Protocol of the Session on September 13, 2012

Vielen Dank! – Das Wort für die Piratenfraktion hat noch einmal der Abgeordnete Herr Höfinghoff. – Bitte sehr!

Vielen Dank Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Müller! Es ist ganz schön, dass ich jetzt noch ein wenig Zeit übrig habe, weil es nach den Ansprachen des Senats keine Kurzinterventionen gibt. Die von Ihnen aufgestellte Rechnung hat tatsächlich eine ganz eklatante Lücke. Sie haben sich in Ihrer Koalitionsvereinbarung schon darauf verständigt, dass Sie in den fünf Jahren insgesamt 30 000 neue Wohnungen am Markt für den sozialen Wohnungsbau schaffen wollen. Dem stelle ich jetzt einfach einmal eine Zahl gegenüber: Berlin hatte 2011 im Vergleich zu 2010 ganze 40 000 Menschen mehr, die hier wohnten. Für wie nachhaltig halten Sie dann Ihre 30 000 Wohnungen?

Zur Finanzierung muss ich noch einmal die Frage stellen, wie eigentlich hier die ganze Zeit – zwar nicht formuliert, aber definitiv durch den Raum wabernd – über Geld gesprochen wird. Wir haben 444 Millionen Euro, um das Planungsversagen einer gesamten Flughafengesellschaft und entsprechende Aufsichtsratsmitglieder – schön, dass Sie da sind, Herr Henkel – irgendwie abzubezahlen. So

ziales Wohnen soll nicht bezahlbar sein? Welchen Bären wollen Sie uns hier aufbinden?

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank, Herr Höfinghoff! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aktuelle Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden.

Zur Drucksache 17/0486 wurde die Überweisung an den Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr empfohlen. – Dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 4:

Prioritäten

gemäß § 59 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4.1:

Priorität der Fraktion Die Linke

Tagesordnungspunkt 16

Kinder und Jugendliche fördern – das Land ist in der Pflicht

Antrag der Fraktion Die Linke Drucksache 17/0416

hierzu:

Änderungsantrag der Piratenfraktion Drucksache 17/0416-1

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion Die Linke. Das Wort hat die Abgeordnete Frau Möller. – Bitte sehr!

Vielen Dank! – Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Präsidentin! Es ist heute schon im Kontext Mieten öfter von einem Paradigmenwechsel die Rede gewesen. Daran kann ich gleich anknüpfen. Wir brauchen nämlich noch einen Paradigmenwechsel bei allem, was mit Kinder- und Jugendhilfe zu tun hat. Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ist nicht immer nur defizitorientiert oder als Prävention von Kriminalität zu denken. Natürlich geht es oft um Hilfe in Not und um Problemlagen, auch das, aber in erster Linie geht es um das Fördern Heranwachsender, unabhängig von sozialer, ethnischer und kultureller Herkunft.

Wir haben ein Kinder- und Jugendhilfegesetz, das gut gedacht ist. Es steht darin in § 1:

Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit.

Das Kinder- und Jugendhilfegesetz beschreibt auch die Grundidee von Jugendarbeit:

Jungen Menschen sind die zur Förderung ihrer Entwicklung erforderlichen Angebote der Jugendarbeit zur Verfügung zu stellen. Sie sollen an den Interessen junger Menschen anknüpfen und von ihnen mitbestimmt und mitgestaltet werden, sie zur Selbstbestimmung befähigen und zur gesellschaftlichen Mitverantwortung und zu sozialem Engagement anregen und hinführen.

Das ist der Sinn von Jugendfreizeitarbeit.

Gut ist, dass sich das Land Berlin gesetzlich verpflichtet hat, 10 Prozent des Budgets im Jugendhilfebereich für Kinder- und Jugendarbeit auszugeben, also für die Freizeiteinrichtungen, die allen Kindern und Jugendlichen offen stehen. Soweit lautet die Theorie. Bis hierhin hört sich das alles auch noch schön an. Es gibt aber einen Unterschied zwischen Theorie und Praxis.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Wolf?

Danke schön! – Fänden Sie es nicht angemessen, wenn die zuständige Senatorin zu diesem Prioritätenpunkt anwesend wäre? Die Senatsreihe ist komplett leer.

Das finde ich durchaus angemessen. Allerdings sind wir es schon den ganzen Tag gewohnt, dass die Bänke leer sind. Aber wäre es möglich, darauf noch einmal aufmerksam zu machen?

[Zuruf]

Ich höre gerade, dass die Fraktion anruft.

Sie kommt gerade herein. Frau Senatorin ist jetzt anwesend. Sie können also fortfahren.

[Vereinzelter Beifall]

Vielen Dank für die Frage! Vielen Dank, Frau Scheeres, dass Sie wieder hereinkommen. Ich war gerade dabei, das Land Berlin zu loben, weil es sich gesetzlich dazu verpflichtet hat, 10 Prozent des Budgets im Jugendhilfebereich für Kinder- und Jugendarbeit auszugeben.

Allerdings wissen wir alle, dass der Unterschied zwischen Theorie und Praxis in der Praxis viel größer ist als in der Theorie. Das Land reicht nämlich die Verantwortung an die Bezirke weiter und sagt: erst mal erledigt. – Die Situation in den Bezirken allerdings ist bekannt, sie war heute auch schon Thema, speziell die Situation in Marzahn-Hellersdorf. Die Mittel sind zu knapp bemessen, besonders im Jugendbereich. Und der Haken am Kinder- und Jugendhilfegesetz ist, dass für solche Leistungen wie Freizeiteinrichtungen kein individueller Rechtsanspruch gegeben ist. Das verführt dazu, Kinder- und Jugendarbeit als nachrangig gegenüber gesetzlichen Pflichtaufgaben zu behandeln. Hier wird auch am ehesten gekürzt, um andere defizitäre Haushaltsbereiche auszugleichen. Etwas irreführend wird die Kinder- und Jugendarbeit gern „freiwillige Leistung“ genannt. Das ist sie aber nicht. So sieht es auch der Berliner Rechtshilfefonds Jugendhilfe e. V. Gesetzlich geregelte Aufgaben mit weitem Gestaltungsspielraum sind nicht freiwillig. Sie nicht zu leisten, ist rechtswidrig.

Eine weitere Plage ist das Prinzip der Kosten- und Leistungsrechnung. Sie zwingt, wie wir wissen, die Bezirke in einen Konkurrenzkampf mit zwangsläufigem Dumpingmechanismus. Dem System der Kinder- und Jugendhilfe werden dabei über die Jahre immer mehr Mittel entzogen. So geht es nicht weiter!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Alle Fachgremien, voran der Landesjugendhilfeausschuss, sind sich darin einig, dass dieser Konflikt gelöst werden muss. Deshalb wurde in der Vergangenheit auf eine Initiative des Rates der Bürgermeister hin bereits begonnen, ein alternatives Finanzierungsmodell zu erarbeiten. Die Ziele waren berlinweit einheitliche Ausstattungs- und Fachstandards. Menschen aus den Leitungen der Jugendämter und der zuständigen Senatsverwaltung erarbeiteten Vorschläge sowie eine Zielvereinbarung, die leider bis Herbst 2011 nicht die Zustimmung des Rates der Bürgermeister fand. Seitdem ruht alles in der Schublade. Viel, viel Arbeit, zum Teil hochbezahlte Arbeit, zum Teil ehrenamtliche Arbeit, ist umsonst geleistet worden.

Das Problem aber bleibt akut. Das Nachdenken muss weitergehen. Der Arbeitsprozess muss wiederaufgenommen werden, denn wir wollen einen berlinweit gültigen Rahmenvertrag für die Leistungen der Kinder- und Jugendarbeit, der Leistungsbeschreibungen und Vereinbarungen zur Qualitätssicherung beinhaltet.

Qualität meint hier vor allem auch die Einhaltung des Fachkräftegebots. Wir wollen dazu ein neues Finanzierungsmodell, das einwohnerbezogen eine Grundausstattung in den Sozialräumen gewährleistet. Außerdem soll es bei besonderen sozialräumlichen Erfordernissen eine zusätzliche Finanzierung geben. Wir brauchen einen breiten öffentlichen Dialog mit den Bezirken, den Trägern der Kinder- und Jugendarbeit und den Nutzerinnen und Nutzern der Angebote. Ich finde es gut, dass wir heute schon mit dieser Diskussion anfangen.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Eggert das Wort. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Möller! Ich danke Ihnen für diesen Antrag, Ihnen und der Linken! Ich finde, das ist ein sehr konstruktiver und guter Antrag.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Aber …! von der LINKEN]

In meinem Manuskript kommt kein Aber, machen Sie sich deswegen keine Sorgen! Ich komme mit schlauen Veränderungen, die ich mir schon im letzten Plenum aufgeschrieben hatte. – Die angesprochenen Probleme der bezirklichen Jugendarbeit sind seit Langem bekannt – das haben Sie eben auch noch mal ausgeführt – und wurden auf Bitte des Rates der Bürgermeister bereits in der letzten Legislaturperiode im Rahmen einer Lenkungsgruppe detailliert bearbeitet. Die Lösungsvorschläge konnten – das ist sehr bedauerlich; das bedauere ich für diese Koalition, aber auch für die letzte Legislaturperiode – nicht die Mehrheit im Rat der Bürgermeister finden. Vielleicht – das ist eine Hoffnung – werden ähnliche Vorschläge oder das, was wir jetzt gemeinsam erarbeiten, in dieser Legislaturperiode eine Mehrheit finden.

Derzeit liegt im Rat der Bürgermeister eine neue Vorlage des SPD-geführten Bezirks Lichtenberg zum Rahmenvertrag Jugendarbeit vor. Das war zur letzten Plenarsitzung auch schon der Fall. Es wurde dann beraten. Die Lenkungsgruppe arbeitet weiter. Es gibt aber noch keinen endgültigen Vorpunkt.

Mein besonderer Dank gilt – sozusagen als Grußwort – den Kolleginnen und Kollegen der BVV Lichtenberg, die das mit erarbeitet haben. Ich finde das Papier und den ersten Entwurf sehr gut. Ich denke, es wird sinnvoll sein, dass wir die Beratung mit den Bürgermeistern fortsetzen, dass wir die Beratung auch im Ausschuss fortsetzen. Deswegen beantragen wir auch die Überweisung.

Der Antrag der Fraktion der Linken orientiert sich weitgehend an der Vorlage, die aus Lichtenberg gekommen ist. Es ist jedoch nicht ausreichend, einen breiten und öffentlich geführten Dialog – wie es im Antrag heißt – zur Finanzierung der Berliner Jugendarbeit zu beginnen, solange die Hindernisse vor allem dadurch hervorkommen, dass es einen Eingriff in die Globalsummenbudgetierung bedeutet. Dieser ist leider nicht der Wunsch der Bezirke. Dass die Landesebene hier eingreifen soll, ist nicht der Wunsch der Bezirke. Wir werden als Koalition gern mit Ihnen über diesen Antrag diskutieren, werden ihn im Ausschuss besprechen.