Protocol of the Session on February 21, 2013

[Benedikt Lux (GRÜNE): Und was schließen Sie daraus? – Dr. Klaus Lederer (LINKE): Aber nicht die Preise drücken!]

Es gibt noch eine Zwischenfrage des Kollegen Schäfer, Herr Senator!

Auch die nehmen wir, wir wollen ja miteinander reden.

[Zuruf]

So ist es! – Jetzt hat aber Kollege Schäfer das Wort. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Senator! Kriminalität ist ja nur das eine Problem. Ich wundere mich darüber, dass Sie zu der strukturellen Ursache der Misere kein Wort verlieren. Meinen Sie nicht, dass die industrielle Massentierhaltung der andere Kern des Problems in der Lebensmittelindustrie ist, der ja unter anderem dazu führt, dass 50 Prozent des Hühnchenfleisches, das heute in Supermärkten aus industrieller Massentierhaltung angeboten wird, mit antibiotikaresistenten Keimen belastet sind?

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Wenn ich Sie beruhigen darf, ich habe ja versucht, die ganzen Aspekte zu sortieren. Jetzt habe ich gerade mit Konsequenzen angefangen und war beim ersten Punkt, ich komme auch noch zu Ihrem Punkt, wenn Sie es beruhigt. Aber ich würde es gerne ordnen, weil sonst kommen wir hier vom Hölzchen auf Stöckchen.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Da sind wir jetzt gespannt!]

Wo war ich stehengeblieben? Bei dem Thema Konsequenzen und der Frage des europäischen Primärrechts. Wir brauchen in Europa aus meiner Sicht zwei Dinge, und davon ist auch Frau Aigner überzeugt: Wir brauchen eine Kompetenz in Europa, dass wir europäisch verlangen können, das, was Sie hier alle der Sache nach auch fordern, nämlich dass wir die Herkunft von tierischen Erzeugnissen in Lebensmitteln und auch in weiteren Produkten deklarieren müssen. Das braucht eine europäische Rechtsgrundlage. Wir suchen gerade einen Rechtsweg, den mir noch niemand aufgezeigt hat, wie wir das mit einer Richtlinie hinkriegen, denn wenn wir das Primärrecht ändern, wissen Sie, dass wir nicht nur einstimmig in Europa sein müssen, sondern dass jedes nationale Parlament dem zustimmen muss. Das ist so schwierig und die Hürde ist so hoch – das Frau Aigner anzuhängen, finde ich geradezu lächerlich –, dass wir einen Weg suchen wollen, wie wir das mit einer niedrigeren, aber europäischen Regelung machen können. Denn, wie gesagt, die kriminelle Energie kam, jedenfalls soweit wir heute wissen, ausschließlich von außerhalb von Deutschland. Es mag sein, dass es auch irgendwelche deutschen Tatbe

teiligten gibt, das kann ich nicht ausschließen, aber jedenfalls ist die Struktur europäisch, und deswegen muss sie auch europäisch bekämpft werden.

Deswegen meine ich Folgendes. Erstens: Die Herkunft eines Produkts soll deklariert werden, und der Verbraucher soll erkennen können, woher es kommt. Das ist aus meiner Sicht die richtige und marktwirtschaftliche Antwort. Wenn der Verbraucher weiß, woher sein Produkt kommt, ob aus und aus welcher Massentierhaltung und welche Weltreise es hinter sich hat, dann kann er auch entscheiden, ob er das Produkt kaufen will oder nicht, und dahin gehört die Entscheidung. Das kann er im Moment nicht.

Ich persönlich würde es bevorzugen, wenn wir das in das Internet stellen und dort auswertbar machen würden, weil mir das sehr viel praktischer erscheint. Ich weiß gar nicht – insofern gebe ich Ihnen, Herr Kowalewski, recht – wie groß das Etikett werden soll, wenn man das alles da draufschreiben will. Deswegen scheint mir das sehr viel praktischer zu sein, es in das Netz zu stellen. Vielleicht verpflichten wir dann den Handel, die Netzinformation auszuhängen, dass man es im Lebensmittelmarkt auch selber kurzfristig nachsehen kann.

Herr Senator! Noch eine Zwischenfrage – des Kollegen Lux!

Bitte schön!

Danke schön, Herr Präsident! – Herr Senator! War das gerade die Antwort auf die Frage des Kollegen Schäfer, dass Sie der industriellen Massentierproduktion nichts in den Weg setzen wollen, sondern alles nur auf die Entscheidung eines Verbrauchers, der sich im Internet informieren soll, abwälzen?

Nein, das war es nicht. Es gibt ja nicht nur Massentierhaltung und Biotierhaltung, sondern auch alles dazwischen. Wenn wir glauben, dass wir in naher Zukunft alles in ökologischen Kleinbauerbetrieben erwirtschaften können, was wir in Europa brauchen, dann ist das ziemlich blauäugig. Deswegen werden wir nur in einem längerfristigen Prozess zu besseren Produktionsbedingungen kommen. Sie wissen selber, dass wir bei der Produktion von Eiern oder bei der Haltung in Hühnerställen in Deutschland schon weiter sind als im Ausland und dass das trotzdem

(Senator Thomas Heilmann)

verarbeitet wird. Also wir haben ein großes Problem, das europäisch durchzusetzen.

Ich persönlich bin von den Vorteilen der EU und des gemeinsamen Marktes überzeugt. Deswegen können wir das auch nur im gemeinsamen Markt und gemeinschaftlich tun. Wenn Sie glauben, wir könnten morgen in Europa alle Massentierhaltung abschaffen, dann halte ich das für eine Illusion und die Folgen auch für ziemlich problematisch.

[Zuruf von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Deswegen wollen wir – und das schaffen wir auch, wir sind ja auf dem Weg als Gesellschaft – bessere Produktionsbedingungen, bessere Lebensmittel und ein besseres Bewusstsein bei den Verbrauchern. Das aber ist ein langfristiger „Change-Prozess“, würde man in der Wirtschaft sagen, den man nicht von heute auf morgen hinbekommt. Deswegen wird es die Massentierhaltung geben, aber je transparenter wir das für die Verbraucher machen, desto schneller kommt der Wechsel. Das ist aus meiner Sicht die richtige Maßnahme und sind nicht Direktiven, die wir in Europa sowieso nicht durchsetzen werden.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Das stimmt!]

Ich würde aber gerne noch einmal auf folgenden Punkt hinweisen: Ich glaube, die Kennzeichnung brauchen wir. Wir brauchen sie auf einer europäischen Rechtsgrundlage. Daran arbeiten wir. Was daran Wahlkampf sein soll, weiß ich nicht.

In jedem Schlechten gibt es auch immer etwas Gutes, nämlich die Tatsache, dass wir einen Skandal von Irland bis Italien haben, erhöht die Chance, dass wir in Europa zu einer Bewusstseinswandlung kommen, maßgeblich. Es macht aber keinen Sinn, die Augen zu verschließen, und es ist Aktionismus zu sagen, wir verschärfen jetzt den Bußgeldrahmen um 100 Prozent in Deutschland, weil wir der Probleme in ihrer Ursache doch gar nicht Herr werden.

Das, was wir brauchen, ist das, was wir im Kartellrecht kennen, dass dann, wenn es länderübergreifende Strukturen gibt, diese Strukturen erhebliche Teile ihres Umsatzes auf europäischer Ebene abgeben müssen und sie alle wechselseitig gesamtschuldnerisch dafür haften. Das ist das, was wir vorschlagen, was auch ich vorschlage. Da sind alle Verbraucherschutzminister diesem Berliner Vorschlag gefolgt. Ich kann Ihnen versichern, so wie wir bei den Schrottimmobilien hart daran gearbeitet haben, Überzeugungsarbeit zu leisten – da mussten wir aber nur die Länder und den Bund überzeugen, weil wir da kein europäisches Problem haben –, so werden wir daran arbeiten, und auch ich persönlich, dass wir in Europa die notwendigen Mehrheiten bekommen. Dass das kein einfaches Verfahren werden wird, kann ich Ihnen sagen, das wird auch sicher dauern. Insofern haben Sie mit Ihrer Prognose, es wird nicht der letzte Lebensmittelskandal sein, recht.

Abschließend möchte ich an Sie appellieren: Suchen Sie nicht nur die Themen, von denen Sie meinen, Sie können die Regierung am besten kritisieren!

[Thomas Birk (GRÜNE): Das ist doch Ihr Thema gewesen, das Thema Ihrer Koalition! ]

Ja, deswegen verteidige ich ja diese Wahl. Die Begründung, warum Sie gesagt haben, wir sollen nicht darüber reden, ist, es gäbe ja andere Themen, da könne man die Regierung viel besser kritisieren oder den Senat viel besser kritisieren. Nutzen Sie die Gelegenheit, dass wir auch mal Konsens zeigen und gemeinsam die Verbraucher und Verbraucherinnen in Berlin von der richtigen Lebensmittelwahl überzeugen! – Ich danke Ihnen fürs Zuhören!

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Vielen Dank, Senator Heilmann! – Ich habe jetzt noch zwei Anmeldungen für die zweite Rederunde, einmal Dr. Lederer für die Fraktion Die Linke und für die Piratenfraktion Herr Kowalewski. – Herr Dr. Lederer, Sie haben noch 32 Sekunden!

Herr Präsident! Mein lieber Herr Senator! Ich möchte erst einmal danken für die weitgehend sachliche und argumentative Behandlung des Themas, weil das ja durchaus eine Qualität einer Debatte sein kann. Ich teile nicht alles, das erwartet hier auch niemand, ich will aber an einer Stelle durchaus noch einmal für das Protokoll Folgendes festhalten: Es waren nicht die Oppositionsabgeordneten, die die Beteiligung an der Willensbildung verweigert haben, sondern es waren die Oppositionsabgeordneten, die zugehört haben, die Fragen gestellt haben, die sich mit Ihnen auseinandergesetzt haben, während die Koalition, die diese Aktuelle Stunde angemeldet hat, hier durch weitgehende geistige –

Sie müssen jetzt zum Ende kommen!

oder sogar körperliche Abwesenheit glänzte. Von Ihrer Fraktion waren zeitweise zehn von 38 Abgeordneten im Saal.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Das finde ich persönlich einen Skandal. Das ist der Grund, warum ich glaube, dass hier Wahlkampf stattfindet, obwohl es richtig ist, über solche Dinge zu reden.

Herr Kollege Dr. Lederer! Danke schön! – Herr Kollege Kowalewski, Sie haben noch zwei Minuten und 30 Sekunden!

Das freut mich sehr, dass ich doch noch ein bisschen Zeit übrig habe. Einerseits, um natürlich klarzustellen, dass ich Sie durchaus auch schon gelobt habe, auch in Bezug auf Ihren professionellen Umgang und den Ihrer Staatssekretärin Frau Toepfer-Kataw mit dem Pferdefleischskandal. Ich bin auch absolut überzeugt davon, dass alle Mitarbeiter in den entsprechenden bezirklichen Behörden sehr daran interessiert sind, die Fälle jetzt aufzuklären. Meine Kritik – Sie haben es ja gehört – richtete sich vor allem an Ihren Senatskollegen, der leider dafür sorgt, dass es den Mitarbeitern unnötig schwer gemacht wird, indem sie mit Aufgaben überhäuft werden und dafür zu wenig Personalzuweisungen haben. Auch wird das Personal weiterhin abgebaut, so dass das vernünftige Arbeiten weiter erschwert wird.

Ich bin aber an anderer Stelle nicht ganz mit Ihnen einverstanden, nämlich dass Massentierhaltung unbedingt notwendig ist. Wir haben es ja gesehen: Die Verbraucher wollen keine Massentierhaltung. Nachdem wir beispielsweise die Eierstempel eingeführt haben, wollte niemand mehr Eier aus Käfighaltung kaufen. Die mussten dann also in die Fertigprodukte. Jetzt hat das Abgeordnetenhaus beschlossen, den Senat damit zu beauftragen, dass es bundesweit eine Regelung dafür geben soll, dass auch bei Fertigprodukten deklariert werden soll, wenn KäfigEier drin sind. Ich gehe einmal davon aus, dass sich dann diese Produkte nicht mehr so reißend verkaufen werden. Das heißt, der Verbraucher möchte keine Massentierhaltung. Es ist auch möglich – das zeigen wissenschaftliche Untersuchungen –, uns in diesem Land ohne Massentierhaltung zu versorgen, und wir setzen uns dafür ein, dass die Massentierhaltungsbetriebe verschwinden.

Auch sollte man, wie gesagt, die Deklaration da machen, wo sie der Verbraucher auch sieht, nämlich auf dem Etikett. Ich bin immer sehr dafür, möglichst viel Information im Internet vorzuhalten, auch, wie gesagt, über die beschlagnahmten Produkte. Wir haben gerade noch einmal nachgeschaut: Das Bundesportal verweist auf die Länderseiten zurück. Das ist für den Verbraucher nicht sehr übersichtlich, um die Information zu finden. Aber wir haben zum Beispiel auf einer Lasagneverpackung Etiketten. Da ist ein sehr appetitlich angerichtetes Gericht zu sehen, was mit dem, was darin enthalten ist, wahrscheinlich nicht allzu viel zu tun hat. Der Platz, auf den allerdings die Zutatenlisten und die Inhaltsdeklaration gequetscht wird, ist sehr, sehr klein.

Sie müssen zum Ende kommen, Herr Kollege!

Ich komme zum Ende! – In anderen Bereichen lässt es sich ja auch einrichten, alle Informationen für den Verbraucher abzubilden. Das sollte eigentlich auch bei Fertigprodukten möglich sein.

[Beifall bei den PIRATEN]

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aktuelle Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4:

Prioritäten

gemäß § 59 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

und komme gleich zu

lfd. Nr. 4.2: