Protocol of the Session on November 22, 2012

„Energiewende sozial gestalten“ – meine lieben Herren Kollegen Wolf, ich glaube, in diesem Ziel sind wir uns alle einig, nur was die Instrumente auf diesem Weg angeht, da haben wir verschiedene Auffassungen. Die CDU-Fraktion ist mit Ludwig Erhard der Meinung, dass ein funktionierender Markt aus sich heraus schon sozial ist, weil nur ein funktionierender Markt für die Verbraucherinnen und Verbraucher die beste Leistung zum besten Preis zur Verfügung stellt. Denken Sie zum Beispiel an die Erfahrungen, die wir im Bereich der Telekommunikation gemacht haben, als das Behördenmonopol durch den freien Wettbewerb abgelöst worden ist! Die Folge waren immer bessere, immer leistungsfähigere Telefongeräte und stetig sinkende Preise für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Das schafft nur der Wettbewerb, die beste Leistung zum besten Preis. Und das gilt auch für die Energiemärkte.

Die von der Linksfraktion vorgeschlagenen Instrumente weisen leider in die andere Richtung und würden, sollten sie umgesetzt werden, Folgen haben, die leider alles andere als sozial wären.

[Uwe Doering (LINKE): Was?]

Zu Antrag I, Rückführen von Ausnahmereglungen: Etwa die Hälfte des Industriestromverbrauchs ist mit der vollen EEG-Umlage belastet. Für die betroffenen Unternehmen

stellt das eine erhebliche Belastung dar, denn der Strompreis ist beispielsweise in Frankreich deutlich niedriger, und latent besteht die Gefahr von Abwanderungen der Industrie. Wer insbesondere also energieintensive Unternehmen aus den Ausnahmeregelungen herausnehmen will, der exportiert Industriearbeitsplätze und legt die Axt an das Fundament unseres Wohlstandes. Das ist nicht sozial. Wer das will, der möge es bitte laut sagen, damit sich die Betroffenen bei den nächsten Wahlen auch erkenntlich zeigen können. Die Bundesregierung hat derzeit die Ausnahmeregelungen auf dem Prüfstand. Da mag es an der einen oder anderen Stelle Bedarf für Nachjustierung geben. Das wird dann auch getan werden.

Zu Antrag II, Strompreisaufsicht einführen: Das Letzte, was wir für einen funktionierenden Wettbewerb brauchen, ist eine staatliche Plankommission und eine Preisgouvernante. Das brauchen wir nun wirklich nicht. Jeder Student der Betriebswirtschaft oder Volkswirtschaft lernt im ersten Semester, wenn ich die Preise reguliere, dann muss ich auch die Mengen regulieren; und wenn ich Preise und Mengen reguliere, dann bin ich mitten in der Planwirtschaft, also da, wo wir eigentlich nicht hinwollen. – Meine lieben Herren Kollegen Wolf! Da sind Sie im falschen Film, respektive in einer falschen Republik, oder Sie haben sich einfach im Jahrhundert vertan.

[Harald Wolf (LINKE): 2007 gab es das! Das war keine andere Republik! – Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Sie müssen 2007 in der falschen Republik gelebt haben!]

Wir sind auch auf dem Strommarkt auf einem guten Weg. Wir sind noch nicht ganz so weit wie in der Telekommunikation oder auch auf dem Markt für Neuwagen, aber die jüngste Preisrunde wird den Wettbewerbsdruck weiter verstärken und tendenziell dafür sorgen, dass Übertreibungen bei den Preisen vermieden werden.

Zu Antrag III, Stromsperren verbieten: Im Hartz-IV-Satz ist der Stromverbrauch ausreichend berücksichtigt. Und die Mehrheit der Hartz-IV-Empfänger bezahlt pünktlich ihre Stromrechnungen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Wolf?

Es ist also möglich, auch mit geringem Einkommen seine Stromrechnung zu bezahlen, wenn man ordentlich haushaltet. Der Staat hat sich hier nicht einzumischen. Hier kommt es auf die Selbstverantwortung der Bürger an. Kein Lieferant kann zu liefern gezwungen werden, ohne dass er bezahlt wird. Der Wettbewerb auf dem Strommarkt ist hart, wird immer härter. Gerade viele der neuen Anbieter haben nur den Energiehandel, sind also darauf angewiesen, dass sie hier die knappen Margen, die dort bestehen, auch tatsächlich verdienen. Und gerade diese

(Pavel Mayer)

neuen Anbieter würden darunter leiden, wenn sie ohne Gegenleistung liefern müssten. Dadurch würden Arbeitsplätze verloren gehen.

Herr Dr. Garmer! Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Wolf?

Ja, sehr gerne.

Bitte!

Herr Dr. Garmer! Sie haben gesagt, die Einführung einer Strompreisaufsicht würde bedeuten, dass man in einer anderen Republik lebe. Nun hat bis zum Jahr 2007 diese Strompreisaufsicht existiert. Habe ich bis dahin in einer falschen Republik gelebt?

Herr Wolf! Wir haben auch in Zukunft die allgemeine Missbrauchsaufsicht durch das Bundeskartellamt. Übertreibungen können auch in Zukunft geahndet werden. Aber wir brauchen hier keine spezielle Regelungen. Wir brauchen einfach mehr Wettbewerb.

Meine Damen und Herren von der Linksfraktion! Soziale Großtaten sehen anders aus. Ich habe die große Bitte, dass Sie noch einmal darüber nachdenken. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Dr. Garmer! – Für die Piratenfraktion hat jetzt das Wort der Abgeordnete Herr Mayer. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Werte Gäste! Wir Piraten stimmen erst einmal den Anträgen I und III im Wesentlichen zu. Bei den Preiskontrollen dagegen sind wir der Meinung, es gibt bereits genug Mechanismen, die man nutzen kann. Das hatte Herr Wolf ja auch angedeutet.

Herr Garmer! Bei Ihnen hört sich das tatsächlich so an, als hätten wir bis vor Kurzem in der Planwirtschaft gelebt. Und zumindest möchte man den Eindruck gewinnen, dass die Einheit offenbar auch Westdeutschland den Ausstieg aus der Planwirtschaft beschert hat.

Die Situation derzeit ist doch so, dass gerade an vielen Stellen nicht der Markt die Preise regelt, sondern dass wir mit der EEG-Umlage, so wie sie jetzt ist, haufenweise Wettbewerbsverzerrungen haben. Das wurde auch schon mehrfach erwähnt, dass diese dann vor allem zulasten kleiner und mittlerer Unternehmen gehen und dass man das wirklich niemandem erklären kann. Das hatte auch Herr Wolf so schön gesagt, dass dann, wenn ein Unternehmen eine energieintensive Produktion betreibt, der Gesamtverbrauch beispielsweise von der EEG-Umlage befreit ist.

Wir sind deswegen der Meinung, dass alle Unternehmen und insbesondere die, die in Zukunft von der sicheren Energieversorgung am meisten profitieren, ebenfalls einen Beitrag zur Finanzierung der Energiewende zu leisten haben. Wobei ich auch beim Antrag der Linken der Meinung bin, dass die komplette Abschaffung des Eigenstromprivilegs etwas zu kurz gedacht ist. Es hätte sehr seltsame Effekte, wenn man das tun würde. Wir würden dafür plädieren, dass da auch Änderungen passieren. Aber dass zum Beispiel bei Unternehmen mit selbst erzeugtem Strom aus erneuerbaren Quellen das Eigenstromprivileg wegfällt, das halten wir nicht für richtig.

Generell ist die Situation so, wie Herr Schäfer das sehr schön dargestellt hat: Wir sind im Moment in Berlin in der Situation, dass wir unglaublich viel Rückenwind von den Bürgern bekommen: Energietisch, Bürgerenergie Berlin, da passiert im Moment etwas. Die Bürger wollen etwas. Und was kann man sich denn Besseres wünschen, als einen solchen Rückenwind für Gestaltungsmöglichkeiten zu haben? Das sehe ich genauso, dass im Moment dieser Rückenwind in keiner Weise genutzt wird.

Zum Thema Stromsperren kann man nur sagen: Wir hatten eine Kleine Anfrage von Herrn Spies. Da kam interessanterweise heraus, dass es die GASAG beim Thema Gassperren offenbar mit verschiedenen Maßnahmen in den letzten Jahren geschafft hat, die Zahl der Gassperren deutlich nach unten zu bringen, während wir umgekehrt bei Stromsperren sogar gar keine genauen Zahlen haben, weil Vattenfall sich auf den Standpunkt stellt, es gibt keine gesetzliche Verpflichtung, das irgendwie zu messen, deswegen gibt es hier auch keine Zahlen. Das ist etwas, bei dem ich sagen muss, dass sich ein Unternehmen sozial verantwortungslos gebärdet. Und wir sind der Meinung, man kann hier sehr viel machen. Dass man jetzt sagt, man verbietet Stromsperren komplett, ist natürlich unrealistisch. Aber es gibt da einen sehr, sehr weiten Spielraum, entweder mit einem entsprechenden Verfahren oder dass die Träger von Sozialleistungen die Leistung dann direkt übernehmen. Von daher freue ich mich auf die Debatte in den Ausschüssen und würde mir wünschen, dass die eigentlich recht breite Mehrheit im Parlament für eine soziale Gestaltung der

(Christopher Lauer)

Energiewende auch zu Konsequenzen führt. – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung der drei Anträge federführend an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt, mitberatend an den Ausschuss für Wirtschaft, Forschung und Technologie sowie an den Hauptausschuss. Gibt es hierzu Widerspruch? – Das sehe ich nicht, dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4.3:

Priorität der Piratenfraktion

Tagesordnungspunkt 30

Zum Schutz der Vertraulichkeit und Anonymität der Telekommunikation

Antrag der Piratenfraktion Drucksache 17/0645

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Piratenfraktion. Das Wort hat der Abgeordnete Herr Lauer. – Bitte sehr!

Vielen Dank! – Sehr geehrte Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte hier eins vorabstellen, weil ich das eben in der Kurzintervention, die sich auf Herrn Kleineidam bezog, nicht machen konnte: Herr Henkel hat von diesem einen Tweet gesprochen. Ich möchte hier an der Stelle noch mal sagen, dass ich bei ihm im Namen der Piratenfraktion um Entschuldigung gebeten habe und dass er das bitte dem Herrn Kandt ausrichten möchte. Ich möchte hier aber auch noch mal klarstellen, dass es sich hierbei um eine persönliche Mitarbeiterin der Fraktion handelte und solche Äußerungen innerhalb der Fraktion nicht toleriert werden. Ich erwarte, dass sie sich noch mal bei Herrn Kandt entschuldigt oder die Abgeordneten an der Stelle entsprechende Konsequenzen ziehen.

[Beifall bei den PIRATEN, der SPD, der CDU und der LINKEN – Beifall von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Worum geht es in dem Antrag „Zum Schutz der Vertraulichkeit und Anonymität in der Telekommunikation“? – Das Bundesverfassungsgericht hat die bisherige Praxis, wie Bestandsdaten durch Sicherheitsbehörden abgefragt werden, kassiert. Das heißt, die Bundesregierung macht hier eine Neuregelung. Kurz, was sind Bestandsdaten? –

Das sind die Daten, die bei Telefonmobilfunk, E-Mail- und Internetzugangsanbietern gespeichert werden; die Kundendaten sind Daten wie Name, Anschrift, Geburtsdatum, Rufnummer, Kontoverbindung, PIN, Passwörter und elektronische Adressbücher. Diese Daten liegen im Umfeld verfassungsrechtlich besonders zu schützender Informationsbeziehungen. Deren Vertraulichkeit ist für eine freiheitlich-demokratische Grundordnung essenziell.

Was soll mit diesen Bestandsdaten durch die Gesetzesinitiative der Bundesregierung passieren? – Sie sollen automatisiert übermittelt werden. Automatisiert übermittelt werden an wen? – An den Verfassungsschutz, an das BKA, an die Polizei, an den Zoll und an den Militärischen Abschirmdienst. Damit erhalten diese Dienste weitreichende Zugriffsbefugnisse. Ich werde jetzt auf die 12 Punkte nicht in Gänze eingehen können, die dieser Antrag umfasst. Die Piratenfraktionen haben diesen Antrag in allen vier Landesparlamenten, in denen sie vertreten sind, eingebracht, weil wir in wesentlichen Punkten mit dieser Neuregelung nicht einverstanden sind.

Einmal geht es in Punkt 2 unseres Antrags darum, dass Bestandsdaten mit Verkehrsdaten gleichzusetzen sind. Das heißt, dass diese nur nach einer richterlichen Prüfung herausgegeben werden dürfen und dass das insbesondere auch für die IP-Adresse gelten muss. Wir brauchen hier also eine hohe Eingriffsschwelle. Es ist so, dass die jetzige Gesetzesregelung nicht vorsieht, dass es hier einen Richtervorbehalt gibt. Die eben genannten Dienste können also über diese automatisierte Schnittstelle einfach so auf die genannten Daten zugreifen. Selbst wenn Sie ein Zivilverfahren haben und die IP-Adresse eines Teilnehmers in der Telekommunikation z. B. herausfinden wollen, müssen Sie sich heute einen Beschluss bei einem Richter holen. In diesem Fall soll das dann aber nicht mehr gelten, wie ich es gerade beschrieben habe.

Es geht um die Weitergabe von PINs und Codes, um Zugangsberechtigung zu schützenswerten Daten zu erhalten. Das Telekommunikationsunternehmen kann an dieser Stelle auch nicht überprüfen, inwieweit das ordentlich gemacht wird. Das ist also z. B. so, Sie werden darüber auch nicht benachrichtigt. Das bedeutet, das BKA fragt über die automatisierte Schnittstelle die Zugangsdaten zu Ihrem E-Mail-Postfach an. Die können dann auf die E-Mails zugreifen. Die können dann ein Adressbuch auslesen. Der Telko kann nicht überprüfen, ob dies rechtmäßig geschieht, und Sie können überhaupt nicht überprüfen, was da geschieht, denn Sie werden nicht informiert. Das sieht dieses Gesetz auch nicht vor. Das fordern wir aber, dass die Betroffenen zumindest im Nachhinein darüber informiert werden.

Weil die Zeit wieder gleich weg ist, noch mal im Wesentlichen: Wir fordern bei dieser Datenübermittlung einen Richtervorbehalt, denn es soll ja in die Strafprozessordnung auch ein Paragraf eingeführt werden, der diese

Datenabfrage ermöglicht, wenn es schon um die Feststellung des Aufenthaltsorts eines Verdächtigen geht. Das heißt, Sie wollen herausfinden, wo sich jemand befindet, und bums, greifen Sie auf diese Daten zu. Wir halten das alles für sehr hoch fragwürdig. Wir sind der Meinung, dass man diesem Antrag so in dieser Form zustimmen kann, denn es geht darum, die Bürgerinnen und Bürger vor diesen weitreichenden Rechten zu schützen, die die Dienste durch die Neuregelung dieses Gesetzes bekommen würden. Deswegen fordern wir den Senat auf, im Bundesrat dagegen zu stimmen bzw. sich für diese Änderung einzusetzen. Und deswegen fordern wir auch die sofortige Abstimmung, denn es wird demnächst im Bundesrat sein. – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Vielen Dank, Herr Lauer! – Für die SPD-Fraktion hat das Wort der Abgeordnete Herr Kohlmeier. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Kollege Lars Oberg wollte gerade reden. Als er aber dann den dreizehnseitigen Antrag gesehen hat, hat er festgestellt, dass es ein absolutes Feinschmeckerthema ist, und hat mir dann doch den Vortritt gelassen.

[Uwe Doering (LINKE): Das ist kein Feinschmeckerthema!]