Protocol of the Session on March 7, 2013

Vielen Dank, Herr Präsident! – Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um zum Anfang einen Gedanken zur Entwicklung von Open Data in der Bundesrepublik zu äußern. Ich finde, es ist nicht nachzuvollziehen, weshalb die Bundesregierung so viel Zurückhaltung an den Tag legt. Aus dem ursprünglichen Open-Data-Portal des Bundes ist jetzt govdata.de geworden, und dass das Wort „open“ dabei fehlt, ist kein Zufall, das ist Programm. Noch immer scheint der Bund für sich eines nicht geklärt zu haben: Sind durch Steuergelder finanzierte Datensätze

sein Eigentum? – Ich sage, nein, sind sie nicht. Die gehören uns allen. Ich sehe Open Data auch als enorme Chance in vielerlei Hinsicht. Die Entwicklung auf Bundesebene finde ich deshalb zu zaghaft. Da braucht es mehr Druck, auch aus Berlin.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Sven Kohlmeier (SPD): Wir regieren das Land!]

Ja, jetzt kommen wir zum Land. – In ein paar Tagen können wir uns ein Bild davon machen, was mit offen zugänglichen Daten gemacht werden kann, zum Beispiel Mobilität intelligenter gestalten. Der VBB, der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg, hat Entwicklern seine Verkehrsdaten zur Verfügung gestellt, und die entwickelten Programme – Stichwort „Apps & the City – Open Transport“ – können einen Beitrag dazu leisten, den ÖPNV attraktiver zu gestalten. Das reicht mir, das reicht uns noch nicht, weswegen wir Bündnisgrüne schon vor rund einem Jahr einen Antrag zu Open Data und intelligenter Mobilität eingebracht haben. Wir haben auch einen weiteren Antrag eingebracht. Wir alle kennen die Debatte darüber, das Transparenz- und Informationsfreiheitsgesetz, beides ist noch nicht zur Beratung gekommen, aber wir hoffen auf eine positive Beratung und sind sehr offen für Mitarbeit an diesen beiden Themen, insbesondere natürlich am Transparenz- und Informationsfreiheitsgesetz.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Eines ist vollkommen klar: Offene Daten sind gefragt. Insbesondere auch die EU hat die enormen Chancen und Möglichkeiten, die in Open Data liegen, erkannt. Sie hat deswegen eine Open-Data-Strategie auf den Weg gebracht. Durch die Veröffentlichung werden volkswirtschaftliche Effekte – das sagt die EU – von bis zu 40 Milliarden Euro pro Jahr für den europäischen Raum erwartet. Deswegen spricht die EU-Kommission in diesem Zusammenhang auch sehr gern von einer Goldmine. Das berücksichtigt noch nicht einmal die positiven Effekte auf Demokratie und Teilhabe.

Nun aber hier zum Land: Auch wir als Bündnisgrüne haben es durchaus begrüßt, dass Berlin als erste deutsche Stadt ein Open-Data-Portal bereitgestellt hat. Aber seitdem ist einfach zu wenig passiert. Man könnte sagen, seit Nicolas Zimmer die Senatsverwaltung für Wirtschaft verlassen hat, hört man von dem Thema gar nichts mehr. Es war vorher auch schon recht spärlich.

[Sven Kohlmeier (SPD): Gucken Sie auf die Internetseiten!]

Gehen wir es einmal im Einzelnen durch, das wünscht sich Herr Kohlmeier, glaube ich. Stichwort Regelbetrieb Open-Data-Portal: Es läuft immer noch in der Betaversion. Das kann man auf der Webseite wunderbar sehen. Der Regelbetrieb sollte eigentlich schon im Juni letzten

Jahres – so die Antwort auf eine Kleine Anfrage – laufen. Tut er aber nicht.

Stichwort Open-Data-Day: Die Planungen für den Berliner Open-Data-Day sind schlichtweg unbekannt, Frau Yzer. So fragen sich die interessierten Kreise, ob nach dem Open-Data-Day 2011 und 2012 der Open-Data-Day in diesem Jahr einfach klammheimlich abgesagt worden ist. Vielleicht können Sie uns Auskunft geben.

Stichwort Inhalte im Open-Data-Portal: Der Senat verlässt sich darauf, dass die Behörden ihre Daten schon von allein hier einstellen werden. Das reicht nicht, wie die vielen Leerstellen im Portal zeigen. Berlin braucht eine Strategie, die nicht nur die Notwendigkeit von Transparenz anerkennt, sondern diese auch umsetzt.

Stichwort Datenbestand: Der Senat kennt schlicht und ergreifend gar nicht, was wir alles an Daten haben, lehnt aber eine Dateninventur ab. Das ist falsch!

Stichwort Datenschutz: Bei der Anonymisierung personenbezogener Einzeldaten fehlt immer noch eine ressortübergreifende Richtlinie. In einem Satz: Der Senat macht seine Hausaufgaben einfach nicht, auch hier nicht. Hier muss ich zusammenfassend feststellen: Das geht deutlich besser!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Uwe Doering (LINKE)]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kohlmeier?

Ja, aber am Ende!

Am Ende, gut!

Auf diese und andere grundsätzliche Probleme des Senats bei der Umsetzung von Open Data geht der Antrag der Kollegen von der Piratenfraktion aber nicht wirklich ein. Ich kann mir aber gar nicht vorstellen, dass Sie mit dem vorliegenden Sachstand zufrieden sind, sonst würden Sie diesen Antrag nicht gestellt haben. Mir fehlt vor allem eine Feststellung: Der Senat engagiert sich zu wenig in Sachen Open Data. Da hilft auch kein Herumwerkeln am Detail.

Ich will auch auf einige Forderungen des Antrags eingehen. – Einige Punkte hat Herr Kohlmeier schon benannt.

Auch mir ist unklar, was „interessante und relevante Daten“ sein sollen und wer das entscheiden soll. Gucken wir uns beispielweise die Priorität der SPD-Fraktion an. Wären wir darauf gekommen, das Vereinsschwimmen zur Priorität zu erklären? – Die genaue Formulierung müsste ich noch einmal nachlesen. – Ich glaube, nicht. Sie haben formuliert: Neues System bei der Vergabe der Kinder- und Jugendzeiten im Vereinsschwimmen. – Sicherlich ein spannendes Thema, aber prioritär, bei dem, was wir in Berlin zu erledigen haben? – Man kann dahin kommen, aber wer entscheidet das?

[Lars Oberg (SPD): Wir!]

In dem Fall die SPD-Fraktion. Das muss man den Nutzerinnen und Nutzern ganz einfach überlassen.

Sie müssten zum Ende kommen – bitte!

Ja! – Letzter Satz: Sie fordern auch eine unabhängige Clearingstelle. Auch das müssen wir in den Ausschussberatungen genauer erörtern. Wir haben nämlich den Datenschutzbeauftragten. Der ist unabhängig, und der ist auch für Informationsfreiheit zuständig. Vielleicht erläutern Sie uns in den Ausschussberatungen einfach, was er genau noch zusätzlich machen soll. Dann wird das, glaube ich, eine produktive Debatte. Ich erwarte von der Koalition, dass die gesamten Anträge zu Open Data, das sind inzwischen viele, irgendwann einmal in den Ausschüssen zur Beratung gelangen. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN]

Moment! Jetzt kommen wir noch zu den Zwischenfragen der Kollegen Kohlmeier und Delius.

Herr Delius hat sich auch gemeldet, aber wenige Sekunden vor Schluss. – Bitte schön!

Ich hatte mich gefragt, lieber Kollege Gelbhaar, ob Sie noch etwas zu dem Antrag sagen. Das haben Sie zum Ende zaghaft getan. Insofern hat sich meine Zwischenfrage erledigt.

Erledigt! – Kollege Delius!

Herr Gelbhaar! Ich war am Ende Ihrer Rede ein bisschen verwirrt. Wollen Sie wirklich den Wert offener Daten nach politischen Prioritäten bewerten oder bemessen?

[Thomas Birk (GRÜNE): Steht doch in Ihrem Antrag drin! – Weitere Zurufe von den GRÜNEN]

Das war das, was Sie gerade als Beispiel genannt haben. Also, ob die SPD-Fraktion hier eine Aktuelle Stunde oder eine Priorität festlegt, würde ich nicht im Zusammenhang mit offenen Daten bringen.

Eben! Da bin ich ganz bei Ihnen. Deshalb habe ich mich über die Formulierung in Ihrem Antrag so gewundert. Wenn jemand sagt: Ich bewerte, was interessant und relevant ist –, dann ist das natürlich eine Auslegungsfrage.

[Martin Delius (PIRATEN): Das Wort heißt „plausibel“!]

Das Wort heißt „plausibel“. Na ja, aber Plausibilität kann sehr unterschiedlich bewertet werden. Deswegen habe ich das Beispiel mit der heutigen Priorität der SPDFraktion gewählt.

Danke schön! – Weitere Zwischenfragen lasse ich nicht mehr zu, weil die Redezeit längst vorbei ist.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Für die Fraktion der CDU erteile ich jetzt dem Kollegen Dregger das Wort. – Bitte schön, Herr Kollege!

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe dieser Debatte entnommen, dass die Opposition wieder das bekrittelt, was angeblich nicht geschieht, was aber doch geschieht, was Regierungshandeln ist. Deswegen erschließt sich mir das nicht. Es geht um Open Data, und da wir hier nicht im Fachausschuss sind, ist es vielleicht ganz klug, wenn wir kurz klären, worum es eigentlich geht.

Der freie Zugang zu öffentlichen Verwaltungsdaten, lesbar für Mensch und Maschine, ist ein Grundbaustein der Wissensgesellschaft des 21. Jahrhunderts. Dabei gibt es drei wesentliche Aspekte, die hier zu beachten sind:

Erstens. Öffnung und Offenheit von Regierung und Verwaltung stärken das Vertrauen der Menschen in unsere demokratische Ordnung.

Zweitens. Neue Möglichkeiten der Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger am öffentlichen Leben entstehen. So

beschließen wir heute noch die Einführung des von der Koalition beantragten Online-Ordnungsamtes für Mängelmeldungen. Dort können Bürgerinnen und Bürger, wir alle, Vermüllungen, Verwahrlosungen und andere Missstände im öffentlichen Straßenraum melden und ihre Beseitigung online überwachen – auch per Application.

Drittens. Open Data in der öffentlichen Verwaltung ist ein Schlüsselfaktor, um Informationen und Wachstum in der Europäischen Union voranzutreiben.

Kollege Gelbhaar hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Europäische Kommission den Wert der öffentlichen Datenbestände auf etwa 40 Milliarden Euro schätzt. Jeder dritte Verwaltungsentscheider in Europa hält zudem die Abschaffung von Barrieren zwischen Ministerien und Behörden für unabdingbar, um die Leistungsfähigkeit der Exekutive zu steigern.

Informationen sind das Öl des 21. Jahrhunderts. Ohne Information und Kommunikation läuft nichts mehr. Daten stellen überall die Arbeitsbasis für Entscheidungen, Geschäfte und Planungen dar. Und da spielt die ITKWirtschaft, die auch in Berlin eine besondere Bedeutung hat, als Rückgrat unserer Wirtschaft eine große Rolle. Hier liegen große Chancen, auch unter wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten: eine Stadt, die die Ansätze Open Data zusammenführt zu einer Smart City, und genau das soll Berlin werden.

Was hat Berlin bisher gemacht? – Open Data und Open Government sind Bestandteile der Richtlinien der Regierungspolitik der Koalition aus CDU und SPD. Als erste deutsche Stadt hat Berlin vor anderthalb Jahren ein eigenes Datenportal unter daten.berlin.de freigeschaltet. Es wird immer reger frequentiert, inzwischen etwa 23 000 Mal pro Monat, mit steigender Tendenz.

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Delius?

Nein, danke! – Inzwischen sind fast 100 Datensätze maschinenlesbar kostenlos und mit freier Lizenz zur Nachnutzung von verschiedenen Behörden dort verfügbar gemacht worden. Darunter sind so mächtige Datensätze wie die Denkmalliste des Landes mit mehr als 10 000 Objekten, der Fahrplan des öffentlichen Nahverkehrs, die Liste der Stolpersteine im Gedenken an unsere jüdischen Mitbürger, aber auch Prüfergebnisse der Badewasserqualität – im Sommer sehr beliebt und nachgefragt.