Vielen Dank, Frau Haußdörfer! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt der Abgeordnete Herr Esser das Wort. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Werter Herr Graf! Ich kann erst einmal sagen: Wir sind hier wieder vor der Sommerpause, und da wird wieder diese Politik gemacht, dass man Dinge durch das Parlament peitschen will – am besten, indem man jede öffentliche Debatte vermeidet und die Abgeordneten an den Rand dessen bringt, was sie überhaupt noch verkraften können. Insofern stehe ich hier so ein bisschen ähnlich wie Sie bei der Regierungserklärung und bin froh darüber, mitbekommen zu haben, dass es da hinten im Zweifel ein Sofa des Präsidenten gibt, auf das man sich retten kann. Denn es ist in der Tat so – und das führt durchaus zum Thema –: Was
haben wir heute alles auf der Tagesordnung? – Wir haben ein Vergabegesetz drauf, wo Sie den Umweltschutz mit Füßen treten. Wir haben ein Gesetz zur Risikoabschirmung drauf, das meiner Ansicht nach das Recht mit Füßen tritt. Wir haben einen verfassungswidrigen Haushalt, den wir verhandeln. Wir haben – Herr Nußbaum jedenfalls – einen Vertrag mit RWE, der den Vorschriften der Vierten Änderungsvereinbarung des Konsortialvertrages offenbar nicht entspricht. Wir haben riesige Probleme bei den Bäderbetrieben. Wir haben die Probleme beim Olympiastadion und bei Hertha BSC, die vorhin angesprochen worden sind. Wir haben ungelöste Probleme beim Tierpark. Wir haben das vorhin angesprochene Problem, was eigentlich mit der Lohn- und Gehaltsentwicklung im Land Berlin ist.
All das sind Situationen, wo die Hütte brennt und wo zum Teil auch Entscheidungen gefällt werden, aber darüber wollen Sie nicht reden. Stattdessen wollen Sie hier über ein Thema reden, wo keine Entscheidungen gefallen sind, sondern wo wir eine unendliche Debatte haben.
Frau Haußdörfer hat gesagt, sie habe ihr zu lange gedauert. Sie hat richtig eingesetzt, denn diese Debatte stammt aus dem Jahr 2006.
ob wir zu einer anderen Liegenschaftspolitik kommen, und jetzt philosophieren wir hier immer noch. Wir diskutieren über Dinge, wo keine Entscheidungen getroffen worden sind, wo es aber nötig ist, dass vonseiten des Senats endlich Taten vollbracht werden. Die möchten wir als Grüne sehen.
Ich verzichte deswegen hier auf die ganze Philosophie, denn in dieser Hinsicht hat Herr Schneider ja recht: Nach sechs Jahren Diskussion, drei Grünen-Anträgen zum Thema, vier Zwischenberichten des Senats ohne Schlussbericht, um die sich auch Herr Sundermann sehr verdient gemacht hat, den Herr Nußbaum dann wieder weggeschickt hat, um darauf eine abrupte Wende in dieser Politik einzuleiten, wo er an der entscheidenden Stelle, nämlich diesem bürokratischen Monster von Subventionstiteln in jedem Einzelplan des Haushalts, inzwischen wieder zurückrudern musste – Gott sei Dank! –, nach diesem ganzen Prozess sollten wir uns einig sein und ist es hier ausschließlich an der Zeit, Weichen zu stellen.
Frau Haußdörfer! In einem stimme ich Ihnen zu: Wenn es dabei bleibt, in Form von Einzelfallentscheidungen die
Dinge zu erledigen, dann ist das der falsche Weg. Auf diese Art und Weise haben wir gewissermaßen eine Situation geschaffen, wo ich für jedes nach einer neuen Politik vergebene Grundstück eine Minute Redezeit habe. Meine ganze Redezeit so ungefähr! Wir haben sechs bis acht Baugruppengeschäfte gemacht und 14 Grundstücke an unsere öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften gegeben. Ich habe dazu gesagt, dass so etwas Symbolpolitik ist, und ich wiederhole, was ich hier schon einmal gesagt habe: Wenn es dabei bleibt, ist das lächerlich.
Deswegen will ich mich nach dieser ganzen Vorgeschichte auf die Frage konzentrieren, was man jetzt tun könnte, um zu einer Grundsatzentscheidung zu kommen. Man versteht ja, dass in der Öffentlichkeit die Diskussion um ein Moratorium aufkommt. Es geht alles immer munter weiter, und darüber wird der Teppich dieser Phrasen gelegt. Deswegen, sagen die Leute, wollen wir ein Moratorium. Nun hat Frau Haußdörfer schon richtig gesagt, dass es Fälle gibt, wo es besser ist, sich auch weiter von Immobilieneigentum zu trennen. Dass Sie gesagt haben, da müsse man auch die Bezirke in die Verantwortung nehmen, fand ich aber etwas einseitig. Deshalb möchte ich den Fokus auf eine andere Baustelle lenken, wo vielleicht das Moratorium angemessen ist. Wir kommen doch gar nicht zu einer anderen Politik und insbesondere nicht zu einer Flächenbevorratung und einem Vorratsvermögen, solange wir nicht den permanenten Strom von Immobilien der Bezirke in den Liegenschaftsfonds – zum Verkauf – stoppen. Das ist die erste Entscheidung, die getroffen werden müsste, dass das sofort beendet wird.
Von mir aus mögen die Bezirke die eine oder andere Einnahme, die sie jetzt praktisch schon veranschlagt haben, realisieren. Das ist eine Frage des Übergangtermins. Aber dann ist Schluss. Dann ist hier an dieser Stelle definitiv Schluss.
Ich will Ihnen das nur an einem Beispiel aus meinem Heimatbezirk Wilmersdorf-Charlottenburg zeigen, weil das so spektakulär war, nämlich dem Rathaus Wilmersdorf: Das Rathaus Wilmersdorf ist und bleibt im Prinzip ein Verwaltungsgebäude. Das Rathaus Wilmersdorf sollte man auch nicht verkaufen. Das Rathaus Wilmersdorf wird zwar in Gänze und in dieser Größe von diesem Bezirk nicht gebraucht. Da ist ein Haushälter sehr dafür, Gebäudekosten zu senken. Aber das Rathaus Wilmersdorf gehört zur BIM. Das gehört in diesen großen Behördenstandort, den der Fehrbelliner Platz darstellt, und in diesem Zusammenhang zur Arrondierung dieses Gebäudes. Es gehört nicht in den Liegenschaftsfonds. Der Bezirk würde sich von den kalkulatorischen Kosten auch in diesem Fall komplett entlasten. Aber der Bezirk könnte dann eben nicht auch noch eine Einnahmeerwartung
haben. Das ist die Stellschraube. Wir müssen mit dieser Einnahme – Beteiligung aus Verkauf von Grundstücken – gegenüber den Bezirken zu einem Termin, den wir verabreden, ein Ende machen, damit dieser Strom endlich aufhört.
Frau Haußdörfer! Dann haben Sie nämlich die Situation, die Sie auch wollten, wie ich Sie verstanden habe, nämlich dass wir uns das dann in den Bezirken dahin gehend angucken, was sie betriebsnotwendig für ihre eigene Tätigkeit wirklich brauchen, was sie freiziehen können, indem sie zusammenrücken und was wir dann unter dem Gesichtspunkt der Flächenbevorratung und der Vorsorge für veränderte Situationen in der Stadt – da geht es dann um Schulen, Kitas und was weiß ich noch alles; das haben wir hier ja diskutiert – in einem Vorratsvermögen sammeln und überführen, wo die Bezirke dann aber von den kalkulatorischen Gebäudekosten entlastet sind.
Das ist, glaube ich, der Schritt zum Vorratsvermögen. – Wer zahlt das? – Wir haben das schon gesagt. Es sollten sich im Grunde genommen die BIM und das SILB, also der Gesamthaushalt und die Bezirke, die Kosten von diesen Gebäuden teilen.
Dann gucken wir uns die verbliebenen 5 000 Grundstücke – davon rund 2 000 vermarktbar – im Liegenschaftsfonds an. Vielleicht sind es jetzt auch ein paar mehr als die 2 000, die ich noch auf dem Schirm habe. Dann reden wir sicherlich nicht über die 700 Einfamilienhäuser, die da drin sind – und Zweifamilienhäuser. Dann reden wir aber vielleicht über die 700 bis 800 Gebäude und Grundstücke, die in der Stadt als wohnungspolitisch von hohem Interesse eingestuft worden sind. Dann reden wir also über die Aufteilung von dem, was wir praktisch noch meistbietend vermarkten, und dem Teil, den Herr Nußbaum, glaube ich, „Grundstücke und Immobilien zur Daseinsvorsorge“ genannt hat und der in unserem Antrag „Vermögen für nachhaltige Stadtentwicklung“ heißt.
Dann reden wir aber nicht über ein sich beständig veränderndes Portfolio, und dann erwarten wir, was hier in diesem Parlament schon zehn Mal gefordert worden ist – von allen möglichen Fraktionen der Opposition –, dass die Portfolio-Analyse des Liegenschaftsfonds dann endlich hier auf den Tisch kommt, damit wir diese Einteilung und Entscheidung – Was kommt wohin? – hier in diesem Parlament treffen können. Dann wären wir auf einer Schiene, auf der dieser gesamte Prozess überhaupt handhabbar wäre und wo wir beginnen würden, das zu erfüllen, was von außen zu Recht von uns gefordert wird, dass wir eine Bürgerbeteiligung und eine Beteiligung der interessierten Leute, die wach geworden sind, ermöglichen. Deswegen ist mein Vorschlag heute, –
wenn man sich angeblich in der Grundphilosophie so einig ist –, dann stoppen wir diesen Bestückungsprozess – aus der Hauptverwaltung kommt kaum mehr etwas – aus den Bezirken in den Liegenschaftsfonds. Dann können wir genau die Grundsatzentscheidungen treffen, die wir hier seit Jahren fordern, und von denen auch Sie, Frau Haußdörfer, heute gesprochen haben. Das wäre ein Verfahren, bei dem wir nicht mehr nur reden, sondern handeln.
Vielen Dank, Herr Esser! – Für die Fraktion der CDU hat jetzt der Herr Abgeordnete Brauner das Wort. – Bitte sehr!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Vielen Dank! In der Tat – man muss darauf zurückkommen, die Kollegen haben die Zahlen noch nicht so deutlich genannt –, die Liegenschaftspolitik ist jetzt seit über zehn Jahren neu ausgerichtet, das war im Jahr 2001, und hat seitdem einen erstaunlichen Weg genommen. Ich will zu Beginn unserer Diskussion einige Zahlen in den Raum werfen, damit wir wissen, warum wir jetzt an der einen oder anderen Stelle zum einen erfolgreich über eine Umgestaltung nachdenken können und zum anderen Möglichkeiten haben, überhaupt etwas umzugestalten.
Der Liegenschaftsfonds wurde im Jahr 2001 gegründet. Vom Jahr 2001 bis 2010 wurden über 2 000 Millionen Euro als Verkaufserlös generiert, im Jahr 2011 kamen noch einmal 157 Millionen Euro hinzu, was fast 2,2 Milliarden Euro bedeutet. Die Summe mag dem einen oder anderen bekannt vorkommen, das ist das Investitionsvolumen in den BER. Dies nur, um deutlich zu machen, über welche Dimension wir reden und was dort in den letzten Jahren geleistet worden ist. In den zehn Jahren gingen von dieser Summe 1,8 Milliarden Euro an den Landeshaushalt, 230 Millionen Euro erhielten die Bezirke. Unter dem Strich wurden über 13,9 Millionen Quadratmeter Fläche veräußert, 6 400 Verträge geschlossen. Ich denke, diese Zahlen sind beeindruckend und waren und sind für den Landeshaushalt wichtig. Insofern ist es aus unserer Sicht geboten, eine Aktuelle Stunde damit zu begründen und zu diskutieren, was wir hier an Entscheidungsbedarf haben.
[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Joachim Esser (GRÜNE): Ja, Herr Brauner! Man kann es auch überdrehen!]
Nein, Herr Esser! Wir kommen gleich noch dazu. Wir sind uns an manchen Punkten gar nicht so uneinig.
Vielleicht noch zwei, drei weitere Zahlen, die deutlich machen, warum wir über das Thema sprechen müssen.
[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Sie veranstalten regelmäßig Aktuelle Stunden, und Ihre Leute sind gar nicht da! Fällt Ihnen das gar nicht auf?]
Herr Albers! Unsere Leute sind da, hören interessiert zu, wir haben intensive Diskussion in unseren Arbeitskreisen, in der Fraktion, das Thema interessiert uns.
[Martin Delius (PIRATEN): Herr Albers! Die sind im Casino! – Weitere Zurufe von der LINKEN und den PIRATEN]
Kommen wir zurück zum Thema. Vielleicht noch zwei Zahlen. Wir haben über die Aktivierung der Grundstücke – darüber sind Studien angefertigt worden – noch einmal weitere 8 Milliarden Euro Investitionspotenzial für Sanierungs- und Baumaßnahmen in die Stadt bekommen, und wir haben über 13 000 Dauerarbeitsplätze durch die Veräußerung der Grundstücke und die damit verbundenen Investitionsmaßnahmen erreicht. Das sind sehr beeindruckende Zahlen. Wir sollten einen Moment innehalten und den Mitarbeitern und der Geschäftsführung des Liegenschaftsfonds für diese intensive und erfolgreiche Arbeit danken!
[Beifall bei der CDU und der SPD – Beifall von Joachim Esser (GRÜNE) – Martin Delius (PIRATEN): Halten Sie inne!]
Warum sehen wir jetzt Handlungsbedarf? – Wir haben sehr viel geleistet. Der Bestand des Liegenschaftsfonds ändert sich und auch der Bedarf in der Stadt. Wir haben auf der einen Seite weiterhin den finanziellen haushälterischen Bedarf, auf der anderen Seite aber auch den Bedarf, bestimmten Entwicklungen – seien sie wohnungspolitischer oder stadtentwicklungspolitischer, aber auch wirtschaftspolitischer Art – zu steuern.
Wir machen deshalb folgende Vorschläge – Herr Esser! Jetzt kommen wir zu dem Punkt, an dem wir uns einiger sind, als Sie vielleicht vermuten –: Zum einen müssen wir klar regeln, wie die Grundstücke in den Liegenschaftsfonds kommen. Wir stellen uns ein klares Portfoliomanagement mit einem Turnus, der zwischen zwei und drei Jahren liegt, vor, eine verpflichtende und verbindliche Beteiligung der Bezirke, auf der einen Seite einen klaren
Nachbestückungsvorgang, aber auch einen klaren Schnitt, und klare Kriterien für Vorhaltegrundstücke, die gebildet werden, und darüber hinaus ein transparentes Entscheidungsverfahren.
Danke, nein! – Das ist der erste Punkt, um klar zu regeln, wie es mit dem Liegenschaftsfonds weitergeht.
Für uns ist es wichtig, dass wir die Grundstücke nach drei Kriterien unterteilen. Einmal als Daseinsvorsorgegrundstücke, die wir als Vorratsgrundstücke definieren, Grundstücke mit einer direkten oder indirekten Verkaufsperspektive, und Grundstücke, die wir mit speziellen Zwecken in die Vermarktung geben wollen.