Protocol of the Session on January 17, 2013

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin schon etwas überrascht, wie schwer sich die Opposition mit der positiven Nachricht tut, dass wir 2012 einen Überschuss erwirtschaftet haben. Da gibt es etwa den Kollegen Brunner, der gar nicht weiß, wie viele Schulden wir haben. Er redet von 64 Milliarden

[Zuruf: 65!]

oder sogar von 65. Sie sollten einmal genau hingucken: Wir werden das Jahr mit unter 63 Milliarden abschließen. Man sollte sich, wenn man in so eine Debatte einsteigt, ein Stück schlau gemacht haben.

Dann gibt es Kollegen, die einen Großteil ihrer Redezeit damit verbringen, die Leistungen in Berlin schlechtzureden, indem sie sagen, dass das, was hier im letzten Jahr von uns gemeinsam gebracht worden ist, vom Rest der Republik erwirtschaftet worden sei, weil dort die Wirtschaft so hervorragend funktioniert – als hätten die Bayern, die Baden-Württemberger und die Hessen, die uns sowieso ans Leder wollen, all das getan, was hier in Berlin geleistet worden ist. Das ist mitnichten der Fall. Ich kann das also auch nicht ganz nachvollziehen.

Und es gibt einen anderen Kollegen, der zu den Grünen gehört. Der hat gesagt: Mensch, jetzt haben wir ja einen Überschuss! Jetzt reden wir einmal darüber, wie wir den ausgeben! – Aber auch er vergisst, dass wir 63 Milliarden Schulden haben, für die wir 2,2 Milliarden Zinsen zahlen, die uns in unserer politischen Handlungsfähigkeit behindern. Die Zinsen sind also das Problem, nicht der Überschuss. – Da geht also einiges, glaube ich, doch ziemlich durcheinander.

Worauf wir gemeinsam stolz sein können, ist, dass dieses Land seit Jahren sehr konsequent eine Ausgabenlinie einhält, die die anderen Länder nicht einhalten. Das ist das, was wir, neben anderem, selbst gestalten können: Wir können unsere Aufgaben selbst gestalten. Es ist eine Entscheidung dieses Senats und dieser Koalition des Abgeordnetenhauses, und wir haben auch unsere Interessen selbstbewusst vertreten – Sie haben es angesprochen, Herr Esser: Beim Bildungs- und Teilhabepaket, aber auch bei den Kosten der Unterkunft war das natürlich auch Politik des Senats. Ich selbst habe im Vermittlungsausschuss gesessen, als wir das verhandelt und uns geeint haben. Natürlich ist es richtig, dass der Bund die sozialen Lebenskosten mitträgt, wie er beispielsweise auch das Bildungs- und Teilhabepaket zu tragen hat, aber auch die Kosten der Unterkunft. Dass es von den Kommunen ausgeglichen werden muss, dass alte Menschen, wenn sie in Rente gehen, immer weniger Geld zur Verfügung haben, ist nicht richtig, sondern ein gesamtgesellschaftliches Risiko. Deshalb braucht man sich doch nicht darüber zu beschweren, sondern es ist konsequent, wenn der Bund diese Kosten übernimmt.

(Senator Dr. Ulrich Nußbaum)

Ich bin stolz darauf, dass wir trotz der Risikovorsorge, die wir für den Flughafen vorgenommen haben, diesen Überschuss von knapp 700 Millionen Euro generiert haben. Dafür an dieser Stelle meinen Dank an alle Kolleginnen und Kollegen im Senat, in den Fraktionen und in den Bezirken, aber auch in meiner Verwaltung! Ich bedanke mich wirklich für dieses gemeinsame Herangehen; denn vom Sparen redet man immer ganz gerne und sehr leicht, aber es dann ganz konkret durchzuführen, ist eben die Herausforderung. Ich glaube, das ist uns gelungen.

Es wurden hier Themen angesprochen wie, wir hätten unsere Gelder nicht ausgegeben, insbesondere beim Thema Bauunterhalt. Natürlich haben wir letztes Jahr den Haushalt erst vor der Sommerpause beschlossen, und natürlich konnten wir in den ersten Monaten die Mittel nicht ausgeben, aber wir haben die Gelder rechtzeitig zur Verfügung gestellt, und wir haben an vielen Stellen gesagt: Ihr könnt schon planen, ihr könnt schon ausschreiben, ohne dass der Haushalt beschlossen ist, und dann könnt ihr sofort loslegen. – Als Entschuldigung heranzuziehen, dass Programme nicht umgesetzt worden sind – das kann man so nicht sagen, dafür ist auch nicht der Finanzsenator verantwortlich; das Geld war da.

Es wird auch betont, wir hätten die Stadt kaputtgespart, wir hätten uns an vielen Stellen den Herausforderungen nicht gestellt. Meine Vorredner, Herr Schneider und Herr Goiny, haben gesagt: Wir haben ein Schlaglochprogramm aufgelegt, wir haben Schul- und Sportstätten saniert, wir haben neue Kitaplätze geschaffen. Ich sage auch noch mal – das ist schon vergessen –: Wir haben mit dem Konjunkturprogramm II 2009 bis 2011 im Vorgriff 632 Millionen Euro in unsere Infrastruktur, vor allen Dingen in Schulsanierung und in Schulen investiert, obwohl wir das eigentlich nicht in unserem Investitionsplan hatten. Deswegen haben wir sozusagen im Vorgriff auf die kommenden Jahre mit diesem Konjunktur-IIProgramm sehr viel für unsere Bildungsinfrastruktur und zur Behebung von energetischen Problemen gemacht.

Es ist klar, dass wir in Berlin nach wie vor massive strukturelle Probleme haben. Wir werden uns diesen strukturellen Problemen auch stellen müssen. Deswegen möchte ich noch einmal auf die Debatte bezüglich der Wasserbetriebe zurückkommen. Was mir nicht ganz verständlich ist: wie ein Parlamentarier dieses Parlament als Beute- oder gar als Raubgemeinschaft bezeichnen kann, wenn es auf Hunderte von Millionen Euro als Einnahmen verzichtet, indem die Wasserpreise gesenkt werden.

[Zuruf von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Als Parlamentarier ein Parlament als Beute- und Raubgemeinschaft zu bezeichnen – das muss man sich erst mal auf der Zunge zergehen lassen.

[Stefan Gelbhaar (GRÜNE): Da haben Sie nicht richtig zugehört! – Dr. Klaus Lederer (LINKE): Ich erklär’s Ihnen nachher noch mal!]

Das brauchen Sie nicht nachher zu erklären! Es wäre besser, wenn Sie das so nicht formulieren würden!

[Beifall bei der SPD und der CDU – Zurufe von den GRÜNEN]

Herr Finanzsenator! Gestatten Sie eine Frage des Kollegen Klaus Lederer?

Ich würde meine Rede gern erst mal zu Ende halten. – Wir haben das Jahr 2012 – ich sagte das schon – auch deshalb gut abschließen können, weil neben unseren eigenen Anstrengungen der wirtschaftliche Verlauf insgesamt gut war. Das hat uns eine Reihe von Steuereinnahmen beschert. Ich sage aber nochmals deutlich: Das sind auch Steuereinnahmen, die unmittelbar auf die Berliner Wirtschaft und die Berliner und Berlinrinnen zurückzuführen sind; denn die Gewerbesteuereinnahmen – das ist immer ein sehr klarer Indikator – haben sich in Berlin äußerst positiv entwickelt. Wir haben nicht die großen Industrie- und Wirtschaftsadressen, die sehr, sehr große Gewerbesteuerzahlungen leisten, aber wir haben eine Mischung, eine Granularität in unseren Unternehmen, die eine relative Stabilität gewährleisten, auch in schwierigen Zeiten. Das ist ein Erfolg.

Wir haben aber auch einiges getan, so wie wir es auch mit dem Stabilitätsrat abgesprochen haben, um unsere eigenen Einnahmepotenziale auszuschöpfen. Wir haben die Grunderwerbsteuer erhöht. – Das fanden Sie von der Opposition nicht so gut. – Wir haben auch vor, die CityTax einzuführen. Wir haben die Vergnügungssteuer erhöht. Wir haben das an vielen Stellen gemacht, um auch die Einnahmenbasis dieses Landes zu verbessern.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Trotzdem: Das Jahr 2013 sieht in der wirtschaftlichen Prognose deutlich weniger optimistisch aus. Wir müssen damit rechnen, dass es zu Veränderungen der Einnahmen kommt. Wir müssen aber auch damit rechnen – die Ergebnisse des Zensus werden im März, April verkündet –, dass wir Verluste im Länderfinanzausgleich hinnehmen müssen, wenn sich die offiziell festgestellte Einwohnerzahl Berlins dadurch verändern wird. Das könnte zu Auswirkungen bei den Steuereinnahmen führen.

Wir haben unseren Beitritt zur TdL erklärt. Das wird von der Opposition am Rande wahrgenommen. Wir haben einen klaren Fahrplan, wie wir diese Lücke zwischen dem Besoldungs- und Vergütungsniveau in Berlin und dem des Bundes schließen wollen, – Herr Esser! Daran müssen Sie uns gar nicht erinnern! Das haben wir den Ge

(Senator Dr. Ulrich Nußbaum)

werkschaften und den Arbeitnehmervertretern in Tarifverträgen zugesagt. – Deswegen sind wir in die TdL eingetreten. Und natürlich lassen wir die Beamten nicht außen vor. Aber es ist eine Kraftleistung, dieses Delta auszugleichen. Wenn in Zukunft TdL-Abschlüsse unser Budget beeinflussen, können Sie sich bei einem Personalausgabenvolumen von über 6,5 Milliarden Euro vorstellen, dass wir über fast dreistellige Millionenbeträge reden, die dieser Haushalt dadurch auszuhalten hat, dass wir die Gehälter sukzessive an das durchschnittliche Niveau anpassen. Auch das ist eine Leistung. Das ist eingeplant, dazu braucht uns keiner zu treiben, sondern dazu haben wir uns freiwillig in dieser Koalition verpflichtet. Und wir haben uns auch dazu verpflichtet, die Beamten nicht außen vor zu lassen.

Wir haben das Thema Schattenhaushalt im Griff. Deswegen schauen wir auf die Landesgesellschaften und versuchen, eine Politik über diese Landesgesellschaften zu machen, die ihre Verschuldungsquoten im Auge behält und die ihre Leistungsfähigkeit respektiert.

Mit Blick auf die Zukunft muss man klar sehen: Wir unterscheiden – und das ist auch klug so – zwischen einem konjunkturellen Defizit und einem strukturellen Defizit. Wir haben mit dem Stabilitätsrat seinerzeit eine Vereinbarung über Konsolidierungsbeihilfen getroffen. In diesem Zusammenhang wurde das strukturelle Defizit, das wir in zehn gleichen Schritten à 200 Millionen Euro abzubauen haben, auf 2 Milliarden Euro festgelegt. Danach könnten wir jetzt noch ein Defizit von 1,6 Milliarden Euro haben. Wir sind darunter, auch das ist ein Erfolg. Aber nichtsdestotrotz haben wir ein strukturelles Defizit; Sie brauchen nur hinauszuschauen, wie die Infrastruktur aussieht und wie viele Nachholbedarfe wir haben.

Deswegen haben wir – auch mit Blick auf die kommenden Haushaltsaufstellungen – vernünftig zu operieren. Wir können auch deshalb noch nicht von der Ausgabenlinie von 0,3 im Durchschnitt abweichen. Wir werden auch für den kommenden Doppelhaushalt Augenmaß wahren müssen. Wir werden die Ausgabenlinie nicht erweitern können. Und es wird in diesem Doppelhaushalt darum gehen – und das ist die intelligente Herausforderung, der diese Koalition nachkommen wird –, mit den bestehenden Mitteln die Schwerpunkte so zu setzen, dass das Sparen, Konsolidieren, das wir durchführen, unsere politische Handlungsfähigkeit trotzdem nicht einschränkt.

Ich sagen Ihnen auch, wo wir unsere Schwerpunkte setzen werden: Wir werden es tun in unserer Infrastruktur. Deswegen wird es wichtig bleiben, Schulen, Straßen, auch Sportstätten zu sanieren und zu erhalten.

Wir werden auch das Thema bezahlbarer Wohnraum angehen. Wir sind es schon angegangen. Wir haben den Wohnungsbaugesellschaften über 20 Grundstücke zur

Verfügung gestellt. Wir haben die Liegenschaftspolitik verändert. Wir werden die Bedarfe in dieser wachsenden Stadt für Studenten, für Alleinerziehende mit Kindern, aber auch für ältere Menschen decken und auch in der Kiezbildung dafür sorgen, dass wir soziale Lebenssituationen ermöglichen, die wir in Berlin auch in der Vielfalt wollen.

Und wir werden – drittens – auch das Thema Personalentwicklung angehen. Wir kennen die Zahlen. Wir wissen, dass wir 2017 relativ große Abgänge haben. Aber anders als Sie, die diese Abgänge immer negativ darstellen, haben wir nicht beschlossen, diese Abgänge nicht zu ersetzen, sondern diese Abgänge ermöglichen uns auch, den öffentlichen Dienst zu verjüngen. Deswegen ist es nicht so, dass wir nicht einstellen werden und sich aus diesen Abgängen keine Reduzierung des Personals über die 100 000 Vollzeitäquivalente ergeben wird, die wir angepeilt haben. Nein, wir können diese Abgänge nutzen, um jungen Menschen im öffentlichen Dienst eine neue Chance zu geben. Deswegen ist das Thema Ausbildungsplätze, deswegen ist das Thema „Wie führen wir junge Menschen an den öffentlichen Dienst heran?“ so wichtig. Und deswegen werden wir, weil wir natürlich mehrere Jahre Vorlauf haben, bis wir beispielsweise 2017 jemanden einstellen – wir müssen ihn, wenn er zur Polizei geht, drei Jahre vorher ausbilden, oder wenn er Finanzanwärter wird, zweieinhalb Jahre vorher ausbilden –, in dem kommenden Doppelhaushalt Mittel zur Verfügung stellen für die jungen Menschen, Auszubildenden, die wir dann noch 2017 einstellen können, wenn die großen Abgänge kommen, und nicht nur 2017, sondern auch darüber hinaus, und auch das haben wir in unsere Finanzplanung und unseren Haushalt integriert.

[Beifall bei der SPD]

Deshalb sehen Sie mich bei allem Handlungsbedarf und auch allen Herausforderungen hier auch trotz des Überschusses nicht jubeln, aber ich sage: Man sollte, wenn man das geleistet hat, auch mit Blick auf die anderen Bundesländer, die uns immer unterstellen, wir würden unsere Ausgaben nicht im Griff halten, kann man, glaube ich, auch als Berliner, Berlinerin, egal welche Couleur man hat, darauf ein Stück stolz sein. Voraussetzung ist aber auch, dass wir nicht nachlassen, denn dieser Erfolg ist nicht der Erfolg der letzten ein, zwei Jahre, sondern der Erfolg schon einer längeren Politik des Konsolidierens und der Begrenzung des Ausgabenzuwachses. Deswegen wird es notwendig sein, das auch noch mindestens für den kommenden Doppelhaushalt durchzuhalten. Ich denke dann, dass wir unser strukturelles Defizit in absehbarer Zeit abbauen können. Dann haben wir wieder Gestaltungsmöglichkeiten, mit denen wir die Herausforderungen dieser wachsenden Stadt auch finanzieren können.

Auch dann sind wir gerüstet, die Aufbauhilfen Ost, die ja dramatisch abwachsen, also sprich, als Einnahmen in unserem Haushalt fehlen, auszugleichen. Auch dann werden wir gerüstet sein, die Schuldenbremse einzu

(Senator Dr. Ulrich Nußbaum)

halten. Und wir werden auch gerüstet sein für Verhandlungen über einen kommenden Länderfinanzausgleich, der möglicherweise Berlin weniger Mittel von außen zur Verfügung stellen wird, als das heute der Fall ist. Ich denke, wenn wir es schaffen, uns auch in den nächsten Jahren hinter dieser Linie zu versammeln, dann ist es mir um die Finanzen Berlins nicht bange. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank, Herr Senator Nußbaum! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aktuelle Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4:

Prioritäten

gemäß § 59 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

lfd. Nr. 4.1:

Priorität der Piratenfraktion

Tagesordnungspunkt 22

Eine Meldepflicht für Überwachungskameras im Land Berlin

Antrag der Piratenfraktion Drucksache 17/0701

Auch hier haben die Damen und Herren Kollegen eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion. Ich erteile dem Kollegen Lauer das Wort. – Bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist eigentlich ganz einfach: Die Piratenpartei lehnt die Videoüberwachung des öffentlichen Raums ab. Wir halten die Überwachung der Öffentlichkeit mit Videokameras für eine gefährlich Zeit- und Geldverschwendung – gefährlich deswegen, weil sich die Berlinerinnen und Berliner durch diese Videokameras möglicherweise in einer falschen Sicherheit wiegen, gefährlich, weil es bei den großen Datenmengen, die dort durch Videoüberwachung erzeugt werden – –

Herr Kollege Lauer! Gestatten Sie, dass ich Sie einen Moment unterbreche! – Da hinten ist eine Runde. Ich würde Sie doch bitten, dass Sie dann vielleicht den Plenarsaal verlassen –