Modernisierung der Verträge, Neuverhandlung der Grundlagen der Zusammenarbeit mit Veolia: Das höre ich ja nun alles schon seit Monaten. Wo soll denn das enden? Und glauben Sie, Veolia bleibt hier und will zukünftig keine Gewinne mehr machen? – Entschuldigen Sie, aber das müssten Sie doch selbst bei Ihrem JusoMarx-Seminar mal gelernt haben, dass das mit der Realität nichts zu tun hat, nichts!
Da hat dann Frau Kosche recht: Das, was Sie hier treiben, ist die Fortsetzung des alten Modells mit neuen Mitteln, alter Wein in neuen Schläuchen. Berlin steigt für RWE in die RVB ein. Die Knebelverträge bleiben erhalten, vielleicht ein bisschen in anderer Form. Die Strukturen bleiben undurchsichtig, gänzlich unklar, wer das Kommando
erhält. In jedem Fall aber bleiben die BWB die Beute des Konzerns Veolia und der Berliner Verwaltung. Und das ist nicht das, wofür wir Linke eintreten. Das ist keine Rekommunalisierung, sondern Augenauswischerei und Rosstäuscherei. – Vielen Dank!
Danke, Herr Dr. Lederer! – Für die Piratenfraktion erteile ich dem Kollegen Claus-Brunner das Wort. – Bitte sehr!
Dear Mr President! Highly venerated senators of any gender and highly venerated members of this parliament of any gender! – Die Begrüßungsformel, die ich auf Englisch gehalten habe, soll auf die Tatsache anspielen, –
dass ein Dokument, welches ungefähr 35 DIN-A-4-Seiten umfasst und juristischer Art ist, im Datenraum erst seit acht Tagen in übersetzter deutscher Form vorliegt. Wie gesagt, ich als juristischer Laie soll also ein Dokument in dieser kurzen Zeit bewerten, während Juristen, die mich besser beraten könnten, das Dokument nicht sehen dürfen. So viel dazu.
Wenn man zweimal etwas falsch macht, ist es noch lange nicht richtig. Das wird uns aber von der großen Koalition im Prinzip vermittelt, so wie ich die Vorredner von CDU und SPD verstanden habe. Es wird ja auch seitens der großen Koalition der Opposition vorgeworfen, dass sie gemeinsame Sache mit Veolia machen würde, wenn sie der Beschlussempfehlung nicht zustimmen würde. Da möchte ich mal ganz klar sagen: Wenn sich hier einer zum Büttel der Investoren und der Großindustrie macht, dann sind es ja wohl die Mitglieder des entsprechenden Senats und der Regierungskoalition.
Es wird auch immer davon geredet, wir machen jetzt Preissenkungen, Preissenkungen jetzt. Ja, toll – warum wird das gemacht? Weil das Kartellamt es entsprechend verfügt hat. Ohne diese Kartellamtsverfügung würde sich in diesem Bereich genau gar nichts bewegen.
Das kann man auch daran erkennen, wie mit dem Volksbegehren der ungefähr 660 000 Bürger, die im Februar 2011 einen Volksentscheid durchgesetzt haben, im Vorfeld umgegangen worden ist. Der Senat hat zu jedem Zeitpunkt die Gelegenheit ergriffen, diesen Volksentscheid und dem Entstehen desselben Steine und Knüppel in den Weg zu werfen.
Weiterhin hat dieser Volksentscheid ein Gesetz hervorgebracht. Das Gesetz soll dafür sorgen, dass hier im Haus die entsprechenden Verträge, die im Kontext der Berliner Wasserbetriebe vorliegen, nicht nur in der Vergangenheit, sondern hier, heute und jetzt und auch für die Zukunft abzuschließende Verträge überprüft werden. Diesem Gesetz, dem Volksgesetz vom 13. Februar 2011, handeln die Mitglieder des Senats und die Mitglieder der großen Koalition zuwider – bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Wenn Sie mir in diesem Punkt nicht glauben wollen, dann lesen Sie sich die Wortprotokolle, die der Sonderausschuss Wasserbetriebe vorliegen hat, mal durch. Da werden Sie den Kopf schütteln, wie mit diesen Gesetzesgrundlagen umgegangen wird.
Der Senat beschließt also einen Rückkauf von Anteilen der RWE in der Holding der Wasserbetriebe, ohne dass der Sonderausschuss einen dem gesetzlichen Auftrag gemäßen Abschlussbericht erstellt hat oder dass der Senat, um seine Entscheidungsfindung beeinflussen zu können und zu berücksichtigen, einen Zwischenbericht gefordert hat. Das ist nicht der Fall. Wie soll ich denn dieses Vorgehen des Senats beurteilen? – Hier wird also ein Fachausschuss nicht beachtet, nicht unterrichtet und nicht angerufen. Das entspricht den mir bekannten Regeln in diesem Haus, welche in der Geschäftsordnung niedergeschrieben sind, nicht. Mir ist da was anderes bekannt. Darauf, wie der Hauptausschuss umgangen wird, komme ich noch zu einem späteren Zeitpunkt zu sprechen; das ist eine Frechheit sondergleichen.
Der Senat selbst verletzt seine Unterrichtspflicht gemäß Artikel 50 Abs. 1 Verfassung von Berlin gegenüber den Abgeordneten dahingehend erheblich, dass das eingangs genannte Dokument mit juristischem Inhalt erst seit acht Tagen in deutscher Übersetzung vorliegt. Das Dokument regelt das Verhalten der Holdingpartner Veolia und RWE Aqua sowohl untereinander als auch miteinander gegenüber dem Land Berlin. Kurzum: Das Land Berlin tritt hier in Rechtsnachfolge ein und übernimmt die entsprechenden alten Vertragskonstrukte. Es wird also so weitergemacht, wie Diepgen, Landowsky und Fugmann-Heesing 1999 begonnen haben, dieselben Parteien, dieselbe Informationspolitik gegenüber den Abgeordneten, dieselbe Hast und die vermeintliche Dringlichkeit, einhergehend mit scheinbarer Alternativlosigkeit. Das erinnert mich an ein Drückergeschäft an der Haustür, welches die gleichen geschäftlichen Qualitäten mit sich bringt.
Für das Gewesene gibt der Kaufmann nichts. Deswegen komme ich zu den heutigen und jetzt vorliegenden Fakten. Es wird eine Dringlichkeit postuliert. Ein von außerhalb des Parlaments definierter Termin ist für das Parlament selbst nicht bindend. Das ist in der Geschäftsordnung definiert. Deshalb bestimmt das Parlament von sich aus und von innen heraus, welche Zeiträume es sich in diesem Kontext gewährt.
Alternativlosigkeit wird hier öfter postuliert, es gebe keine andere Lösung. Wo ist bewiesen, dass es keine Alternativen gibt?
Wie schon gesagt: Der Abschlussbericht des Sonderauschusses, der diese Tatsache prüfen soll, liegt noch nicht vor, und der Senat hat ihn nicht gefordert. Wirtschaftlich sinnvoll? Der Kaufpreis ohne Nebenkosten beträgt 618 Millionen Euro. RWE beziffert in ihrer eigenen Bilanz, zu der sie als Aktiengesellschaft verpflichtet ist, ihren Unternehmensanteil bei der Holding der Berliner Wasserbetriebe mit 410 Millionen Euro. Jeder, der eine oder mehrere RWE-Aktien besitzt, bekommt diese Daten unmittelbar übermittelt. Auch andere Stellen berechnen niedrigere Preise.
Was genau kauft das Land Berlin ein, und was ändert sich dadurch? – Es wird die Hälfte der Holding der Berliner Wasserbetriebe gekauft. Das Land Berlin tritt in die Rechtsnachfolge der RWE Aqua ein. Durch die im Konsortialvertrag in den §§ 9.5, 9.6 und 21.2 geregelten Zusammensetzungen des Aufsichtsrats, der Gewährträgerversammlung und des Weisungsausschusses auch in Hinblick auf die Personen ist keine weitergehende Mitbestimmung oder ein Letztentscheidungsrecht des Landes Berlin möglich. Das sogenannte Shareholder-Agreement räumt dem verbleibenden privaten Anteilseigner Veolia umfassende Rechte ein, die seinen Kapitalanteil im Gesamtunternehmen in keiner Weise proportional widerspiegelt. Die Finanzierung des Kaufpreises wird über eine Finanzierungsgesellschaft dem Unternehmen selbst als Schuld auferlegt. Die Laufzeit dazu ist mit 30 Jahren veranschlagt. Die Mehrkosten durch die Zwischenschaltung der Finanzierungsgesellschaft belaufen sich nach Auskunft der Senatsverwaltung – es wurde „Marginalbetrag“ genannt – auf 700 000 Euro pro Jahr. Das macht in 30 Jahren freundliche 21 Millionen Euro. Wir haben es ja!
Die Möglichkeit, dass Veolia ihre Anteile durch die sogenannte Call-Put-Option jederzeit platzieren kann, würde dafür sorgen, dass die Berliner Wasserbetriebe mit weiteren 618 Millionen Euro finanzieren müssen und die Insolvenz dieses Betriebes faktisch eintritt, weil das eigentliche Finanzierungsmodell, das jetzt propagiert wird,
das Eigenkapital schon mit mindestens 25 Prozent belastet, vorausgesetzt, der Kaufpreis und der Wert des Unternehmens stimmen, wie es uns mitgeteilt wurde.
Die in § 23.7 des Konsortialvertrags genannte Gewinngarantie sorgt dafür, dass das Land Berlin gegenüber Veolia unverändert ausgleichpflichtig bleibt. Das heißt, die sogenannte Preissenkung, von der hier geredet wird, ist bei den Wasserkunden weggefallen, kommt aber über die Steuergelder, die wir alle bezahlen, hintenherum wieder an. Das heißt, linke Tasche, rechte Tasche. Ich nehme es aus der einen raus, und in die andere tue ich es rein.
Ich fasse zusammen: Wir kaufen für 618 Millionen Euro netto 50 Prozent der Holding der Berliner Wasserbetriebe und besitzen dadurch keine zusätzlichen Bestimmungsrechte in der Holding wie auch der Berliner Wasserbetriebe selbst. Wir belasten den Betrieb für 30 Jahre mit mindestens 25 Prozent seines Eigenkapitals. Durch die Call-Put-Option der Veolia muss mit einer 100-prozentigen Steigerung der jetzt auferlegten Schuld geplant werden, und die Berliner Wasserbetriebe müssen 30 Jahre lang mit vollem Zinsrisiko die Summe aus ihren eigenen wirtschaftlichen Erträgen finanzieren. Ich finde das eine spannende Geschichte.
Hier wurde schon gesagt, dass die Preissenkungsverfügung nur für Trinkwasser gilt. Das Abwasser wird außen vor gelassen. Die Kartellamtsverfügung beträgt 17 Prozent und nicht 15 Prozent. Mit den Zahlen hat es die große Koalition wirklich nicht. Man merkt es an jeder Stelle.
Es ist nur möglich, diesen Vertragsentwurf abzulehnen, eine Rückabwicklung und Nichtigkeitserklärung durchzuführen und – was ganz wichtig ist – Veolia dazu zu zwingen, ihre Anteile wieder an uns zurückzugeben. Das kann auch über einen Rückkauf passieren. Unsere Fraktion wird einem solchen Vertragswerk, wie wir es vorliegen haben, nicht zustimmen. Es wird auch haushälterischer Sicht, wie Herr Herberg gestern in der Pressekonferenz verdeutlicht hat, in keiner Weise gerecht. Es gibt weder Transparenz, noch ist das Risiko in irgendeiner Form benannt worden. Ich finde es erstaunlich, dass von Leistungen geredet wird, die gar nicht erbracht werden.
Ja, ich komme jetzt zum Schluss, wobei ich noch zwei Stunden lang reden könnte. Aber so viel Zeit haben wir nicht.
Vielen Dank, Herr Claus-Brunner! – Wir treten jetzt in die zweite Rederunde ein. Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Frau Abgeordnete Herrmann das Wort. – Bitte sehr!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe SPD! Liebe CDU! Tun Sie doch nicht so, als würden Sie hier den Bürgerwillen des Volksentscheids oder den des Wassertisches umsetzen. Sie wissen genau, dass Sie das Gegenteil tun. Es wird Ihnen gesagt:
Sie haben die Verantwortung für die schädliche Teilprivatisierung zu tragen, gegen die Grünen und gegen Die Linke. Wir haben das sogar beklagt. Gut, dumme Verträge sind vielleicht nicht gegen das Gesetz, aber sie bleiben schlicht dumm.
Sie haben sich diese politische Fehlentscheidung selbst eingebrockt, und die Folgen haben Sie auch zu verantworten.
Nun zu dem heutigen RWE-Deal. Sie wollen damit 650 Millionen Euro ausgeben, aber an den Vertragskonstellationen verändert sich gar nichts. Das Geschäft ist mit hohen Risiken für die Zukunft verbunden. Die Refinanzierung basiert auf einer Bindung von 30 Jahren und lässt keinen Spielraum für eine weitere Wasserpreissenkung. Da muss man nur mal die Abwasserpreise senken, was wir richtig finden würden, oder die Zinsen müssen sich ändern, schon haut Ihre Refinanzierung nicht mehr hin. Das Problem, Zins und Tilgung gegebenenfalls aus dem Haushalt finanzieren zu müssen, haben in zwei, in fünf oder in zehn Jahren nicht mehr Herr Wowereit oder Herr Nußbaum. Das müssen dann andere bezahlen. Finanzpolitisch ist das riskant. Was erhalten Sie im Gegenzug für dieses Risiko? – Gar nichts.
Sie sagen uns, dass Sie sich davon mehr Einfluss gegenüber Veolia erhoffen. Herr Stroedter! Das mag gesellschaftsrechtlich vielleicht richtig sein, aber denken Sie doch mal darüber nach! Sie haben uns nichts vorgelegt, in welche Richtung das weitergehen soll.
Alles, was Sie wollen, hängt von der Zustimmung von Veolia ab, und Veolia ist durch die schlechten Konsor
Veolia weiß ganz genau: Sie geben jetzt 650 Millionen Euro für die RWE-Anteile aus, ohne dass Sie uns vorlegen, wie es weitergehen soll. Sie wissen ganz genau: Wenn kein zweiter Schritt erfolgt, war das ein Stranded Investment. Dann haben Sie 650 Millionen Euro für nichts ausgegeben. Wo ist denn Ihr Vertrag? Wo ist denn die Klarstellung, wie es weitergeht? Nichts legen Sie uns hier vor. Genau deshalb bringen Sie Veolia in die stärkere Position.
Ich sehe Sie schon im Hauptausschuss sitzen. Da werden Sie nämlich sagen: Jetzt haben wir schon 650 Millionen Euro ausgegeben, und damit das nicht umsonst war, kostet uns der nächste Schritt 700 oder 800 Millionen Euro, und dem müssen Sie jetzt zustimmen, denn wir haben ja schon 650 Millionen Euro ausgegeben. Die hätten wir ja sonst in den Sand gesetzt.