Protocol of the Session on June 14, 2012

Herr Saleh! Herr Graf! Sie haben sich ja schon gefeiert für 50 Millionen Euro zusätzlich für die Bezirke. Es ist Ihnen egal, dass diese parteiübergreifend noch im vergangenen Jahr 111 Millionen Euro Mehrbedarf angemeldet haben, und zwar auch für Personal. Jetzt stöhnen insbesondere die SPD-Bezirksbürgermeister auf, sie müssen weiter Personal abbauen. Dort, wo es der Bürger merkt, fehlen die Leute. Um noch einmal zu unterstreichen, dass Ihnen die Not der Bezirke ziemlich schnuppe ist, schaffen Sie es nicht einmal, den Personalschlüssel an den der Hauptverwaltung anzupassen. Wir haben vorgeschlagen, zur Stärkung der Finanzkraft der Bezirke und damit zur Sicherung bezirklicher Selbstverwaltung 80 Millionen Euro 2012 und 92 Millionen Euro 2013 mehr auszugeben. Davon wären 50 Millionen Euro Sachmittel und 30 bzw. 40 Millionen Euro Mittel für Personal. Das haben Sie abgelehnt. SPD und CDU haben nichts unternommen, um die Benachteiligung der Bezirke bei der Personalausstattung zu beenden. Sie haben diese Chance vertan.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Stattdessen – Herr Graf, es ist unglaublich – gibt es künftig mehr Verfassungsschutzpersonal. Den will die Koalition – und Sie haben es gefeiert und haben die Opposition kritisiert, es ist unglaublich – um zehn Stellen aufstocken, fünf davon für den Kampf gegen Rechtsextremismus. Noch ist die Geschichte der Terrorgruppe NSU nicht ansatzweise aufgearbeitet, da wird schon mal der Geheimdienst aufgerüstet, da wird die Institution, die, wenn sie nicht selbst Teil des Skandals war, wenigstens versagt hat, mit Personal belohnt. Wir wollen Rechtsextremismus bekämpfen, wir wollen nicht nur zugucken, Herr Graf! Der Verfassungsschutz darf nach dem Gesetz beobachten, er soll dann die Politik beraten. Zehn bzw. fünf Stellen zusätzlich nun als Meilenstein auf dem Weg zur Lösung des Problems rechter Gewalt zu verkaufen, das ist einfach nur Volksverdummung.

[Beifall bei der LINKEN und bei den PIRATEN – Beifall von Michael Schäfer (GRÜNE)]

Dabei wird dieses Geld anderswo dringend gebraucht. Rassismus und rechte Gewalt müssen da bekämpft werden, wo sie entstehen: in der Gesellschaft. Wir brauchen eine starke Zivilgesellschaft, denn rechte Einstellungen sind bereits in der Gesellschaft verankert. Statt Spitzelei mit VS- und Extremismusklauseln gegen alles und jeden, stecken Sie das Geld in die Förderung von Projekten wie mobile Beratungsteams, Opferberatung, demokratische Jugendkultur, bezirkliche Netzwerke gegen Rechts! Das ist wichtig und weit effektiver für die Bekämpfung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus. Das haben wir alles beantragt, die Koalition hat es abgelehnt. Belehren Sie uns nicht über den Kampf gegen Rechtsextremismus!

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Herr Graf! Nicht mit diesem Haushalt kommen werden die versprochenen 250 neuen Polizisten.

[Harald Wolf (LINKE): Unglaublich!]

Und wenn sie doch kommen sollten, werden sie an anderer Stelle wieder doppelt eingespart. So sieht es der rotschwarze Landesetat vor. Bislang ist Senator Henkel dem Parlament jede Erklärung schuldig geblieben, wie die Stellen finanziert werden sollen.

[Beifall bei der LINKEN – [Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Stattdessen stehen im Haushaltsplan über 16 Millionen Euro pauschale Minderausgaben für Personal im Bereich Inneres. Die wollen Sie einfach ins Blaue hinein einsparen. Gleichzeitig lesen wir in der Zeitung, dass jetzt U-Bahnstreifen abgezogen und beim Objektschutz eingesetzt werden. Es ist für alle, die hingucken, nicht zu übersehen: Ihre Wahlversprechen für mehr Polizei auf der Straße, Herr Henkel, haben sich mit diesem Etat in Luft aufgelöst. Statt mehr Polizisten kommen auf Berlin Einsparungen, Personalabbau und Privatisierung von Polizeiaufgaben zu.

[Michael Schäfer (GRÜNE): Immerhin mehr undichte Stellen!]

Möglicherweise! Weniger Personal – auch weniger undichte Stellen! Insofern, Herr Schäfer, steckt ja vielleicht Methode dahinter.

Obwohl die CDU immer gegen das unter Rot-Rot eingeführte Partizipations- und Integrationsgesetz war, wird es weitergeführt. Das klingt gut. Leider ist während der Haushaltsberatungen unklar geblieben, wie die folgenden Schritte der Umsetzung aussehen sollen, insbesondere auch, wie die interkulturelle Öffnung der Verwaltung vorangetrieben werden soll.

[Senatorin Dilek Kolat: Das kann ich Ihnen gleich erklären!]

Ich hoffe, dass Sie das erklären können, Frau Kolat, ich hoffe sehr! Ein paar Sachen müssen ja auch noch funktionieren in diesem Land. Geld wollten Sie dafür bis jetzt nicht in die Hand nehmen, und klare Vorhaben konnten Sie bisher nicht benennen. Ich frage Sie, Frau Kolat – Sie können es vielleicht beantworten –: Wird da auch weiter gemogelt?

Lassen Sie mich zusammenfassen: SPD und CDU geben 2012 und 2013 für wichtige Dinge zu wenig und für Prestigeprojekte zu viel aus. Viele Brocken sind schlichtweg nicht eingepreist. Das ist rot-schwarze Haushaltspolitik. Mit Seriosität hat das nichts zu tun.

Ich möchte das zum Schluss am Beispiel der Wasserbetriebe untermauern. Offenbar ist jetzt nach RWE auch Veolia bereit, sich aus den Wasserbetrieben zurückzuziehen. Das ist ein Erfolg all jener, die sich seit 1999 nicht mit der Teilprivatisierung abfinden wollten, und sicher ist es auch die Folge der Kartellamtsentscheidung, die wir gesucht und gewollt haben.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Andreas Baum (PIRATEN) und Martin Delius (PIRATEN)]

Wir haben den Vertrag zwischen RWE und dem Land noch nicht vorliegen. Daran wird sich wohl auch die Verhandlungslinie mit Veolia orientieren. Die Summen, über die geredet wird, erscheinen uns allerdings unverschämt hoch. Wenn die Verträge vorliegen, wird das sicher noch sehr genau zu prüfen sein. Aber eines ist doch klar, seit der Preissenkungsverfügung durch das Bundeskartellamt noch klarer: Die Gewinne der Wasserbetriebe werden sinken müssen. Das heißt, dass auch die Einnahmen des Landes Berlin hier niedriger ausfallen. Das muss doch in den Haushalt geschrieben werden. Alles andere ist ein Augenverschließen vor dem, was kommt.

[Beifall bei der LINKEN]

Und egal, ob RWE und Veolia aussteigen oder nicht, ein Ausgabentitel ist auf jeden Fall vollkommen überhöht: die Kosten für die Straßenregenentwässerung, die dem Land von den Wasserbetrieben in Rechnung gestellt werden. Um mindestens 25 Millionen Euro lässt sich das Land hier abzocken, weil nicht für die Regenentwässerung bezahlt, sondern eine überhöhte Kapitalverzinsung der Anteilseigner zugrunde gelegt wird. Meine Damen und Herrn von der Koalition! Das kümmert Sie alles nicht. Sie haben den Haushalt nicht danach aufgestellt, was vernünftig ist, was diese Stadt braucht, um auch in Zukunft eine Stadt für alle zu sein. Sie haben alle Vorschläge der Opposition selbstgerecht in den Wind geschlagen, Sie werden über Ihre ungeklärten Fragen und Ihre Versäumnisse weiter ins Trudeln geraten. Was hier vorliegt, ist jetzt schon Makulatur. – Herr Regierender Bürgermeister! Herr Finanzsenator! Von der Linksfrakti

on werden Sie zu diesem Haushalt keine Zustimmung erhalten.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Kollege Wolf! – Als Letzter in dieser Runde – für die Piraten der Kollege Baum. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Geehrte Kollegen und Gäste! Erst mal möchte ich noch einiges zu den Kollegen sagen, die vor mir geredet haben. Da war einiges dabei, zuletzt auch von Herrn Udo Wolf, der einige Punkte schon angesprochen hat. – Herr Saleh! Auch bei Ihnen hat tatsächlich, wie Frau Pop und andere schon bemerkten, die Mietenpolitik komplett gefehlt. Dazu haben wir hier nichts vernehmen können. Die Infrastrukturausgaben – wie Frau Pop auch anmerkte – sind auf einem historischen Tief. Auch dazu wurde wenig gesagt. – Herr Graf! Es fehlen die Alternativen! Wie Herr Wolf schon sagte, sind die meisten Änderungsanträge aus der Opposition abgelehnt worden. Wie soll man bei so einem Haushalt mitarbeiten, auch konstruktiv mitarbeiten, wenn klar ist, dass an ganz vielen Stellen kein Diskussionsbedarf, sondern nur der Wunsch besteht, das genau so zu machen, wie man sich das selber ausgedacht hat? Ist ja letzten Endes auch ihr gutes Recht, aber ich denke –

[Zuruf von Dr. Manuel Heide (CDU)]

Ja, das ist so. Allerdings sollten wir uns hier im Haus darüber Gedanken machen, was die besten Lösungen sind, und nicht nur in unserer Mehrheitsposition verharren und nicht darauf eingehen, was vielleicht auch berechtigte Anliegen der Opposition sind.

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Dann möchte ich mich auch dem Ausschussvorsitzenden anschließen und insbesondere dem Büro des Hauptausschusses danken, weil es auch für uns, die ganz neu in diesem Parlament sind und die ersten Haushaltsberatungen mitgemacht haben, eine große Hilfe war, auf konkrete Fragen immer schnell und freundlich gute Antworten zu bekommen. Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN]

Ich möchte mich auch den abschließenden Worten von Herrn Verrycken anschließen. Wir müssen daran arbeiten, dass die öffentliche Diskussion, die Berlinerinnen und Berliner in die Beratungen einbezogen werden. Dazu ist ein Bürgerhaushalt, den wir unterstützen, ein Instrument. Das reicht aber nicht aus. In Zukunft muss es auch für alle Interessierten ohne vorheriges mehrwöchiges

Aktenstudium möglich sein, nachvollziehbare Einblicke in den Haushalt zu bekommen. Wichtige nachvollziehbare Veränderungsvorschläge, wie sie von den Studenten der Schauspielschule „Ernst Busch“ gemacht wurden, müsse in Zukunft möglich sein, ohne dass ein Kraftakt mit vielen Demonstrationen, wie von Herrn Wolf bereits beschrieben, notwendig ist.

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN – Beifall von Michael Schäfer (GRÜNE)]

Es sollte immer das Ziel unseres grundlegenden Handelns sein, dass wir gerade solche Gelegenheiten nutzen, um in den Dialog mit Interessierten zu treten. Wir sollten das Engagement ernst nehmen und dafür sorgen, dass die Entscheidungen der Parlamentarier nachvollziehbar sind. Dazu ist es nicht hilfreich, wenn sich Herr Schneider in einem solchen Moment freundlich grinsend zurücklehnt, auf seine Position besteht und ihm ein berechtigtes Anliegen der Bürger völlig egal ist. Er sagt einfach: Das interessiert mich nicht. Wir machen das jetzt erst einmal anders. – Die Kraft, die da vorhanden ist, könnte man viel sinnvoller einsetzen, indem man in einen Dialog eintritt und erklärt, warum bestimmte Entscheidungen so und nicht anders ausfallen.

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN – Beifall von Michael Schäfer (GRÜNE)]

Wir würden uns freuen, wenn wir die Zeit nach der Sommerpause dazu nutzen könnten, um gemeinsam zu Veränderungen im Verfahrensablauf der Haushaltsberatungen zu kommen. Es gab immer wieder solche Veränderungen. Ich denke, es ist an der Zeit, das wieder zu tun. Unsere konstruktive Mitarbeit versichere ich Ihnen hiermit.

[Beifall bei den PIRATEN]

Wir Berliner Piraten haben nicht die Mühen gescheut, uns angemessen in den Haushalt einzuarbeiten. Das ist uns an vielen Stellen gelungen, an anderen jedoch nicht so, wie wir uns das vorgestellt hatten. Auf Veranstaltungen wurden uns Einzelpläne, Kapitel, Titel, Ist-Ansätze, Produktsummen, Sperrvermerke, Verpflichtungsermächtigungen, disponible und indisponible Positionen erklärt. Dennoch ist man damit noch weit von einem transparenten Haushalt entfernt. Es ist zu kritisieren, dass man den Einstieg nicht in der Form finden kann, wie einem das heutzutage möglich gemacht werden sollte und wie man das erwarten kann.

Es bleibt das ungute Gefühl, dass viele Ansätze zu niedrig sind und perspektivische Erwartungen im Haushalt verbaut sind und nicht erfüllt werden können. So werden die Polizeiwagen in Berlin nicht weniger Sprit verbrauchen als im letzten Jahr, und der Preis für Benzin ist auch nicht gesunken. Gleichzeitig sind die Ansätze niedriger. Das sind Dinge, bei denen kann man jetzt schon klar

sagen: Das funktioniert so nicht. Sie werden damit nicht haushalten können.

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN – Beifall von Michael Schäfer (GRÜNE)]

Offensichtlich wollte man aber nicht zu viel Geld in den Spritposten verwursteln, um es für andere Dinge zur Verfügung zu haben. Nur leider werden die Kosten real auf uns zukommen. Es wird mit Tricks gearbeitet, die nicht nachvollziehbar sind und nichts mit Haushaltsklarheit und -wahrheit – wie es so schön heißt – zu tun haben.

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN – Beifall von Joachim Esser (GRÜNE)]

Prestigeobjekte wie die Landesbibliothek, von denen in diesem Haushalt nur geringe Ansätze zu Buche schlagen, werden in den Folgejahren noch kommen. Rund 100 Millionen Euro: 2012 und 2013 je eine Million Euro plus 52 Millionen Euro Verpflichtungsermächtigungen für die Umgestaltung von Tegel – gänzlich ohne Nachnutzungskonzept.

Wir haben auf hohem Niveau festgefahrene Subventionen für die Berliner Opern, ohne den Wunsch, sich in eine breite Kunst- und Kulturfinanzierung zu begeben und von den Opernhäusern eine stärkere Selbstfinanzierung einzufordern. Das sind die Stellen, an denen der Haushalt belastet wird. Das weckt in der Bevölkerung zu Recht Unmut darüber, dass wir mehr Wert auf elitäre Vorhaben als auf eine Finanzierung der Bürgerbedürfnisse legen. Wir werden eine Million Euro für ein Medienboard völlig ohne Konzept zur Verfügung stellen, bei dem unklar ist, was daraus werden soll. Gleichzeitig haben wir Sommer, und die Schlaglöcher aus dem letzten Winter sind immer noch nicht geflickt. In Zukunft ist da keine Veränderung absehbar. An den notwenigsten Mitteln wird immer wieder unverhältnismäßig stark gespart.

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN – Beifall von Joachim Esser (GRÜNE)]

Dazu braucht es noch nicht einmal das BER-Desaster, welches das Land Berlin mindestens 150 Millionen Euro extra kosten wird oder 150 Millionen Euro pro Monat. Genaues weiß man noch nicht. Die Akteneinsicht ist unklar. Mein nächster Akteneinsichtstermin ist Ende Juni. Wir werden – wahrscheinlich in einem Nachtragshaushalt – mit hohen Kosten zu tun haben.

Wir verbauen uns mit diesen Prestigeobjekten nicht nur die faire und menschliche Ausfinanzierung der Bereiche Soziales, Bildung, Infrastruktur und Sicherheit, sondern wir bauen Verbindlichkeiten für die Zukunft auf, die den Nachtragshaushalt zu einer traurigen Gewohnheit werden lassen.

Es ist nicht mehr überschaubar, welche Verpflichtungsermächtigungen wir eingegangen sind. Schlimmer aber ist, dass nicht absehbar ist, was uns an Nachbesserungs- und Unterhaltungsarbeiten blüht. Ursache ist der inhärente Wunsch, durch Intransparenz das gewohnte Vorgehen auch in Zukunft zu kaschieren. Mit traurige Argumenten verwehrt sich Berlin mit seinen Bezirken seit geraumer Zeit der Doppik. Es ist nicht erträglich, dass wir darauf vertrauen sollen, dass die nicht nachvollziehbaren Haushaltsdaten, die Uneinsehbarkeit der zugrundeliegenden Verträge und die bestehende Notwendigkeit zur Nachfinanzierung von Groß- und Prestigeobjekten schon rechtens sind und ihre Ordnung haben, wenn parallel dazu peinliche Verfehlungen an der Tagesordnung sind. Wir sollten noch einmal überlegen, ob wir in Zukunft nicht einen übersichtlichen, doppischen Haushalt unter einer einheitlichen Darstellung des Landesvermögens, seiner Einnahmen und Ausgaben, seiner Abschreibungen und Risiken aufstellen sollten.