutz verankert ist. Eine Handhabe gegen staatlich tolerierte Tierquälerei gibt es bis heute nicht.