Die Kulturpolitik der Koalition lautet: „Vorwärts immer, rückwärts nimmer!“ In allen gesellschaftlichen Bereichen heißt es, wenn es um eine Privatisierung geht – z. B. im innenpolitischen Bereich bei der Privatisierung der Gefangenentransporten –, dass es keine Denkverbote geben darf. Sobald man einer Oper die Mittel streichen möchte, ist es ein Skandal. Wir wollten die Oper gar nicht schließen, wir wollten ihr nur die Mittel streichen.
Gerade in Krisenzeiten hört man doch immer wieder von den sogenannten Reichen, man würde mal gerne was machen – z. B. mehr Steuern zahlen. Wir hindern niemanden daran, die Deutsche Oper zu betreiben. Jeder russische Oligarch, der neben seinem Fußballverein noch eine Oper haben möchte, der ist herzlich eingeladen, das zu tun.
Vorhin wurde gesagt, welche Herausforderungen in Sachen Sparen dem Land Berlin bevorstehen – wie stellen Sie sich das vor? – Dass wir in zehn Jahren sagen, wir müssen die Deutsche Oper schließen, weil wir sparen müssen? Das ist wunderbar, denn dann haben wir die Situation, dass wir durch unsere jetzige Politik die freie Szene krepieren lassen und durch unsere andere Finanzpolitik in zehn Jahren auch so ein Haus wie die Deutsche Oper schließen müssen, weil dann auch kein Geld mehr für so etwas da ist, denn wir müssen ja Sparkriterien erfüllen.
Was im Kulturausschuss aber möglich war, das waren 1 Million Euro für die freie Szene – wobei keiner weiß, wie man das Geld verteilt – und 1 Millionen Euro für das Schlossparktheater und die Bühnen am Kurfürstendamm. Frau Lange! Vorhin haben Sie gesagt, man habe sich um den Tarif gekümmert. Der Antrag der Linken, die Mitarbeiter der Gedenkstätte Hohenschönhausen nach Tarif zu bezahlen, was das Land Berlin 120 000 Euro im Jahr gekostet hätte, weil der Bund die Hälfte dazu gibt, hatte keinen Erfolg.
Herr Wowereit! Das einzige, was sich bei dieser Kulturpolitik im Moment in der Stadt frei und ungehindert an Kulturen entfalten kann, das sind Schwamm-, Pilz- und Schimmelkulturen an öffentlichen Schulen und in Wohnungen von Wohnungsbaugesellschaften, die sich nicht um ihre Objekte kümmern.
Jetzt werden Sie gleich, Herr Wowereit, wahrscheinlich wieder sagen, wir sollen es doch selber machen, so wie neulich im Kulturausschuss. Das fand ich auch sehr bemerkenswert, Ihre Einlassungen zur Staatsoper, als Sie Herrn Brauer und Frau Bangert nahegelegt haben, Sie sollten es doch besser machen, wenn Sie es alles besser wüssten. Wunderbar! Das machen wir, glaube ich, alle gern. Dann müssen wir darüber reden, ob wir die Opposition so ausstatten, wie die Kulturverwaltung. Sie haben da einen ganzen Apparat von Experten. Oder, Sie könnten sich überlegen, ob Sie nicht doch eine neue Kultursenatorin oder einen neuen Kultursenator brauchen, weil sich die jetzige Konstruktion nicht selbst trägt. Wenn Sie es nicht selbst besser machen wollen oder besser machen können, und uns dazu auffordern, dann ist in der Opposition auf jeden Fall die Bereitschaft vorhanden, es zu tun, wenn man das Spiel dann auch lässt.
Noch ein Wort zum Musicboard: Das sind ja auch Nebelkerzen. Diese Vorstellung, da war Herr Böhning bei uns im Ausschuss und hat gesagt: Wir haben kein Konzept, das kommt erst 2013 –, das kennt man normalerweise nur von den Piraten. Wie uns so etwas um die Ohren gehauen worden wäre, auch im Wahlkampf, wenn wir gesagt hätten: Wir wollen so ein Musicboard machen, das kostet 1 Million Euro, wir wissen aber noch nicht, wie es läuft, aber das passt schon. – Dass die zwei Anhörungen, die der Senat in diesem Haus veranstaltet hat, dass Sie das als Beteiligung ausgeben, dass die Vorstellung herrscht, aufgrund zweier solcher Anhörungen könnte der Senat ein Musicboard einrichten, das ist doch ein Witz. Dann bekommt man natürlich die Mails der Kulturschaffenden aus Berlin, die besagen, es werde sich schon seit Monaten getroffen, auch hinter geschlossenen Türen, es gebe schon ein Konzept und das alles sei Mummenschanz. – Ich bin sehr gespannt, wer derjenige ist, der das Musicboard betreiben darf. Ich gebe meine Wette auf Herrn Renner ab. – Ich bedanke mich ganz herzlich! Schauen wir, was passiert! Vielen lieben Dank!
Vielen Dank, Herr Kollege Lauer! – Ich erteile jetzt dem Regierenden Bürgermeister und Kultursenator das Wort. – Bitte schön, Herr Wowereit!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gerade von Herrn Lauer kam ein interessanter Beitrag. Dass Sie den Senat beschimpfen, ist nicht neu, aber dass Sie jetzt Ihre eigenen Kollegen im Kulturausschuss auch noch niedermachen, hat schon eine besonders pikante Note.
Wir haben mit diesem vorgelegten Haushalt in der Tat einen Schwerpunkt gesetzt. Wir haben die Rahmenbedingungen schon einmal analysiert: 0,3 Prozent Ausgabensteigerung ist der Maßstab. Das bedeutet in der Tat, dass allein aufgrund steigender Tarife vieles schon kompensiert werden muss. Insofern ist ein Aufwuchs im Kulturbereich in der Tat ein Erfolg. Er ist bundesweit ein Erfolg und unterstreicht die Wichtigkeit der kulturellen Vielfalt und der kulturellen Aktivitäten in der Stadt. Für Berlin ist es weit mehr als ein Kulturgenuss in den unterschiedli
chen Bereichen, für Berlin ist es ein ganz harter Standortfaktor, eine lebendige Kulturlandschaft zu haben.
Diese Lebendigkeit wird durch die Vielfalt geprägt, Selbstverständlich machen die Einrichtungen der sogenannten Hochkultur, die festen Häuser, die großen Häuser, die eine Personalstruktur mit sehr vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern haben, den Schwerpunkt dieses Etats aus. Ich glaube, dass sich dies grundsätzlich nicht ändern wird, weil sie aufgrund ihrer Struktur ein riesiges Finanzvolumen binden.
Es liegt in der Natur der Sache, dass freie Gruppen andere Arbeitsbedingungen haben. Es liegt in der Natur der Sache, dass sich bestimmte neue Projekte entwickeln, leider unter sehr schwierigen Bedingungen. Deshalb geht es bei einer fördernden Kulturpolitik auch darum, die Rahmenbedingungen für die Künstlerinnen und Künstler zu verbessern. Deshalb ist es bei sich ändernden ökonomischen Grundsituationen in der Stadt so wichtig, dass wir gegensteuern. Deshalb sind diese 100 Ateliers ein wichtiger Beitrag, damit wir Berlin nicht nur als Stadt der Galerien, sondern auch der Künstlerinnen und Künstler erhalten können, damit sie mitten in der Stadt, dort, wo sie es für richtig erachten, in der Lage sind, Atelierräume zu vernünftigen Bedingungen anzumieten. Dafür ist dieses Atelierprogramm vorgesehen. Ich bin mir sicher, dass das nicht der letzte Schritt ist. Wir werden weiter gegensteuern müssen. Wir müssen sehen, dass wir Angebote schaffen mit Übungsräumen für Musikgruppen.
Wir brauchen außerdem die Förderung der Rahmenbedingungen für Bühnen und Probestätten. Es ist oft der Fall, dass Räume benötigt werden. Auch das verändert sich, wenn sich die Mietsituation verändert. Es wird nicht mehr bezahlbar sein, was man bislang für wenig Geld hat anmieten können. Auch hier muss gegengesteuert werden, auch hier müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden. So verstehen wir das. Auch die Arbeit der freien Gruppen ist zu unterstützen, deshalb der Schwerpunkt. Es ist nicht viel Geld dafür vorgesehen, das gebe ich offen zu, aber es ist deutlich mehr als bisher.
Wir dürfen nicht vergessen, dass nicht nur der Kulturetat den Rahmen für die kulturellen Aktivitäten in der Stadt bietet. Auf der anderen Seite haben wir den großen Finanzier Bund, der in erheblichem Umfang kulturelle Projekte in der Stadt unterstützt und ermöglicht. Wir sind dankbar dafür. Wir sind dankbar dafür, dass mit dem Hauptstadtkulturvertrag nicht das Ende der Fahnenstange erreicht ist, sondern dass gerade jüngst der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages beschlossen hat, für die Verwirklichung des Projekts der Stiftung von Familie Pietzsch bessere Bedingungen zu schaffen
und 10 Millionen Euro mehr zur Verfügung stellt, damit die Investitionen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz
durchgeführt werden können, damit die Rochade gelingt, damit wir Raum schaffen für die Sammlung Pietzsch. Das ist ein gutes Signal.
Wir freuen uns nach wie vor, dass private Stifter wie Familie Berggruen und andere sich in der Stadt engagieren. Wir haben den Hauptstadtkulturfonds, der vornehmlich auch gerade freie und kleine Gruppen unterstützt. Wir haben Gott sei Dank noch die Möglichkeiten mit Lotto, trotz all der Veränderungen, die sich in den Rahmenbedingungen ergeben haben, sehr viele kulturelle Projekte durchzuführen. Auch dabei versuchen wir, vornehmlich in die Infrastruktur zu investieren
und Dinge zu ermöglichen, die über die Institutionen nicht möglich wären. Wir haben die Kulturstiftung der Länder, wir haben die Kulturstiftung des Bundes, und wir haben auch ein sich steigerndes privates Engagement. Dies alles zusammen macht den kulturellen Reichtum dieser Stadt aus. Der ist vielfältig, der ist einzigartig in der ganzen Welt, würde ich heute sagen. Ich sage das nicht aus Größenwahn, sondern aufgrund der vielen Menschen, die extra hierher kommen, um ihre Kultur hier zu machen oder sie zu genießen. Darauf können wir bauen, und dies haben wir mit dem Haushaltsplanentwurf und mit den Entscheidungen im Hauptausschuss und im Kulturausschuss weiter unterstützt. Ich bin dankbar, dass sogar noch etwas obendrauf gepackt worden ist. Ich kann nur sagen: Weiter so! – Schönen Dank!
Vielen Dank, Herr Regierender Bürgermeister Wowereit! – Für eine zweite Rederunde liegen mir keine Wortmeldungen vor, sodass ich jetzt zur Abstimmung komme.
Wer nun insgesamt den Kapiteln „Kulturelle Angelegenheiten“ – ich wiederhole noch einmal die Kapitelnummern: 0310, 0312 bis 0314, 0319 und 0320 – unter Berücksichtigung der Empfehlung des Hauptausschusses gemäß Drucksache 17/0400 und den Auflagenbeschlüssen Nummern 1 bis 24 und 26 des Hauptausschusses vorbehaltlich der am Ende der Sitzung abzustimmenden Änderungsanträge der Fraktionen zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die Fraktion von SPD und CDU. Wer ist dagegen? – Das sind Grüne, Linke und Piraten. Ersteres war die Mehrheit. Dann ist so beschlossen.
Wir hatten uns im Ältestenrat verabredet, dass wir jetzt die klassische Haushaltsberatung unterbrechen und einige Beschlussempfehlungen behandeln, die jeweiligen Tagesordnungspunkten zugeordnet sind.
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Verbraucherschutz, Geschäftsordnung vom 2. Mai 2012 Drucksache 17/0321
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Verbraucherschutz, Geschäftsordnung vom 2. Mai 2012 Drucksache 17/0323
Dazu gibt es einen Änderungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU sowie der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/0013-1.
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Verbraucherschutz, Geschäftsordnung vom 2. Mai 2012 Drucksache 17/0322
Ich eröffne hinsichtlich der beantragten Verfassungsänderung die zweite Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der zwei Artikel miteinander zu verbinden, und höre hierzu keinen Widerspruch. Ich rufe also die Überschrift und die Einleitung sowie Artikel I und II Drucksache 17/0278 auf. Für die Beratung steht den Fraktion eine Redezeit zu, die sich aus einer Gesamtredezeit von bis zu 15 Minuten für die Beratungsgegenstände außerhalb der Haushaltsberatungen ergibt.
Ich erteile jetzt der Fraktion der Piraten das Wort. Es hat sich der Kollege Reinhardt als Redner gemeldet. – Bitte sehr, Herr Kollege, Sie haben das Wort!
Danke schön, Herr Präsident! – Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Vor acht Monaten standen wir hier schon einmal mit relativ einfachen Vorschlägen. Wir