Protocol of the Session on September 27, 2012

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei aller Freude am politischen Streit ist es auch schön, hin und wieder Anträge in diesem Haus verhandeln zu dürfen, bei denen wir im Ergebnis zu einem inhaltlichen Einvernehmen gekommen sind. Um einen solchen Antrag handelt es sich hier. Die große Koalition hat in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, die Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung in Berlin insgesamt, aber auch insbesondere im Bereich der Stadtplanung zu verbessern. In diesem Bereich stellt der vorliegende Antrag einen ganz wichtigen Baustein dar.

Wir haben ihn überschrieben mit „Berlin zum Mitmachen“. Man könnte auch sagen: Unsere Zielsetzung ist, Stadtplanung endgültig zu einer Angelegenheit von jedermann zu machen, für jedermann leicht zu erschließen, für jedermann transparent und nachvollziehbar.

Ich glaube, es ist uns damit gelungen, Anregungen an den Senat in der Form zu richten, wie formale Verfahren, wie wir sie heute der Bauleitplanung zugrundelegen, auf eine

(Antje Kapek)

sehr zeitgemäße Art und Weise ergänzt werden können, sowohl im Bereich der Information als auch im Bereich der Beteiligung an Stadtplanung. Der Gang ins Rathaus wird auf diese Art und Weise – so jedenfalls unsere Intention – entbehrlich. Davon haben alle etwas, sowohl die Verwaltung als auch die Bürgerinnen und Bürger und auch wir hier im Haus; denn früher oder später wird jeder Konflikt, der auf dem Feld der Stadtplanung auszutragen ist, auch an uns herangetragen. Letztlich kann niemand ein Interesse daran haben, Planungsverfahren durch absehbare, durch vermeidbare Auseinandersetzungen und Konflikte unnötig in die Länge zu ziehen.

[Beifall bei der CDU]

Wir sehen uns als Politik heute allzu oft einem Verdacht der Intransparenz ausgesetzt, den eigentlich die heute schon praktizierten Verfahren auszuschließen geeignet sein sollen. Das könnten sie in vielen Bereichen auch, wenn sie auf eine vernünftige Art und Weise kommuniziert würden. So ist unser Antrag nicht als Ersatz für die formalen Verfahren, sondern als sinnvolle Ergänzung gedacht. Wir glauben, dass die Instrumente durchaus ausreichend sind, dass wir in der Kommunikation aber sehr viel mehr tun können und müssen, um zur Akzeptanz und zur Transparenz im Verfahren zu finden.

Hier wird schon einiges getan. Was wir in unserem Antrag anregen und ansprechen, ist nicht völlig neu. Viele Bezirke etwa stellen schon auf unterschiedliche Art und Weise Informationen zu Planungsverfahren in das Internet. Auch die Senatsverwaltung tut es. Das ist alles sehr lobenswert. Wir wollen, dass diese Angebote zusammengeführt, sinnvoll vernetzt und – das ist eine größere Neuerung – auch visualisiert werden. Jeder soll über einen Stadtplan im Internet nachvollziehen können, wo in seiner räumlichen Nähe und Betroffenheit laufende oder anstehende Planungen für ihn von Interesse sein können, und sich gleichzeitig über dieselben Plattformen auch persönlich einbringen können. Dadurch werden Konflikte für uns in einem frühen Planungsstadium erkennbar. Wir können frühzeitig sowohl Anregungen aufnehmen als auch auf Kritik eingehen. Das dürfte uns im Bereich der Stadtplanung und Bauleitplanung ein gehöriges Stück zusätzliche Akzeptanz verschaffen.

Die Diskussion im Ausschuss hat gezeigt, wie einig wir uns im Kern sind. Wir haben uns über einzelne ergänzende Details, die von den Oppositionsfraktionen vorgeschlagen wurden, unterhalten. Wir haben uns inhaltlich nicht dagegen ausgesprochen, wir haben nur gesagt, dass wir unseren Antrag als so umfassend empfinden, dass all diese Dinge vom Senat auch berücksichtigt werden können. Es ist ein Arbeitsauftrag. Wir werden uns hier sicherlich wieder miteinander über das, was wir vom Senat zum Jahresende erwarten, zu verständigen haben und dann anhand der einzelnen Details noch Streitpunkte zu klären haben. Das ist eine Auseinandersetzung, auf die ich mich sehr freue, so wie ich mich auf neue Zeiten für die Berliner Stadtplanung freue. Ich würde mich noch

mehr freuen, wenn Sie nunmehr alle dem Antrag zustimmen könnten. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Herr Evers! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Frau Abgeordnete Kapek das Wort. – Bitte sehr!

Lieber Herr Evers! Es tut mir ausgesprochen leid, dass wir uns am Ende des Tages doch nicht so einig sind.

[Stefan Evers (CDU): Und mir erst!]

Nichtsdestotrotz muss ich sagen: „Berlin zum Mitmachen“ ist ein schöner Titel. Deshalb: Kompliment an die Autoren! Wahrscheinlich waren Sie es!

Es klingt allerdings so, als wäre Beteiligung insgesamt eine spaßige Sache. Wer sich jemals ernsthaft mit Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern beschäftigt oder gar daran teilgenommen hat, weiß, dass es kein Spaßevent ist. Im Gegenteil, viele Berlinerinnen und Berliner wollen nicht nur Zeugen der Veränderungen sein, sie wollen Ihre Stadt aktiv gestalten. Deshalb haben allein für den Erhalt der Prinzessinnengärten fast 22 000 Menschen in der Petition die Forderung unterzeichnet:

… eine zukunftsweisende Bürgerbeteiligung, die die Vielfältigkeit und die verschiedenen Bedürfnisse der Anwohner/-innen angemessen berücksichtigt.

Eine angemessene Beteiligung heißt aber mehr als Information. Eine angemessene Beteiligung heißt auch Mitbestimmung.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Eine angemessene Beteiligung heißt vor allem eine angemessene Bereitstellung von Ressourcen.

Ihr Antrag spricht von einem Konzept der Beteiligung. Sie fordern aber lediglich, die Informationen zu Planungsverfahren online zu stellen. Jede wirkliche Form der Mitbestimmung bleibt unverbindlich. Ob und wie die von Ihnen genannten Meinungsbilder und Stellungnahmen der Bürgerinnen und Bürger in den Planungsprozess einfließen, bleibt leider unerwähnt. Wenn es Ihnen aber nur um online abrufbare Informationen geht, genügt eigentlich auch der grüne Vorschlag zu einem Transparenz- und Informationsfreiheitsgesetz. Ich empfehle Ihnen noch mal seine Lektüre – und vor allem, ihm am Ende zuzustimmen.

(Ellen Haußdörfer)

[Beifall bei den GRÜNEN]

Unser grünes Bild vom „Mitmachen“ geht über ein bloßes Informieren weit hinaus. Für uns heißt wirkliche Mitbestimmung auch verbindliche Vorgaben. Das heißt, wir brauchen verbindliche Verwaltungsverfahren, eine frühzeitige Einbindung von Verwaltung, Experten und Expertinnen sowie Bürgerinnen und Bürgern, eine nachvollziehbare Dokumentation der Planungsprozesse und schließlich und vor allem wirkliche Mitbestimmung bei wichtigen Entscheidungen und bei deren Umsetzung.

Wir haben deshalb die von Ihnen bereits erwähnten Änderungsvorschläge gemeinsam mit der Linken im Ausschuss eingebracht. Diesen haben Sie nicht entgegengesprochen, nein, Herr Evers, Sie haben sie abgelehnt! Das ist auch kein Wunder, denn wir fordern in diesem Änderungsantrag unter anderem mehr Personal für Beteiligung. Rot-Schwarz hat aber gerade die Personalkürzungen für die Bezirke beschlossen. Allein in dem Vorzeigebezirk für Beteiligung, Friedrichshain-Kreuzberg, wird demnächst jede achte Stelle wegfallen.

[Zurufe von Torsten Schneider (SPD) und Oliver Friederici (CDU)]

Damit müssen bislang alle bereitgestellten Mittel für Bürgerbeteiligung, die es nur in diesem Bezirk gibt, gestrichen werden. Die Bürgerhaushalte, die es nur in wenigen Bezirken gibt, können nicht, wie geplant, weiter durchgeführt werden. Das sind keine guten Vorzeichen für ein Berlin zum Mitmachen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Martina Michels (LINKE)]

Leider ist dies die Konsequenz der Kürzungspolitik für die Berliner Bezirke.

Beteiligung kann es aber nicht zum Nulltarif geben. Wenn Sie das Ansinnen Ihres Antrags wirklich ernst meinten, würden Sie auch die Voraussetzungen schaffen, damit eine Umsetzung gewährleistet werden kann. Ansonsten bleibt Ihr Antrag leider nicht mehr als ein Schaufensterantrag.

[Zurufe von Stefan Evers (CDU) und Oliver Friederici (CDU)]

Wir haben länger darüber nachgedacht, uns aber entschlossen, unseren Änderungsantrag heute nicht noch einmal einzubringen, sondern wir werden einen eigenen Antrag einbringen, in dem wir noch einmal fordern, dass es eine eigene Aufgabendarstellung für Bürgerbeteiligung mit der entsprechenden personellen Anpassung in der Verwaltung der Bezirke geben wird. Diesen können Sie dann wieder ablehnen, wie alles, was von der Opposition vorgelegt wird. Die SPD darf ihn dann auf einem ihrer nächsten Parteitage selbst einbringen und zustimmen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Zurufe von Stefan Evers (CDU) und Oliver Friederici (CDU)]

Vielen Dank, Frau Kapek! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Haußdörfer das Wort. – Bitte sehr!

[Torsten Schneider (SPD): Ellen, erzähl mal, wie es bei uns auf dem Parteitag zugeht! – Oliver Friederici (CDU): Das war eine völlig verkürzte Darstellung!]

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! „Berlin zum Mitmachen“ kündigt schon im Titel an, Stadtentwicklung, Bauleitplanung und Bürgerbeteiligung ressortübergreifend zusammenzufassen. Das ist, glaube ich, unser Ansatz.

Frau Kapek! Ich weiß manchmal leider nicht richtig, in welchen Ausschüssen Sie sind, aber wir haben sehr wohl schon Anträge parteiübergreifend beschlossen, z. B. zur Städtebauförderung im Bauausschuss und im Ausschuss für Stadtentwicklung. Wir haben früher auch schon zum Tempelhofer Feld gemeinsame Positionen gefunden, und zur Sozialen Stadt werden wir sie hoffentlich auch noch gemeinsam finden. So gibt es in den anderen Ausschüssen durchaus auch Initiativen, die gemeinsam aufgegriffen und auch zum Wohle der Stadt umgesetzt werden können.

Wir haben uns diesen Antrag überlegt, weil wir gerade den Bereich Bürgerbeteiligung neu aufgreifen wollen. Die öffentliche Bauleitplanung ist von jeher im öffentlichen Fokus, und das, obwohl gerade in diesem Bereich gesetzlich relativ viel festgeschrieben ist und auch eine weitestgehende öffentliche Beteiligung existiert – ganz im Gegensatz z. B. zum Sozial- und Jugendbereich. Da erwarte ich eigentlich auch Ihre Anträge, wenn es da auch diese Probleme gibt.

Aber wenn wir uns in Bürgersprechstunden, in Bezirksverordnetenversammlungen oder in öffentliche Bürgerveranstaltungen begeben, dann sind es doch meistens diese Probleme, die den Bürgerinnen und Bürgern auf den Nägeln brennen. Dann ist es die Senke im Akeleiweg, die Sperrung der Brücke im Kölner Viertel, der Bebauungsplan zu einem Einkaufszentrum, das Aufstellen von Ampeln zur Schulwegsicherung oder die Ausweitung von Tempo-30-Zonen. Das sind ganz normale Themen, mit denen wir uns beschäftigen und die uns hier auch als Themen entgegenkommen. Da möchten wir natürlich mitreden, und auch die Bürgerinnen und Bürger

(Katrin Lompscher)

möchten da mitreden. Und das möchten wir, unter anderem mit diesem Antrag, auch ermöglichen.

In der letzten Legislaturperiode haben wir dafür parteiübergreifend schon einige Grundlagen gelegt, z. B. durch die öffentlich zugänglichen Informationen zu Bebauungsplänen, aber auch zu den Änderungen des Flächennutzungsplans in Hauptverwaltung und Bezirken. Das war und ist eine gute Tradition, diesem Ansinnen mehr Gewicht zu verleihen.

Partizipation, da haben Sie recht, Frau Kapek, ist nicht zum Nulltarif zu haben. Wir haben in den Haushaltsberatungen, finde ich, eindrucksvoll dargestellt, wo sich überall Bürgerbeteiligung nur allein in unserem Einzelplan 12 wiederfindet. Das war nämlich auch schon häufig und finanziell gut ausgestattet.

Rechtzeitig und umfassend zu informieren sowie das Wissen über die Beteiligungsmöglichkeiten zu stärken, heißt eben auch, sie anwendbar zu machen. Dazu gehören eine rechtzeitige Information, das Aufzeigen der Chancen, aber auch der Grenzen von Bürgerbeteiligung und die Möglichkeiten von Bürgerbeteiligung im Allgemeinen. Da gibt es verschiedene Verfahren, verschiedene Konzepte, und nicht alles ist eben über starre Regelungen und Festschreibungen in jedem Einzelfall wirklich zu gebrauchen. Es geht nicht nur darum zu informieren, sondern eben auch mitzubestimmen. Es gibt viele Beispiele dafür, wo das in der Stadt schon angelegt, in den Bezirken auch ausgeführt wurde. Das soll hier gebündelt dargestellt werden.

Diese echte, professionelle Bürgerbeteiligung – so haben wir sie bei uns im Ausschuss genannt – zu gewährleisten, heißt, die Prozesse der Meinungsbildung darzustellen. Dazu gehört das umfassende und gemeinsame Angebot, dessen Grundlagen wir jetzt mit diesem Antrag schaffen, aber auch die unterschiedlichen Formen, die für jeden einzelnen Fall nicht immer die gleichen sein müssen. Diskussionsforen und öffentlichen Veranstaltungen müssen für das Projekt X. vielleicht funktionieren, aber für das Projekt Y. wahrscheinlich nicht mehr. Deshalb ist es wichtig, hier moderne Formen der Kommunikation und der Vermittlung einzusetzen.

Deshalb ist es wichtig, Maßnahmen in den Bezirken und der Hauptverwaltung räumlich zu verorten. Ich schätze, 60 bis 70 Prozent aller Projekte, egal ob im Bau-, Verkehr- oder Stadtentwicklungsbereich, bleiben von der Bevölkerung völlig undiskutiert. Man wundert sich vielleicht, da ist hier wieder eine Maßnahme, aber meistens bleiben sie doch unkritisch undiskutiert. Diese räumliche Verortung soll auch zeigen, dass da etwas passiert, nämlich Maßnahmen Konzepte, Ideen in das öffentliche Bewusstsein zu rücken, das Interesse am Kiez zu wecken, auch über den Kiez hinaus. Damit gelingt es hier, auch in dieser räumlichen Darstellung Akzente zu setzen.

Ich muss immer schmunzeln, wenn ich über die OpenAir-Ausstellung, die zum Stadtjubiläum an prominenter Stelle ist, gehe. Ich bin da recht häufig, ich finde das ein gutes, gelungenes Beispiel einer räumlichen Darstellung. Wenn ich die Zuschauerinnen und Zuschauer beobachte, stelle ich immer fest, dass da Kommentare kommen wie: Mensch, ist da wirklich meine Turnhalle? Sind wir wirklich so dicht beieinander? – Deshalb ist es wichtig, dass man sich selbst, aber auch seine Interessenspunkte in einer Karte verorten kann.

Im Ausschuss haben wir auch diskutiert, was Planungen „von öffentlichem Interesse“ sind. Das scheint mir nicht allein eine Frage von Bruttogeschossflächen oder Investitionsvolumina zu sein, so wie das in Ihren Änderungsanträgen festgeschrieben war, sondern scheint sich an den individuellen Interessen auszurichten. Da kann es mal der Müggelturm sein, da kann es mal ein Bauprojekt in Pankow sein, das kann ich mit Euro und BGF nicht festlegen.

Deshalb komme ich zum Schluss, dass es gute Beispiele gibt, von denen man lernen kann, aber auch schlechte, von denen man genauso lernen kann, die man aber nicht übertragen muss. Deshalb finde ich es auch gut, dass es Anregungen aus den Bezirken, aber auch von Organisationen gibt wie das BUND-Poster zum Planungsrecht. So können nämlich gemeinsame Wege gefunden werden, Bauleitplanungen in das öffentliche Bewusstsein zu bringen, nachhaltig, ökologisch und mit Empfehlungen für die Ausführung anzulegen und mit echter professioneller Bürgerbeteiligung auszuführen und Konflikte zu vermeiden. – Ich freue mich auf die weitere Diskussion in und mit der Stadt zu Projekten, Konzepten und Entwicklungen und natürlich auch mit Ihnen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank, Frau Haußdörfer! – Für die Linksfraktion hat jetzt die Frau Abgeordnete Lompscher das Wort. – Bitte sehr!