Protocol of the Session on January 17, 2013

[Zuruf von den PIRATEN: Zur Sache!]

Ich freue mich auf Ihren Anruf. Ansonsten können wir uns gern nächste Woche Montag, wenn Sie Zeit hätten, um 19 Uhr im Sport- und Erholungszentrum an der Landsberger Allee zum Badminton treffen. – Herzlichen Dank!

Danke schön! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort Kollege Lux. – Bitte sehr!

[Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit: Mal sehen, ob der Kollege Lux jetzt auch Badminton spielt!]

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kollegen! Vielleicht spielen die Kollegen Kohlmeier und Lauer auch Skat. Da würde ich mich dann als Dritter anbieten, um ein bisschen zu moderieren, denn beide haben Sie ein bisschen recht, aber beide gehen Sie auch fehl. Der finnische Staatspräsident hat mal gesagt: Sicherheit erreicht man nicht, indem man Zäune errichtet, Sicherheit gewinnt man, indem man Tore öffnet. – Bei der Piratenfraktion bin ich mir sicher, dass sie diesen Grundsatz beherzigt hat. Bei der SPD-Fraktion weiß man nach der Rede nicht ganz, wo sie eigentlich steht. Jedenfalls muss man sich bei den Stichworten Kamera und Meldepflicht fragen: Erreicht man wirklich mehr Freiheit und mehr Bürgerrechte, indem die Videokameras dokumentiert werden?

Ich glaube, es geht uns um die Menschen, die besorgt sind, in dieser Stadt auf Schritt und Tritt überwacht zu werden, die nicht wollen, dass sie im öffentlichen Raum von Videokameras überwacht werden, und ich bin mir relativ sicher, dass diese Menschen vor allen Dingen weniger Videokameras wollen, und nicht wissen wollen, wo diese Videokameras stehen. Deswegen geht der Antrag auch nicht unbedingt gleich konsequent in eine oder die richtige Richtung.

Sie betreiben das hier nach dem Grundsatz: Grundrechtsschutz durch Verfahren, durch mehr Aufwand, durch mehr Niederschriften, wo die Kameras sind. Aber ich weiß nicht genau, ich denke, man fühlt sich unsicher in dieser Stadt, wenn man auf Schritt und Tritt von einer Kamera überwacht wird nach dem Motto des deutschen Journalisten Wenders: Sicherheitsvorkehrungen schaffen erst das Gefühl von Unsicherheit. – Und das wollen wir doch gemeinsam beseitigen und nicht, dass es durch Videokameras zu einer Scheinsicherheit kommt.

[Martin Delius (PIRATEN): Ja, klar!]

Aber das schaffen Sie doch nicht, indem Sie die Kamera heiligen, nur weil sie niedergeschrieben ist, nur weil sie gemeldet wird. Ich glaube, da müssen wir noch gemeinsam den Antrag nachbessern.

[Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf von der CDU: Guten Morgen!]

Ich versuche, mich hier sachlich mit Ihrem Antrag auseinanderzusetzen, weil wir beide Ähnliches wollen. Wir wollen natürlich mehr Bürgerrechte, wir wollen weniger Überwachungsstaat,

[Beifall von Martin Delius (PIRATEN)]

und wir wollen in einem frühen Stadium darauf hinwirken, dass Kameras keine Sicherheit vorgaukeln. Da muss man sich zweitens natürlich fragen: Stigmatisieren Sie nicht bzw. warnen Sie nicht die Leute, die wissen, wo Videokameras hängen? Schaffen Sie dadurch nicht erst recht ein Klima der Verunsicherung, indem die Menschen diesen Videokameras ausweichen?

[Martin Delius (PIRATEN): Das ist doch deswegen da, weil die Kameras da sind!]

Genau! Deswegen: Kameras weg und nicht aufschreiben, wo Kameras sind!

[Beifall bei den GRÜNEN]

Aber Sie wollen Kameras zählen und aufschreiben. Wenn man Kameras zählen und dokumentieren will, wo die sind, dann finde ich nicht, dass es da eine Meldepflicht geben sollte, sondern dann sollte man sich an Recht und Gesetz halten.

Das hat der Kollege Kohlmeier von der SPD – das kann er ja – hier sehr gut aufgeführt. Es gibt bestehendes Datenschutzrecht auch im privaten Bereich. Videokameras dürfen zur Wahrung des Hausrechts und zur Erfüllung

öffentlicher Zwecke aufgehängt werden. Das ist geltendes Recht. Aber da müssen doch nicht die Leute kommen und melden: Hier haben wir eine Videokamera –, sondern da muss notfalls die Polizei rausgehen und sagen: Hier darf keine Videokamera hängen. – Da kommen wir, glaube ich, zum Kern des Problems, nämlich dass die Sicherheitsbehörden selber – unser videokameraüberwachungsfreundlicher Innensenator, glaube ich, auch nicht – nicht begriffen haben, dass gegen geltendes Recht verstoßen wird, wenn Kameras den öffentlichen Raum mehr überwachen, als sie dürfen, wenn wie im Fall Dussmann der öffentliche Raum von Privaten mehr als einen Meter weit in den Straßenraum hinein überwacht wird. Da kann man auch mal rausgehen und nach Recht und Gesetz sagen: Hier wird Datenschutzrecht missachtet. – Und deswegen kann man die Kamera da gleich abnehmen, da muss man nicht erst aufschreiben, wo sie ist.

Um da weiterzukommen, müssten wir uns gemeinsam daransetzen und sagen: Wir brauchen eine bestimmte Aufklärung in dem Bereich, welche Kameras nach Bundesrecht hängen dürfen und welche nicht. Vielleicht kommen die Piraten ja auch in den Deutschen Bundestag und können dann vielleicht sogar mit der rot-grünen Regierungskoalition gemeinsam dort klarere Regeln schaffen. Das werden wir sehen. Da muss man dann auch ran und sagen: Es geht nur sehr begrenzt. Kameras schaffen keine zusätzliche Sicherheit. Sie können bei der Aufklärung von Straftaten helfen. Und auch das gehört zur Wahrheit dazu: An manchen Stellen wird man diese Kameras also auch nicht abhängen können.

Aber insgesamt sollten Sie sich die Frage stellen, was konsequent ist. Und es kann nicht konsequent sein, keine Kameras zu wollen, aber erst mal eine umfassende Dokumentationspflicht einzuführen. – Danke für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei den GRÜNEN]

Danke schön, Kollege Lux! – Um eine Kurzintervention hatte der Kollege Morlang gebeten. – Sie haben das Wort, Herr Kollege!

Kollege Lux! Das ist krass, dass Sie jetzt dagegen sind, dass es weniger Kameras werden. Mal angenommen, wir hätten ein öffentliches Kameraregister, wo jeder Bürger und auch Nichtbürger dieser Stadt die Standorte dieser Kameras einsehen kann, dann hätten wir zumindest mal die wunderbare Möglichkeit einer zivilgesellschaftlichen Evaluation der Kamerastandorte. Dann kann ich nämlich hingehen und gucken. Wir nennen das Crowdsourcing. Wir machen den Scheiß öffentlich, –

Das wird gerügt!

und die Leute gehen hin und sagen: Was, in meiner Nachbarschaft eine Kamera! Das kann doch nicht angehen! Da gucke ich doch mal und gegebenenfalls mache ich eine Beschwerde beim Datenschutzbeauftragten. – Die Dinger sind nämlich häufig gar nicht sichtbar. Ich denke, dass sich auch ganz viele Leute, Unternehmen, Behörden etc. das dreimal überlegen, ob sie eine Kamera anbringen, wenn sie wissen, dass ein starker, ein massiver Kontrolldruck durch die Zivilgesellschaft und die Behörden da ist.

Sie, Herr Lux, wollen diesen Kontrolldruck nicht. Sie wollen nicht, dass es weniger werden. Sie machen eine fundamentalistische Totalforderung, und weniger ist bei Ihnen nicht zu holen. Das, mein Lieber, ist doch keine Realpolitik. Das ist keine Politik. Das ist ein bisschen fundamentalistisches Gelaber. – Danke!

[Beifall bei den PIRATEN]

Danke schön! – Herr Kollege Lux! Sie wünschen zu erwidern? – Dann erteile ich Ihnen jetzt das Wort.

[Martin Delius (PIRATEN): Das sind die Fundis!]

Vielen Dank, Herr Präsident! – Auch wir Grünen sind Fundis und das häufig auch zu Recht,

[Beifall von Antje Kapek (GRÜNE)]

gerade wenn die Piratenpartei ihre Grundsätze verlässt

[Zurufe von den PIRATEN: Oh!]

und erst einmal Videokameras durch Meldepflichten legalisieren will. Ich glaube, dann ist es auch uns Grünen zugestanden, dass wir mal ganz kritisch sagen dürfen: Nicht mehr so viel Videoüberwachung, sie bringt im öffentlichen Raum nichts!

[Martin Delius (PIRATEN): Gestehen Sie uns doch zu, dass wir eine gute Idee hatten!]

Wir können ja zum Beispiel mal den ersten Satz Ihres Antrags an dieser Stelle durchgehen:

Der Senat wird aufgefordert, eine gesetzliche Meldepflicht von Kameras,

Klammer auf: die er gar nicht vorlegen kann, weil sie im Bundesdatenschutzgesetz wäre. Das hat Kollege Kohlmeier erörtert. –

die im Land Berlin von öffentlichen Stellen und Privaten betrieben werden und den öffentlich zu

gänglichen Raum überwachen, nach folgenden Maßgaben festzuschreiben: …

So, jetzt nehmen wir uns noch mal den Teilsatz vor – Kollege Weiß guckt ja immer mit, wenn man hier wortgenau zitiert:

… die im Land Berlin den öffentlich zugänglichen Raum überwachen und von öffentlichen Stellen und Privaten betrieben werden…

Was meinen Sie denn jetzt eigentlich? Meinen Sie jeden Privaten, der eine Kamera für den öffentlichen Raum aufstellt, die den öffentlichen Raum überwacht? – Dann müssen Sie ins Bundesdatenschutzgesetz, dann müssen Sie hier eine Bundesratsinitiative vorlegen, die entsprechend bundesgesetzliche Änderungen hervorruft.

Und wenn Sie die öffentlichen Stellen meinen, dann haben Sie eine Antwort bekommen, und da sind wir einer Meinung, dass sie nicht viel Sicherheit schaffen. Da muss man für Aufklärung sorgen. Sehen Sie, es blutet einem ja das Herz – und da müsste es einem Piraten ähnlich gehen wie einem Grünen –, dass die Mehrheit in der Bevölkerung sich durch Videokameras sicherer fühlt.

[Christopher Lauer (PIRATEN): Stimmt nicht!]

Natürlich! Ich glaube, dass hier des Pudels Kern ist, dass man Aufklärungsarbeit leisten muss, dass Videokameras nicht mehr Sicherheit schaffen. Wenn Sie daran Ihr Interesse verloren haben, dann glaube ich, dass Sie auch kein Interesse an einer Politik haben, die sich auf die Mehrheit der Gesellschaft richtet und versucht, alle mitzunehmen,

[Christopher Lauer (PIRATEN): Das interessiert keinen mehr, Herr Lux!]

für eine Sicherheitspolitik, die uns allen hilft, und nicht für eine Schaumschlägerei in Sachen Videoüberwachung. – Danke!

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]